Petra Hauke, Andrea Kaufmann und Vivien Petras (Hrsg.): Festschrift für Konrad Umlauf zum 65. Geburtstag. Berlin; Boston: de Gruyter Saur, 2017. XVI, 726 S., 119,00 €, ISBN 978-3-11-051971-6, e-ISBN (PDF) 978-3-11-052233-4, e-ISBN (EPUB) 978-3-11-051993-8
Rezensierte Publikation:
Petra Hauke, Andrea Kaufmann und Vivien Petras (Hrsg.): Festschrift für Konrad Umlauf zum 65. Geburtstag. Berlin; Boston: de Gruyter Saur, 2017. XVI, 726 S., 119,00 €, ISBN 978-3-11-051971-6, e-ISBN (PDF) 978-3-11-052233-4, e-ISBN (EPUB) 978-3-11-051993-8
Die dieser Buchbesprechung zugrundeliegende Festschrift wurde aus Anlass des 65. Geburtstags von Konrad Umlauf herausgegeben. Konrad Umlauf lehrte von 1992 bis 2016 zunächst an der Freien Universität Berlin und danach an der Humboldt-Universität zu Berlin Bibliotheks- und Informationswissenschaft und zählt zweifellos zu den renommiertesten Bibliothekswissenschaftlern im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus.
Der Titel der Festschrift „Bibliothek. Forschung für die Praxis“ bringt das Wirken des Jubilars gut zum Ausdruck. Konrad Umlauf ist „abgehobene“ Forschung fern, vielmehr bemühte er sich in seinen anwendungsorientierten Forschungsarbeiten, das Bibliothekswesen weiter voranzubringen. Darüber hinaus war er auch in zahlreichen bibliothekarischen Gremien tätig. Diese Mischung aus Forschung und Praxis spiegelt sich auch in den Beiträgen der Festschrift wider. Diese wurden sowohl von Wissenschaftlern von Universitäten und Fachhochschulen, als auch von namhaften Praktikern verfasst. Die Festschrift umfasst insgesamt 51 Aufsätze von 54 Autoren, was die allgemeine Anerkennung und Wertschätzung von Konrad Umlauf in der Fach-Community deutlich zum Ausdruck bringt. Nachdem so gut wie alle Autoren an den vielfältigen Forschungsbeiträgen von Konrad Umlauf anknüpften, deckt auch die Festschrift die gesamte Breite seiner bibliothekswissenschaftlichen Forschung ab. Grob lassen sich die Beiträge folgenden Themengebieten zuordnen:
Forschungsmethoden
Bestandsmanagement
Bibliotheksmanagement
Publikationswesen
Öffentliche Bibliotheken
Bibliothek als Ort
Bibliotheksgeschichte sowie
Bibliothek und Ethik
Um dem Leser einen etwas tieferen Einblick in die Festschrift zu geben, werden nachfolgend einige in ihr enthaltene Beiträge kurz beschrieben. Die Auswahl entspricht dabei den Interessen des Rezensenten und ist dementsprechend subjektiv. Auf keinen Fall ist damit eine Qualitätsbewertung beabsichtigt.
Der erste Beitrag von Hans-Christoph Hobohm mit dem Titel Informationsforschung als Informationsverhaltensforschung arbeitet sehr schön den Wesenskern der Informationswissenschaft heraus. Er nimmt seinen Ausgangspunkt im „Modell der Informationswissenschaft“ von Werner Kunz und Horst Rittel aus den 1970er-Jahren. Laut diesem Modell stellen Informationsprozesse den primären Gegenstand der Informationswissenschaft dar. Da aber Informationsprozesse immer auch Wissensveränderungsprozesse sind, die mit konkreten Personen in Zusammenhang stehen, ergibt sich zwingend, dass die Informationswissenschaft eine sozialwissenschaftliche Disziplin ist. Kunz und Rittel begründen damit schon Anfang der 1970er-Jahre den später von Rainer Kuhlen formulierten „pragmatischen Primat der Informationswissenschaft“ und die Informationsverhaltensforschung als zentrale Forschungsmethode.
