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Das Programm Deutsch ohne Grenzen in Brasilien: Chancen und Herausforderungen für die Ausbildung von Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern

  • Thiago Mariano

    hat sein Magisterstudium in Deutsch als Fremdsprache und Anglistik 2010 an der TU Dresden abgeschlossen. Nach dem Studium arbeitete er von 2010 bis 2012 am Goethe-Institut Curitiba als Lehrkraft für Deutsch als Fremdsprache. Seit 2011 ist er Dozent für die deutsche Sprache am Germanistiklehrstuhl der Bundesuniversität Paraná (UFPR) in Curitiba, Brasilien. Seine Promotion im Bereich der Literaturdidaktik/Kulturstudien hat er 2018 beendet. Zurzeit ist er VizePräsident für Deutsch im Vorstand des vom brasilianischen Bildungsministerium ins Leben gerufenen Programms Sprachen ohne Grenzen, das einen wesentlichen Beitrag zur Internationalisierung brasilianischer Universitäten leistet.

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    and Franziska Lorke

    hat ihr Magisterstudium in Deutsch als Fremdsprache und Anglistik 2009 an der TU Dresden abgeschlossen. Nach dem Studium arbeitete sie an der Bundesuniversität Paraná (UFPR) in Curitiba als Sprachassistentin für den DAAD und von 2010 bis 2013 als Lehrkraft beim Goethe-Institut. Seit 2013 ist sie als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache an der Technischen Bundesuniversität Paraná (UTFPR) in Curitiba, Brasilien angestellt. Im Rahmen ihrer Arbeit kümmert sie sich um die Angebote von Deutsch ohne Grenzen und um das universitätsinterne Sprachenzentrum (CALEM).

Published/Copyright: October 15, 2020

Zusammenfassung

Das Programm[1] Sprachen ohne Grenzen trägt durch das flächendeckende Angebot von Fremdsprachenkursen an brasilianischen Universitäten zu deren Internationalisierung bei. Die Deutschkurse werden dabei im Blended-Learning-Modus angeboten, d. h. das onlinegestützte Lernen wird durch Präsenzphasen ergänzt. Das Programm bietet auch Raum für erste Unterrichtserfahrungen der Germanistikstudierenden. Nach der Vorstellung des Programms sollen in dem vorliegenden Aufsatz erste Maßnahmen zur Deutschlehrerausbildung im Rahmen des Programms an der Bundesuniversität Paraná vorgestellt werden.

Abstract

The national program Languages Without Borders is an important contribution to the internationalization of Brazilian universities as it offers a wide range of language courses throughout the country. German language courses are offered in a blended learning model that consists of distance learning as well as classroom learning. As such, the program opens the possibility for a teaching practice in the field of German Studies. In this article, the program will be presented as well as the first measures to implement teacher training linked to the program at the Federal University of Paraná.

1 Einleitung

Der Internationalisierung der Universitäten wird in den letzten Jahrzehnten weltweit eine große Bedeutung beigemessen. Auch in der brasilianischen Universitätslandschaft bemühen sich Entscheidungsträger um eine internationale Ausrichtung der Studiengänge und der Forschung, um einen stärkeren Wissensaustausch anzuregen. Im Zuge dieser Entwicklung hat sich allerdings einmal mehr sehr stark herausgestellt, dass es an einer umfassenden Sprachenpolitik mangelt.

Das vom brasilianischen Bildungsministerium[2] ins Leben gerufene Programm Wissenschaft ohne Grenzen[3], das von 2011 bis 2017 lief, war eine Initiative, die internationale akademische Mobilität landesweit in großem Umfang zu fördern. Als Reaktion auf die mangelnden Fremdsprachenkenntnisse der Teilnehmenden des Programms Wissenschaft ohne Grenzen entwickelte sich eine sprachenpolitische Diskussion im brasilianischen Raum, die in der Implementierung eines landesweiten Programms zur Fremdsprachenförderung (Sprachen ohne Grenzen) resultierte.

Im Rahmen des Programms Sprachen ohne Grenzen wurde für Deutsch in Kooperation mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) ein Angebot entwickelt, das sich einer Lernplattform bedient, die von der Gesellschaft für Akademische Studienvorbereitung und Testentwicklung e.V. (g.a.s.t.) betrieben wird. Das Onlinelernen auf der Plattform Deutsch-Uni Online (DUO) wird auf A1.1-Niveau durch einen Präsenzunterricht begleitet, der von Studierenden[4], die als Tutorinnen und Tutoren im Programm arbeiten, an den jeweiligen Universitäten erteilt wird. Durch dieses Blended-Learning-Szenario, das sich aus dem Selbstlernkontext auf der DUO-Plattform und den Präsenzstunden zusammensetzt, entstehen neue Chancen und Herausforderungen für die Lehrerausbildung an den brasilianischen Universitäten.

Auch wenn die Zukunft dieses Programms im Moment aufgrund der politischen Lage in Brasilien ungewiss ist, hat der vorliegende Artikel zum Ziel, zum einen die sprachpolitischen Entwicklungen mit Bezug auf das Programm Sprachen ohne Grenzen nachzuzeichnen. Zum anderen liegt der Fokus auf der Vorstellung einer empirischen Studie im Bereich der Ausbildung von Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern im Rahmen des Programms an der Bundesuniversität von Paraná (UFPR)[5].

