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MusikNetz Hagen: Eine Musikbücherei auf dem Weg zu einer Informations-Tauschbörse

  • Markus Suplicki EMAIL logo
Veröffentlicht/Copyright: 30. November 2016

Zusammenfassung

Das MusikNetz Hagen ist eine Initiative der Musikbücherei der Stadtbücherei Hagen mit der Absicht, sich mit der lokalen Musikszene zu vernetzen, neue relevante Zielgruppen zu gewinnen sowie ein Ort der Information und des Austausches für Musikinteressierte und Laienmusiker zu werden. Die Initiative umfasst den Ausbau persönlicher Kontakte und klassische Veranstaltungsarbeit, aber auch Online-Elemente.

Abstract

The music library in the City of Hagen public library launched a new project, MusikNetz Hagen. The idea is to improve networking with and between local musicians to win new target groups and to become a place for information and communication for non-professionals. The project comprises the development of personal contacts and local events as well as elements of online communication.

1 Die Ausgangslage

Die Stadtbücherei Hagen ist eine Großstadtbibliothek mit einer Bestandsgröße von etwa 205 000 physischen Titeln und etwa 750 000 Entleihungen. Sie ist Mitglied im Verbund Onleihe24, dem über dreißig öffentliche Bibliotheken des Regierungsbezirks Arnsberg angehören. Mit etwa 150 000 jährlichen Besuchern gehört die Bücherei zu den meist frequentierten öffentlichen Einrichtungen der Stadt. Dennoch manifestieren sich in Hagen wie in vielen anderen kommunalen Bibliotheken auch gesellschaftliche und technische Entwicklungen an sinkenden Ausleihzahlen.

Als kommunale Bildungs- und Freizeiteinrichtung ist die Stadtbücherei eingebettet in das spezielle soziale, wirtschaftliche und kulturelle Umfeld Hagens. Die Stadt, die lange Zeit von der Schwerindustrie, heute jedoch von Klein- und mittelständischer Industrie sowie vom Dienstleistungsgewerbe geprägt ist, arbeitet daran, den Strukturwandel zu vollziehen. Hagen ist zwar mit der Fernuniversität, der Fachhochschule Südwestfalen und der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung auch Hochschulstandort, jedoch fehlt der Stadt eine relevante studentische Kultur. Besonders hervorzuheben ist die überregional bedeutende Arbeit der städtischen Museen für moderne und zeitgenössische Kunst sowie des städtischen Musiktheaters. Wie viele andere Städte im Ruhrgebiet ist Hagen als Haushaltssicherungskommune starken Sparzwängen unterworfen, die gerade kulturellen Einrichtungen wie dem Theater, den Museen, der Musikschule und nicht zuletzt auch der Stadtbücherei sehr zusetzen.

Der digitale Wandel sowie das sich verändernde Freizeit- und Informationsverhalten der Menschen hinterlassen deutliche Spuren in der Nutzung der Bücherei. Die Institution reagiert darauf mit einer Neuorientierung: Der zukünftige Schwerpunkt der Arbeit und der Außendarstellung liegt in der Funktion der Bücherei als öffentlichem Ort und Treffpunkt, als niederschwelliger „dritter Ort“ – wie das gerade in aller Munde befindliche Schlagwort lautet – mit hoher Aufenthaltsqualität. Dies äußert sich in der Schaffung von mehr individuellem Arbeitsraum für Nutzer unter gleichzeitiger Konzentrierung der Bestände und in der seit langer Zeit überfälligen Aktualisierung der technischen Infrastruktur (kostenloses W-LAN, mehr Rechnerarbeitsplätze, Einbeziehung mobiler Geräte).

In diesen Rahmen ist die Musikbücherei der Stadtbücherei eingebettet, die mit etwa 9 000 Musikalien, 5 000 CD, 3 000 Schallplatten, 1 800 DVD und 2 000 musikrelevanten Büchern eine der umfänglicheren Bestände der Region darstellt. Zu den regelmäßigen Nutzern gehören neben Schülern und Lehrern der benachbarten Musikschule auch Mitglieder des Opernensembles und des Orchesters, daneben natürlich Laienmusiker unterschiedlichsten Kenntnisstandes. Auf die Änderungen des Nutzerverhaltens hat auch die Musikbücherei in den letzten Jahren reagiert: etwa mit hervorgehobener Präsentation von Musik für Kinder und Schülern mit noch geringen Kenntnissen, Schwerpunkten auf leicht zu spielender Literatur oder mit Klassensätzen zu musikalischen Themen.

