Vorwort
In den letzten zwei Jahrzehnten hat es in allen Sektoren des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens tiefgreifende Veränderungen gegeben, die sich auch auf den Bereich des Testens und Prüfens von Sprachkenntnissen auswirkten. Einerseits ergibt sich ein Bedarf an neuen Sprachprüfungen, andererseits bedürfen etablierte Sprachtests aufgrund veränderter Rahmenbedingungen der Revision.
Mit dem am 1. März 2020 in Kraft getretenen Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird in der Bundesrepublik Deutschland, angesichts des gravierenden Fachkräftemangels, die Einwanderung von qualifizierten Fachkräften und Auszubildenden aus Nicht-EU-Ländern (Drittstaaten) geregelt. Darunter fallen auch Regelungen zum Nachweis von Sprachkenntnissen, denn neben fachlichen Qualifikationen müssen Fachkräfte über sprachliche Kompetenzen verfügen, um ihren Beruf auszuüben. Hier ist in den letzten Jahrzehnten ein deutlicher Wandel zu verzeichnen. Im Zuge der Tertiärisierung ist zum einen der Bedarf an Dienstleistungsberufen, die traditionell stark kommunikationsorientiert sind, gestiegen. Zum anderen haben sich die Berufsprofile im Primär- und Sekundärsektor insoweit verändert, als dass heute ein gewisses Maß an Kommunikationskompetenz zur Professionskompetenz gehört.
Angeworbene Fachkräfte müssen je nach Berufssparte Sprachkenntnisse zwischen dem Niveau B1 und C2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) nachweisen. Dafür wurden zunächst die bereits auf dem Markt befindlichen Prüfungen genutzt. Jedoch zeichnete sich bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes ab, dass allgemeinsprachliche Kenntnisse den sprachlichen Anforderungen nicht in allen Berufsgruppen in hinreichendem Maße gerecht wurden. Als Beispiel seien hier die Gesundheitsberufe genannt, für die seitens der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) die Forderung nach berufsbezogenen Sprachkenntnissen gestellt wurde. Das ist nachvollziehbar: Pflegeberufe gehören zu den sprachintensiven Berufen. Sprachkompetenz ist Teil ihrer Professionskompetenz. Zu niedrige Kompetenzen in der deutschen Sprache würden einer Deprofessionalisierung Vorschub leisten und wären auch als Sicherheitsrisiko zu betrachten. Für die Ausübung eines Gesundheitsberufes sind daher Sprachkenntnisse nachzuweisen, die (a) mindestens auf dem Niveau B2 des (GER) liegen und die (b) berufsbezogen sind, da der „Arbeitsalltag andere kommunikative Anforderungen an die Berufsausübenden stellt, als sie durch allgemeinsprachliche Zertifikate oder Diplome nachgewiesen werden“ (Gesundheitsministerkonferenz 2019: 4). Das heißt, in diesem Kontext ergibt bzw. ergab sich der Bedarf der Entwicklung spezifischer berufsbezogener Sprachtests, die die Anforderungen der GMK erfüllen. Mittlerweile haben verschiedene Testanbieter derartige Prüfungen im Programm, unter anderen das Goethe-Institut und die TELC GmbH.
Weiterer Bedarf für die Überprüfung berufsbezogener sprachlicher Kompetenzen ergibt sich im Rahmen der Integration Geflüchteter auf den deutschen Arbeitsmarkt, und zwar im Kontext der Deutschsprachförderung nach DeuFöV. Dazu veranlasste das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter der fachlichen Leitung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Entwicklung von berufsbezogenen Sprachprüfungen, den Deutsch-Tests für den Beruf (A2, B1, B2, C1). Dabei handelt es sich um „eine Prüfungsreihe, die zur abschließenden Kompetenzfeststellung in den Spezialberufssprachkursen mit den Sprachniveauzielen A2 und B1 sowie den Basisberufssprachkursen mit den Sprachniveauzielen B2 und C1 nach dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (GER) dient“ (Plassmann et al. 2021: 4).
