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Erzählen und Überliefern. ›Mouvance‹ als poetologische Kategorie in der Märendichtung?

  • Klaus Grubmüller
Veröffentlicht/Copyright: 15. Januar 2008
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Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur
Aus der Zeitschrift Band 125 Heft 3

Die Veränderlichkeit von Texten im Mittelalter ist seit langem bekannt. Bei der Betrachtung der Heldendichtung war ihr gar nicht zu entgehen, und für die geistliche und die Gebrauchsliteratur hat die von Kurt Ruh beförderte überlieferungsgeschichtliche Forschung eine Vielzahl von Befunden erarbeitet. Zum Schlüssel für das Verständnis vormoderner Literatur avancierte sie freilich erst mit der durch das Ende der ›Gutenberg-Galaxis‹ ausgelösten neuen Aufmerksamkeit auf die medialen Bedingungen von Literatur und deren kulturelle Folgen. Für ein Jahrzehnt, zwischen den Entwürfen Paul Zumthors, der Proklamierung der ›New Philology‹ im ›Speculum‹-Heft von 1990 bis zu den Arbeiten Joachim Bumkes, konnte ›Mouvance‹, jedenfalls in der Germanistik, als Passepartout für alle mediävistischen Probleme erscheinen, ohne daß das Konzept in seinen Erkenntnispotentialen ausgeschöpft oder auch auf seine Reichweite und seine Grenzen überprüft worden wäre. Unfertig liegengeblieben ist nach ersten vorläufigen Antworten vor allem die Klärung des Verhältnisses von Veränderlichkeit und Festigkeit mittelalterlicher Texte, mithin des Verhältnisses von Aufführung und Aufzeichnung und damit der Geltungsansprüche von Stimme und Schrift. Inzwischen haben glücklicherweise andere Komplexe, das Ritual und die Emotion vor allem, die Rolle der emphatischen Schlüsselbegriffe übernommen, und so mag es möglich sein, an die Stelle der Deklamationen wieder die kritische Diskussion und die differenzierende Untersuchung treten zu lassen (was nach einer gewissen Schamfrist selbstverständlich auch der Emotion und dem Ritual zu wünschen ist).

Online erschienen: 2008-01-15
Erschienen im Druck: 2003-December-19

© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2003

Heruntergeladen am 12.10.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/BGSL.2003.469/html
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