Home Ausgewählte Schadensfälle aus dem Großgasturbinenbau – Werden wir aus Schaden wirklich klug?*
Article
Licensed
Unlicensed Requires Authentication

Ausgewählte Schadensfälle aus dem Großgasturbinenbau – Werden wir aus Schaden wirklich klug?*

  • Andreas Neidel and Jörg Völker
Published/Copyright: May 26, 2013
Become an author with De Gruyter Brill

Kurzfassung

Nach einer kurzen Beschreibung der gasturbinentypischen Leistungsmerkmale und der sich daraus ergebenden spezifischen Bauteilbeanspruchungen zeigt der Beitrag anhand einiger Fallstudien konstruktions-, fertigungs-, montage- und betriebsbedingte Komponentenschäden, die an großen Industriegasturbinen im Laufe ihrer Lebensdauer „von der Wiege bis zur Bahre“, d. h. vom „Reißbrett“ bis zur Revision im Kraftwerk, auftreten können. Folgt man der Terminologie in der angelsächsischen Literatur, die neuerdings zwischen werkstofftechnischem Schadensmechanismus (Physical oder Metallurgical Cause of Failure, z. B. Schwingungsrisskorrosion), Primärursache (Primary Cause of Failure, z. B. zu festes Anziehen einer Rohrverschraubung bei der Montage), Systemursache (Root Cause of Failure, z. B. Verwendung eines falschen Dichtungsmaterials) und organisatorischer Ursache (Organizational Cause of Failure, z. B. fehlende Schulung des Personals) unterscheidet, so beziehen sich die Laboruntersuchungen der Autoren ausschließlich auf erstere Kategorie, wobei die anderen drei zumindest mit erwähnt werden. Vornehmstes Ziel jeder Schadensanalyse ist die Vermeidung von Wiederholfällen, also eines erneuten Schadenseintritts an gleichen Bauteilen unter denselben Bedingungen wie beim Erstschaden. Um „aus Schaden klug zu werden“ sei die Fachgemeinde ausdrücklich ermutigt, in geeigneter Weise noch mehr als bisher über eigene Schadensuntersuchungen zu berichten. Restriktionen und Veröffentlichungsverbote, denen der Schadensanalytiker mitunter begegnet, laufen diesem Ziel zuwider.

Abstract

After a brief description of performance data typical to gas turbines and a short elaboration on the resulting specific component loading, this paper presents some component failures in large industrial gas turbines. Such failures may occur during the entire lifetime of an engine, i. e. from cradle to grave, or, more specific, from the “drawing board” up to the revision in the power plant. Causes of failure may be related to design, manufacture, assembly, and service. According to new terminology in American literature that more recently began to distinguish between physical or metallurgical cause of failure, e. g. corrosion fatigue, primary cause of failure, e. g. a threaded pipe connector tightened too fast, root cause of failure, e. g. use of a wrong gasket material, and organizational cause of failure, e. g. missing training of personnel, the authors’ laboratory investigations are related to the first category only. However, the other three are mentioned where appropriate. By far the most important aim of failure analysis is to avoid recurring failures of the same components under the same conditions. In order to “get wise from failures”, the scientific community is encouraged to publish more of their own case studies on failure analysis. Restrictions and bans from publication that failure analysts sometimes face are counterproductive.


Dr.-Ing. Andreas Neidel diplomierte 1987 an der damaligen Ingenieurhochschule Berlin-Wartenberg. Nach bereits frühzeitiger Bindung als studentische Hilfskraft an den dortigen Fachbereich Werkstofftechnik wurde er 1991 von der Fakultät für Land- und Kommunaltechnik der Humboldt-Universität zu Berlin zum Dr.-Ing. promoviert. Das Thema der Dissertation war die Hochgeschwindigkeitswärmebehandlung untereutektoider Vergütungsstähle. 1992 trat er in das Gasturbinenwerk Berlin der Siemens KWU ein, wo er seitdem verschiedene Funktionen im Qualitätsmanagement bekleidet. Ersten Aufgaben im Rahmen der schweißtechnischen Sanierung von Kraftwerksgasturbinen und Abnahmeprüfungen für Feingussteile im weltweiten Lieferantennetzwerk folgte 1994 die Übernahme des Metallografielabors dieser Fabrik. 1997 wurde ihm die Gesamtverantwortung für das Werkstoffprüflabor übertragen. 2007 trat das Kalibrierlaboratorium zu seinem Verantwortungsbereich hinzu. Bisherige fachliche Schwerpunkte seiner Arbeit waren neben der Wärmebehandlung die quantitative Bildanalyse, metallographische Präparationsverfahren für komplexe Schichtsysteme auf Turbinenschaufeln, Heißrissphänomene in Nickelbasislegierungen und austenitischen Stählen, die ambulante Metallografie und vielfältige Beiträge zur Schadensanalytik. Andreas Neidel engagiert sich u. a. im Gemeinschaftsausschuss „Fraktographie“ von DVM und DGM und im Arbeitskreis „Ambulante Metallographie“ der DGM.

