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Weniger, aber besser?

Kann man die Politik mit Kennzahlen strategisch motivieren und wenn ja, wie? Erfahrungen und Perspektiven aus kommunaler Sicht
  • Harald Pilzer

    Harald Pilzer M. A.

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Veröffentlicht/Copyright: 3. April 2015
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Zusammenfassung:

Seit rund 15 Jahren gibt es den Bibliotheksindex BIX als Instrument einer vergleichenden Messung von Aufwand und Leistungen von öffentlichen kommunalen Bibliotheken aller Größenklassen. Hier soll der Versuch unternommen werden, die Aussagen des BIX anhand von vier typischen Fragstellungen, die die Kommunalpolitik im Zusammenhang mit Bibliotheken aufwirft, zu behandeln und zu prüfen, inwieweit der BIX Antwortpotentiale bereit hält und eine Rückwirkung auf die kommunale Entscheidungsebene haben kann.

Abstract:

For about 15 years, the library index BIX is used as an instrument of comparative measurement of expenses and performance of municipal public libraries of all sizes. This article attempts to deal with the results of the BIX based on four typical questions which are always raised by local politics in connection with libraries. It will examine how far the BIX may contain answers and may have an influence on the local decision-making.

1 Zur Fragestellung

Sobald öffentliche Institutionen erst einmal auf Erden sind, haben sie die Tendenz sich zu reproduzieren. Dies kann funktional und „im Sinne des Erfinders“ sein; die Reproduktionstendenz nicht mehr adäquater Strukturen aus Gewohnheit und Tradition ist gleichwohl eine institutionenimmanente Tatsache – der schon zum Symbol verdichtete „Heizer auf der Diesellok“ mag hierfür stehen.

Institutionen und die für sie handelnden Akteure entwickeln Strategien und Argumentationen, die die Überlebensfähigkeit der Institutionen durch die Sicherung der Ressourcenzufuhr garantieren sollen. Es können dies altruistische (die Institution sichert gesellschaftlich benachteiligten Gruppen einen Zugang zu knappen oder kostenbewehrten Gütern), pragmatische (die Institution erzeugt ein für das Überleben der Gesellschaft wichtiges immaterielles Gut) oder normative (die Institution entspricht spezifischen gesellschaftlichen oder gesetzlichen Normen) sein.

Diese eher idealtypischen Argumentationsmuster lassen sich je nach Situation einfärben; sie können in eine Krisenkommunikation eingebettet sein, inkrementell auf Evolution und Modernisierung setzen oder Ausstattungs- und Ressourcenparameter nach Standardgrößen und Normierungen einfordern. In der Regel spielen Messgrößen, Erfüllungsgrade, Effizienz und Vergleichswerte argumentativ eine große Rolle.

Öffentliche Bibliotheken sind, so die landläufige Erfahrung, auf Messgrößen und Vergleichswerte angewiesen, sollen Entwicklungen und Tendenzen nicht nur auf dem statistischen Niederschlag des eigenen Handelns aufbauen. „Wie machen es denn die anderen?“ ist nicht nur die der Selbstvergewisserung dienende Frage jeder guten Verwaltung, sondern auch die Frage der Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerschaft in Räten und Ausschüssen. Dabei hat sich zunehmend eine betriebswirtschaftliche Sichtweise etabliert, die sich auf die Relation von Aufwand und Ertrag oder Leistung fokussiert.

2 Wozu ein Bibliotheksindex BIX?

Den „founding mothers and fathers“ des BIX mag eine solche Unternehmensrationalität vorgeschwebt haben. In der Logik des Unternehmenshandelns[1] , so wie wir es der Lektüre von Fachbüchern oder besser noch den Wirtschaftsseiten der Qualitätspresse entnehmen können, erleben wir einen relativ flexiblen Umgang mit Unternehmensressourcen. Der kann, geht es um die „lebendige Arbeit“, in der Konsequenz individuell sehr schmerzhaft sein; auf jeden Fall setzt er eine Flexibilität voraus, die in öffentlichen Regiehaushalten und öffentlichen Aufsichtsgremien nicht umsetzbar ist. Den BIX kann man von außen und systemimmanent kritisieren. Eine prinzipielle Kritik an Vergleichsverfahren kann auf die unterschiedlichen Umfelder abheben, in denen kommunale Bibliotheken agieren. Die Leistungen von Bibliotheken in völlig unterschiedlichen soziokulturellen und soziodemographischen Umfeldern können nicht als gleichrangig bewertet werden. Ausleihe und Bibliotheksbesuch oder Klassenführungen und sonstige Bibliotheksveranstaltungen genießen am Standort A eine vergleichsweise höhere Akzeptanz als am Standort B. Deshalb kann es zum Paradox des höheren Mitteleinsatzes am Standort B kommen bei zugleich geringerem Output; wie ist dann der Zahlenvergleich zu bewerten?

