Abstract
Die Zukunft beginnt jetzt! Dieser Artikel beleuchtet die vielschichtigen Entwicklungsperspektiven im Bereich der Förderung von Informationskompetenz (IK). Im Rahmen einer Unkonferenz[1] des 4. Informationskompetenz-Tages DACH 2024 in Zürich wurden Expertinnen und Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz dazu befragt und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) und digitalen Technologien diskutiert. Die Ergebnisse der daraus entstandenen „DACH-Vision IK 2040“ zeigen, dass IK auch in Zukunft ein zentraler Bestandteil von Bibliotheksangeboten bleibt. Wie die entsprechenden Kurse in der Praxis ausgestaltet werden, sollte sich an den Bedürfnissen aktueller wie künftiger Generationen, den „KI-Natives“, orientieren.
Abstract
The future begins now! This article highlights development perspectives in promoting information literacy (IL). Based on interviews with experts from Germany, Austria and Switzerland, and a discussion on the role of artificial intelligence (AI) and digital technologies at an “unconference“ event during the 4th Information Literacy Day DACH 2024 in Zurich, the “DACH Vision IL 2040” program has been developed, which shows that the promotion of IL will remain a central component of library services in the future. The design of practical courses teaching these competences should be geared towards the needs of today’s and future “AI natives”.
1 Wie sieht die Zukunft der Informationskompetenz oder die Informationskompetenz der Zukunft aus?
Diese Leitfrage stand im Mittelpunkt der Unkonferenz „Zurück in die Zukunft – wie sieht die Förderung von Informationskompetenz im Jahr 2040 aus?“, die im Rahmen der 4. IK-DACH-Tagung 2024 in Zürich stattfand.[2] Die Veranstaltung lud dazu ein, innovative und kontroverse Ideen sowie Ansätze zur Förderung von IK zu teilen. Als Inspirationsquelle dienten visionäre Konzepte von Nachwuchsbibliothekarinnen und -bibliothekaren, die zu Beginn vorgestellt wurden.[3]
Im Anschluss daran hatten mehr als 30 Expertinnen und Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Gelegenheit, in Umfragen, Diskussionsrunden und Gruppenarbeiten eigene Perspektiven, Ideen und individuelle Erwartungen einzubringen. Die daraus entstandene „DACH-Vision IK 2040“ bietet einen kompakten Überblick über mögliche Veränderungen, kommende Herausforderungen und Chancen für Bibliotheken – aus der Sicht ihrer Mitarbeitenden.
„Lasst uns zunächst unsere neuen Kollegen begrüßen!“, mit diesem Worten startete die Unkonferenz. Doch anstatt menschlicher Personen tauchten überraschend diese zwei Figuren auf dem Bildschirm auf: Schretti, das holografische Buch, und Rob R2D2, der geflügelte Papyrus-Roboter (Abbildung 1).
Die beiden virtuellen Helfer sind durch einen digitalen „Informationsinfrastrukturausweis“ von überall aus aktivierbar. Sie verfügen über Sprachfunktionen, die weitaus natürlicher klingen als die bekannten Alexa oder Siri. Schretti und Rob bewegen sich mühelos durch den Informationsdschungel, beraten fachübergreifend und unterstützen beim wissenschaftlichen Schreiben – sie vermitteln sogar, wie man Plagiate in Doktorarbeiten vermeidet. Ihre hohe Sozialkompetenz und Empathie machen sie zu verlässlichen Begleitern, die frustrierte Lernende aufmuntern und motivieren. Schretti und Rob sind nicht nur mit allen gängigen Bibliothekstools ausgestattet, sondern auch weit über die Universität hinaus vernetzt. Sie wissen stets, wer die richtigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sind. Und das Beste: Rob und Schretti arbeiten quasi ehrenamtlich und werden nie müde!

Schretti, das holografische Buch und Rob R2D2, der geflügelte Papyrus-Roboter (Foto: Tessa Sauerwein/Leonardo AI).
So stellt sich der bibliothekarische Nachwuchs, die „Next Generation“, den Bibliotheksalltag und die Vermittler von IK in fünfzehn Jahren vor. Es wird deutlich, dass der IK-Bereich in naher Zukunft eine grundlegende Transformation durchlaufen könnte. KI wird zunehmend in Bibliotheken präsent sein, nicht zuletzt, um jederzeit Unterstützung rund um das Thema „Informationen“ zu bieten.
Dieses skizzierte Szenario wirft elementare Fragen bezüglich des IK-Bereichs auf, gerade im Hinblick auf die Personal- und Organisationsplanung.[4] Werden maschinelles Lernen, Robotik, KI und Open Access die Autonomie unserer Nutzerinnen und Nutzer stärken oder unsere Services überflüssig machen? Gibt es im Jahr 2040 überhaupt noch Bibliotheksangebote zur Vermittlung von IK und wenn ja, wie sehen diese aus?
