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Inspiration, Partizipation, Kreativität – innovative Ansätze bei der Entwicklung einer neuen Stadtteilbibliothek in Würzburg

  • Anja Flicker

    Anja Flicker

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Veröffentlicht/Copyright: 4. Januar 2018
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Zusammenfassung

Die Stadtbücherei Würzburg konzipiert gerade eine neue Stadtteilbibliothek. Inspiriert von internationalen Beispielen entschied man, neue Wege zu gehen, um die Bibliothek eng an den Bedürfnissen der Stadtteilgesellschaft auszurichten: Die Konzeption wird mittels Design Thinking for Libraries[1] gemeinsam mit Würzburger Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet. Den Prozess begleitet Julia Bergmann. Um für die Menschen im Stadtteil einen innovativen „Dritten Ort“[2] zu schaffen, ist Architekt Aat Vos[3] mit der Gestaltung beauftragt. Dieser Artikel beschreibt Projektverlauf, bisherige Erfahrungen und Ausblick.

Abstract

The Wuerzburg Public Library is currently designing a new district library. Inspired by international examples, it was decided to break new ground in order to make the library fit in with the district society’s needs. The conception is worked out together with Wuerzburg citizens, using Design Thinking for Libraries. Julia Bergmann attends the process. To create an innovative “third place“ for the district’s people, the architect Aat Vos has been commissioned with the design. This article describes the course of the project, experiences made up to now and gives a prospect of the future.

1 Die Ausgangssituation und der Weg dahin – Stadtentwicklung

Zurzeit wird in der Stadt Würzburg ein neuer Stadtteil entwickelt, das Hubland. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts waren dort Flugfeld und militärisches Gebiet. Von den Fünfzigerjahren bis ca. 2010 wurde das Areal vom US Militär genutzt. Mittlerweile ist das Gelände im Eigentum der Stadt Würzburg. Die Vorbereitungen für das Entstehen eines neuen Stadtteils laufen seit einigen Jahren. Die Bebauung mit Verkehrswegen, Wohngebäuden, Gewerbe, Nahversorgung etc. hat bereits begonnen. Von April bis Oktober 2018 findet dort zunächst eine Landesgartenschau statt.

Die neue Stadtteilbibliothek Hubland wird in den Tower des ehemaligen Flugplatzes einziehen, eines der wenigen Gebäude, die aus den 1920er-Jahren erhalten bleiben. Das Gebäude wird momentan von Architekturbüro Florian Nagler Architekten (München)[4] umgebaut und saniert. Der Bibliothek stehen danach Erdgeschoss und Untergeschoss des Towers zur Verfügung, je Etage ca. 200 qm. Im 1. Obergeschoss entsteht das Gründerzentrum für Digitale Innovation[5].

Diese Ausgangssituation ist für die Stadtbücherei eine einmalige Chance, den neuen Stadtteil mitzugestalten und sich dort zu positionieren.

2 Die Ausgangssituation und der Weg dahin – Bibliotheksentwicklung

Die Direktorin der Stadtbücherei Würzburg (Verfasserin dieses Artikels) ist seit 2013 Mitglied in einem internationalen Netzwerk der Bill & Melinda Gates Foundation: INELI –International Network of Emerging Library Innovators. Diese internationalen Kontakte ermöglichen intensiven Wissens- und Erfahrungsaustausch mit Bibliotheken in Ländern aller Kontinente und brachten für die Autorin im wahrsten Sinne des Wortes Horizonterweiterungen mit sich, sorgten für neue Inspirationen und für ein verändertes bzw. erweitertes Rollen- und Aufgabenverständnis der Stadtbücherei Würzburg (und Öffentlicher Bibliotheken insgesamt): Das Würzburger Bibliotheksteam sieht sich jetzt noch viel mehr dem Dienst an der Stadtgesellschaft verpflichtet. Die Angebote und Programme sollen noch stärker an den Bedürfnissen der Bürgerschaft ausgerichtet sein: Menschen- und Gesellschafts-Orientierung haben Vorrang, nicht Bestands-, Team- oder Bibliotheks-Orientierung.

