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Eine lohnende Mammutaufgabe – Rahmenbedingungen der digitalen Filmbenutzung im Bundesarchiv

  • Adelheid Heftberger

    Referat FA 2 (Filmbenutzung), Abt. Filmarchiv, Bundesarchiv, Finckensteinallee 63, D-12205 Berlin

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Published/Copyright: December 8, 2020

Zusammenfassung

Dieser Beitrag beschreibt die momentan vorhandenen Möglichkeiten der digitalen Nutzung des Filmarchivs im Bundesarchiv, die aktuellen Entwicklungen der internen Filmdigitalisierung sowie das im Oktober 2020 anlaufende Projekt zur systematischen Rechteklärung. Neben der Digitalisierung werden weitere, damit zusammenhängende Aspekte der Online-Präsentation eines Filmbestands angerissen, z. B. die Notwendigkeit der Einbindung von Normdaten, die Entwicklungen im Bereich Linked Open Data und wie medienübergreifende Visualisierung die Zugänglichmachung von Archivbeständen im Bundesarchiv für Nutzer*innen in Zukunft unterstützen könnte.

Abstract

This article describes the currently available possibilities for digital access of the film archive in the German Bundesarchiv, as well as the current developments in internal film digitization and the project for systematic rights clearance, which will start in October 2020. In addition to digitization, other related aspects of the online presentation of a film collection are briefly discussed, e.g., the necessity of integrating authority records, developments in the area of Linked Open Data and how the visualization of cross-media collections could support the accessibility of the collection in the Bundesarchiv to users in the future.

1 Einleitung

Wenn Nutzer*innen an Archive denken, ist oft noch die häufig bemühte Metapher der „Schätze“ in den Köpfen, die in dunklen Gängen schlummern und gehoben werden müssen. Für mich geht es jedoch nicht unbedingt darum, einzelne Titel zu „heben“, sondern hier großflächiger zu denken und handeln: Das Archiv als Gesamtes sollte aus dem analogen Zeitalter in das digitale überführt werden. Die breitere Zugänglichkeit wird gesellschaftlich auch erwartet, wie wir aus der Kommunikation mit den Nutzer*innen wissen. Doch wenn Archive ihre Bestände online zugänglich machen, treten zunehmend nicht mehr technische Aspekte in den Vordergrund, sondern auch rechtliche, die sich in der Praxis häufig als kaum zu überwindende Hindernisse erweisen, wie der Jurist Paul Klimpel feststellt.[1]

Die Filmsammlung im Bundesarchiv umfasst über 150 000 Wochenschauen, Dokumentar- und Spielfilme sowie Industrie- und Werbefilme, Trailer, Amateurfilme und ephemere Filme.[2] Die Filme der Bundesverwaltung und ihrer funktionalen Vorläufer gelangen auf Grund des Bundesarchivgesetzes in den Besitz des Bundesarchivs. Im Jahr 1990 wurde das Staatliche Filmarchiv der DDR in die Filmabteilung des Bundesarchivs integriert, das die Bestände des Reichsfilmarchivs (als eines der ersten Filmarchive überhaupt 1935 eröffnet) übernommen hatte. Im Bundesarchiv finden sich somit Quellen aus der gesamten Filmgeschichte, national und auch international, beginnend mit den Aufnahmen der Filmpioniere Oskar Messter und der Gebrüder Max und Emil Skladanowsky über die gesamte Filmproduktion der DDR bis hin zu den aktuellen geförderten Filmproduktionen, von denen nach dem Filmfördergesetz und den Richtlinien des Bundes ein Belegexemplar im Bundesarchiv hinterlegt werden muss. Es sammelt auch Dokumente zur Filmgeschichte, die die künstlerische und technische Entwicklung des Mediums Film widerspiegeln. Eine Besonderheit ist die Sammlung von ca. 40 000 Zensur- und Beglaubigungsunterlagen, die oft die letzten Zeugen vergessener Filme sind. Darüber hinaus kann filmbegleitendes Material wie Programme, Fotos, Plakate und Drehbücher eingesehen werden.