Während sich der Retro-Trend in vielen Lebensbereichen (z. B. Mode, Musik, Freizeit, Telekommunikation) bemerkbar macht und einen Kontrapunkt zur fortschreitenden Digitalisierung setzt, standen die Unkonferenz-Teilnehmenden vor herausfordernden Aufgaben. Es galt, sowohl bewährte als auch innovative IK-Entwicklungen zu identifizieren und auf ihre Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit hin zu evaluieren.
2 Der Blick in die Glaskugel: Fragen und Antworten der Teilnehmenden
Wertvolle Impulse für die Unkonferenz lieferte eine anonyme Online-Umfrage, die drei zentrale Aspekte der IK-Förderung in den Fokus rückte: IK und die Verbindung zu Bibliotheken, die thematische Schwerpunktsetzung und die praktische Ausgestaltung von Bibliothekskursen.

Der gemeinsame Blick in die Glaskugel (Foto: Tessa Sauerwein/Leonardo AI).
3 Gehört IK im Jahr 2040 noch zum Angebot von Bibliotheken?
Die erste Erhebung zur Frage, ob Informationskompetenz 2040 noch zum Angebot von Bibliotheken gehören wird, lieferte folgende Ergebnisse: 81 Prozent der Befragten stimmten mit „Ja“, niemand mit „Nein“, aber immerhin 19 Prozent waren unsicher. Diese Antworten verdeutlichen die breite Zustimmung und die Relevanz von IK. Gleichzeitig wird durch die Skepsis einiger Teilnehmenden angedeutet, dass IK als Bestandteil des Serviceportfolios von Bibliotheken zwar wichtig bleibt, aber wohl nicht zwingend an den physischen Ort der Bibliothek gebunden ist. Die Qualität dieser Angebote müsste nach Meinung der Befragten durch kollegiale Beratung und Zusammenarbeit auch im virtuellen Raum gesichert werden.
4 Welche IK-Themen sind für unsere Nutzerinnen und Nutzer 2040 relevant?
Die zweiten Umfrageergebnisse zu den zentralen IK-Themen im Jahr 2040 zeichnen ein eindeutiges Bild: Desinformation, verstärkt durch den Einsatz von KI, wird zunehmend als Bedrohung für die Gesellschaft wahrgenommen. Entscheidend ist es daher, Informationskompetenz zu fördern, um Manipulationen zu verhindern und freie Diskurse zu gewährleisten. Deshalb wurde von den Teilnehmenden ein umfassendes Maßnahmenpaket gefordert, das nicht nur das kritische Bewerten und Hinterfragen von Informationen umfasst, sondern auch die Validierung von KI-generierten Daten.
Weitere Herausforderungen entstehen durch die drastische Veränderung unserer Zielgruppen. Statt Digital Natives werden es bald zunehmend „KI-Natives“[5] sein, die Bibliotheken und ihre Services nutzen.
5 Wie könnte ein zukunftsfähiger Bibliothekskurs aussehen?
Die Ergebnisse zur praktischen Gestaltung von Bibliothekskursen im Jahr 2040 deuten auf hybride, vor allem digitale Formate hin. Im Vordergrund stehen personalisierte, aber flexible Formen, die problemlos in Curricula integriert werden können – etwa durch Online- und On-Demand-Angebote. Diese werden kontinuierlich optimiert, um den sich ständig wandelnden Nutzerbedürfnissen gerecht zu werden. Besonders geeignet erscheinen dafür niederschwellige Angebote wie Online-Tutorials, die klassische Präsenzkurse ersetzen könnten. Ein weiterer Trend geht zu partizipativen Elementen, die das Lehren und Lernen lebendiger machen – etwa durch Gamification und Rollenspiele. Teamarbeit und die Fähigkeit, digitale Herausforderungen kooperativ zu meistern, sind hierbei gefragt. Darüber hinaus könnten Bibliothekskurse künftig mit modernen Lifestyle-Konzepten, im Sinne einer „Informationstherapie“, kombiniert werden. Lernziele könnten dann beispielsweise der Schutz vor einer digitalen Reizüberflutung sein, um eine ausgewogene Mediennutzung zu fördern. Durch den Einsatz von KI sollte es gelingen, relevante Inhalte zusammenzustellen und diese in Live-Demos oder Augmented-Reality-Simulationen zu präsentieren – dadurch wird wertvolle Zeit gespart.