Am Anfang dieser Ausrichtung steht logischerweise die Notwendigkeit, die Bedürfnisse der (Stadt-)Gesellschaft herauszufinden und zu verstehen. Zu diesem Zweck wenden Bibliotheken in anderen Ländern bereits die Methode „Design Thinking for Libraries“an. INELI-Mitglieder der Öffentlichen Bibliotheken von Aarhus (DK), Helsinki (FIN) und Chicago (USA) berichten von langjährigen und sehr guten Erfahrungen mit dieser partizipativen Herangehensweise an Innovation. Prominente Beispiele sind die Bibliotheksneubauten DOKK1 in Aarhus[6] und Central Library in Helsinki[7].

In Würzburg ist nun die Entwicklung der neuen Stadtteilbibliothek Hubland das erste Projekt, bei dem die Methode Design Thinking angewendet wird. Mit Beratung und Prozessbegleitung ist Julia Bergmann[8] beauftragt.

Die Ergebnisse des Design Thinking Prozesses in Bibliotheksangebote und Programme umzusetzen, ist Sache des Büchereiteams. Zur Gestaltung und Möblierung der Räume ist zusätzliches Fachwissen erforderlich, über das die Mitarbeitenden nicht verfügen.

Inspiriert von Bibliotheken, die als „Dritter Ort“ für die Bevölkerung gestaltet wurden und funktionieren – allen voran das spektakuläre Beispiel der Jugendbibliothek Biblo TØyen in Oslo[9] – beauftragte die Stadtbücherei Würzburg den seit vielen Jahren international tätigen Architekten und Creative Guide Aat Vos[10] aus Donderen (NL) sowie den Planer und Innendesigner Klaus Dossler aus Würzburg.

3 Visionen für die neue Stadtteilbücherei

Das Team hat als Ziel der Bibliotheksarbeit formuliert „Wir befähigen Menschen zur Teilhabe an Bildung und Kultur, an Wissensgesellschaft und Digitalisierung“. Hinsichtlich dieses Ziels drängt sich die Implementierung eines „Dritten Ortes für alle“ geradezu auf. So soll die Stadtteilbücherei Hubland den Menschen im Stadtteil ein Ort für Identifikation, Inspiration und Partizipation werden. Die Bibliotheksmitarbeitenden bieten Unterstützung in der realen und der digitalen Welt. Konzipiert als „Open Library“[11] stehen Räume, Medien und Infrastruktur den Kundinnen und Kunden auch außerhalb von personell besetzten Zeiten zur Verfügung.

Weitere Eckpunkte des Konzepts der neuen Stadtteilbibliothek:

  1. Zukunftsorientierter Netzwerkort für unterschiedliche Alters- und Interessengruppen: Die Stadtteilbücherei am Hubland ist ein Treffpunkt für alle. Sie fungiert als Informationsknotenpunkt und vernetzt die heterogenen gesellschaftlichen Gruppen. Sie unterstützt die Kommunikation im Stadtteil, wirkt dadurch identitätsstiftend und fördert eine lebendige Gemeinschaft.

  2. Ort für Neugierige: Medien, Kommunikation, Information, Digitale Welt: Für Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Seniorinnen und Senioren gibt es einen zielgruppengerecht ausgewählten vielseitigen Medienbestand. Darüber hinaus Zugang zu Internet und freiem WLAN. Die Räume und Flächen sind ansprechend gestaltet und möbliert, damit man sich gerne hier aufhält. Die Stadtteilbibliothek ermöglicht wohnortnahe Teilnahme an der Programmarbeit der Stadtbücherei Würzburg.

  3. Ort der Digitalen Medienkompetenz: Veranstaltungen zur Vermittlung grundlegender Medienkompetenz in der vernetzten Welt sowie zum Umgang mit digitalen Medien bilden einen Schwerpunkt der Programmarbeit. Damit wirkt die Stadtbücherei Würzburg aktiv der digitalen Spaltung der Gesellschaft entgegen.

  4. Ort der Begegnung mit aktueller Technik: Die Stadtteilbücherei präsentiert neue Technologien und unterstützt Menschen bei der Handhabung moderner Medien (e-Reader, Tablets, Smartphones, Apps, Virtual Reality-Geräte, 3D-Drucker etc.). Sie setzt zeitgemäße Technologien ein (RFID, WLAN, Touchscreens) und nutzt deren Möglichkeiten zur Verbesserung des Services. Zum Beispiel: Vor und nach den personell besetzten Öffnungszeiten wird die Stadtteilbücherei als „Open Library“ nutzbar sein.