Vergleichswerte setzen in der Regel auf vergleichbaren Entitäten auf. Aussagen über Aufwand und Leistung ähnlich gelagerter Institutionen mögen so eine den Mitteleinsatz der eigenen Institution stabilisierende Wirkung entfalten oder für die als defizitär wahrgenommenen oder ermittelten Bereiche eine kompensierende Wirkung erzielen und die Gewinnung neuer Ressourcen induzieren.[2] Wir wollen nun im Folgenden beleuchten, inwieweit der BIX eine solche adressatenorientierte Argumentation durch ressourcenorientierte Aussagen stützen kann. Wir wollen uns also einer systemimmanenten Frage nach Verlässlichkeit, Plausibilität und Aussagekraft des BIX zuwenden.

3 Wofür „interessiert sich die Politik?“

Wir haben hierzu aus eigener Erfahrung vier typische Nachfragen nach den Ergebnissen einer BIX-Teilnahme aus der Kommunikation in den einschlägigen Ausschüssen der Stadt Bielefeld herangezogen. Wir meinen, dass sie auch in insofern typologisch passend sind, als sie verallgemeinerbar in vielen Städten und Gemeinden anzutreffen sind.

  1. Die Kosten-Nutzen-Frage. Mit welchem Aufwand werden welche Ergebnisse erzielt? Wie „wirtschaftlich“ ist die Bibliothek? Ist der Mitteleinsatz mit dem anderer Bibliotheken vergleichbar? Wie effizient ist die Bibliothek?

  2. Die inhaltlich-pädagogische Frage. Wie aktiv sind die Bibliotheken bei der Vermittlung ihrer Inhalte? Wie intensiv gestaltet sich die Veranstaltungstätigkeit, z. B. im Fall der Leseförderung?

  3. Wen versorgen wir? Bildungssozialarbeit? Erreichen wir spezifische Nutzergruppen, vor allem solche mit hohem Kompensationsbedarf? Wie können Standortentscheidungen getroffen werden?

  4. Der weite Blick. Kann die Bibliothek kulturelle Highlights bieten, in der Hochkultur mithalten, ein Leuchtturmprojekt der kommunalen bzw. lokalen Kultur sein?

Im Folgenden sollen nun das Ergebnis- und Zahlenmaterial aus dem BIX 2013 und aus der Deutschen Bibliotheksstatistik 2013[3] herangezogen werden und etwas Untersuchungsarbeit geleistet werden, um aus der Sicht einer teilnehmenden Bibliothek solche Argumente zu isolieren, die in der politischen Kommunikation Eingang finden können.

Das zum Vergleich aus dem Feld der BIX-Teilnehmer gebildete Sample besteht aus der Stadtbibliothek Bielefeld und weiteren fünf Bibliotheken, die die in etwa der gleichen Größenklasse, also ebenfalls in Städten mit mehr als 300.000 Einwohnern, platziert sind. Nur eine der Vergleichsbibliotheken liegt knapp darunter.

3.1 Effizienz – eine Frage der selektiven Buchführung

Wenden wir uns zunächst dem Aspekt der Effizienz bzw. einer Ergebnis-Aufwand-Relation zu.

Abb. 1:  BIX-Dimension „Effizienz“: Aufwand und Ergebnis, hier Aufwand je Besuch. Alle Zahlenwerte nach DBS 2013. Die blaue bzw. gelbe Markierung verweist auf die durch den BIX vorgenommene Vergabe der Platzierung in der gelben Spitzen- oder blauen Mittelgruppe.
Abb. 1:

BIX-Dimension „Effizienz“: Aufwand und Ergebnis, hier Aufwand je Besuch. Alle Zahlenwerte nach DBS 2013. Die blaue bzw. gelbe Markierung verweist auf die durch den BIX vorgenommene Vergabe der Platzierung in der gelben Spitzen- oder blauen Mittelgruppe.

