Volume 40, Issue 1

Die Anzahl der Informationspflichten am deutschen Kapitalmarkt wächst durch die Gesetzgebung des deutschen und europäischen Gesetzgebers beständig. Bekanntermaßen dienen diese Informationspflichten der Erreichung des institutionellen Anlegerschutzes als Funktionsschutz des Kapitalmarkts und des individuellen Anlegerschutzes. Die Informationspflichten wollen effiziente Kapitalmärkte und auch die Voraussetzungen einer möglichst optimalen Investitionsentscheidung für den einzelnen Anleger sicherstellen. Die Erhöhung von Informationspflichten zur Sicherstellung von Transparenz und zum Abbau von Informationsasymmetrien erreicht ihr Ziel immer weniger. Für die Unternehmen verringern die ständig steigenden Kosten die Attraktivität einer Börsennotierung. Für den normalen, gebildeten und interessierten Anleger sind viele Informationspflichten zu komplex und zu umfangreich und damit unverständlich – sie lassen einen spezifischen Adressatenbezug vermissen. Besonders gilt dies für den Jahresfinanzbericht als wichtigstes Medium der Regelpublizität. Psychologische und empirische Forschungen verdeutlichen die Problematik der Informationsüberflutung, des Information Overload. Der Beitrag diskutiert verschiedene Lösungsmöglichkeiten und plädiert für die Einführung eines Kurzfinanzberichtes, um zu verhindern, dass zentrale Informationen am Kapitalmarkt von einem Großteil der Anleger ignoriert werden. Die Erfahrungen in Großbritannien verdeutlichen, dass die Leserschaft der Kurzfinanzberichte im Vergleich zu der konventionellen Version des Jahresfinanzberichts deutlich steigt. Ein solcher Kurzfinanzbericht könnte es dem Anleger ermöglichen, sich ein besseres Bild von den Unternehmen zu machen und so eine vernünftige Anlageentscheidung zu treffen.   The number of duties of disclosure at the German capital market has been increased steadily by German and European legislation. As is known, these obligations of disclosure further the achievement of the individual protection of investors as well as the institutional protection of investors in its form of the function protection of the capital market. The duties of disclosure shall ensure efficient capital markets and the existence of conditions enabling the best individual investment decision possible. The increase in duties of disclosure achieves less and less its goal to ensure transparency and to reduce information asymmetry. The constantly rising costs decrease the attractiveness of capital markets for companies. A lot of the information disclosed is too complex and extensive and is therefore incomprehensible for a normal, educated and interested investor – it lacks a specific focus on the recipient. This pertains in particular to the annual financial statement as the most important medium for periodical disclosures. Psychological and empirical research shows the problematic nature of information overload. This essay discusses various approaches and advocates the introduction of a shortened financial statement in order to prevent central information on the capital market from being ignored by the majority of investors. The experiences made in the UK show that the readership of the shortened financial statement is clearly increasing in contrast to that of the conventional one. Such a shortened financial statement could enable investors to get a better idea of listed companies and thus make a reasonable investment decision.

Mit Urteil vom 8. Februar 2010 („REDEZEITBESCHRÄNKUNG“) entschied der Bundesgerichtshof, dass gemäß § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG in die Satzung einer Aktiengesellschaft eine umfassende Regelung der Ermächtigung des Versammlungsleiters zur zeitlich angemessenen Beschränkung des Rede- und Fragerechts des Aktionärs in der Hauptversammlung aufgenommen werden darf. Zulässig sind nach der Entscheidung Bestimmungen über die Gesamtdauer der Hauptversammlung und die Rede- und Fragezeit jedes Aktionärs, die im Einzelfall vom Versammlungsleiter nach pflichtgemäßem Ermessen zu konkretisieren sind. Auch eine Satzungsklausel über das Ende der Debatte ist nach dem Urteil erlaubt. In der Entscheidung hat der Bundesgerichtshof erstmals zur Beschränkung des Rede- und Fragerechts in der Satzung Stellung genommen. In der nachfolgenden Besprechung des Urteils REDEZEITBESCHRÄNKUNG wird dieses analysiert und bewertet. Die Besprechung kommt zu dem Ergebnis, dass der Entscheidung in jeder Hinsicht zuzustimmen ist, wobei die wahre Aussage des Urteils nicht ist, was die Satzung zur Rede- und Fragezeitbeschränkung sagen darf, sondern, was Versammlungsleiter insoweit zukünftig wagen dürfen. With judgement of 8 February 2010 („REDEZEITBESCHRÄNKUNG“) the German Federal Court of Justice decided that according to Section 131 (2) sentence 2 of the German Stock Corporation Act a comprehensive regulation of the chairman of the meeting's power to adequately limit the time available for a shareholder to exercise his right to speak and ask questions at the general meeting may be included in the articles of association of a stock corporation. According to the decision, provisions pertaining to the aggregate duration of the general meeting as well as the time available for each shareholder to speak and ask questions are admissible which have to be substantiated by the chairman of the meeting in each individual case at his best judgement. Also a clause in the articles of association regarding the end of the debate is permitted according to the judgement. In the decision the German Federal Court of Justice has for the first time commented on the limitation of the right to speak and ask questions in the articles of association. In the following review of the judgement REDEZEITBESCHRÄNKUNG such judgement is analysed and evaluated. The result of the review is that one has to agree with the decision in all respects and that the true statement of the judgement is not what the articles of association may say regarding the limitation of the right to speak and ask questions but what chairmen of the meeting may dare in the future in this regard.