In meinem Artikel werde ich die Möglichkeiten vorstellen, die momentan die Online-Nutzung des Filmbestands im Bundesarchiv erlauben. Danach beschreibe ich die aktuellen Entwicklungen in der Digitalisierung im Haus sowie das interne Projekt zur Rechteklärung von ca. 8 000 Filmtiteln in den kommenden fünf Jahren. Verbinden möchte ich diese Überlegungen mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Verknüpfung mit Normdaten und die Arbeiten in der Cataloguing Commission der FIAF (Internationalen Vereinigung der Filmarchive) im Bereich Linked Open Data. Zuletzt möchte ich darauf eingehen, wie die Visualisierung von Archivbeständen die Präsentation und Zugänglichmachung für Nutzer*innen unterstützen kann.

2 Existierende Plattformen für Recherche und Videostreaming im Bundesarchiv

Der erste Einstieg für interessierte Nutzer*innen ist üblicherweise die Online-Recherche in den benutzbaren Filmexemplaren. Die Suche auf Benutzungsmedien Film Online[3] erlaubt eine erste Orientierung, ob Material als sog. Benutzungsstück zugänglich gemacht werden kann, z. B. in analoger Form (35 mm oder 16 mm), auf Trägern (u. a. auf DVD und VHS) oder als Digitalisat. Die verfügbaren Titel werden regelmäßig aktualisiert und im Moment finden sich 74 314 Elemente auf der Webseite, davon 13 512 Spielfilme und bereits 5 864 Files. Gesucht wird über den Titel, in der erweiterten Suche kann nach weiteren Parametern eingegrenzt werden. Die Einschränkungen sollen nicht verschwiegen werden: Es werden nicht alle notwendigen filmografischen Angaben im Ergebnis angezeigt (z. B. Regie und Produktionsland) und das Produktionsjahr verbirgt sich häufig unter „Ausgabe“. Zudem fehlen wichtige Metadaten für die eindeutige Zuordnung zu einem Filmwerk oder einer Fassung. An der Weiterentwicklung der Online-Rechercheumgebung und vor allem einer direkten Verknüpfung mit der Sammlungsdatenbank Basys 3-Film wird aktuell gearbeitet.

Hilfreich als Ergänzung vor allem für Wochenschauen und dokumentarische Filme ist das Portal filmarchives online,[4] in dem Metadaten zu 2 167 Filmwerken aus dem Bundesarchiv recherchiert werden können, vor allem in ausführlichen inhaltlichen Erschließungen.

Auf der Filmothek,[5] eine von Transit betriebene Plattform, können momentan 3 508 Videos in unterschiedlicher Qualität (von SD bis 2K) gestreamt werden. Thematisch vertreten ist Nachkriegsdeutschland in Form von westdeutschen Wochenschauen sowie Auftragsproduktionen des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung zwischen 1945 und 1999. Daneben sind Filme aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und der Weimarer Republik online gestellt. Teilweise sind diese Filme auch auf dem Portal „European Film Gateway (EFG)“[6] vorhanden, wo filmhistorische Dokumente aus 16 europäischen Archiven zugänglich sind. Das European Film Gateway ist ein Baustein von Europeana, der von der EU-Kommission ins Leben gerufenen Plattform für das kulturelle Erbe Europas,[7] wie es auf der Webseite heißt. Die verfügbaren Dokumente (ca. 740 Stunden Video und 6 100 filmbezogene Dokumente) konnten im Rahmen von zwei Projekten digitalisiert werden: „EFG – The European Film Gateway“ (2008 bis 2011) und „EFG 1914“ (2012 bis 2014), an dem auch das Bundesarchiv beteiligt war.

Nicht zuletzt sind darüber hinaus 463 Filme aus der Zeit des Nationalsozialismus aufgrund einer Kooperationsvereinbarung mit dem United States Holocaust Memorial Museum[8] auf deren Webseite verfügbar.

Besonders erwähnenswert als Beispiel eines thematischen gegenüber einem medienbezogenen Einstieg in die Bestände des Bundesarchivs ist das Themenportal zur Weimarer Republik.[9] Innerhalb von vier Jahren entstehen aus staatlichen Akten und Unterlagen privater Herkunft mehr als 4 Mio. Digitalisate und werden über die Webseite des Bundesarchivs zugänglich gemacht.