  5. Veranstaltungsort: Die Stadtteilbücherei bietet selbst Veranstaltungen an (Vermittlung von Medienkompetenz, Kultur, Leseförderung etc.). Sie kann aber auch von Bürger/innen, Vereinen u. a. als Ort für eigene Veranstaltungen genutzt werden.

  6. Arbeits- und Lernort: Die Menschen finden hier eine zielgerichtete Infrastruktur zum Lernen und Arbeiten für Einzelne und kleine Gruppen.

  7. Grüner Ort Gartenschau-Bibliothek: Während der Landesgartenschau (April bis Oktober 2018) steht das Erdgeschoss der Stadtteilbücherei den LGS-Besucher/innen als Ort der Medien, der Information sowie als Ruhe- und Kommunikationsort zur Verfügung. Die Medien und das Veranstaltungsangebot werden den Themen der LGS entsprechen.

Die Stadtbücherei Würzburg ist überzeugt vom Motto „Libraries Change Lives“ der Initiative Public Libraries 2020[12]. Das Team der Stadtbücherei Würzburg sieht sich in einer gesellschaftlich relevanten Rolle: Es glaubt daran, mit seiner Arbeit und den Angeboten im Leben der Menschen Positives bewirken und nutzbringende Veränderungen anstoßen zu können; und daran, dass diese Wirkungen bei Einzelnen der Stadt(teil)gesellschaft insgesamt gut tun.

4 Bisherige Erfahrungen mit Design Thinking

Der Design Thinking-Ansatz ist kundenzentriert, basiert auf Experimentieren und „learning by doing“. Die Veröffentlichung “Design Thinking for Libraries”[13] heißt im Untertitel „A Toolkit for Patron-Centered Design“ – ist also ein Werkzeugsatz für kundenorientierte Gestaltung von Innovation. Der Prozess beginnt und endet mit den Bedürfnissen der Bürger/innen, nicht mit denen der Bibliothek; diese soll deren Bedürfnissen folgen. Diese Methode anzuwenden verlangt von den Mitarbeitenden, ihre Komfortzone (hinter der Theke) zu verlassen und sich auf einen nicht-linearen Prozess einzulassen, der Flexibilität und den Willen zu stetiger Weiterentwicklung erfordert.

Design Thinking kann nur erfolgreich sein mit einer zu diesem Ansatz passenden persönlichen Einstellung: Voraussetzung ist zunächst die Bereitschaft, die Bedürfnisse der Kunden vor die der Bücherei zu stellen. Zudem sollte man naiv – mit dem frischen Blick eines Anfängers – schauen können und bereit sein, Neues über die eigene Bibliothek zu lernen, die man ja eigentlich so gut kennt. Mit kreativer Zuversicht darf man die Angst vor Kritik und Scheitern ablegen. Es ist OK, nicht immer sofort die „richtige“ Antwort zu kennen – Schönheit liegt im Unfertigen und Unperfekten. Immer optimistisch bleiben, Probleme als Chancen verstehen und überzeugt sein, dass ein paar Menschen, die auf neue Art zusammen arbeiten, die Zukunft der Welt ein bisschen besser machen können.[14]

So weit im Toolkit nachzulesen – klingt plausibel und man möchte allem zustimmen. In der realen Anwendung fällt nicht alles auf Anhieb leicht.

Die Stadtbücherei Würzburg hat im ersten Durchgang parallel mit vier Teams an vier verschiedenen Themenfeldern gearbeitet: Stadtteilbücherei Hubland als…

  1. Ort der Identifikation,

  2. Ort der Innovation,

  3. Ort der Partizipation,

  4. Dritter Ort.

Jedes Team hatte vier bis fünf Teammitglieder aus verschiedenen Bereichen der Bücherei und ein externes Teammitglied von außerhalb der Organisation. Von Januar bis Mai 2017 wurde ein erster Durchgang aller Prozessschritte des Design Thinking durchlaufen.

