Startseite 5 Talcott Parsons: Systemtheorie gesellschaftlichen Handelns
Kapitel
Lizenziert
Nicht lizenziert Erfordert eine Authentifizierung

5 Talcott Parsons: Systemtheorie gesellschaftlichen Handelns

Veröffentlichen auch Sie bei De Gruyter Brill
Soziologische Theorien kompakt
Ein Kapitel aus dem Buch Soziologische Theorien kompakt
5Talcott Parsons: Systemtheorie gesellschaftlichen Handelns Parsons’ Unternehmen lässt sich beschreiben als Versuch der Entwicklung eines allgemeinen theoretischen Bezugsrahmens für das Untersuchungsinteresse der Soziologie, der in gleicher Weise auch für die Nachbarwissenschaften – wie Ökonomie, Psychologie, Politikwissen-schaft – relevant sein sollte. Parsons war der Überzeugung, dass ein kumulativer Erkenntnis-fortschritt in der Soziologie und in den Sozialwissenschaften von der Ausarbeitung eines systematisch-theoretischen Begriffsrahmens abhängt, der seiner Auffassung nach als einheit-liche Theorie menschlichen Handelns zu entwickeln ist. Damit verfolgt Parsons ein ein-heitswissenschaftliches Programm für das als Vorbild die damals noch als evident geltende paradigmatische Vereinheitlichung in den naturwissenschaftlichen Disziplinen galt. Durch die Entwicklung dieses Programms gelingt es Parsons in den 1940er und 1950er Jahren bis in die erste Hälfte der 1960er Jahre hinein sowohl in den USA als auch in der europäischen und deutschen Soziologie eine hegemoniale Stellung einzunehmen. 5.1Grundzüge von Parsons’ Soziologie Aufgrund seines Studiums der klassischen europäischen Grundlegungen der Soziologie ist er der Überzeugung, dass sich in diesen bemerkenswerte Übereinstimmungen erkennen ließen, deren konsequente Entfaltung den Weg für ein neues Theorieniveau freimacht: Diese These einer Konvergenz bezieht er sowohl auf die Ökonomie von Alfred Marshall (1842–1924) als auch auf die soziologischen Ansätze von Vilfredo Pareto (1848–1923), Émile Durkheim und Max Weber. Er geht davon aus, dass diese vier Autoren moralisch-praktische Normen als Garanten der Sozialintegration von Gesellschaften betrachten. In dieser neuartigen theoreti-schen Perspektive, die Parsons in „The Structure of Social Action“ von 1937 entwickelt, wird die Soziologie erkennbar als Überwindung des das 19. Jahrhundert prägenden Gegen-satzes von Positivismus und Idealismus. Eine Überwindung, die für Parsons im Rahmen seiner „voluntaristischen Handlungstheorie“ möglich ist. Aufgabe der Soziologie ist es nach Parsons, diese Konvergenz zu einer systematischen begrifflichen Grundlage auszufor-mulieren, um für das gesamte Spektrum sinnhaften menschlichen (sozialen) Handelns (von der kleinsten Handlungseinheit bis zu umfassenden gesellschaftlichen Einheiten) eine konsis-tente Beschreibungs- und Erklärungsperspektive zu entwickeln. Parsons gewinnt diese Kon-vergenzthese über eine Kritik am „utilitaristischen Dilemma“, das er bei Vertretern des Posi-

5Talcott Parsons: Systemtheorie gesellschaftlichen Handelns Parsons’ Unternehmen lässt sich beschreiben als Versuch der Entwicklung eines allgemeinen theoretischen Bezugsrahmens für das Untersuchungsinteresse der Soziologie, der in gleicher Weise auch für die Nachbarwissenschaften – wie Ökonomie, Psychologie, Politikwissen-schaft – relevant sein sollte. Parsons war der Überzeugung, dass ein kumulativer Erkenntnis-fortschritt in der Soziologie und in den Sozialwissenschaften von der Ausarbeitung eines systematisch-theoretischen Begriffsrahmens abhängt, der seiner Auffassung nach als einheit-liche Theorie menschlichen Handelns zu entwickeln ist. Damit verfolgt Parsons ein ein-heitswissenschaftliches Programm für das als Vorbild die damals noch als evident geltende paradigmatische Vereinheitlichung in den naturwissenschaftlichen Disziplinen galt. Durch die Entwicklung dieses Programms gelingt es Parsons in den 1940er und 1950er Jahren bis in die erste Hälfte der 1960er Jahre hinein sowohl in den USA als auch in der europäischen und deutschen Soziologie eine hegemoniale Stellung einzunehmen. 5.1Grundzüge von Parsons’ Soziologie Aufgrund seines Studiums der klassischen europäischen Grundlegungen der Soziologie ist er der Überzeugung, dass sich in diesen bemerkenswerte Übereinstimmungen erkennen ließen, deren konsequente Entfaltung den Weg für ein neues Theorieniveau freimacht: Diese These einer Konvergenz bezieht er sowohl auf die Ökonomie von Alfred Marshall (1842–1924) als auch auf die soziologischen Ansätze von Vilfredo Pareto (1848–1923), Émile Durkheim und Max Weber. Er geht davon aus, dass diese vier Autoren moralisch-praktische Normen als Garanten der Sozialintegration von Gesellschaften betrachten. In dieser neuartigen theoreti-schen Perspektive, die Parsons in „The Structure of Social Action“ von 1937 entwickelt, wird die Soziologie erkennbar als Überwindung des das 19. Jahrhundert prägenden Gegen-satzes von Positivismus und Idealismus. Eine Überwindung, die für Parsons im Rahmen seiner „voluntaristischen Handlungstheorie“ möglich ist. Aufgabe der Soziologie ist es nach Parsons, diese Konvergenz zu einer systematischen begrifflichen Grundlage auszufor-mulieren, um für das gesamte Spektrum sinnhaften menschlichen (sozialen) Handelns (von der kleinsten Handlungseinheit bis zu umfassenden gesellschaftlichen Einheiten) eine konsis-tente Beschreibungs- und Erklärungsperspektive zu entwickeln. Parsons gewinnt diese Kon-vergenzthese über eine Kritik am „utilitaristischen Dilemma“, das er bei Vertretern des Posi-
Heruntergeladen am 23.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1524/9783486709650.71/html?lang=de&srsltid=AfmBOorVS5WVpZZkTBGlFXMZyn6m1tbIfo6o7wiQDKLTTuKCAaA_l_YV
Button zum nach oben scrollen