Wie aussagekräftig ist die EATR nach Devereux/Griffith für digitale Unternehmen? — Eine formaltheoretische Diskussion zur Annahme der sofortigen Verlustverrechnung
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Jasmin Vötisch
Zusammenfassung
Die Effective Average Tax Rate (EATR) nach Devereux/Griffith gibt basierend auf einem investitionstheoretischen Ansatz die Steuerbelastung verschiedener Investitionen an. Hierbei wird die Möglichkeit der sofortigen Verlustverrechnung angenommen. Bedeutsam ist diese Annahme vor allem dann, wenn das Steuerrecht den Sofortabzug, die beschleunigte Abschreibung von Investitionsaufwendungen oder steuerliche Forschungs- und Entwicklungsförderung gewährt. Diese steuerrechtlichen Begünstigungen sind in der Untersuchung von ZEW/PwC (2017) die Hauptursachen für eine deutlich niedrigere EATR von digitalen gegenüber traditionellen Geschäftsmodellen. In diesem Beitrag wird zunächst anhand von Merkmalen der Geschäftsmodelle und den Jahresabschlüssen digitaler Unternehmen eine Tendenz zur Bildung steuerlicher Verlustvorträge aufgezeigt. Demnach ist die Möglichkeit der sofortigen Verlustverrechnung potenziell nicht gegeben. Das Zusammentreffen der beiden Aspekte, zum einen des deutlichen Einflusses auf die resultierenden EATR und zum anderen der im individuellen Fall fraglichen Realitätsnähe der Annahme der sofortigen Verlustverrechnung, bietet Anlass für eine formaltheoretische Diskussion, inwieweit die Aussagekraft der EATR nach Devereux/Griffith für digitale Unternehmen dadurch beeinträchtigt wird. Dabei kann eine Reihe von Fallkonstellationen dargestellt werden, in welchen der Abschreibungsbarwert aufgrund der begrenzten Verlustverrechnung bedeutend geringer als unter den Annahmen des Grundmodells ist. Es wird außerdem aufgezeigt, dass zwischen der steuerwirksamen Berücksichtigung der Investitionsaufwendungen und steuerlicher Forschungs- und Entwicklungsförderung oder anderer Abzugsbeträge ein konkurrierendes Verhältnis bestehen kann. Die resultierenden Steuerersparnisse können somit nicht einfach addiert werden, ohne die Wechselwirkungen und deren tatsächliche Beschränkung der Steuerwirkungen zu berücksichtigen. Die Ergebnisse dieses Beitrags können demnach einen Anhaltspunkt geben, in welchen Fällen ein einzelfallbezogener Rückgriff auf andere Informationsquellen neben der EATR von besonderer Wichtigkeit ist, um die zu erwartende Steuerbelastung realistisch einzuschätzen.
Abstract
The Effective Average Tax Rate (EATR) using the Devereux/ Griffith-methodology indicates the tax burden of certain investments, assuming that losses can be claimed immediately. This assumption is particularly important when tax law grants immediate deduction, accelerated depreciation of capital expenditure or tax incentives for research and development. According to a study by ZEW/PwC (2017), these tax benefits are the main reason for a significantly lower EATR of digital compared to traditional business models. In this paper, the characteristics of digital business models and the annual financial statements of digital companies are used to point out a tendency towards the creation of tax loss carryforwards. Therefore, the possibility of immediate loss offsetting is potentially not given. The coexistence of the noticeable influence on the resulting EATR and the questionable closeness to reality of the assumption of immediate loss offsetting in individual cases gives rise to a formal-theoretical discussion of the implications for the validity of the EATR according to Devereux/Griffith for digital companies. A series of scenarios can be presented in which the net present value of allowances is substantially lower than under the assumptions of the
© 2024 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln.
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