Die Musikbücherei sieht sich einem grundsätzlichen Wandel ihrer Aufgaben gegenüber: Die Nutzung der einstigen Frequenzbringer CD und DVD geht wegen des digitalen Wandels stark zurück, ebenso die potentielle Anzahl an Musikschülern. Die Nutzerzahl an professionellen Musikern wird auch in Zukunft nicht steigen, wenn die wirtschaftliche Situation der Stadt stagniert.

2 Die Idee

In Hagen und in den umliegenden kleineren Städten existiert eine lebendige Szene aus semiprofessionellen und Laienmusikern: Viele Dutzend Gesangvereine, Vokal- und Instrumentalensembles und Bands konkurrieren um die Aufmerksamkeit des Publikums. Eine zentrale Stelle, die sich verantwortlich für diese Art des städtischen musikalischen Lebens fühlt, gibt es jedoch nicht. Zwar sind viele Chöre und Ensembles im Chorverband NRW organisiert, doch eine alltägliche Koordination von Projekten und Terminen findet nur selten und nur unsystematisch statt. Die Musikbücherei will mit dem Projekt MusikNetz Hagen diese Lücken füllen.

Das langfristige Ziel des Projektes ist es,

  1. der Musikbücherei die Funktion einer „Informations-Tauschbörse“ hinzuzufügen, um an die Funktion der Bibliothek als „dritten Ort“ anzuknüpfen: Ein Ort, an dem Laienmusiker und sonstige Musikinteressierte sich regelmäßig und aktuell über das musikalische Leben der Stadt informieren können, der den Kontakt zu Musikvereinen, Chören und Orchestern aufbaut und so ein Netzwerk mit Musikern und unter den Musikern schafft;

  2. das Potential der Musikbücherei – ein gut aufbereiteter Bestand und vorhandenes Fachwissen in Person zweier Musikbibliothekare – auch über die bisherigen vorhandenen Zielgruppen hinaus bekannt zu machen und im Bewusstsein zu verankern;

  3. die Musikbücherei zu einem selbstverständlichen Anlaufpunkt des Hagener Musiklebens zu machen, nicht nur als Bibliothek im traditionellen Sinn, sondern auch als Ort des Austausches;

  4. neue Zielgruppen an das Haus zu binden und auch diejenigen für die Arbeit der Bücherei zu interessieren, die andernfalls den Weg nicht dorthin gefunden hätten.

3 Die Partner

Als unschätzbar wertvoll erwies sich das bestehende dichte persönliche Netzwerk, auf das eine langjährig im Kulturbereich der Stadt Hagen beschäftigte Mitarbeiterin zurückgreifen konnte, und das den ersten persönlichen Kontakt zu vielen örtlichen Musikern herstellte. Über diesen Weg war es möglich, im Vorfeld das grundsätzliche Interesse der Praktiker an dem Projekt auszuloten. Ein wichtiger Partner ist der Sängerbund Hagen-Ennepe-Ruhr, der einer weiteren Vernetzung seiner Mitglieder sehr positiv gegenübersteht. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit der städtischen Musikschule wertvoll und unverzichtbar – in der naturgemäß viele erfahrene Praktiker beschäftigt sind, die ihrerseits eigene persönliche Netzwerke einbringen – oder der Kontakt zu Kirchenmusikern und -chören. Auch Professor Florian Ludwig, der Generalmusikdirektor des Philharmonischen Orchesters Hagen und Schirmherr der Initiative, zeigte sich sehr interessiert, bietet das Projekt doch Anknüpfungspunkte an die durch ihn vorangetriebene musikalisch-pädagogische Arbeit, die seit langer Zeit bereits alle Bevölkerungsgruppen einbezieht, unabhängig von ihrer musikalischen Vorbildung.

4 Die Mittel

Natürlich gibt es vor Ort das klassische „schwarzen Brett“ an einem gut frequentierten Ort in den Räumen der Musikbücherei, auf dem lokale Musiker Veranstaltungsankündigungen und Informationen veröffentlichen können: Das scheint altmodisch, wird aber von vielen Menschen wahrgenommen, insbesondere wegen der hohen Zahl an Besuchern. Ebenso ist natürlich der regelmäßige persönliche Austausch unschätzbar wichtig. Hier hilft die persönliche Atmosphäre in der Stadtbücherei und in jedem Gespräch mit interessierten Musikern wird darauf hingewiesen, dass auch anlasslose Besuche ausdrücklich erwünscht sind.

