Narrative Exempelkritik. Eine Erwiderung
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Ralf-Henning Steinmetz
Die ›Sieben weisen Meister‹, diese von ihrer Entstehung bis in die 1920er Jahre auch in Deutschland prominente Novellensammlung, wurde von der Germanistik des 20. Jahrhunderts beinahe völlig vergessen. Um so erfreulicher ist es, daß inzwischen eine kontroverse Diskussion über die Deutung der ›Historia septem sapientum‹, der lange vernachlässigten lateinischen Vorlage beinahe aller deutschen Fassungen, in Gang kommt. Detlef Roth hat in dieser Zeitschrift vor kurzem die These aufgestellt, die ›Historia‹ sei als geistliche Erbauungsliteratur verfaßt worden. Gegen diese These wäre an sich wenig einzuwenden, wenn sie nicht einseitig wäre und die Komplexität eines Textes unterliefe, der in der ältesten uns erhaltenen Fassung, wie sie im Innsbrucker Codex latinus 310 (J) überliefert wird, bereits zahlreiche Bearbeitungsstufen hinter sich hat. Mit seiner einsinnigen Interpretation wendet sich Roth gegen die Auffassung, die ›Historia‹ sei als narrative Kritik des Argumentierens mit Exempeln konzipiert worden. Dafür führt er drei Argumente ins Feld. 1. »Die Textgrundlage läßt sich nicht als vom Autor intendiert erweisen« (S. 85). 2. Die exempelkritische These messe »die Exempla der Kaiserin und die der Meister mit unterschiedlichen Maßstäben« (ebd.). 3. Die Binnenerzählungen der ›Historia‹ hätten nicht »die Funktion argumentativer Exempla, mit deren Hilfe etwas bewiesen bzw. widerlegt werde« (ebd.). Was ist davon zu halten? Manche Feststellungen Roths sind im einzelnen richtig. Doch lassen sich seine Thesen damit auch beweisen? Ich lege meine Zweifel an der Richtigkeit vieler Textbeobachtungen und vor allem an der Schlüssigkeit der vorgetragenen Argumente dar.
© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2003
Artikel in diesem Heft
- Zum Konzept der diachron-vergleichenden semantischen Analyse von Wortbildungsmodellen. Schwache an-Maskulina mit abstrakter Semantik in altgermanischen Sprachen
- Zur Frühgeschichte des Niederländischen (mit Blick auf das Friesische und Kentische)
- sælde und grôze werdekeit? On Editorial Intervention in v. 2438 of Hartmann's ›Erec‹
- Erzählen und Überliefern. ›Mouvance‹ als poetologische Kategorie in der Märendichtung?
- Zu den Anfängen der deutschsprachigen Fachliteratur über die Beizjagd
- Narrative Exempelkritik. Eine Erwiderung
- Jörg Mildenberger, Anton Trutmanns ›Arzneibuch‹. Tl. 2: Wörterbuch; Christa Baufeld, Kleines frühneuhochdeutsches Wörterbuch
- Ulrike Demske, Merkmale und Relationen
- Rolf Bergmann (Hg.), Probleme der Textauswahl für einen elektronischen Thesaurus
- Andreas Gardt, Geschichte der Sprachwissenschaft in Deutschland
- Francis B. Brévart (Hg.), Das Eckenlied
- Armin Schulz, Poetik des Hybriden
- Susanne Baumgarte, Summa bonorum
- Sabine Heimann-Seelbach, Ars und scientia
- Manuel Braun, Ehe, Liebe, Freundschaft
- Peter Wolf, Bilder und Vorstellungen vom Mittelalter
- Xenja von Ertzdorff (Hg.), Beschreibung der Welt
- Eingesandte Schriften
Artikel in diesem Heft
- Zum Konzept der diachron-vergleichenden semantischen Analyse von Wortbildungsmodellen. Schwache an-Maskulina mit abstrakter Semantik in altgermanischen Sprachen
- Zur Frühgeschichte des Niederländischen (mit Blick auf das Friesische und Kentische)
- sælde und grôze werdekeit? On Editorial Intervention in v. 2438 of Hartmann's ›Erec‹
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- Narrative Exempelkritik. Eine Erwiderung
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- Ulrike Demske, Merkmale und Relationen
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- Andreas Gardt, Geschichte der Sprachwissenschaft in Deutschland
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- Sabine Heimann-Seelbach, Ars und scientia
- Manuel Braun, Ehe, Liebe, Freundschaft
- Peter Wolf, Bilder und Vorstellungen vom Mittelalter
- Xenja von Ertzdorff (Hg.), Beschreibung der Welt
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