Dieser Prozess gliedert sich in zwei Hauptphasen: „Problem verstehen“ und „Problem lösen“: Um das Problem verstehen zu können, wird zunächst eine starke Designfrage formuliert, die eine konkrete Herausforderung und eine Zielgruppe nennt (z. B.: „Wie könnten wir die Bibliotheksarbeit gestalten, damit die Bücherei für junge Familien auf der Suche nach Kontakt und Kommunikation zum bevorzugten Anlaufpunkt wird?“ oder „Wie könnten wir dafür sorgen, dass ältere Menschen die Bibliothek als angenehmen Aufenthaltsort wahrnehmen?“). Danach beginnt die Erkundungsphase, in der durch verschiedene Methoden (z. B. Gespräch, Interview, Beobachtung, Foto-Tagebuch etc.) die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden in Bezug auf die Designfrage erkundet werden. Diese werden dann zusammengefasst und analysiert, um ein tieferes Verständnis der Bedürfnisse der Menschen in Bezug auf das Problem zu erlangen.[15] Hier sollen ausdrücklich noch keine Antworten oder Lösungen gefunden werden! Das stellte das Team der Stadtbücherei vor eine ungeahnte Herausforderung, ist man doch berufsbedingt gewohnt, immer sofort zu lösen, zu erklären und nach der „richtigen“ Antwort zu suchen. In dieser Phase geht es aber ausschließlich ums Zuhören und Verstehen.

Dann erst beginnt die zweite Phase: Problem lösen.

Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse und Inspirationen werden Ideen entwickelt und (z. B. aus Bastelmaterial wie Pappe, Pfeifenreinigern, Moosgummi oder auch Lego) Prototypen gebaut. Diese werden den Kundinnen und Kunden vorgestellt, um deren Feedback zur gefundenen Lösung einzuholen und daraus weitere Schritte abzuleiten. Diese Schritte können durchaus auch rückwärts gerichtet sein, denn der gesamte Prozess ist iterativ angelegt, sodass zu jedem Zeitpunkt auch eine Idee verworfen werden kann, die in der Konkretisierungsphase nicht standgehalten hat. Frühes und häufiges „Scheitern“ trägt so zur Reduktion von Projekt- und Entwicklungsrisiken bei.[16]

Auf diese Weise haben alle vier Teams der Stadtbücherei mit viel Spaß und Engagement Prototypen für neue Services und Produkte der Stadtteilbücherei Hubland entwickelt. Eine große Herausforderung ist es, bei laufendem Bibliotheksbetrieb ausreichend Zeit zu finden für die diversen Tätigkeiten, Workshops und Termine der Teams. Wichtig also, dass auch die Mitarbeitenden, die nicht in Design Thinking-Teams dabei sind, das Vorhaben unterstützen. Denn sie müssen den Kolleg/innen Aufgaben und Thekendienste abnehmen.

Während der Durchführung ist außerdem schnell klar geworden, dass man zur sauberen Anwendung der Methode fachkundige Anleitung und Übung benötigt. Die Stadtbücherei Würzburg wird in dieser Hinsicht von Julia Bergmann[17] beraten und unterstützt.

Eine weitere Erkenntnis: Im Rahmen dieser Erkundungsphase führten die Teams so intensive Kunden- und auch Nichtkunden-Gespräche wie nie zuvor (nicht zu vergleichen mit gezielten Befragungen oder den täglichen Kundengesprächen an den Theken). Das ist ungewohnt und eine Herausforderung, benötigt teilweise Überwindung (siehe oben: „raus aus der Komfortzone“), bescherte aber ungeahntes und bisher in diesem Umfang nie eingeholtes positives Feedback. Selbstverständlich kam auch Kritik. Diese sowie auch wertfrei gemeinte Fremdwahrnehmung der Bibliothek aus Kundenperspektive sind ebenso erhellend, teilweise erschütternd, immer erkenntnisreich und wertvoll. Insgesamt gesehen will das Team der Stadtbücherei Würzburg auf diese intensive Kommunikation nicht mehr verzichten. Auch weil die angesprochenen Personen sich nicht etwa gestört oder belästigt fühlten (wie teilweise befürchtet), sondern sich erfreut zeigten über diese Möglichkeit der Partizipation. Gleichzeitig konnte eine Basis für Identifikation und Verbundenheit mit der Stadtbücherei gelegt werden.