Neben der Neuentwicklung von Sprachtests sind umfassende Revisionen bestehender Prüfungen zu konstatieren. Durch technische Innovationen, die zunehmende Digitalisierung und das Aufkommen von Social Media hat sich das Kommunikationsverhalten von Sprecher*innen einer Sprachgemeinschaft geändert, das heißt, es ergeben sich andere Bedarfe, was unter anderem Auswirkungen auf die Konstruktvalidität bestehender Sprachtests hat. Wie genau eine umfassende Revision aussehen kann, lässt sich beispielhaft am TestDaF zeigen, dem in diesem Sonderheft mehrere Beiträge gewidmet sind.
Im schulischen Bereich geht es vielfach darum, Tests und Prüfungen zu formativen Zwecken einzusetzen, um (nicht nur) zugewanderte Schüler*innen gezielt beim Auf- und Ausbau des Deutschen sowie insbesondere bei bildungs- und fachsprachlichen Varietäten zu unterstützen.
Ziel der Sonderhefte Info DaF ist es, diese Entwicklungen an ausgewählten Beispielen für den deutschsprachigen Raum abzubilden. Die Beiträge des vorliegenden Heftes beziehen sich allesamt auf die Überprüfung von Sprachhandlungsfähigkeit im Bereich des Hochschulzugangs. Drei Beiträge haben den neuen TestDaF zum Gegenstand, ein Beitrag die DSH-Prüfung. Ein weiterer Beitrag widmet sich der produktiven und rezeptiven Wortschatzkompetenz ausländischer Studierender. Das nächste Sonderheft wird das Handlungsfeld Hochschule/Hochschulzugang noch einmal aufgreifen, sich aber insgesamt stärker mit den Bereichen Schule/Ausbildung und Beruf befassen.
Gabriele Kecker und Thomas Eckes beschreiben in ihrem Beitrag „Der digitale TestDaF: Aufbruch in neue Dimensionen des Sprachtestens“ die Entwicklungsphasen des digitalen TestDaF. Der revidierte TestDaF bildet die unter anderem durch die Nutzung digitaler Medien veränderten kommunikativen Praktiken im Kontext Hochschule ab. Das heißt, hier werden neue Bedarfe berücksichtigt. Darüber hinaus wird gezeigt, dass neue Aufgabentypen in Kombination mit einer nunmehr vollständig digitalisierten Durchführung einen umfassenderen Bezug zum Handlungsfeld Hochschule ermöglichen, als dies vorher der Fall war. Auch lassen sich klare Bezüge zum Begleitband des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens herstellen. Die Autorin und der Autor stellen das Testkonzept und das Testformat vor und gehen detailliert auf die Aufgabentypen in den Testteilen Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen ein. Mit dem vollständig digitalisierten TestDaF wurden zu diesen Fertigkeiten innovative Ansätze und Methoden der Leistungsbewertung und Ergebnisermittlung entwickelt, die hier nachgezeichnet werden. Perspektiven hinsichtlich der Forschung zum digitalen TestDaF werden aufgezeigt und Bezüge zur aktuellen Sprachtestforschung diskutiert.
Günther Depner und Anja Peters stellen in ihrem Beitrag „Sprachkompetenzen entwickeln und trainieren: Ein Konzept für eine kompetenzorientierte Prüfungsvorbereitung“ ihr Modell einer kompetenzorientierten und bedarfsgerechten Prüfungsvorbereitung für den digitalen TestDaF vor. Sie gehen der Frage nach, welchen Einfluss Ziele, Formate und Aufgabentypen einer Prüfung auf die Entwicklung bzw. Erstellung von Unterrichtsmaterialien haben. Beispielhaft werden in diesem Beitrag Lernmaterialien beschrieben, die zum Ziel haben, kommunikative Kompetenzen auf- und auszubauen. Das heißt, mit dem Unterrichts-material soll sich die Prüfungsvorbereitung nicht auf ein reines Formattraining beschränken, sondern ein (positiver) Washback-Effekt im Hinblick auf Kompetenzerweiterung erreicht werden.