Daneben wird permanent auf die Bücherei als Ort verwiesen, an dem die Räume der Bücherei als Platz für die Präsentation des eigenen Ensembles oder als Ort für Vorträge und Workshops genutzt werden können.

Bedeutsamer Teil der Planungen ist der Austausch im Internet. Hier gibt es zurzeit zwei Ansätze: Zum einen ist geplant, die Kalenderfunktion des städtischen Content Management Systems so zu modifizieren, dass Termine und Informationen der Netzwerkmitglieder leicht auf der Webseite der Stadtbücherei zugänglich und auffindbar sind und die vorhandenen Datensätze auch zu einem E-Mail-Newsletter weiter verarbeitet werden können. Zeitgleich hat die Stadtbücherei die Möglichkeit, sich an einem sich gerade bildenden Hagener Netzwerk für Kunst und Kreativität (iMPULS) zu beteiligen, das auf private Initiative zurückgeht und das durch Lokalpolitiker, kulturelle Vereine und städtische Institutionen wie der Volkshochschule oder dem Kulturbüro vorangetrieben wird. Hier soll es neben einem physischen Treffpunkt für Künstler und Kulturschaffende auch eine technisch aufwändige Webseite geben, die für Terminkoordination und Diskussion zwischen Kreativen, aber auch von allen interessierten Bürgern genutzt werden kann. Über diesen Weg Teil einer gesamtstädtischen Idee zu sein, eröffnet der Stadtbücherei einen neuen Horizont, könnte die Musikbücherei doch der Kanal sein, über den technisch nicht versierte Musiker trotzdem die Möglichkeit erhalten, Teil dieses größeren Projektes zu werden.

5 Die ersten Schritte

Das Projekt MusikNetz Hagen ist noch jung: Im September 2015 hat die Musikbücherei alle ihre bekannten Ensembles, Solisten und Chöre sowie die Musikschule zu einem ersten Treffen eingeladen, um sich gegenseitig kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen oder sie zu erneuern. Diese Treffen sollen einmal jährlich stattfinden. Seit dem Bestehen des Projektes hat sich bereits eine Reihe von größeren und kleineren Aktivitäten etabliert:

  1. Vermittlung von Solisten für Konzerte,

  2. öffentliche Proben von Chören und Ensembles während der Öffnungszeiten der Stadtbücherei,

  3. Präsentationen des Projekts auf Versammlungen des Sängerbundes,

  4. Konzerteinführungen,

  5. Schülerkonzerte der Musikschule in der Musikbücherei während der Öffnungszeiten,

  6. eigene Workshops für Erzieher und Grundschullehrer,

  7. zahlreiche Besuche der Musikbibliothekare in Konzerten der lokalen Ensembles,

  8. neue Veranstaltungsformate wie das MitSingDing, eines voraussetzungslosen offenen Singens von Pop, Schlagern und Volksliedern, das bereits erfolgreich in der Umgebung Hagens eingeführt ist,

  9. Aufbau eines Bestandes mit Tonträgern der lokalen Musikszene.

Die Initiative steht noch am Anfang. Zwar herrscht bei Laienmusikern großes Interesse an dem Projekt der Bücherei, andere Ensembles sind eher distanziert. Die Stadtbücherei ist jedoch davon überzeugt, dass langfristig alle Seiten von der Initiative profitieren werden: Chöre und Ensembles, von denen nicht wenige große Nachwuchssorgen haben, finden ein Forum, auf dem sie sich und ihre Arbeit präsentieren können, und die Stadtbücherei wird noch mehr als bisher ein integraler Bestandteil des Hagener Kulturlebens werden. Die Arbeit ist nicht mittelfristig geplant, sondern auf viele Jahre ausgelegt, und die bisherigen sehr positiven Rückmeldungen machen der Musikbücherei Mut, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen.