2 Die Internationalisierung brasilianischer Universitäten – vom Programm Wissenschaft ohne Grenzen zu Sprachen ohne Grenzen

Die internationale Ausrichtung von Hochschulen ist in der heutigen Zeit auf der ganzen Welt wichtiger denn je. Seit den 1990er-Jahren bemühen sich universitäre Einrichtungen, durch ihre Internationalisierung den Herausforderungen einer globalisierten, komplexen Welt gerecht zu werden (Leal/Stallivieri/Moraes 2017; Lima/Contel 2011; De Wit 2015; Stallivieri 2017).

Den Universitäten wird durch internationale Kooperationen eine Konsolidierung ihrer wissenschaftlichen Zusammenarbeit ermöglicht und ihren Bildungsmaßnahmen sowie Forschungsaktivitäten eine größere Dimension verliehen (Pereira/Heinzle 2017). Gleichzeitig gestaltet sich die Internationalisierung als wichtiges Mittel für die Verbesserung der Lehre, der Forschung, der beruflichen Bildung sowie des lebenslangen Lernens und trägt zudem zur Entwicklung von Ländern und Regionen bei (ebd.).

Ein wesentlicher Aspekt des Internationalisierungsprozesses der Universitäten ist die akademische Mobilität von Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. In den letzten Jahren ist die Zahl der internationalen Studierenden an den Universitäten weltweit stark gestiegen (UNESCO 2016). Dies ist das Resultat gemeinsamer Internationalisierungsmaßnahmen, wie etwa die Übernahme von internationalen Bewertungsmaßstäben wie internationalen Hochschulrankings oder die Vereinheitlichung von Hochschulabschlüssen wie im Bologna-Prozess.

Hauptbestandteil der Internationalisierungsstrategien der Universitäten im brasilianischen Raum war bisher die internationale akademische Mobilität. Dementsprechend wurde das Programm Wissenschaft ohne Grenzen von 2011 bis 2017 mit insgesamt 13,2 Milliarden Real vom brasilianischen Bildungsministerium gefördert. Es wurden fast 104 000 Stipendien für einen Auslandsaufenthalt an unterschiedlichen Universitäten weltweit vergeben.[6] Das Programm richtete sich überwiegend an Studierende auf Bachelorebene aus den Fachbereichen der Natur- und Ingenieurwissenschaften. Bis 2016 gingen die meisten Stipendiatinnen und Stipendiaten des Programms in die Vereinigten Staaten (1. Stelle: 27 821), viele haben sich auch für einen Studienaufenthalt in Spanien (7. Stelle: 5 025), Italien (8. Stelle: 3 930) und Portugal (9. Stelle: 3 843) entschieden, wo die Sprachbarriere wesentlich geringer ist. Deutschland belegte mit 6 595 Stipendiatinnen und Stipendiaten den 6. Platz der meistausgewählten Länder des Programms (Ciência sem Fronteiras 2016).

Obwohl Wissenschaft ohne Grenzen als das ambitionierteste Programm zur Förderung der Internationalisierung brasilianischer Hochschulen in der Geschichte des Landes gilt, gab es eine Reihe Kritikpunkte bezüglich seiner Konzeption und Umsetzung. Die Mehrheit der Stipendiatinnen und Stipendiaten kam aus den ohnehin schon reichen Regionen Brasiliens des Südostens und Südens des Landes (Martinez 2018: 24–25). Die fünf größten öffentlichen Universitäten[7] aus dem Südosten (USP, UNESP, UNICAMP, UFRJ und UFMG) verfügten über mehr als 20 % der vergebenen Stipendien im Programm (ebd.: 25). Während die USP im Bundesstaat São Paulo, dem reichsten Bundesstaat im Land, über 5 500 Stipendien vergeben konnte, war die Anzahl der Stipendien an den Universitäten im Norden und Nordosten des Landes sehr viel geringer. Zum Beispiel konnte die UFBA im Bundestaat Bahia nur 1 878 Stipendien vergeben (Ciência sem Fronteiras 2016).

Die finanziellen Ressourcen wurden außerdem fälschlicherweise in Individuen, in Form von Stipendien, investiert, anstatt die stetige und progressive Entwicklung von Maßnahmen zu beständigen internationalen Kooperationen im Bereich der Hochschulbildung zu fördern. Laut Martinez (ebd.) wurden als Folge dieser Politik Universitäten bevorzugt, die ohnehin schon über ein etabliertes Büro für internationale Beziehungen und über bereits bestehende internationale Kooperationen verfügten. Dies führte ferner dazu, dass Wissenschaft ohne Grenzen eine große Gruppe weißer, aus den oberen Sozialschichten stammender Studierender ins Ausland schickte (Borges 2016).

Ein weiterer Kritikpunkt am Programm Wissenschaft ohne Grenzen war die Förderung von Studierenden, Dozentinnen und Dozenten sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die häufig nur unzureichende Fremdsprachenkenntnisse für ein Studium im Ausland aufwiesen. Brasilien wird besonders seit der Nationalisierungspolitik der Regierung Vargas in den Dreißigerjahren als einsprachiges Land begriffen und den Fremdsprachen wird im Bildungswesen historisch wenig Bedeutung beigemessen. Dieser Umstand führte zu einer Flexibilisierung der Auswahlkriterien für das Programm. 2013 wurden die Abkommen mit portugiesischen Universitäten aufgehoben und die Mindestvoraussetzung für Fremdsprachenkenntnisse heruntergesetzt. In Bezug auf die Deutschkenntnisse wurde das verlangte Sprachniveau von B1 auf A2 und A1 (nach GER) herabgesenkt. Den ausgewählten Kandidatinnen und Kandidaten wurde zusätzlich ein sechsmonatiger Sprachkurs im Gastland finanziert – in der Hoffnung, dass sie so schnell dazu befähigt werden würden, am akademischen Leben an den jeweiligen deutschen Hochschulen, Universitäten und Forschungsinstituten teilzunehmen. Eine derartige Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse in einer so kurzen Zeit gestaltete sich für viele der Stipendiatinnen und Stipendiaten jedoch als zu große Herausforderung, sodass sie trotz Förderung nicht adäquat am akademischen Geschehen der Gastuniversität teilnehmen konnten.