Unser Fazit fällt durchweg positiv aus: Die Methode Design Thinking hat sich bestens bewährt, motiviert die Beteiligten und führt sinnvoll und zielgerichtet zur partizipativen Gestaltung von Innovation.

5 Bisherige Erfahrungen mit der Gestaltung von Aat Vos

Die Ergebnisse des Design Thinking-Prozesses sollen in Bibliotheksangebote, aber auch in Gestaltung und Möblierung der Räume umgesetzt werden. Inspiriert von Bibliotheken, die als „Dritter Ort“[18] für die Bevölkerung gestaltet wurden und als Lebensraum für die Menschen funktionieren – allen voran das spektakuläre Beispiel der Jugendbibliothek Biblo TØyen[19] in Oslo – wählte die Stadtbücherei Würzburg den seit vielen Jahren international tätigen und renommierten Architekten und – wie er sich selbst bezeichnet – Creative Guide Aat Vos[20] aus Donderen (NL).

Die Zusammenarbeit mit Aat Vos startete bereits im Juni 2016 mit einem ersten Workshop zusammen mit den Verantwortlichen des Zentrums für Digitale Innovation (das am Hubland im selben Gebäude untergebracht sein wird). Hier erste Überlegungen angestellt bezüglich gemeinsamer Werte, Motivationen, Gestaltungsideen etc. zur gemeinsamen Nutzung des Towers.

Im Mai 2017 trafen sich in der Stadtbücherei Würzburg nun Aat Vos und Mitglieder der Design Thinking-Teams. An vier Tagen innerhalb einer Woche gab es fünf Workshops von zwei bis vier Stunden Dauer, um das Design der neuen Stadtteilbücherei gemeinsam zu erarbeiten. Zunächst übergab das Team die Ergebnisse aus dem Design Thinking-Prozess und erläuterte Herrn Vos die Prototypen. Im Lauf der weiteren Workshops diskutierte man Werte, Funktionen und Aufgaben der Stadtteilbücherei, arbeitete kreativ an gewünschter Atmosphäre, stellte die geplante Medienzahl sowie Veranstaltungsformate und Programme zusammen. Den Grundriss ständig per Beamer sichtbar, arbeitete Aat Vos alle Arbeits- und Diskussionsergebnisse, Kommentare und Anmerkungen unmittelbar in die Pläne ein. So setzte sich der partizipative Prozess fort bis in die Raumgestaltung.

Diese Art zu arbeiten erwies sich als äußerst effektiv und effizient: Am letzten Tag präsentierte Aat Vos ein Dokument, das die einzelnen Arbeitsschritte und alle Ergebnisse zusammenfasst und visualisiert. Vos eröffnet mit seiner Erfahrung und Kreativität Möglichkeiten, auf die das Team der Stadtbücherei alleine nicht gekommen wäre: Zum Beispiel gibt es Bücherregale nur als Wandregale – so bleibt der Raum möglichst unverstellt und flexibel – oder die Kombination mehrerer Funktionen innerhalb ungewöhnlicher Möbel (z. B. fungiert eine Kaffeebar in Form eines Pickup-LKWs gleichzeitig als Kinderwagenparkplatz), die ungewohnte Farbauswahl, Beleuchtung und eigenwillige Gestaltung einzelner Zonen – z. B. Kinderzone in Form eines Heißluftballons etc.[21]

Abb. 1: Multifunktionalität in außergewöhnlichem Design: Kaffeebar, Zeitschriftenlese- und Kinderwagenparkplätze in Gestalt eines Gepäcktransporters.
Abb. 1:

Multifunktionalität in außergewöhnlichem Design: Kaffeebar, Zeitschriftenlese- und Kinderwagenparkplätze in Gestalt eines Gepäcktransporters.

Abb. 2: Krabbel-, Kuschel- und Vorlesewelt für Kleinkinder gestaltet als Ballon; zum Vorlesen für kleine Gruppen kann der Ballonschirm heruntergelassen werden.
Abb. 2:

Krabbel-, Kuschel- und Vorlesewelt für Kleinkinder gestaltet als Ballon; zum Vorlesen für kleine Gruppen kann der Ballonschirm heruntergelassen werden.