3 Nutzerprofile – unterschiedliche Bedarfe in der Filmnutzung

Die Gründe, warum Menschen Filme aus dem Bundesarchiv digital sehen und nachnutzen möchten, sind vielfältig. Je nach Anfrage und Zweck müssen dabei unterschiedliche Anforderungen, z. B. nach Format und gewünschtem Termin der Bereitstellung, erfüllt werden. Manche Nutzer*innen haben ein rein privates Interesse und suchen meist nach einem spezifischen Filmtitel. Oft reicht das Ansehen aus, nur in manchen Fällen wird ein Digitalisat für die weitere Verwendung (z. B. ein Geburtstagsgeschenk für Nahestehende) angefragt. Auch Forscher*innen werten Filme meist durch Ansehen aus, sei es, um Anregungen oder Belege für filmhistorische und filmwissenschaftliche Fragestellungen zu finden oder um nach relevanten historischen Quellen zu suchen. Diese bieten audiovisuelle Informationen, die sich aus der Schriftform nicht erschließen können und leisten somit einen unschätzbaren Beitrag für historische Narrative.

Nur selten muss wirklich am analogen Material recherchiert werden, um Randmarkierungen oder Klebestellen analysieren zu können – wenn gewünscht, wird dies jedoch gern mittels Vor-Ort-Sichtung möglich gemacht. Anfragen im Rahmen der sogenannten historischen Bildungsarbeit können unterschiedliche Ausrichtungen haben, was Formate und die weitere Verwendung betrifft. Beispielsweise wenden sich Kinos und Vereine an das Bundesarchiv, um Filmkopien vorzuführen, oder Museen und andere Institutionen mit Ausstellungsmöglichkeiten fragen nach Filmen, die helfen, ein bestimmtes Thema zu kontextualisieren oder zu illustrieren. Nicht selten treten Mitarbeiter*innen des Bundesarchivs in einen ausführlichen Dialog mit den Kurator*innen der Institutionen, um hier bestmöglich unterstützen zu können. Manchmal sind Ausschnitte in hoher Qualität erforderlich, manchmal wird sogar ein kinofähiges Format (analog oder digital als DCP[10]) gewünscht. Eine interne Recherche in den Findmitteln sowie die Sichtung begleiten einen solchen Auswahlprozess. Ähnlich ist der Fall bei publizistischen Nutzungen gelagert: Ausschnitte, oder in Ausnahmefällen auch ganze Filme, können für Film- und Fernsehproduktionen nachgenutzt werden.

Insgesamt lässt sich beobachten, dass sich in den letzten Jahren (noch einmal stärker in den letzten Monaten durch die Corona-Pandemie) die Art der Medienformate diversifiziert. Bekannte, traditionelle Produktionen (z. B. Dokumentation für das Fernsehen) werden von innovativen Angeboten ergänzt – Apps, Filme für Streaming-Dienste, virtuelle Ausstellungen, Online-Lehre etc.

Einen großen Teil dieser Nutzungsanfragen könnte man durch ein vergrößertes Online-Angebot sofort und ökonomischer „bedienen“. Je besser Nutzer*innen selbst thematisch recherchieren können, Filme online sehen und für einen Teil des Bestands sogar Ansichtsfiles herunterladen können (was bei gemeinfreien Werken ohne Probleme möglich wäre), desto weniger Anfragen müssen per Email beantwortet werden. Nutzer*innen können im Idealfall schneller den gesuchten Film finden, können zudem aber im Bestand „flanieren“ und über entsprechende thematische Sammlungen auf bisher unbekannte Filme aufmerksam gemacht werden. Bevor jedoch Filme online gestellt werden, müssen diese digitalisiert und ihr Rechtestatus geklärt werden.

4 Digitalisierung und Rechteklärung

Zwei Aufgaben sind meiner Meinung nach am dringendsten, wenn es um die Filmbenutzung im Bundesarchiv geht: die Erarbeitung der digitalen Bereitstellung und die systematische Rechteklärung. Dass diese Hand in Hand gehen, wird von Paul Klimpel mit Blick auf unser Geschichtsbild so formuliert:

„Was frei verfügbar und online zugänglich ist, prägt das kulturelle Gedächtnis. Was hingegen nicht online zugänglich ist, droht auf längere Sicht aus dem kulturellen Gedächtnis zu verschwinden. Doch was online zugänglich gemacht werden kann, wird vorrangig durch das Recht bestimmt. Deshalb ist die Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen eine Frage der kulturellen Selbstbehauptung.“[11]

Anders gesagt, was ohne Hürden zugänglich ist, wird naturgemäß öfter verwendet, öfter verbreitet und gesehen.[12] Das Bundesarchiv mit einem Filmbestand über eine Mio. Filmrollen und einer riesigen Sammlung von Aufnahmen bis 1945 ist dabei besonders gefordert, historische Dokumente allen zur Verfügung zu stellen, die sich dafür interessieren.