Der oben geschilderte Umstand der mangelnden Fremdsprachenkenntnisse der Teilnehmenden am Programm Wissenschaft ohne Grenzen kann als Konsequenz einer Fehlplanung seitens der politischen Entscheidungsträger gedeutet werden. Die Konzeption des Programms verlief ohne jegliche Absprache mit Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Fremdsprachendidaktik. Die Geisteswissenschaften, inklusive der Philologien, waren von Anfang an von dem Programm ausgeschlossen. Der Fokus lag vor allem auf der Förderung von Teilnehmenden aus ingenieurwissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Studiengängen. Das Programm verpasste damit die Chance, in die Ausbildung zukünftiger Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer zu investieren und ihnen Auslandserfahrungen und solide Sprachkenntnisse zu ermöglichen, um so eine Initiative zu starten, dem historisch bedingten Problem der vernachlässigten Fremdsprachenförderung im brasilianischen Bildungssystem nachhaltig beizukommen.

Nichtsdestotrotz kann es als ein historischer Vorstoß des Bildungsministeriums gesehen werden, dass das groß angelegte Programm Wissenschaft ohne Grenzen zur Förderung der akademischen Mobilität finanziert wurde. Das Programm gab nicht nur Anstöße für eine flächendeckendere internationalere Ausrichtung verschiedener universitärer Einrichtungen, sondern half auch dabei, die Situation der brasilianischen Sprachenpolitik ins Bewusstsein zu rücken (Guimarães/Finardi/Casotti 2019: 307).

Angekoppelt an Wissenschaft ohne Grenzen konnte ein weiteres Programm (Sprachen ohne Grenzen) entstehen, das bis heute existiert und die Förderung der Fremdsprachen zum Fokus hat.

3 Sprachen ohne Grenzen – Deutsch ohne Grenzen

Im Zuge des Programms Wissenschaft ohne Grenzen rief das brasilianische Bildungsministerium 2012 das Sprachlernprogramm Englisch ohne Grenzen ins Leben (Abreu-e-Lima et al. 2017), das von einer Kommission aus 20 Expertinnen und Experten verschiedener Bundesuniversitäten auf dem Gebiet der Englischsprachvermittlung und des Fernunterrichts konzipiert wurde. Das Programm wurde direkt im Bildungsministerium (Sesu-MEC)[8] angesiedelt und an den teilnehmenden Universitäten wurden zusätzlich Koordinationszentren (NucLi)[9] aufgemacht. Zusätzlich wurde von den Rektorinnen und Rektoren der jeweiligen Universitäten ein allgemeiner Koordinator bzw. eine allgemeine Koordinatorin für Englisch ernannt. Der Präsenzunterricht sollte von Englischstudierenden, vorzugsweise Lehramtsstudierenden, erteilt werden. Diese Tutorinnen und Tutoren wurden für ihre Lehrtätigkeit mit einem Stipendium entlohnt.

Im Jahr 2014 weitete das Bildungsministerium das Programm aus und verkündete das Programm Sprachen ohne Grenzen. Zu dem bestehenden Verwaltungsrat kamen Vize-Präsidentinnen und -Präsidenten für weitere Sprachen hinzu. Zurzeit werden Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch, Japanisch und Portugiesisch als Fremdsprachen an den akkreditierten Universitäten angeboten. Somit wurde zum ersten Mal im brasilianischen Hochschulwesen ein integriertes landesweites System zur Fremdsprachenvermittlung sowie zur Lehrerausbildung und -weiterbildung im Bereich der Fremdsprachen erschaffen. Anfang 2019 wurden die Mittel der Förderorganisation CAPES[10] für das Programm Sprachen ohne Grenzen allerdings leider gestrichen und von den Medien das Ende des Programms verkündet. Dies bedeutet einen schweren Schlag für das Programm, denn die Kürzung dieser Fördergelder hat vor allem das flächendeckende Angebot an Englischkursen an den brasilianischen Universitäten sehr stark beeinträchtigt und auch die anderen Sprachen laufen Gefahr, ihre Angebote einschränken zu müssen. Dennoch wurde bis zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung das Programm vom Bildungsministerium nicht offiziell für beendet erklärt.

Das Angebot von Deutschkursen wurde anknüpfend an die jahrzehntelangen erfolgreichen Kooperationen zwischen dem Bildungsministerium (MEC) und dem DAAD ermöglicht (Ojeda/Voerkel 2018: 33). Eine gemeinsame Absichtserklärung über die Förderung von Deutsch als Fremdsprache zwischen dem brasilianischen Bildungsministerium und dem deutschen Auswärtigen Amt wurde am 20. August 2015 in Brasilia unterschrieben.