Elke Greifeneder und Kirsten Schlebbe beleuchten am Beispiel von 15 empirischen Studien, welche die Nutzung von sozialen Netzwerken im akademischen Bereich untersuchten, den aus ihnen für die Bibliothekspraxis erzielbaren Nutzen. Im Großen und Ganzen attestieren die beiden Autorinnen den analysierten Beiträgen ein gutes Zeugnis. Defizite ergeben sich bei einigen Studien aber durch fehlende oder ungenaue Angaben zum Forschungsdesign.
Die immer weiter voranschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche und der damit einhergehende gesellschaftliche Wandel haben naturgemäß auch Auswirkungen auf Öffentliche Bibliotheken. In seinem Beitrag stellt Andreas Mittrowann die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zum Thema Die Zukunft der Bibliotheken vor. Von den über 1 300 Respondenten (ein Viertel davon besuchte eine Öffentliche Bibliothek noch nie) erachten es immerhin fast 60 % für wichtig oder sehr wichtig, dass es Öffentliche Bibliotheken gibt. Ein breites und aktuelles Medienangebot, eine angenehme Atmosphäre/ein angenehmer Aufenthaltsort und qualifiziertes Personal/eine gute fachliche Betreuung bilden die wichtigsten Erfolgsfaktoren für eine Öffentliche Bibliothek. Digitale Angebote gewinnen vor allem bei der jüngeren Klientel zunehmend an Bedeutung.
Dass die Digitalisierung insbesondere für sammlungsbetonte Bibliotheken gravierende Konsequenzen mit sich bringt, wird im Beitrag Aspekte des Bestandsaufbaus im digitalen Zeitalter von Reinhard Altenhöner diskutiert. Dies beginnt schon damit, dass nun von einem völlig neuen Sammlungsbegriff ausgegangen werden muss. In weiterer Folge ergeben sich völlig neue Herausforderungen für den Bestandsaufbau, wobei digitale Objekte unter Sammlungsgesichtspunkten durchaus auch große Vorteile haben können.
Der starke Wandel, den das Berufsbild des Bibliothekars in der jüngeren Vergangenheit erfährt, wird in den Beiträgen von Gudrun Marci-Boehncke (Vom Bibliothekar zum Bildungscoach) und von Jonas Fansa (Was macht die Bibliothek von morgen?) thematisiert. Neben den klassischen Sammlungs- und Erschließungstätigkeiten gewinnen „infrastrukturelle“ und „vermittelnde“ Aufgaben immer mehr an Bedeutung. Die stärkere Orientierung am Kunden und an Netzwerkpartnern (z. B. Schulen) erfordert aber eine entsprechende Anreicherung des Kompetenzprofils.
Ein völlig neues Betätigungsfeld für wissenschaftliche Bibliothekare ist das Forschungsdatenmanagement, mit dem sich ebenfalls zwei Beiträge auseinandersetzen. Im ersten Aufsatz geht Peter Schirmbacher auf die unterschiedlichen Dimensionen (wissenschaftspolitisch, organisatorisch und technisch) dieses Themas ein. Binte Linstädt zeigt in ihrem Artikel auf, welches Leistungsportfolio eine Wissenschaftliche Bibliothek im Bereich Forschungsdatenmanagement bieten kann. Die Serviceleistungen reichen dabei von der Beratung der Forschenden über das Aufzeigen vorhandener Angebote anderer Institutionen bis hin zum Aufbau einer eigenen Forschungsdateninfrastruktur. Dabei muss berücksichtigt werden, dass es bei den Forschungsdaten große fachspezifische Unterschiede gibt und in einigen Disziplinen riesige Datenmengen anfallen können.