In der vorstehenden Abbildung firmiert die Einwohnerzahl unter dem Terminus „primäre Nutzer“, die Bibliotheken schwanken hinsichtlich ihrer territorialen Vertretung stark: die Zahl der Filialen schwankt zwischen 7 und 15, die zahlenstärkste liegt mithin um mehr als 100 % über dem kleinsten Wert. Ähnliche Differenzen bei der Größe „Medienetat je Entleihung“. Hier liegt die Spanne ebenfalls bei ca. 1 : 2, von 0,15 € bis zu 0,32 €, was so gelesen werden könnte, als ob die finanzstärkste Bibliothek in diesem Feld den doppelten Aufwand gegenüber der finanzschwächsten betreiben müsse, um eine Entleihung zu erzielen, oder als ob prinzipiell mehr oder aus einem teureren Marktsegment gekauft werde. Die beiden folgenden Spalten der „Mitarbeiterstunden je Öffnungsstunde“ und der „Besuche je Öffnungsstunde“ weisen eine geringere Spanne auf. Der Faktor liegt hier bei ca. 1 : 1,5. Drastischere Divergenzen ergeben sich hingegen bei den „Laufenden Ausgaben je Besuch in Euro“. Hier wieder ein Faktor von 1 (4,09 € pro Besuch) bei Bibliothek X1 zu 2,5 (10,02 € pro Besuch) bei der Stadtbibliothek Bielefeld. Nun ließe sich einwenden, in Bielefeld bestünde ein unterdurchschnittliches Publikumsinteresse, was auch an der eher geringen Zahl von 50,2 Besuchen pro Öffnungsstunde ablesbar sei. Das sei nicht einmal in Abrede gestellt. Oder sinkt prinzipiell mit steigendem Öffnungszeitenvolumen der Wert für Besuche pro Stunde? Wir können dies hier nicht prüfen, uns interessiert nun eine andere Frage: Die nach dem zugrunde gelegten Aufwand.

Abb. 2:  BIX-Dimension „Effizienz“: Aufwand der Bibliotheken nach Aufwandsarten in Zahlen. Alle Zahlenwerte nach DBS 2013. Die blaue bzw. gelbe Markierung verweist auf die durch den BIX vorgenommene Vergabe der Platzierung in der gelben Spitzen- oder blauen Mittelgruppe.
Abb. 2:

BIX-Dimension „Effizienz“: Aufwand der Bibliotheken nach Aufwandsarten in Zahlen. Alle Zahlenwerte nach DBS 2013. Die blaue bzw. gelbe Markierung verweist auf die durch den BIX vorgenommene Vergabe der Platzierung in der gelben Spitzen- oder blauen Mittelgruppe.

Abb. 3:  BIX-Dimension „Effizienz“: Aufwand der Bibliotheken nach Aufwandsarten in Diagrammdarstellung. Alle Zahlenwerte nach DBS 2013.
Abb. 3:

BIX-Dimension „Effizienz“: Aufwand der Bibliotheken nach Aufwandsarten in Diagrammdarstellung. Alle Zahlenwerte nach DBS 2013.

Die in Abb. 2 wiedergegebenen Zahlenwerte spiegeln die Aufwendungen der Bibliotheken, wie sie in der Deutschen Bibliotheksstatistik (DBS) aufscheinen, auf denen wiederum die BIX-Bewertungen basieren. Diese Kostenstruktur ist jedoch den Tabellen des BIX nicht zu entnehmen. Bemerkenswert ist, wie sich die einer Vollkostenrechnung unterliegende Stadtbibliothek Bielefeld von den übrigen Sampleteilnehmern abhebt. In ihrer Buchführung werden sämtliche Kosten, auch die im Binnenverhältnis an den kommunalen DV-Betrieb und die städtische Immobilienwirtschaft abzuführenden Infrastrukturkosten in Form von Mieten und Pachten (z. B. für Arbeitsplatz- und Kundencomputer) aufgeführt. Andere Bibliotheken des Samples weisen deutlich geringere oder überhaupt keine „Sonstigen Kosten“ aus. Die Abb. 3 übersetzt die Zahlendarstellung aus Abb. 2 in ein graphisches Balkendiagramm. Hieran wird nochmals die divergente Kostenausweisung der Bibliotheken deutlich. Die zugrunde liegende Art der Kosten- bzw. Aufwandsgestaltung scheint im Endprodukt BIX nicht auf; hier regieren die Farbklassen gold, mittel- und dunkelblau. In der Konsequenz bedeutet dies: Effizienz ist, wie so oft, eine Frage der Buchführung oder der geschickten Kostenallokation. Die unterschiedlichen Kostenstrukturen, hier Vollkostenrechnung, dort Kameralistik, sind im BIX auf der Ergebnisebene nicht transparent und machen somit einen Effizienz-Vergleich nahezu unmöglich.