Im Jahr 2016 begann das Angebot von Deutschkursen und Einstufungstests im Rahmen des Programms Sprachen ohne Grenzen an zehn unterschiedlichen Universitäten landesweit. Die Anzahl der für Deutsch akkreditierten Universitäten wurde 2017 auf 15 und 2019 auf 17 erhöht. Das Programm wurde analog zu Englisch ohne Grenzen unter den Beteiligten als Deutsch ohne Grenzen bekannt. Neben der Ernennung pädagogischer Koordinatorinnen und Koordinatoren, die vorzugsweise in den Deutschabteilungen im Rahmen der Germanistikstudiengänge tätig waren, verpflichtete sich jede für das Programm akkreditierte Universität, mit eigenen Ressourcen mindestens einem bzw. einer Germanistikstudierenden ein Stipendium für die Lehrtätigkeit im Präsenzunterricht zu ermöglichen.

Die erste Implementierungsphase von Deutsch ohne Grenzen wurde für zwei Jahre geplant: von 2016 bis 2018. Für den ersten Durchgang der Deutschkursangebote wurden seitens des DAAD und der CAPES circa 800 Logins pro Jahr für die Lernplattform Deutsch-Uni Online (DUO)[11] sowie Lizenzen für die Durchführung des Einstufungstests OnSet zur Verfügung gestellt.

Die Niveaustufe A1.1 wurde als Blended-Learning-Angebot konzipiert, d. h. zwei Zeitstunden in der Woche als Präsenzunterricht mit insgesamt 24 Zeitstunden und zusätzlich circa 90 Zeitstunden als selbstgesteuertes E-Learning auf der DUO-Lernplattform. Auf den Niveaustufen ab A1.2 bis B1 arbeiten die Lernenden ausschließlich auf der Lernplattform.

Die sehr hohe Nachfrage nach Deutschkursen des Programms Deutsch ohne Grenzen – im ersten Semester 2019 gab es 2 586 Interessentinnen und Interessenten für 607 Logins – zeigt die positive Resonanz der Lernenden auf das Programm.

Trotzdem soll an dieser Stelle auch auf Grenzen und Herausforderungen eingegangen werden, die sich während der Implementierung von Deutsch ohne Grenzen in den ersten zwei Jahren (2016–2018) deutlich abgezeichnet haben. Vor allem Deutschlernende ohne Deutschkenntnisse hatten am Anfang Schwierigkeiten, sich auf der Lernplattform zurechtzufinden. Außerdem mussten die anfänglichen Kommunikationsprobleme zwischen Lernenden und Online-Tutorinnen bzw. -Tutoren sowie zwischen Präsenztutorinnen bzw. -Tutoren und Online-Tutorinnen und Online-Tutoren behoben werden. Die Verzahnung zwischen der Präsenzphase und dem Selbstlernen auf der Lernplattform bereitete den Lernenden und den Tutorinnen und Tutoren besondere Schwierigkeiten. Dabei fiel es vielen Lernenden schwer, sich ihre Lernprozesse selbstständig zu organisieren. Dementsprechend lag die Abbrecherquote 2016 bei circa 50 % (Ojeda/Voerkel 2018: 38).

Diese anfänglichen Probleme konnten mittlerweile durch einige gezielte Maßnahmen gemildert werden. Zur besseren Verknüpfung von Online- und Präsenzphasen wurden den Präsenztutorinnen und -tutoren eine Reihe an kommunikativen Zusatzmaterialien zur Verfügung gestellt. Auch hatten die Präsenztutorinnen und -tutoren zu Beginn des Kurses vor allem die Aufgabe, metakommunikative Themen wie die Organisation von Lernprozessen und Lernumgebung, Zeitmanagement und Lernstrategien im Umgang mit der Plattform zu besprechen, um den Lernenden das selbstorganisierte Lernen zu erleichtern. Im weiteren Verlauf des Präsenzunterrichts lag der Fokus dann auf der kommunikativen Anwendung des thematisch angelegten Sprachwissens, das sich die Lernenden auf der Lernplattform angeeignet hatten. Die Schwerpunktsetzung lag dabei auf der Förderung der Mündlichkeit mithilfe von interaktiven Partner- und Gruppenübungen sowie Phonetikübungen. Auch der direkte Kontakt zwischen Online- und Präsenztutorinnen und -tutoren verbesserte die Betreuung der Lernenden. Es wird angenommen, dass diese Maßnahmen die Abbrecherquoten auf 40 % senken konnten (ebd.).

Jedoch fehlte dem Programm weiterhin eine spezifische Ausbildungsmaßnahme zur Unterstützung der Studierenden bei ihrer Arbeit als Tutorinnen und Tutoren der Präsenzkurse. Dadurch eröffnete sich die Chance, eine begleitende Ausbildungsmaßnahme an der UFPR zu entwickeln, die die Arbeit mit einem Blended-Learning-Szenario zum Fokus hat. Die Hauptziele dieser Ausbildungsmaßnahme waren, Praxis und Theorie miteinander zu verbinden, die Präsenztutorinnen und -tutoren in ihrer Arbeit vor Ort zu begleiten, Raum für Austausch und Zusammenarbeit zu schaffen und gleichzeitig wissenschaftliches Arbeiten zu üben. Im Folgenden sollen die Ausbildungsmaßnahme und eine erste Studie zu ihrer Wirkung ausführlicher vorgestellt werden.

