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7 Alfred Schütz: Sinnhafter Aufbau der sozialen Welt

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Soziologische Theorien kompakt
Ein Kapitel aus dem Buch Soziologische Theorien kompakt
7Alfred Schütz: Sinnhafter Aufbau der sozialen Welt Alfred Schütz wird heute unbestritten zu den Klassikern der Soziologie gezählt. Die grundla-gentheoretische Verbindung von Phänomenologie, Handlungsanalyse und Wissenssoziolo-gie, die mit seinem Namen verbunden wird, gilt als eine der wesentlichen Anstöße für eine hermeneutisch orientierte, qualitativ verfahrende Soziologie. Schütz hat mit seinen Arbeiten zu einer phänomenologisch fundierten Sozialtheorie eine grundlagentheoretisch umfassende Bestimmung des Gegenstandes und der Methode soziologischer Analyse vorgelegt, deren Anregungsreichtum für die aktuelle soziologische Theoriebildung bereits der Karriere des Begriffs der „Lebenswelt“ zu entnehmen ist. In Schütz’ Werk erhält das in der Philosophie von Edmund Husserl (18591939) entfaltete Modell eines gegenüber wissenschaftlichen Zugängen primären Welt- und Wirklichkeitsbezuges eine für die Soziologie anschlussfähi-ge handlungstheoretische Fassung. Mit dem Titel „Lebenswelt“ wird eine Grundlegung der Wissenschaften vom Menschen (einschließlich der Soziologie) angezielt, die über eine Auf-klärung der Konstitution der Geltung von Welt in der natürlichen Einstellung, also über eine Klärung der ursprünglichen Sinnentstehung und Sinnstruktur der Lebenswelt erfolgt. 7.1Grundzüge der Lebenswelttheorie von Schütz Schütz wie Husserl geht es um die Freilegung der apriorischen Grundstruktur von Sinnset-zungsprozessen. Wobei für Schütz klar ist, dass nicht die Grundstrukturen selbst, sondern diese jeweils nur in konkreter soziokulturell spezifischer Ausformung sinngenerierend wir-ken. Ausgegangen wird von einem erlebenden und erkennenden Subjekt, für das die „Le-benswelt“ eine Strukturiertheit nach Sinnzusammenhängen, nach Interessen und Relevanzen, kurz: eine grundlegend pragmatische Strukturierung aufweist und ein Wissen darum ein-schließt. Die wesentliche Konsequenz dieser Begriffseinführung ist, dass die Begriffe „Le-benswelt“ und „Alltagnicht deckungsgleich sind. Beide Begriffe liegen auf verschiedenen Ebenen. Denn es ist eines der zentralen Strukturmomente der Lebenswelt, dass sie unter-schiedliche Modi konkreter Welterfahrung und Sinnsetzung kennt. Der „Alltag“ ist lediglich eine, wenn auch die für die Soziologie zentrale Form des Weltzugangs, der Welterfahrung, der Sinnsetzung: „In dieser Einstellung [des Alltags wird] ... die Existenz der Lebensweltund die Typik ihrer Inhalte bis auf weiteres fraglos gegeben hingenommen“ (2003a: 327). Das sieht ersichtlich in der Wissenschaft, für die die grundsätzliche Infragestellung des Endress_SoziolTheorie_121129.pdf11529.11.201214:19:04

7Alfred Schütz: Sinnhafter Aufbau der sozialen Welt Alfred Schütz wird heute unbestritten zu den Klassikern der Soziologie gezählt. Die grundla-gentheoretische Verbindung von Phänomenologie, Handlungsanalyse und Wissenssoziolo-gie, die mit seinem Namen verbunden wird, gilt als eine der wesentlichen Anstöße für eine hermeneutisch orientierte, qualitativ verfahrende Soziologie. Schütz hat mit seinen Arbeiten zu einer phänomenologisch fundierten Sozialtheorie eine grundlagentheoretisch umfassende Bestimmung des Gegenstandes und der Methode soziologischer Analyse vorgelegt, deren Anregungsreichtum für die aktuelle soziologische Theoriebildung bereits der Karriere des Begriffs der „Lebenswelt“ zu entnehmen ist. In Schütz’ Werk erhält das in der Philosophie von Edmund Husserl (18591939) entfaltete Modell eines gegenüber wissenschaftlichen Zugängen primären Welt- und Wirklichkeitsbezuges eine für die Soziologie anschlussfähi-ge handlungstheoretische Fassung. Mit dem Titel „Lebenswelt“ wird eine Grundlegung der Wissenschaften vom Menschen (einschließlich der Soziologie) angezielt, die über eine Auf-klärung der Konstitution der Geltung von Welt in der natürlichen Einstellung, also über eine Klärung der ursprünglichen Sinnentstehung und Sinnstruktur der Lebenswelt erfolgt. 7.1Grundzüge der Lebenswelttheorie von Schütz Schütz wie Husserl geht es um die Freilegung der apriorischen Grundstruktur von Sinnset-zungsprozessen. Wobei für Schütz klar ist, dass nicht die Grundstrukturen selbst, sondern diese jeweils nur in konkreter soziokulturell spezifischer Ausformung sinngenerierend wir-ken. Ausgegangen wird von einem erlebenden und erkennenden Subjekt, für das die „Le-benswelt“ eine Strukturiertheit nach Sinnzusammenhängen, nach Interessen und Relevanzen, kurz: eine grundlegend pragmatische Strukturierung aufweist und ein Wissen darum ein-schließt. Die wesentliche Konsequenz dieser Begriffseinführung ist, dass die Begriffe „Le-benswelt“ und „Alltagnicht deckungsgleich sind. Beide Begriffe liegen auf verschiedenen Ebenen. Denn es ist eines der zentralen Strukturmomente der Lebenswelt, dass sie unter-schiedliche Modi konkreter Welterfahrung und Sinnsetzung kennt. Der „Alltag“ ist lediglich eine, wenn auch die für die Soziologie zentrale Form des Weltzugangs, der Welterfahrung, der Sinnsetzung: „In dieser Einstellung [des Alltags wird] ... die Existenz der Lebensweltund die Typik ihrer Inhalte bis auf weiteres fraglos gegeben hingenommen“ (2003a: 327). Das sieht ersichtlich in der Wissenschaft, für die die grundsätzliche Infragestellung des Endress_SoziolTheorie_121129.pdf11529.11.201214:19:04
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