6 Wohin geht nun die Reise zur Informationskompetenz der Zukunft?
Was haben die Raumstation von Elon Musk, ein Schiff auf dem Bodensee und der Begriff „unter einem Dach“ gemeinsam? Laut den Teilnehmenden der Unkonferenz könnten all dies mögliche Schauplätze einer potenziellen IK-DACH-Tagung im Jahr 2040 sein. Die kreativen Motto-Vorschläge reichen von „Auf zu neuen Ufern“ über „Inklusion“ bis zu „Alter Wein in neuen Schläuchen“, was eine gewisse Ambivalenz zum Ausdruck bringt. Jedoch unterstreichen sie auch die Bedeutung des kooperativen Austauschs und der Diversität für die Weiterentwicklung von IK. Einige der in diesem Beitrag vorgestellten Ideen und Konzepte sind bereits etabliert, andere stehen noch am Anfang – und wieder andere bleiben vielleicht ganz Utopie.
2024 trafen sich Bibliothekarinnen und Bibliothekare aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit unterschiedlichen Erfahrungswerten in Zürich, um gemeinsam einen Blick in die Zukunft zu werfen. Ihr generations- und länderübergreifender Pioniergeist zeigt, dass Wandel als Chance verstanden wird, um die Zukunft der IK oder die IK der Zukunft grenzenlos aktiv zu gestalten. Vielleicht werden uns Schretti und Rob schon bald auf dieser spannenden Reise begleiten!
© 2025 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
Artikel in diesem Heft
- Frontmatter
- Editorial
- Aus den Verbänden
- 80 Jahre Kriegsende: Bibliotheken sind wichtige Orte der Informations- und Erinnerungskultur
- Zum Welttag des Buches: Bibliotheksverband unterstreicht die Bedeutung von E-Books in Bibliotheken
- „Mehr Wirkung durch Vielfalt und Vernetzung – Bibliotheken verbinden Wissen, Menschen und Gesellschaft“
- Klares Bekenntnis der kommenden Regierungskoalition zur Sonntagsöffnung Öffentlicher Bibliotheken
- Erste bundesweite Nacht der Bibliotheken: ein voller Erfolg!
- Für mehr Transparenz in der Wissenschaft – DINI unterzeichnet „Barcelona Declaration on Open Research Information“
- Themen
- Nachhaltige Entwicklung von Bibliotheken und Bildung für nachhaltige Entwicklung in Bibliotheken. Das Leipziger Konzept
- Die Zukunft der Informationskompetenz oder die Informationskompetenz der Zukunft – DACH-Vision IK 2040
- Digitalisierung von Literatur aus dem „Dritten Reich“ – eine straf- und jugendschutzrechtliche Bewertung
- Notizen und Kurzbeiträge
- Notizen und Kurzbeiträge
- Korrigendum
- Korrigendum zu: Maximilian Bach. Bericht zum Arbeitsgespräch „Arsen in Büchern: Auf dem Weg zu angemessenen Arbeitsschutzmaßnahmen“
- Korrigendum zu: Lukas Tschopp. Förderung von KI Literacy – ein Beitrag wissenschaftlicher Bibliotheken zu einer ganzheitlichen Ausbildung
- Termine
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Artikel in diesem Heft
- Frontmatter
- Editorial
- Aus den Verbänden
- 80 Jahre Kriegsende: Bibliotheken sind wichtige Orte der Informations- und Erinnerungskultur
- Zum Welttag des Buches: Bibliotheksverband unterstreicht die Bedeutung von E-Books in Bibliotheken
- „Mehr Wirkung durch Vielfalt und Vernetzung – Bibliotheken verbinden Wissen, Menschen und Gesellschaft“
- Klares Bekenntnis der kommenden Regierungskoalition zur Sonntagsöffnung Öffentlicher Bibliotheken
- Erste bundesweite Nacht der Bibliotheken: ein voller Erfolg!
- Für mehr Transparenz in der Wissenschaft – DINI unterzeichnet „Barcelona Declaration on Open Research Information“
- Themen
- Nachhaltige Entwicklung von Bibliotheken und Bildung für nachhaltige Entwicklung in Bibliotheken. Das Leipziger Konzept
- Die Zukunft der Informationskompetenz oder die Informationskompetenz der Zukunft – DACH-Vision IK 2040
- Digitalisierung von Literatur aus dem „Dritten Reich“ – eine straf- und jugendschutzrechtliche Bewertung
- Notizen und Kurzbeiträge
- Notizen und Kurzbeiträge
- Korrigendum
- Korrigendum zu: Maximilian Bach. Bericht zum Arbeitsgespräch „Arsen in Büchern: Auf dem Weg zu angemessenen Arbeitsschutzmaßnahmen“
- Korrigendum zu: Lukas Tschopp. Förderung von KI Literacy – ein Beitrag wissenschaftlicher Bibliotheken zu einer ganzheitlichen Ausbildung
- Termine
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