4 Ausbildung der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer im Programm Deutsch ohne Grenzen an der UFPR – erste Schritte

4.1 Methodisches Vorgehen

Ausgehend von der Diagnose, dass es an einer spezifischen Begleitung der Tutorinnen und Tutoren in Bezug auf die Lehrtätigkeit im Programm Deutsch ohne Grenzen mangelte, sollte im Sinne einer pädagogischen Interventionsforschung eine Ausbildungsmaßnahme entwickelt und auf ihre Wirksamkeit untersucht werden. Laut Leutner (2013: 19)

„... liegt ‚Interventionsforschung‘ dann vor, wenn man sich wissenschaftlicher Methoden bedient, um die Wirkung einer Intervention zu evaluieren – um also festzustellen, ob die mit der Intervention verfolgten Ziele tatsächlich auch erreicht werden. Bei pädagogischer Interventionsforschung geht es um die Prüfung gezielter pädagogischer Maßnahmen auf deren erwartete pädagogische Wirkung.“

Im ersten Semester 2019 wurde am Germanistikinstitut der UFPR eine Ausbildungsmaßnahme für die Präsenztutorinnen und -tutoren im Programm Deutsch ohne Grenzen konzipiert und implementiert. Die Maßnahme bestand aus vier Bausteinen, die im Laufe des Semesters von den vier Präsenztutorinnen und -tutoren von Deutsch ohne Grenzen an der UFPR bearbeitet wurden. Zur Durchführung der Ausbildungsmaßnahme wurde ein hybrides Modell gewählt, das zum einen mit Onlineformularen von Microsoft-Forms arbeitete und zum anderen Präsenztreffen im Abstand von zwei Wochen zur Begleitung und zum Austausch der Tutorinnen und Tutoren untereinander vorsah. Im Folgenden sollen die einzelnen Bausteine und ihre Zielstellungen kurz vorgestellt werden.

Der erste Baustein hat zwei Hauptziele, nämlich über die bisherigen eigenen Unterrichtserfahrungen zu reflektieren, das Programm Sprachen ohne Grenzen näher kennenzulernen und seinen Beitrag zur Internationalisierung brasilianischer Hochschulen zu verstehen. Die ersten Aufgaben des Bausteins 1 dienten der Selbstreflexion über die eigenen Vorerfahrungen mit dem Unterrichten. Bei den darauffolgenden Aufgaben sollten die Tutorinnen und Tutoren Videos der Leiterin vom Programm Sprachen ohne Grenzen, Denise Abreu-e-Lima, zur Konzeption, Struktur und zu den Zielen des Programms anschauen und anschließend Fragen zu diesen beantworten.

Aufbauend darauf widmete sich der zweite Baustein spezifisch der Sprache Deutsch im Rahmen des Programms. In diesem Baustein sollten die Tutorinnen und Tutoren den breiteren Kontext der Vermittlung der deutschen Sprache in Brasilien besser verstehen, das Programm Deutsch ohne Grenzen näher kennenlernen, eine Präsentation über das Programm Deutsch ohne Grenzen gestalten und im Rahmen eines öffentlichen akademischen Symposiums (Semana de Letras) an der UFPR vorstellen. Dafür sollten sie drei unterschiedliche Texte lesen. Der erste Text beschäftigt sich mit dem breiteren Kontext der Vermittlung des Deutschen in Brasilien und berücksichtigt dabei das Programm Deutsch ohne Grenzen (Soethe/Mariano/Chaves im Druck), während der zweite Aufsatz eine Zwischenbilanz der Pilotphase des Programms zieht sowie seine Herausforderungen darstellt (Ojeda/Voerkel 2018). Der dritte Artikel präsentiert die Ergebnisse einer Studie zur Erfolgs- und Abbrecherquote in den Deutschkursen im Programm Deutsch ohne Grenzen (Murmel et al. im Druck). Damit konnten zwei für das wissenschaftliche Arbeiten wichtige Erfahrungen miteinander in Verbindung gebracht werden: zum einen die Lektüre von Fachtexten auf Deutsch, Englisch und Portugiesisch und zum anderen die Ergebnisse und eigenen Schlussfolgerungen in einem relevanten akademischen Kontext zu präsentieren.

Der dritte Baustein hatte das Blended-Learning-Format des DUO-Kurses als Fokus. An erster Stelle sollten sich die Präsenztutorinnen und -tutoren mit einer Definition des Blended Learning auseinandersetzen, wichtige Begrifflichkeiten herausarbeiten und sich Potenziale und Herausforderungen des Blended Learning erschließen. Anschließend sollten sie die Ergebnisse einer empirischen Studie (Launer 2010), die sich mit den Schwierigkeiten der Lernenden und Lehrenden bei der Arbeit mit DUO befasst, kennenlernen und diese auf die eigene Unterrichtspraxis im Programm Deutsch ohne Grenzen beziehen.

Als Grundlage für den Baustein wurde neben einem Text zur Begriffsdefinition (Rösler/Würffel 2010) die bereits oben genannte empirische Studie von Launer (2010) gewählt. Launer stellt in ihrem Text die Entwicklung des Blended-Learning-Modells vor, das auf der DUO-Plattform in die Praxis umgesetzt und dann von ihr empirisch erforscht wurde. In der Studie hat Launer sowohl Schwierigkeiten der Lernenden als auch Probleme der Lehrenden ermittelt und daraus abgeleitete Tipps für einen verbesserten Umgang mit den aufgedeckten Schwierigkeiten entwickelt. Die Aspekte, die laut der Studie Launers den Lehrenden am meisten Schwierigkeiten bereiteten (2010: 431), sind folgende: 1. die Umsetzung des Blended-Learning-Konzepts; 2. die Technik; 3. die Steuerung der Gruppendynamik; 4. die Distanz zu den Lernenden und die dadurch fehlende Einsicht in das Lernverhalten. Die Tutorinnen und Tutoren, die an der Ausbildungsmaßnahme teilgenommen hatten, sollten sich zu diesen Aspekten unter Einbeziehung ihrer eigenen Unterrichtserfahrungen äußern.