Daniela Marks, Frank Weiss-Motz und Denis Korflür führten eine Studie zur analytischen vs. holistischen Einschätzung von Teilnehmendenleistungen im Testteil Schreiben des digitalen TestDaF durch, deren Ergebnisse sie in ihrem Beitrag „Analytisch oder holistisch? Welchen Einfluss hat die Beurteilungsmethode auf das Verhalten von Beurteilenden und die Ergebnisse von Prüfungsteilnehmenden?“ vorstellen. Ziel der Untersuchung war zum einen, den Zusammenhang von Beurteilungsverfahren und Einschätzung der Teilnehmendenleistung offenzulegen, und zum anderen zu überprüfen, inwieweit die Ergebnisse der beiden unterschiedlichen Verfahren vergleichbar sind. Was das Verhalten der Beurteilenden angeht, konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Beurteilungsmethoden aufgedeckt werden, wenngleich die Anwendung des holistischen Verfahrens tendenziell zu etwas niedrigeren Einstufungen bzw. Bewertungen führte.
Berit Appel, Ksenija Fazlić-Walter, Hans Overmann, Kristin Stezano Cotelo und Mattheus Wollert zeichnen in ihrem Beitrag „Die DSH als hochschulische Prüfung – Merkmale und Qualitätssicherung“ die Entwicklungen der Deutschen Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH) in den letzten Jahren nach, die vor allem durch die Konzeption und Implementierung von Qualitätsstandards und umfassenden Qualitätssicherungsmaßnahmen gekennzeichnet ist. Die Autor*innen beschreiben, wie die in der RO-DT von 2011 niedergelegte Qualitätssicherung, die sich auf alle Hochschulzugangsprüfungen bezieht, auf die aktuellen DSHen Einfluss genommen hat. Eine wichtige Funktion bei der Vereinheitlichung und Durchsetzung von Qualitätsstandards an den einzelnen DSH-Standorten nimmt der Fachverband Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (FaDaF) ein, der die Einführung und Anwendung von Kriterienkatalogen zur Erstellung und Begutachtung von Prüfungssätzen nachhaltig unterstützt.
Jupp Möhring präsentiert in seinem Beitrag „Sprachliche Studierfähigkeit im Spiegel produktiver und rezeptiver Wortschatzkompetenz“ die Ergebnisse einer Studie mit internationalen Studierenden an deutschen Hochschulen (N = 340). Mittels frequenzbasierter Wortschatztests wird untersucht, inwieweit ein Zusammenhang zwischen Wortschatzkompetenz und Studienerfolg nachweisbar ist und ob die Teilnehmer*innen unterschiedlicher sprachlicher Hochschulzugangsprüfungen (u. a. DSH und TestDaF) über vergleichbare Wortschatzkompetenzen verfügen.
Bielefeld und Freiburg im Juni 2022
Gabriele Kniffka
Uwe Koreik
© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Artikel in diesem Heft
- Frontmatter
- Frontmatter
- Vorwort
- Beitrag Themenheft „Testen und Prüfen“
- Der digitale TestDaF: Aufbruch in neue Dimensionen des Sprachtestens
- Sprachkompetenzen entwickeln und trainieren: Ein Konzept für eine kompetenzorientierte Prüfungsvorbereitung
- Analytisch oder holistisch? Welchen Einfluss hat die Beurteilungsmethode auf das Verhalten von Beurteilenden und die Ergebnisse von Prüfungsteilnehmenden?
- Die DSH als hochschulische Prüfung – Merkmale und Qualitätssicherung
- Sprachliche Studierfähigkeit im Spiegel produktiver und rezeptiver Wortschatzkompetenz
Artikel in diesem Heft
- Frontmatter
- Frontmatter
- Vorwort
- Beitrag Themenheft „Testen und Prüfen“
- Der digitale TestDaF: Aufbruch in neue Dimensionen des Sprachtestens
- Sprachkompetenzen entwickeln und trainieren: Ein Konzept für eine kompetenzorientierte Prüfungsvorbereitung
- Analytisch oder holistisch? Welchen Einfluss hat die Beurteilungsmethode auf das Verhalten von Beurteilenden und die Ergebnisse von Prüfungsteilnehmenden?
- Die DSH als hochschulische Prüfung – Merkmale und Qualitätssicherung
- Sprachliche Studierfähigkeit im Spiegel produktiver und rezeptiver Wortschatzkompetenz