3.2 Die „aktive Bibliothek“: Wie plausibel sind die Ausgangswerte?

Abb. 4:  BIX-Dimension „Angebot“: Veranstaltungen in Bibliotheken absolut und nach Vollzeitäquivalenten. Alle Zahlenwerte nach DBS 2013. Die farblichen Markierungen verweisen auf die durch den BIX vorgenommene Vergabe der Platzierung in der gelben Spitzen-, blauen Mittel- oder dunkelblauen Schlussgruppe.
Abb. 4:

BIX-Dimension „Angebot“: Veranstaltungen in Bibliotheken absolut und nach Vollzeitäquivalenten. Alle Zahlenwerte nach DBS 2013. Die farblichen Markierungen verweisen auf die durch den BIX vorgenommene Vergabe der Platzierung in der gelben Spitzen-, blauen Mittel- oder dunkelblauen Schlussgruppe.

Bemerkenswert an der oben wiedergegebenen Tabelle ist die sich in der Spalte „Veranstaltungen je 1.000 Einwohner“ spiegelnde Bandbreite der Werte; sie erreichen ein Verhältnis von 1 : 4 (3,1 bei der Stadtbibliothek Bielefeld, 11,8 bei der Bibliothek X2). Ein ähnliches Bild bietet sich bei den „Veranstaltungen absolut“: Der niedrigste Wert liegt bei 1.029 Veranstaltungen, der höchste bei 3.978, also beim fast Vierfachen, während sich die Personal-Vollzeitäquivalente nur im Verhältnis von maximal 1 : 2 bewegen.

Nach diesen Angaben erbringen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Spitzenbibliotheken dieses Samples über alle beruflichen Qualifizierungen hinweg ein Vielfaches an Veranstaltungen gegenüber den weniger weit oben platzierten Bibliotheken. Auch hier lohnt ein genauerer Blick. Wir haben zu diesem Zweck die Zahl der Veranstaltungen auf die vollzeitverrechneten hauptamtlichen und ehrenamtlichen Personalstellen (VZÄ) umgerechnet und erzielen hierbei eine Bandbreite von 19 bis 49 Veranstaltungen pro VZÄ, wie in der Tabelle in der Spalte „Produktivität pro VZÄ“ dargestellt, also einen Faktor von 1 : 2,6. Personenbezogene Leistungen von mehr als 40 Veranstaltungen erscheinen angesichts der in einer Bibliothek auftretenden beruflichen Qualifizierungen nicht plausibel. Erklärungen könnten in einer extensiven Auslegung des Begriffs der Veranstaltung liegen oder wiederum in der Art und Weise der Buchführung: Gibt es Veranstaltungen, die in großer Zahl von Dritten geleistet werden und die in den Bibliotheken stattfinden, ohne dass personelle Leistungen der Bibliotheken beansprucht werden?

Um diese Werte der BIX-Bibliotheken generell besser einordnen zu können, haben wir die Mittelwerte aller an die DBS meldenden Bibliotheken der Größenklasse von 100.000 bis 400.000 Einwohner ermittelt. Bei 63 Bibliotheken dieser Größenklasse liegen der Mittelwert der Anzahl der Veranstaltungen in absoluter Höhe bei 682 und die „Produktivität pro VZÄ“ bei 19. Wir haben zudem den Mittelwert der vollzeitverrechneten hauptamtlichen und ehrenamtlichen Personalstellen ermittelt; er liegt bei 34,97 im hauptamtlichen Bereich und bei 0,78 im ehrenamtlichen Bereich.

3.3 Das Kompensations-Affirmations-Syndrom oder:Helfen Leistungsvergleiche bei Standortwahl und bei der Definition der guten und erfolgreichen Bibliothek?