In der darauf folgenden Aufgabe sollten die Tutorinnen und Tutoren dann die von Launer aufgestellten „Hilfestellungen für Lernende“ (2010: 432) bei der Arbeit im Blended-Learning-Szenario auf die eigene Unterrichtspraxis beziehen. Sie sollten darüber berichten, welche Tipps sie bereits in ihrem eigenen Unterricht umsetzen und für wie sinnvoll sie diese jeweiligen Tipps anhand ihrer eigenen Praxiserfahrungen halten. Launer schlägt vor, dass Lernende „Lernzielvereinbarungen abschließen“ und gemeinsam mit der Lehrkraft „kurzfristige Lernziele erstellen“ sollen. Außerdem empfiehlt sie den Lernenden, ein „Lerntagebuch“ zu führen. Ferner findet Launer es wichtig, dass gemeinsam „Lernstrategien“ erarbeitet und diskutiert werden, eine „individuelle Lernberatung“ stattfindet und „individuelles und systematisches Feedback/Lob“ gegeben wird. Neben den oben genannten Tipps sind laut der Autorin ebenso die „sinnvolle und nachvollziehbare Verzahnung der Selbstlern- und der Präsenzphasen“ und die „Gewährleistung eines technischen Supports“ wichtig (ebd.).

Der vierte und letzte Baustein der Ausbildungsmaßnahme war ein Evaluierungsfragebogen, der sowohl geschlossene als auch offene Fragen enthielt, die zu einer Auswertung der Arbeit im Programm Deutsch ohne Grenzen während des Semesters aus der Perspektive der Tutorinnen und Tutoren führen sollten. Dieser Fragebogen diente vor allem der Metakommunikation über die Arbeit mit der DUO-Plattform und die hier vorgestellte Lehrerausbildungsmaßnahme.

Im Folgenden werden die Antworten der vier Tutorinnen und Tutoren zu jedem Baustein näher analysiert. Die Analyse bezieht sich auf die schriftlichen Texte, die bei der Bearbeitung der einzelnen Bausteine in Microsoft-Forms durch die Tutorinnen und Tutoren entstanden sind. Dabei sollte evaluiert werden, inwieweit die im Vorfeld festgelegten Lernzielstellungen erreicht wurden.

4.2 Analyse der gesammelten Daten

Bei der Bearbeitung des ersten Bausteins haben alle Tutorinnen und Tutoren angegeben, bereits über Erfahrung mit dem Unterrichten von Deutsch als Fremdsprache außerhalb des Programms Deutsch ohne Grenzen zu verfügen. Drei von ihnen hatten bereits als Praktikanten Deutsch auf Anfängerniveau am Sprachenzentrum der Universität unterrichtet und sich im Rahmen des Praktikums mit fremdsprachendidaktischen Inhalten befasst. Eine Lehrkraft war im Schulbereich als Deutschlehrkraft tätig, allerdings ohne an Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen teilgenommen zu haben. Alle vier Tutorinnen und Tutoren befassten sich mit den im Baustein 1 vorgesehenen Videos und waren in der Lage, die Hauptziele, die Struktur und die Hauptakteure im Programm Sprachen ohne Grenzen zu erkennen. Sie gaben an, die zwei Hauptziele seien die Ausbildung von Sprachlehrenden für die Internationalisierung brasilianischer Universitäten und die Entwicklung der Fremdsprachenkompetenz der Studierenden. Darüber hinaus erkannten sie die Hauptakteure des Programms (den Verwaltungsrat, den allgemeinen Koordinator und den Koordinator für Deutsch an der UFPR).

Im Baustein 1 sollten die Tutorinnen und Tutoren zudem der Videosequenz allgemeine Informationen zum Entstehungskontext und zur weiteren Implementierung von Sprachen ohne Grenzen entnehmen und außerdem den Beitrag des Programms zur Ausarbeitung einer Sprachenpolitik für den gesamten brasilianischen Bildungsbereich reflektieren.[12] Alle vier haben die wesentlichen Aspekte des Videos zusammenfassen können. Die Inhalte und Aufgaben von Baustein 1 dienten unter anderem zur Einbettung des Programms Sprachen ohne Grenzen, sodass sich die Tutorinnen und Tutoren bewusst werden konnten, welche Rolle sie im Programm ausfüllen. Ihre Antworten deuten darauf hin, dass sie den allgemeinen Kontext ihrer Lehrtätigkeit weitestgehend verstanden haben.

Baustein 2 hatte das Programm Deutsch ohne Grenzen im Fokus. Die Tutorinnen und Tutoren waren dazu aufgefordert, ausgehend von drei wissenschaftlichen Veröffentlichungen ein 20-minütiges Referat mit den wichtigsten Eckdaten[13] vorzubereiten und im Rahmen einer öffentlichen akademischen Veranstaltung an der UFPR zu halten. Das Lesen von Fachtexten in unterschiedlichen Sprachen und davon ausgehend die Vorbereitung einer sehr informativen Präsentation dienten gleichzeitig als Übung des wissenschaftlichen Arbeitens. Zudem vergegenwärtigten sich die Tutorinnen und Tutoren einmal mehr den Kontext ihrer Lehrtätigkeit. Auch hier zeigten sie, dass sie die spezifischen Rahmenbedingungen der Vermittlung der deutschen Sprache im Programm Deutsch ohne Grenzen verstanden hatten und in der Lage waren, diese der lokalen akademischen Gemeinde zu verdeutlichen.