Jörg Völker studierte Luft- und Raumfahrttechnik und Werkstoffwissenschaften an der TU Berlin. Nach seinem 1969 erfolgten Eintritt in die AEG-Turbinenfabrik in der Huttenstraße in Berlin-Moabit, dem heutigen Gasturbinenwerk des Siemens Energy Sector, war er langjähriger Leiter der Werkstofftechnik dieser Fabrik. Bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand vor einem Jahr war er Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung e. V.

*Dieser Beitrag erschien bereits im DVM-Bericht 678


Literatur

1 C.Lechner, J.Seume (Hrsg.): Stationäre Gasturbinen, Springer-VerlagBerlin, Heidelberg200310.1007/978-3-662-10016-5Search in Google Scholar

2 A.Neidel, S.Riesenbeck, T.Ullrich, J.Völker: Failure of a Dampening Pin, Materialprüfung46 (2004) 4, S. 152157Search in Google Scholar

3 A.Neidel, B.Matijasevic-Lux, S.Riesenbeck, T.Ullrich, J.Völker, S.Wallich: Schäden an Brennerkomponenten von Heavy Duty-Gasturbinen, Praktische Metallographie47 (2010) 3, S. 135149Search in Google Scholar

4 R.Bürgel: Handbuch Hochtemperatur-Werkstofftechnik – Grundlagen, Werkstoffbeanspruchung, Hochtemperaturlegierungen, Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Wiesbaden (1998)10.1007/978-3-322-99904-7_6Search in Google Scholar

5 VDI-RL 3822, Schadensanalyse, Verein Deutscher Ingenieure, 2008Search in Google Scholar

6 A.Neidel (Hrsg.), L.Engel, H.Klingele, B.Matijasevic-Lux, J.Broichhausen, J.Völker, H.Wanzek: Handbuch Metallschäden – REM-Atlas und Fallbeispiele zur Ursachenanalyse und Vermeidung, Carl Hanser Verlag München Wien, 1. Auflage (2010)10.3139/9783446429666.001Search in Google Scholar

7 M. G.Collins, A. J.Ramirez, J. C.Lippold: An Investigation of Ductility-Dip Cracking in Nickel-Based Weld Metals – Part III, Welding Journal25 (2004), S. 3949Search in Google Scholar

8 J.Schuster: Heißrisse in Schweißverbindungen. Entstehung, Nachweis und Vermeidung, DVS-Berichte Band 233, Düsseldorf (2004)Search in Google Scholar

9 S.Krause, B.Matijasevic-Lux, A.Neidel, W.Österle, S.Riesenbeck, T.Ullrich, J.Völker, S.Wallich, C.Yao: Heißrissbildung in der Wärmeeinflusszone lasergebohrter Turbinenschaufeln aus der Nickelbasis-Superlegierung René 80, Praktische Metallographie44 (2007) 9, S. 413429Search in Google Scholar

10 A.Neidel, S.Riesenbeck, T.Ullrich, J.Völker, C.Yao: Hot Cracking in the HAZ of Laser-drilled Turbine Blades Made From René 80, Materialprüfung47 (2005), No. 10, S. 553559Search in Google Scholar

11 W.Österle, S.Krause, A.Neidel: Influence of Heat Treatment on Microstructure and Hot Cracking Susceptibility of Laser-drilled Turbine Blades Made from René 80, Materials Characterization59 (2008), No. 11, S. 1564157110.1016/j.matchar.2008.01.021Search in Google Scholar

12 M.Pohl: Diskussionsbeitrag, 12. Internationale Metallographietagung, Leoben, Österreich (2006)Search in Google Scholar

Online erschienen: 2013-05-26
Erschienen im Druck: 2011-11-01

© 2011, Carl Hanser Verlag, München

Downloaded on 22.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.3139/120.110276/html
Scroll to top button