Die Rechte der Aktionäre nach deutschem und US-amerikanischem Gesellschaftsrecht waren lange Zeit sehr unterschiedlich ausgestaltet. Das amerikanische Recht schreibt der Unternehmensverwaltung eine deutlich stärkere Stellung zu als das deutsche Recht und geht außerdem vom Regelfall der Stimmrechtsvertretung aus, während im deutschen Recht bis vor kurzem noch das Konzept der Präsenzhauptversammlung galt. Eine Vielzahl wirtschaftlicher und rechtlicher Entwicklungen haben diese Unterschiede inzwischen weitgehend eingeebnet. Der vorliegende Beitrag unterzieht die Rechtssysteme zunächst einem Vergleich und beleuchtet die wesentlichen Strukturunterschiede sowie ihre Hintergründe. Sodann zeichnet er die Konvergenz der Aktionärsrechte aufgrund wirtschaftlicher und rechtlicher Änderungen sowie paralleler Entwicklungen nach. Abschließend zeigt er anhand von zwei konkreten Beispielen – Anfechtungsklagen und Hauptversammlungskompetenzen bei Kapitalmaßnahmen –, wie das deutsche Recht auf dem bereits eingeschlagenen Weg konsequent fortentwickelt werden sollte. For a long time shareholders' rights according to German law differed substantially from the respective rights under U.S. corporate law. The board of directors of a Delaware corporation is vested with much more powers than the German management board. Furthermore, in the U.S. proxy voting has been the rule for a long time, whereas, until recently, German law conceptually was based on town-hall-style shareholders' meetings. By now, most of these differences have vanished because of a multitude of economic and legal developments. This paper sets out a comparison of the legal systems, identifies the fundamental distinctions in the legal structures and analyzes their historic and economic backgrounds. It then examines the convergence of shareholders' rights due to economic and legal changes as well as parallel developments. Finally it discusses two examples–actions to set aside resolutions of the general meeting and the competences of the general meeting with regard to equity issuances–of how the German law should be developed in the further course of convergence.

Mit Beschluss vom 19. Juli 2010 („Stollwerck“) hat der BGH seine Rechtsprechung, wonach der einer angemessenen Abfindung als Untergrenze zu Grunde zu legende Börsenwert der Aktie grundsätzlich dem Durchschnittskurs der drei Monate unmittelbar vor der Hauptversammlung entsprechen muss, teilweise aufgegeben. Maßgeblich ist stattdessen nunmehr grundsätzlich der nach Umsatz gewichtete Durchschnittskurs innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor der Bekanntmachung der Strukturmaßnahme. Nur wenn zwischen der Bekanntgabe der Maßnahme und dem Tag der Hauptversammlung ein längerer Zeitraum verstreicht und die Entwicklung der Börsenkurse eine Anpassung geboten erscheinen lässt, soll der Börsenwert entsprechend der allgemeinen oder branchentypischen Wertentwicklung unter Berücksichtigung der seitherigen Kursentwicklung hochzurechnen sein. Diese Entscheidung hat enorme Auswirkungen nicht nur auf anstehende Strukturmaßnahmen, sondern auch auf solche, die zwar längst wirksam wurden, über deren Kompensationshöhe aber in noch laufenden Spruchverfahren zu befinden ist. Der folgende Beitrag zeichnet die Entwicklung der Rechtsprechung nach, befasst sich im Einzelnen mit der Stollwerck-Entscheidung des BGH und behandelt einige Fragen, die sich in der Praxis nach der Stollwerck-Entscheidung stellen.   With its judgment of 19 July 2010 („Stollwerck“), the Federal Court of Justice (BGH) partly deviated from its past rulings in accordance with which the market value of the share to be taken as a lower limit for reasonable compensation must in principle be equal to the average price of the three months directly preceding the general meeting. Instead of that, what is decisive now is the average price, weighted according to turnover, within a three-month reference period prior to the announcement of the structural measure. Only if a longer time period elapses between the announcement of the measure and the day of the general meeting, and the stock-market price performance makes an adjustment appear necessary, should the market value be extrapolated according to the general or typical performance taking into account the price performance since then. This decision has a tremendous impact not only on upcoming measures, but also on those whose level of compensation must still be determined in ongoing appraisal proceedings, even though they took effect long ago. The following article traces the development of case law, deals in detail with the „Stollwerck“ decision of the Federal Court of Justice and addresses several questions that arise in practice after the „Stollwerck“ decision.