Baustein 3 führte zuerst das Konzept des Blended Learning theoretisch ein und machte dann den Brückenschlag zur Unterrichtspraxis. In Anlehnung an die von Launer (2010) ermittelten Aspekte, die bereits oben aufgelistet wurden, berichteten die Tutorinnen und Tutoren über ihre eigenen Unterrichtserfahrungen.

Die Mehrheit der Tutorinnen und Tutoren gab an, dass es in Bezug auf den Aspekt der Umsetzung des Blended-Learning-Konzepts nach kleineren Startschwierigkeiten keine größeren Probleme mehr gab. Auch die Steuerung der Gruppendynamik und die Distanz zu den Lernenden und die dadurch fehlende Einsicht in das Lernverhalten bereiteten den Tutorinnen und Tutoren laut eigenen Angaben bis auf einen keine Probleme. Es wurde jedoch an dieser Stelle von einem der Tutoren angemerkt, dass der Austausch zwischen Präsenz- und Online-Tutorinnen bzw. -Tutoren noch intensiver sein könnte. Am kritischsten hingegen wurde der Aspekt der Technik kommentiert. Zum einen wegen der Ausstattung der Universität und dem teilweise fehlenden Internet, zum anderen aber auch wegen des vermehrten Feedbacks der Lernenden bezüglich der Navigation auf der Plattform und der Schwierigkeit, bestimmte Aufgabenformate zu verstehen.

Weitere Anmerkungen von zwei der Tutorinnen und Tutoren bezogen sich vor allem auf Schwierigkeiten, die Lernenden im Präsenzkurs bei der Stange zu halten. So meinte ein Tutor bzw. eine Tutorin, dass die Plattform sehr viele Aktivitäten beinhalte, was viel Selbstdisziplin und Autonomie erfordere und bei einigen Teilnehmenden zum Abbruch des Kurses geführt habe. Ein weiterer Tutor bzw. eine weitere Tutorin machte ähnliche Erfahrungen. Nur ein Tutor bzw. eine Tutorin bemerkte, dass ihre Studierenden keine Schwierigkeiten mit der Disziplin hätten. Insgesamt werden diese Berichte auch durch die sehr unterschiedlichen Abbrecherquoten der vier Kurse bestätigt.

In der letzten Aufgabe sollten die Tutorinnen und Tutoren über die Sinnhaftigkeit der von Launer vorgeschlagenen Tipps (2010: 432) reflektieren. Die meisten von ihnen fanden, dass viele der Tipps sehr sinnvoll sind und mittlerweile bereits auf der Plattform umgesetzt werden. Die Plattform bzw. die Online-Tutorinnen und -Tutoren arbeiten beispielsweise mit Lernzielvereinbarungen und der Erstellung von kurzfristigen Lernzielen. Auch stimmten mehrere der Tutorinnen und Tutoren überein, dass es aufgrund der Betreuung durch Online- und Präsenztutoren und -tutorinnen bereits ein individuelles und systematisches Feedback gibt. Der Tipp, Lernstrategien zu besprechen, ist laut der Tutorinnen und Tutoren fester Bestandteil in einer der ersten Sitzungen des Präsenzunterrichts. Zwei von ihnen kommentierten, dass sie ein Lerntagebuch für ein interessantes Mittel hielten. Doch ein Tutor bzw. eine Tutorin meinte, ein Lerntagebuch käme aufgrund des Zeitmangels wohl kaum in Frage. Die Verzahnung der Selbstlern- und Präsenzphasen empfand mindestens ein Tutor bzw. eine Tutorin als Herausforderung und zwei der Tutorinnen und Tutoren kommentierten die sprachliche Hürde beim technischen Support.

Dieser Baustein war sprachlich und konzeptuell sicherlich der anspruchsvollste für die Tutorinnen und Tutoren. Trotzdem haben sie sich durch die Lektüre der Fachtexte wichtige Begrifflichkeiten rund um das Blended Learning aus einer eher theoretischen Perspektive herausgearbeitet. Mit dem Versuch, immer auch gleich wieder eine Brücke zu den eigenen Unterrichtserfahrungen zu schlagen und damit Raum für die Anwendung und Reflexion der gelesenen Fachtexte zu geben, scheint dieser Baustein greifbar und praxisnah zu sein. Begleitet wurde die selbstständige Lektüre und Beantwortung der online gestellten Fragen auch durch Diskussionen mit Raum für Erfahrungsaustausch unter den Tutorinnen und Tutoren während der Präsenztreffen mit dem pädagogischen Koordinator. Somit wurde von den Tutorinnen und Tutoren die Lernzielsetzung des Bausteins weitestgehend erreicht.

Bei Baustein 4 ging es um eine allgemeine Evaluation der Arbeit im Programm Deutsch ohne Grenzen im Laufe des Semesters. An dieser Stelle werden die Antworten der Tutorinnen und Tutoren in Bezug auf die hier durchgeführte Ausbildungsmaßnahme kurz analysiert. Die Mehrheit von ihnen gab an, dass sie die Themen relevant und interessant fanden. Sie kommentierten, dass die begleitende Ausbildungsmaßnahme ihre Lehrtätigkeit in dem Programm sehr erleichtert hätte und besonders das Modell des Blended Learning für sie neu war. Des Weiteren zeigten sie sich interessiert, in Zukunft weitere Themen im Rahmen des Ausbildungsangebotes zu bearbeiten, wie zum Beispiel das autonome Lernen, Lernstrategien, kooperatives Lernen, die Förderung mündlicher Kommunikation und Phonetik. Ein Tutor bzw. eine Tutorin kommentierte jedoch auch, dass er bzw. sie sich mehr und tiefergehende Fachdiskussionen während der regelmäßigen Präsenztreffen wünsche. Anhand der Daten lässt sich insgesamt schlussfolgern, dass die Maßnahme, die Präsenztutorien im Programm Deutsch ohne Grenzen mit einem Ausbildungsangebot zu koppeln, als sehr positiv bewertet wurde und in Zukunft weitergeführt und ausgebaut werden sollte.