Die vor einigen Jahren noch eher für hypothetisch gehaltene und prospektiv erwartete stadträumliche Segregation in großstädtischen Ballungsräumen ist mittlerweile evident. Der Stadtsoziologe Walter Siebel hat kürzlich die innerstädtischen Segregationsprozesse nicht nur als ein Hauptthema der aktuellen Stadtsoziologie definiert, sondern auch als dominierende Herausforderung für Kommunalpolitik und Stadtentwicklung.[4] In der praktischen Umsetzung von Planungskonzepten spielen Stadtteilbibliotheken oftmals eine wichtige Rolle als außerschulischer Bildungspartner, als Treffpunkt und lokaler Anker einer auf Breitenkultur abzielenden kommunalen Kulturpolitik. Je nach sozialem Umfeld kann den Stadtteilbibliotheken eine bildungs-, kultur- und sozialpolitische Funktion zuwachsen. In den zahlenmäßigen Ergebnissen ihrer Tätigkeit ist die gute oder wenige gute Bibliothek kaum ablesbar. Wir haben dies als Kompensations- Affirmations-Syndrom gefasst. In einem Stadtbezirk mit einem eher bürgerlichen und bildungsaffinen Milieu, das seine Ansprüche lokalpolitisch anzumelden und durchzusetzen weiß, kann die Stadtteilbibliothek verstärkend wirken, an bereits Vorhandenem anknüpfen und vor allem das junge Publikum der Schul- und Vorschulkinder erreichen. Bildungsnähe wird affirmiert. Die Steuerzahler dieses Bezirks interpretieren kommunale Dienstleistungen als einen berechtigten Benefit für ihren finanziellen Beitrag an das Gemeinwesen. Und vermutlich werden Bildungsnähe und kulturelle Affinität ihren Niederschlag in einem guten Bibliotheksergebnis finden.

In Stadtvierteln mit einem sozialpolitischen Betreuungs- und städtebaulichem Modernisierungsbedarf wiederum kann eine Stadtteilbibliothek ein wichtiger Player sein, zumal städtebauliche Entwicklungsprogramme, wie z. B. das Programm „Soziale Stadt“, auch in weiche Faktoren einer örtlichen Kultur- und Bildungsagenda investieren. Es dürfte in der Regel ungleich schwerer sein, in einem komplizierten Umfeld die quantitativen Werte zu erreichen, die in Vierteln mit einer den Bibliothekszwecken kommoderen Sozialstruktur erbracht werden. Die Quotienten aus den einschlägigen Effizienz-Berechnungen des BIX, z. B. „Medienetat je Entleihung“ oder „Besuche je Öffnungsstunde“ liegen dann weniger günstig. Die Leistung und Wirkung der bibliothekarischen Bemühungen bleiben weitgehend ungewürdigt. Struktur-, bildungs- und sozialpolitisch wären die erhöhten Ausgaben aber sanktioniert und erwünscht.

Was uns an diesem Beispiel beschäftigt, ist die neben der nur bedingten Vergleichbarkeit spezifischer Zahlenäquivalente von Aufwand und Ergebnis, die Frage nach der Wirkung einer Bibliothek und der bibliothekarischen Arbeit. Welche Bedeutung hat eine Stadtteilbibliothek für ein Stadtviertel? Wie zufrieden ist das Publikum mit seiner Bibliothek? Erzeugt sie Attraktivität und belebt und ergänzt sie ihr Einzugsgebiet? Welche ökonomischen Effekte, welche Effekte auf Bildung, soft skills, Beschäftigungsfähigkeit, Gesundheit und digitale Zukunftschancen gehen von Bibliotheken aus?[5] Das Problem hierbei ist ein methodisches. Quantitative, auf Selbstanzeige beruhende Verfahren reichen hier nicht aus; ohne ergänzende qualitative Verfahren wie Befragungen wird es nicht gehen.

3.4 Der weite Blick. Die kommunale Bibliothek als Leuchtturmprojekt

Öffentliche kommunale Bibliotheken können nur selten den Wunsch der Kommunalpolitik nach überregionaler Wahrnehmung erfüllen. Ihr weitgehend einem wenig spektakulären Tagesgeschäft gewidmeter Auftrag macht eine über die Grenzen des unmittelbaren Einzugsgebietes hinausgehende Prominenz unwahrscheinlich, zumal häufig eine besondere kultur- oder bildungsgeschichtliche Funktion oder Vergangenheit nicht gegeben ist. Am ehesten ist dann eine weitergehende Beachtung möglich, wenn z. B. die Bibliothek durch eine außergewöhnliche Architektur zur Ikone wird.