Eine Entwicklung, die schon seit mehr als zehn Jahren deutliche Auswirkungen auf das wissenschaftliche Publikationswesen und damit auch auf wissenschaftliche Bibliotheken hat, ist Open Access. Üblicherweise wird der sog. „Goldene Weg“, bei dem die Finanzierung der Publikationen anstelle von Zeitschriftenabonnements durch Publikationsgebühren erfolgt, vor allem aus Perspektive der Nutzer positiv bewertet. Bisher weniger thematisiert wurde, dass sich die Situation für die Autoren und die kleineren Verlage differenzierter darstellt. Auch die in den letzten Jahren gestiegene Anzahl an „Junk Journals“, die gegen Bezahlung alles publizieren, ist letztlich eine Folge von Open Access. Vor allem auf diese negativen Auswirkungen geht Wolf-D. von Lucius in seinem Aufsatz ein.
Der Umstand, dass acht Beiträge der Festschrift der Sektion Bibliotheksmanagement zugeordnet sind, bringt zum Ausdruck, dass sich hier in der Vergangenheit sehr viel im Bibliothekswesen getan hat. Exemplarisch soll der Aufsatz Kosten- und Leistenrechnung von Ulrich Naumann herausgegriffen werden. In diesem wird auf die kostenrechnerischen Besonderheiten einer Bibliothek eingegangen. Aus Sicht des Rezensenten – selbst ein gelernter Betriebswirt – ist es bemerkenswert, welche Adaptierungen vorgenommen wurden, um die Kosten- und Leistungsrechnung in einer Bibliothek zu einem wichtigen Steuerungsinstrument zu machen.
Ungeachtet aller Änderungen im Dienstleistungsangebot und im Management wird der Bibliothek als physischer Ort auch in Zukunft eine zentrale Bedeutung zukommen. Für Konrad Umlauf sind Bibliotheken sogar Teil der weichen Standortfaktoren einer Region oder einer Stadt. Dies kann der Rezensent für seine Heimuniversität (Karl-Franzens-Universität Graz) nur bestätigen, wo gerade der Neubau der Hauptbibliothek, bei dem neben der geänderten Funktionalität insbesondere auf die Architektur besonderes Augenmerk gelegt wurde, entsteht. In seinem Beitrag Renaissance bibliothekarischer Räume bestätigt Wolfgang G. Stock die von Konrad Umlauf aufgestellten Thesen am Beispiel von informationellen Weltstädten.
Resümee: Wie aus obigen Ausführungen hervorgegangen sein sollte, handelt es sich um keine „klassische“ Festschrift. Vielmehr setzen sich, mit Ausnahme der bibliothekshistorischen Beiträge, so gut wie alle Aufsätze mit aktuellen Fragestellungen des Bibliothekswesens auseinander. Erwähnenswert ist, dass die Festschrift im Rahmen einer Lehrveranstaltung des Instituts für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin entstanden ist. Neben dem schönen Layout fallen vor allem das umfangreiche Stichwortregister sowie das detaillierte Autoren- und Abkürzungsverzeichnis auf. Besonders umfangreich wurde auch die Bibliografie von Konrad Umlauf aufgearbeitet.
© 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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- Petra Hauke, Andrea Kaufmann und Vivien Petras (Hrsg.): Festschrift für Konrad Umlauf zum 65. Geburtstag. Berlin; Boston: de Gruyter Saur, 2017. XVI, 726 S., 119,00 €, ISBN 978-3-11-051971-6, e-ISBN (PDF) 978-3-11-052233-4, e-ISBN (EPUB) 978-3-11-051993-8
- Ulrich Hohoff: Wissenschaftliche Bibliothekare als Opfer der NS-Diktatur. Ein Personenlexikon. Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen Band 62. Wiesbaden: Harrassowitz, 2017. XIII, 415 Seiten. Fest geb. € 72.-, ISSN 0408-8107, ISBN 9078-3-447-10842-3, E-Book ISBN 978-3-447-19613-0; 1980–83 erschien das „Biographische Handbuch der deutschsprachigen Emigration“.
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