Das Bundesarchiv bewahrt und sichert Film für kommende Generationen in der bestmöglichen Qualität und schafft damit die Voraussetzungen für die Zugänglichmachung. Derzeit wird die Infrastruktur für die digitale Sicherung und die digitale Langzeitsicherung massiv ausgebaut. Neben Verträgen mit externen Dienstleistern und dem Ausbau der internen technischen und personellen Ausstattung werden auch nationale Förderprogramme in Anspruch genommen. Das Bundesarchiv beteiligt sich an der von der FFA (Filmförderungsanstalt) gemeinsam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und den Bundesländern aufgestellten Vereinbarung zur Digitalisierung des nationalen Filmerbes. Seit Januar 2019 stehen für einen Zeitraum von zunächst 10 Jahren jährlich insgesamt bis zu 10 Mio. Euro für die Digitalisierung von Kinofilmen zur Verfügung.[13] Die Abteilung Filmarchiv hat bereits jetzt mit der systematischen Sicherung begonnen, mit einem Schwerpunkt auf rechteeigenen Filmwerken, die zur Gänze aus Eigenmitteln bestritten wird. Daneben wird ein Konzept zur Digitalisierung on demand erarbeitet, das es erlaubt, einen stärkeren Fokus auf unmittelbare Nutzungsinteressen zu legen.[14]

So wie die Online-Stellung der Sammlungsdatenbank geplant ist, sollen auch Filme online zugänglich gemacht werden, sofern es die rechtliche Situation erlaubt. Die Klärung der einzelnen Werke erfordert erhebliche personelle Ressourcen sowie festgelegte Arbeitsabläufe und die fachliche Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene.

In vielerlei Hinsicht gibt es im Bundesarchiv in den letzten Monaten viel Bewegung, Nutzer*innen werden mit der Rechteklärung nach meiner Erfahrung oft alleine gelassen. Das Bundesarchiv hat sich nun in einem Projekt „Systematische Rechteklärung des Filmbestands“ zum Ziel gesetzt, in fünf Jahren zumindest von 8000 Filmwerken den Rechtestatus zu recherchieren und in der Sammlungsdatenbank zu dokumentieren. Besonders intensiv möchten wir uns dem Thema verwaiste Werke (orphan works) und vergriffene Werke (out-of-commerce works) widmen. Der zweite Begriff ist für Filmwerke noch nicht eindeutig geklärt, birgt aber viel Potential für die Online-Stellung. Besondere Aufmerksamkeit wird daher auf die nationale und internationale Zusammenarbeit bei der systematischen Rechteklärung im Bundesarchiv gelegt, v. a. im Bereich der verwaisten Werke und gemeinfreien Werke, wo große Möglichkeiten der Zugänglichmachung gesehen werden.

5 Filmografische Metadaten, Normdaten und Linked Open Data

Ein wesentlicher Aspekt darf allerdings nicht vergessen werden: Digitalisierung von Film ist kosten- und zeitintensiv, daher ist die genaue Kenntnis der zu digitalisierenden Filmelemente in technischer und inhaltlicher Hinsicht wichtig. In der Praxis geht der Digitalisierung üblicherweise die Datenbereinigung der Einträge sowie eventuell auch die Verknüpfung mit anderen filmografischen Quellen voran, um eine eindeutige Zuordnung des Filmwerks (und evtl. auch der vorliegenden Fassung) vornehmen zu können. Oft werden für Digitalisierungsprojekte auch andere internationale Archive konsultiert, um die Verfügbarkeit von weiteren Materialien zum Abgleich von Inhalt und technischem Zustand vornehmen zu können.[15] Grundsätzlich ist die Katalogisierung (heutzutage wohl auch breiter verstanden als die Pflege der filmografischen Daten und Bestandsdaten) eine der intellektuellen Kernaufgaben in einem Filmarchiv. Das wird auch noch länger so bleiben, denn die Datenqualität variiert in Archivdatenbanken:

„Records are notoriously messy in archival databases and intellectual decisions have to be made frequently. This is especially relevant when it comes to cataloguing different versions of a film work. For a long time archival catalogues were structured in a two-tier hierarchy, which consisted of a filmographic work and the related items held in the collection. Cataloguing therefore has traditionally focused both on gathering filmographic information (like film titles, cast/credits, country of reference and year of reference) as well as holding data regarding the physical objects in their collection, to put it very simply.“[16]

Leider fließen noch immer zu viele Ressourcen in die manuelle Katalogisierung, indem Daten händisch in Datenbanken eingegeben werden und das in jeder Institution für gleiche Werke. Im Gegensatz zu Bibliotheken gibt es keine Verbundkatalogisierung in der Filmarchiv-Community, und filmografische Quellen können nicht automatisiert übernommen werden. Es gibt Stimmen, die behaupten, dass Linked Open Data (LOD) großes Potential für Filmarchive bietet. Linked Open Data ist dabei nichts anderes als der Name suggeriert: die Verknüpfung eigener Daten mit den Daten von anderen sowie die Anreicherung durch weitere externe Quellen. Die Technologie des sogenannten Semantic Web stammt von Tim Berners-Lee, der argumentiert: „The Semantic Web isn’t just about putting data on the web. It is about making links, so that a person or machine can explore the web of data. With linked data, when you have some of it, you can find other, related, data.“[17]

Innerhalb der FIAF stellt man schon seit einiger Zeit Überlegungen an, wie LOD konkret zum Austausch von Filmdaten beitragen könnte.[18] Im Bundesarchiv wäre vor allem die Vernetzung mit Unique Identifiern für Filmwerke (z. B. aus Wikidata,[19] EIDR[20] oder ISAN[21]) in den Blick zu nehmen, und wären Normdaten (z. B. aus der GND) für Personen und Institutionen mit den bereits existierenden Daten zu verknüpfen, anzureichern und auch wieder an Portale abzuliefern, sofern die Filmwerke bislang nur im Bundesarchiv existieren. Über diese Technologie, gepaart mit Künstlicher Intelligenz (KI), wäre es möglich, unterschiedliche Medienarten miteinander zu verbinden und durchsuchbar zu machen, z. B. über Produktionsunterlagen an Informationen zu Urheber*innen zu gelangen oder digitalisierte Zensurkarten maschinell verwertbar zu machen.

6 Kulturelle Sammlungen online präsentieren und visualisieren

Der Begriff des Videostreaming ist für die Online-Präsentation einer Kultureinrichtung zunächst ein technischer, d. h. in Abgrenzung zum Download die Ermöglichung von Online-Sichtungen des Bestands. Genauso wichtig sehe ich für die Abteilung Filmarchiv im Bundesarchiv den Aufbau eines vielschichtigen digitalen Archivs: Nicht nur Filmwerke selbst sollten abspielbar (und wenn möglich herunterladbar) sein, sondern sie sollten in eine Online-Konzeption eingebettet sein, die auch das Entdecken von bisher unbekannten Quellen fördert, die Visualisierung von Metadaten erlaubt sowie Themenportale umfasst, die eine Kontextualisierung des einzelnen Werks oder eines Ausschnitts ermöglicht.[22] Gerade dokumentarische Aufnahmen oder Wochenschauen enthalten reiche historische Quellen, die nicht nur in einer linearen Sichtung ausgewertet werden können, sondern im Einzelnen annotiert und vernetzt werden könnten, um Geschichte visuell zu vermitteln.

Zur Darstellung von bibliothekarischen oder filmarchivischen Metadaten gibt es bereits einige nennenswerte Beispiele, z. B. der DNBVIS Prototyp,[23] der aus der Forschungskooperation „Visualisierung bibliographischer Daten und Inhalte“ (April bis Dezember 2017) zwischen der Deutschen Nationalbibliothek und derFachhochschule Potsdam[24] (Urban Complexity Lab) entstammt, oder die BFI Filmography,[25] die eine Erkundung eines Bestands von Spielfilmen im British Film Institute via einer Vielzahl von Kategorien erlaubt, z. B. können Übersichten nach Geschlecht der Beteiligten eines Filmprojekts generiert werden.