Der BIX kann Bibliotheken mit einer Spitzenposition ausstatten. Bislang ist jedoch nicht geprüft worden, ob eine solche auch von nachhaltiger Wirkung war, das Marketing der betreffenden Bibliothek beflügelt und die kommunalen Entscheider zu einem nachhaltigen Engagement animiert hat. Oder gilt doch die etwas saloppe Formulierung, wonach weder eine gute noch eine schlechte Positionierung etwas an der Situation der Bibliothek ändere, also keine induzierende Wirkung entfalte, wenn einfach Anderes oder Spektakuläreres geplant oder angestrebt werde? Entscheiden Stadtkulturen, also unausgesprochen vorhandene, nicht hinterfragte Selbstverständlichkeiten, Gewohnheiten, Bindungen und Vorlieben über Wohl und Wehe eher als noch so gute Leistungszahlen?[6] So bleibt der BIX eher ein Instrument für bibliothekarische Entscheider, die zudem die Quellen lesen müssen, und weniger für die kommunalpolitischen Entscheidungsebenen.

4 Fazit: Wie und womit könnte die Erzählung von der guten Bibliothek unterfüttert werden?

Um vorab die Eingangsfrage zu beantworten: Vergleichswerte spielen in der politischen Kommunikation nach unserer Erfahrung nur eine bedingte Rolle. In der Regel konzentriert sich das Interesse auf die Frage nach der Effizienz: Inwieweit stehen Aufwand und Ergebnis in einem vertretbaren Verhältnis zueinander? Weitaus interessanter auch für „die Politik“ sind häufig Aussagen und Feststellungen zu Mediengewohnheiten und zum Rezeptionsverhalten, die aus dem hier besprochenen Material kaum gewonnen werden können.

  1. Selbst wenn man innerhalb des BIX argumentiert, also systemimmanent bleibt, kann der BIX wegen der Qualität der zugrunde gelegten Daten aus der DBS nicht überzeugen. Er bleibt ein „Schönwetterinstrument“, das man einsetzen kann, wenn man die Berechnungsmodi antizipiert.[7] Die Basis der Vergleichswerte ist nur bedingt belastbar; auch scheint ein zu großer Interpretationsspielraum zu bestehen, wie Abfragekategorien zu füllen sind. Das mag kein Problem des BIX als vielmehr der DBS sein. Hinzu kommen unterschiedliche Praxen kommunaler Rechnungslegung. Eine mit Hilfe der Vollkostenrechnung aus dem Neuen Kommunalen Finanzmanagement NKF, wie es z. B. in Nordrhein-Westfalen heißt, geführte Betriebskostenrechnung wird sich immer ungünstiger darstellen als ein z. B. kameral geführtes Rechnungswesen, bei dem Betriebskosten für Gebäude und Informationstechnik in sogenannten Sammelnachweisen außerhalb der Bibliotheksfinanzen ressortieren. Die Kostenstruktur wird sich in kameraler Betrachtungsweise immer als günstiger darstellen.

  2. Der BIX bietet der eingangs formulierten Steuerungsabsicht kaum eine Handhabe, da keine neuen, unbekannten oder überraschenden Korrelationen formuliert werden, die über die üblichen, den Betrieb und die Akzeptanz einer kommunalen Bibliothek beeinflussenden Parameter wie Medienausstattung, Öffnungszeiten, Personalausstattung etc. hinausgehen und bislang unberücksichtigte statistische Zusammenhänge offenbaren. Die bekannte Frage nach den „Stellschrauben“ erfährt keine Antwort außer der, wie man beim BIX-Rating nach oben oder unten gelangen kann, nicht aber die, wie eine gute Bibliothek aussieht.

  3. Der BIX ist in der vorliegenden Form nur wenig aussagekräftiger als die quantitative Auswertung der DBS. Wie sollte er auch, wird man einwenden, fußt das eine doch auf dem anderen. Der BIX in der vorliegenden Form wie auch die DBS messen in der Regel Angebot, Aufwand und Nutzung. Wünschenswert wären Argumente und Belege für die Wirkung von Bibliotheken,[8] wären typlogische Fall-Studien, die soziokulturelle und soziodemographische Daten mit Bibliotheksdaten schneiden, Nutzer- und Umfeldanalysen einbeziehen und so zu qualitativ wie quantitativ verlässlichen Aussagen kommen, die wiederum bibliothekarisches Handeln in vergleichbaren Situationen und unter vergleichbaren Konstellationen stimulieren.

About the author

Harald Pilzer

Harald Pilzer M. A.

Harald Pilzer:

stadtbibliothek.direktion@bielefeld.de

Published Online: 2015-04-03
Published in Print: 2015-04-30

© 2015 by De Gruyter

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