Friedrich Schiller, die Juden und das Judentum
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Hans Otto Horch
Fest gemauert an den Herd is Unser Eebenche soo ror, Scholentessen, das was werth is, Soll drin morgen werren gor;
Schabbes eßt mer doch For die ganze Woch;
Drum loßt uns vor alle Sachen 'N gude, fette Kuggel machen.
Mit dieser Strophe beginnt Das Lied vun die Kuggel – eine jüdisch-deutsche Parodie auf Schillers Lied von der Glocke von einem gewissen S. N. Orhaphesoi, erschienen 1842. 1853 folgte ein Anonymus mit Das Lied vum Lockschen. Parodien, dies ist eine Voraussetzung der Gattung und ihrer Wirksamkeit, können nur entstehen, wenn der parodierte Text resp. Autor weitesten Kreisen bekannt ist. Dies war zweifellos bei Friedrich Schiller der Fall: er gehörte – hinter Lessing, aber vor Goethe – zu den von Juden am meisten verehrten klassischen Autoren, und zwar ganz unabhängig davon, wo sie lebten, welchen Bildungsgrad sie hatten oder welcher religiösen Richtung des Judentums sie angehörten. So hielten Samson Raphael Hirsch, Gabriel Riesser und Johann Jacoby 1859 Festansprachen zu Schillers 100. Geburtstag, im gleichen Jahr verwies Moritz Steinschneider auf Schillerspuren in der hebräischen und ›jüdisch-deutschen‹ Literatur. Freilich machten sich auch Antisemiten die parodistische Aneignung Schillers in jüdischem ›Jargon‹ zunutze, um die Schillerverehrung der Juden lächerlich zu machen; bekanntestes Beispiel hierfür ist der Schauspieler Albert Wurm.
© Max Niemeyer Verlag, 2006
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