Spannende Forschung im Bereich der Informationsvisualisierung von kulturellen Sammlungen wird z. B. auch erfolgreich an der FH Potsdam betrieben. Es gilt nicht nur Formaldaten und Kategorien abzubilden, sondern es werden umfassendere Konzepte entwickelt:

„Eine verstärkte Beschäftigung mit Theorien der Informationsvisualisierung, wie denen des Informationsflaneurs, der Generosity[26] oder der Serendipity könnte in dieser Hinsicht bereichernd für die Gestaltung von Digitalen Sammlungen von Museen sein. Es hat sich gezeigt, dass sich das Konzept der Exploration nicht in einer bestimmten Funktion manifestiert, sondern eher einer komplexen Zusammensetzung bestehend aus mehreren Angeboten, Navigationswegen, sowie der Positionierung von Funktionen entspricht. In dieser Komplexität gilt es, Digitale Sammlungen zu betrachten und zu gestalten.“[27]

Auch aus dem Bereich der Informationswissenschaft wird darauf hingewiesen, dass Archive, Bibliotheken und Dokumentationseinrichtungen bisher vorrangig formale Kriterien zugrunde legen, „wie z. B. den gesetzlichen Sammlungsauftrag, die Singularität der Information oder den Erhaltungszustand“, was Antje Michel, Professorin für Informationsdidaktik und Wissenstransfer an der FH Potsdam für sinnvoll hält, da dieser Zugang vermutlich am diskriminierungsneutralsten ist.[28] Um jedoch zukünftige Erwartungen antizipieren zu können, könnte sie sich jedoch vorstellen, dass als Richtschnur „Methoden aus den Design-Disziplinen, wie z. B. die Szenario-Technik zur Entwicklung alternativer Zukunftsvorstellungen oder die Persona-Methode zur Entwicklung möglichst unterschiedlicher Typen von Nutzerinnen und Nutzern eine sehr bereichernde Erweiterung des Methodenrepertoires der Informationsberufe sein könnten.“[29]

Gerade für das Bundesarchiv wäre dies meiner Meinung nach ein lohnender Ansatz, da, ergänzend zu den Filmen, reiche Quellen aus dem Akten- und Bildbereich vorliegen, die sinnvoll verknüpft und Nutzer*innen bei Ihrer Recherche und dem „Flanieren“ durch das Archiv unterstützen können. Die Werkzeuge für eine medienübergreifende Recherche und Zugang sind im Bundesarchiv in der Planung und Entwicklung.

7 Ausblick

Wie bereits ausgeführt, arbeitet das Bundesarchiv in dreierlei Hinsicht an der digitalen Filmbereitstellung in Form einer Online-Präsentation: die kontinuierliche Digitalisierung von Filmen, die Durchführung eines Projekts zur systematischen Rechteklärung und die Entwicklung von integrativen Online-Recherche- und Sichtungsmöglichkeiten, die es zukünftig erlauben werden, über die Filmdatenbank auf die Videos zugreifen zu können.

Auf dem Weg dahin engagiert sich das Bundesarchiv aktiv im Austausch von filmografischen Metadaten (z. B. auf filmportal) und Arbeitsgruppen, die sich mit der Standardisierung des Datenaustauschs beschäftigen, z. B. in der AG Audiovisuelle Medien beim Standardisierungsausschuss an der DNB[30] und der FIAF Cataloguing & Documentation Commission.[31] Außerdem wurde eine Arbeitsgemeinschaft im Kinematheksverbund gegründet, die AG „Rechtedokumentation“, die dem dringend notwendigen Austausch zu vorhandenen Best Practices für die bisherige Rechteklärung und -dokumentation dient.

Neben dem konsequenten Ausbau des Online-Angebots wird der direkte Kontakt mit Nutzer*innen in neuer Form zu gestalten sein, z. B. im Rahmen der Citizen Science, d. h. der Öffnung der Archive für inhaltliche Erschließung oder auch die Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen. Es gibt also noch viel zu tun, aber gerade werden die Voraussetzungen geschaffen, um die langfristige Aufgabe systematisch und mit Enthusiasmus angehen zu können. Auf diese Weise können neue Begegnungsorte mit den vielen Menschen gestaltet werden, die sich täglich an das Bundesarchiv wenden.

Über den Autor / die Autorin

Dr. Adelheid Heftberger

Referat FA 2 (Filmbenutzung), Abt. Filmarchiv, Bundesarchiv, Finckensteinallee 63, D-12205 Berlin

Literaturverzeichnis

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Online erschienen: 2020-12-08
Erschienen im Druck: 2020-11-30

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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Downloaded on 22.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/bfp-2020-2035/html
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