Online erschienen: 2016-11-30
Erschienen im Druck: 2016-12-1

© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Inhaltsfahne
  3. Next Generation Library Systems
  4. Next Generation Library Systems
  5. Renewing the Library System Environment in Finland – What We Have and What We Need
  6. Libraries of French Higher Education
  7. Transitioning from a Self-developed and Self-hosted ILS to a Cloud-based Library Services Platform for the BIBSYS Library System Consortium in Norway
  8. Austrian Library Network and Next Generation Library System: Alma
  9. Zukunftsgestalter in Bibliotheken 2016: Sieger
  10. Mehr Spielräume: Methoden der partizipativen Lernraumgestaltung
  11. Ein JuWel ist entstanden
  12. Zukunftsgestalter in Bibliotheken 2016: Weitere innovative Projekte
  13. Schreibzentrumsarbeit als integriertes Tätigkeitsfeld einer Hochschulbibliothek
  14. MusikNetz Hagen: Eine Musikbücherei auf dem Weg zu einer Informations-Tauschbörse
  15. Schülerwettbewerb zu ökonomischen Fragen bringt Jugendlichen Informations- und Medienkompetenz näher
  16. Open-Access-Publizieren und -Beraten: Mit Fokus auf die PUBLISSO – Publikationsplattform von ZB MED
  17. Kollaboration und Web 2.0
  18. Wo bin ich? iBeacons im Einsatz in der Bibliothek der TH Wildau
  19. Stadtliebe.ch – Ein Erinnerungsblog für Winterthur
  20. Bibliothekspolitik
  21. „Bibliothekspolitik“ – Prätention, Praxis und Perspektiven
  22. Wissenschaftliche Information: Zugang, Verarbeitung und Speicherung
  23. Bibliotheksbau
  24. Die neue Universitätsbibliothek Freiburg – gebaut für eine digitale Zukunft
  25. „Bis morgen in der Bibliothek!“ – Entwicklungen für Lernorte an der SUB Göttingen
  26. An der Zukunft bauen: Die Norderweiterung der Universitätsbibliothek Heidelberg und ihre aktuellen Innovationsfelder
  27. Bibliothek als Ort, Bibliothek als Organisation, Bibliothek im Wandel
  28. Die Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg (BNU) nach der Wiedereröffnung: Modernisierte Organisationsform in einem neuen „alten“ Bibliotheksbau
  29. Neue Entwicklungen
  30. Aktuelle Entwicklungen an den österreichischen Bibliotheken 2015
  31. Rezensionen
  32. Graham Jefcoate: Deutsche Drucker und Buchhändler in London 1680–1811. Strukturen und Bedeutungen des deutschen Anteils am englischen Buchhandel (Archiv für Geschichte des Buchwesens, Studien; 12), Berlin: De Gruyter, 2015. 611 S., 139,95 €
  33. The German book in Wolfenbüttel and abroad: studies presented to Ulrich Kopp in his retirement. Ed. by William A. Kelly and Jürgen Beyer. (Studies in reading and book culture; 1) Tartu: University of Tartu Press, 2014. 344 S., Ill. ISBN 978-9949-32-494-1, $ 44,00
  34. Holger Böning; Iwan-Michelangelo D’Aprile; Hanno Schmitt; Reinhart Siegert (Hg.): Selbstlesen – Selbstdenken – Selbstschreiben. Prozesse der Selbstbildung von „Autodidakten“ unter dem Einfluss von Aufklärung und Volksaufklärung vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Mit 600 Kurzbiographien von Autodidakten im deutschen Sprachraum bis 1850 und Verzeichnissen von Bauernbibliotheken. Bremen: edition lumière, 2015. (Philanthropismus und populäre Aufklärung. Studien und Dokumente; Bd. 10). 552 S., s/w. Abb., Fest geb. ISBN 978-3-943245-35-6. € 44,80
  35. Vermarktungsstrategien für das Buch im multimedialen Raum. Eine interdisziplinäre Untersuchung. Hrsg. von Vincent Kaufmann. Wiesbaden: Harrassowitz, 2015. 238 S., 11 Abb., 22 Diagr., 19 Tab., br. (Buchwissenschaftliche Beiträge; 90 ) ISBN 978-3-447-10355-8 € 52,–
  36. „Der ganze Verlag ist einfach eine Bonbonniere“. Ullstein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hg. von David Oels und Ute Schneider. Berlin, München, Boston: De Gruyter, 2015. 433 S., s./w. Abb. (Archiv für Geschichte des Buchwesens – Studien; 10). Fest geb. – ISBN 978-3-11-033708-2, e-ISBN (PDF) 978-3-11-033721-1, e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038397-1, ISSN 2197-0351. € 119,95
  37. Jahresinhaltsverzeichnis 2016
  38. Jahresinhaltsverzeichnis 2016
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