5 Fazit und Ausblick

Das Programm Sprachen ohne Grenzen ist in der brasilianischen Sprachenpolitik eine bemerkenswerte Neuerung. Indem es die Tradition der einseitigen Förderung von Englisch als einziger Fremdsprache, zumindest auf der universitären Ebene, durchbricht, macht es einen ersten Schritt in Richtung einer größeren fremdsprachlichen Pluralität. Außerdem ist es ein landesweites Programm, das für eine strukturelle und demokratische Förderung breiter Gruppen von Studierenden sorgt, denn es vergibt seine Plätze nicht nur an die besten Studierenden der größten und besten Universitäten Brasiliens.

Das große Interesse aller Beteiligten an dem Programm führt zu einer Aufwertung und mehr Sichtbarkeit der Fremdsprachen im akademischen Bereich, die sich wiederum auch positiv auf die geisteswissenschaftlichen Studiengänge auswirkt und neue Handlungsräume für die Lehrerausbildung eröffnet.

Wie sich in der durchgeführten Studie andeutet, bereiten die Erfahrungen der Germanistikstudierenden als Tutorinnen bzw. Tutoren im Blended-Learning-Modell der DUO-Plattform durch die Kombination aus Lehrpraxis, theoretischem Input und Austausch mit Mitstudierenden sowie Koordinatorinnen und Koordinatoren auf die Arbeit mit hybriden Lernmodellen vor. Der Bereich des E-Learning ist heute im Zeitalter des Internets und der zahlreichen Onlineangebote nicht mehr wegzudenken und kann einen interessanten Arbeitsmarkt bieten (allein DUO hat im letzten Semester 40 Online-Tutorinnen und -Tutoren mit Portugiesischkenntnissen aufgenommen und geschult). Darüber hinaus hat die Studie gezeigt, dass die Tutorinnen und Tutoren durch die Ausbildungsmaßnahme besser darauf vorbereitet sind, ihre Rolle in dem Prozess der Internationalisierung brasilianischer Universitäten zu verstehen und einzunehmen.

Nicht zuletzt sind auch die geopolitischen Bedingungen in Brasilien ein Argument für die Weiterführung und Ausweitung eines solchen Programms. Denn oft herrscht ein Mangel an Deutschlehrkräften und der Bedarf an Deutschkursen kann zum Beispiel an Multi-Campi-Universitäten oder Universitäten außerhalb der großen Ballungszentren nicht einmal annähernd abgedeckt werden. Ein solches oder ähnliches Programm, das auf E-Learning-Angebote setzt, könnte in naher Zukunft auch unabhängig von der Politik des Bildungsministeriums als Lösungsversuch implementiert werden.

Auch wenn das im Zuge des Regierungswechsels 2019 neu besetzte Bildungsministerium einen sehr wesentlichen Teil der Mittel für das Programm gestrichen hat und die Zukunft in diesen politisch instabilen Zeiten kaum vorhersehbar ist, so gibt es dennoch bisher ein ausgeprägtes Interesse der Kooperationspartner, das Programm weiterzuführen. Es wird bereits über Möglichkeiten nachgedacht, Sprachen ohne Grenzen vom Bildungsministerium abzukoppeln und in einem anderen Rahmen weiterzuführen.

About the authors

Thiago Mariano

hat sein Magisterstudium in Deutsch als Fremdsprache und Anglistik 2010 an der TU Dresden abgeschlossen. Nach dem Studium arbeitete er von 2010 bis 2012 am Goethe-Institut Curitiba als Lehrkraft für Deutsch als Fremdsprache. Seit 2011 ist er Dozent für die deutsche Sprache am Germanistiklehrstuhl der Bundesuniversität Paraná (UFPR) in Curitiba, Brasilien. Seine Promotion im Bereich der Literaturdidaktik/Kulturstudien hat er 2018 beendet. Zurzeit ist er VizePräsident für Deutsch im Vorstand des vom brasilianischen Bildungsministerium ins Leben gerufenen Programms Sprachen ohne Grenzen, das einen wesentlichen Beitrag zur Internationalisierung brasilianischer Universitäten leistet.

Franziska Lorke

hat ihr Magisterstudium in Deutsch als Fremdsprache und Anglistik 2009 an der TU Dresden abgeschlossen. Nach dem Studium arbeitete sie an der Bundesuniversität Paraná (UFPR) in Curitiba als Sprachassistentin für den DAAD und von 2010 bis 2013 als Lehrkraft beim Goethe-Institut. Seit 2013 ist sie als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache an der Technischen Bundesuniversität Paraná (UTFPR) in Curitiba, Brasilien angestellt. Im Rahmen ihrer Arbeit kümmert sie sich um die Angebote von Deutsch ohne Grenzen und um das universitätsinterne Sprachenzentrum (CALEM).

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Published Online: 2020-10-15
Published in Print: 2020-10-08

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 25.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/infodaf-2020-0090/html
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