Das Ergebnis-Dokument aus der Workshopwoche ist nun die Grundlage für die Realisierung. Da Aat Vos nicht ständig vor Ort sein kann, hat die Stadtbücherei Würzburg den Innendesigner Klaus Dossler aus Würzburg hinzugezogen, der Planung und Ausführung der Details, Abstimmungen mit den Architekten und Handwerkern, Vorbereitung der Ausschreibung etc. durchführt. Wichtig ist, dass dieser Realisierer vor Ort die Fachkompetenz, und auch das passende „Mindset“ mitbringt, um die Stadtteilbücherei als Dritten Ort entwickeln zu wollen. Denn die Projektverantwortlichen auf Seiten der Stadtbücherei haben erlebt, dass dieses ungewöhnliche Projekt bei beteiligten Partnern sowohl Verständnis und Unterstützung bis hin zu Begeisterung auslösen kann, aber auch Unverständnis und Gegenwind – beides aus durchaus unerwarteten Richtungen.

6 Fazit und Ausblick

Die neue Stadtteilbücherei ist noch in der Realisierungsphase: Bis zum Frühjahr 2018 wird der Innenausbau des Erdgeschosses nach den Entwürfen von Aat Vos fertiggestellt. Diese Fläche wird bis Oktober 2018 den Besucher/innen der Landesgartenschau (LGS) zur Verfügung stehen. Im provisorisch möblierten Untergeschoss werden im Lauf des Jahres weiterführende Design Thinking-Workshops stattfinden. Nach der LGS starten Ausbau und Möblierung des Untergeschosses. Auch Sondermöbel wie die oben erwähnte Kaffeebar werden erst dann gebaut – möglicherweise im Rahmen von partizipativen Bürgerprojekten.

Die Eröffnung der voll funktionsfähigen Stadtteilbücherei Hubland ist für Anfang 2019 geplant.

Wie oben bereits beschrieben, hat sich die Methode Design Thinking für die Stadtbücherei Würzburg bestens bewährt. Sie motiviert die Beteiligten – ob Mitarbeitende oder involvierte Bürgerinnen und Bürger – und führt strukturiert und zielgerichtet zur partizipativen Gestaltung von Innovation. Design Thinking macht außerdem Spaß, stärkt das Teamgefühl und sorgt für Identifikation mit den Ergebnissen. Das Team der Stadtbücherei wird diese nachhaltige Methode mit Sicherheit weiter anwenden, nicht nur zur Weiterentwicklung der neuen Stadtteilbücherei. Ziel ist es, die Methode und vor allem die dafür erforderlich Haltung (Priorität auf Kundenbedürfnissen, Neugier, Scheitern aushalten und Unperfektes zulassen, Flexibilität etc.) einzuüben und nach und nach in das tägliche Handeln auch in der Zentral- und den vier Stadtteilbibliotheken zu überführen.

Die Gestaltungsprinzipien, die eine Stadtbücherei zum Dritten Ort macht, sollen nicht auf die neue Zweigstelle Hubland beschränkt bleiben. Diese soll kein „Exot“ werden, sondern als Labor für das Würzburger Bibliothekssystem dienen: Hier werden nach Art des Design Thinking Dinge ausprobiert (z. B. Angebote, Services wie Open Library, auch Arbeitsweisen des Personals – z. B. wird es kein Büro geben), und idealerweise nach erfolgreicher Anwendung auf die anderen Standorte der Stadtbücherei Würzburg ausgedehnt.

Dem Team und auch der Stadt Würzburg steht damit ein Veränderungsprozess bevor, der sich begründet durch die oben beschriebene erweiterte Rolle der Stadtbücherei: Die Angebote und Programme sollen noch stärker an den Bedürfnissen der Bürgerschaft ausgerichtet sein. Das Team der Stadtbücherei Würzburg weiß sich in einer gesellschaftlich relevanten Rolle und glaubt daran, mit seiner Arbeit und den Angeboten im Leben der Menschen Positives bewirken und wichtige Veränderungen anstoßen zu können. Denn positive Wirkungen bei Einzelnen tun der Stadtgesellschaft insgesamt gut.

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Anja Flicker

Anja Flicker

Published Online: 2018-01-04
Published in Print: 2018-12-27

© 2018 by De Gruyter

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