Home Oliver Hekster, Caesar Rules. The Emperor in the Roman World ca. 50 BC‒565 AD
Article Open Access

Oliver Hekster, Caesar Rules. The Emperor in the Roman World ca. 50 BC‒565 AD

  • Felix K. Maier
Published/Copyright: July 21, 2025

Reviewed Publication:

Hekster Oliver, Caesar Rules. The Emperor in the Roman World ca. 50 BC‒565 AD. Cambridge University Press, Cambridge 2023. XXIII, 400 S., ISBN 978-1-00922-676-9


Die Frage, wie römische Kaiser ihre Macht gegenüber ihren Untertanen inszenierten, ist eine in der Forschung bereits häufig erörterte und mehrfach beurteilte Frage. Im letzten Jahrzehnt kamen zahlreiche Untersuchungen zu den Herrschern in der Spätantike hinzu, die – aufbauend auf dem Modell der Akzeptanzgruppen von Egon Flaig – neue Perspektiven auf die Erwartungshaltungen und Erfüllungszwänge der Kaiser im 4./5./6./7. Jahrhundert eröffneten[1)]. So ergab sich dabei ein bisher noch nicht erkanntes Verständnis für die vielfältigen Spannungszustände in Bezug auf den individuellen Handlungsspielraum spätantiker Herrscher und den – trotz des Wechsels vom Feld- bzw. Residenzkaisertum zum Palastkaisertum – immer noch sehr wirkmächtigen Anspruch an die militärischen Fähigkeiten des Kaisers. Vor allem durch die intensiven Analysen der spätantiken Panegyrik konnten die heterogenen Erwartungen an den Herrscher sichtbar gemacht werden, die in ihrem Zusammenspiel eine enorme Herausforderung an den Kaiser und die Inszenierung seiner Macht darstellten[2)]. Nadine Viermann sprach deshalb vom „schwitzenden Kaiser“[3)].

In seinem Buch „Caesar Rules“ bringt Oliver Hekster die traditionelle Forschung zur frühen und hohen Kaiserzeit mit eben jenen Befunden zur Spätantike sowie seiner eigenen Expertise ‒ vor allem auf dem Gebiet des 3. Jahrhunderts ‒ in besonders ansprechender Weise zusammen. Vorab sollte man erwähnen, dass Hekster sich eine Aufgabe gestellt hat, die – wie es auch wohl den Kaisern erging – nicht alle Erwartungshaltungen bedienen kann: Da er einen sehr langen Zeitabschnitt mit sich teilweise erheblich verändernden historischen Kontexten wählt, kann Hekster bei den vielen Aspekten, die er beleuchtet, manchmal nur kursorisch, teilweise sogar anekdotisch, auf gewisse Phänomene eingehen, was für manchen Leser oder manche Leserin oberflächlich anmuten könnte. Aber es geht Hekster nicht um eine detaillierte Spezialuntersuchung, sondern um ein Narrativ, das – großzügig lange Bögen schlagend – ein Gefühl für längerfristige Entwicklungen und paradigmatische Dynamiken entwickeln möchte, ohne sich in Einzelfragen zu verlieren. Vorab sei gesagt: dieser Versuch gelingt.

Der Aufbau des Buches orientiert sich an verschiedenen zentralen Aspekten: der Darstellung der Kaiser, ihrer Rollen und der Personen, die den Kaiser umgaben. Hekster beginnt mit den kaiserlichen Namen und deren Darstellung insbesondere auf Münzen, Statuen und Inschriften. Er betont vor allem, dass diese widerspiegeln, wie Kaiser von gesellschaftlichen Gruppen gesehen werden wollten, und dass der Gebrauch von Titeln wie Augustus oder Caesar symbolische Bedeutung hatte. Indem er eine Verbindung zu früheren Herrschern herstellte, betonte er Kontinuität. Provinzialmünzen zeigten oft lokale Variationen, nahmen jedoch auch die allgemeinen kaiserlichen Narrative auf.

Im zweiten Kapitel beleuchtet Hekster die drei Hauptrollen, die ein Kaiser zu erfüllen hatte: militärischer Anführer, religiöser Vermittler und städtischer Herrscher. Hekster zeigt, dass diese Rollen nicht statisch waren, sondern sich im Laufe der Zeit veränderten, um den Bedürfnissen des Reiches zu entsprechen. Die militärische Rolle des Kaisers war seit der Augusteischen Zeit grundlegend, insbesondere die Betonung von Eroberung und Sieg. In seiner religiösen Funktion wurde der Kaiser als Vermittler zwischen den Göttern und Rom angesehen, eine Rolle, die nach dem Aufstieg des Christentums noch ausgeprägter wurde. Als ziviler Herrscher, als „oberster Magistrat“, wurde seine Rolle mit der zunehmenden Bedeutung der Gesetzgebung unter Theodosius und Justinian immer wichtiger.

Das dritte Kapitel untersucht die sozialen und politischen Beziehungen, die die kaiserliche Herrschaft prägten. Hekster zeigt, wie Kaiserinnen, Generäle, Senatoren und lokale Eliten eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der kaiserlichen Stabilität spielten, und geht auch ausführlich auf die Beziehung des Kaisers zum Militär und zu den städtischen Massen in Rom und Konstantinopel ein. Diese Gruppen, so Hekster, waren keine passiven Zuschauer, sondern aktive Teilnehmer an der kaiserlichen Politik, und ihre Loyalität war entscheidend für den langfristigen Erfolg eines Kaisers. Zwar seien diese Beziehungen von Kaiser zu Kaiser unterschiedlich ausgeprägt gewesen, sie hätten aber wesentlich bestimmt, wie die Macht des Kaisers wahrgenommen und ausgeübt wurde.

Sodann widmet sich das Buch den physischen und zeremoniellen Aspekten der kaiserlichen Macht und konzentriert sich darauf, wie Monumente und Zeremonien in Rom, Konstantinopel und in den Provinzen die Wahrnehmung des Kaisertums beeinflussten. Hekster argumentiert, dass monumentale Architektur wie Triumphbögen und Statuen dazu diente, die kaiserliche Autorität in lokale Kontexte zu integrieren. Diese Bauwerke seien keine bloßen Symbole der Herrschaft, sondern Teil eines Dialogs zwischen dem Kaiser und seinen Untertanen gewesen. Für Hekster ist dabei vor allem der Aspekt wichtig, dass lokale Eliten diese Monumente zur Loyalitätsdemonstration nutzten, während Zeremonien wie der adventus die Präsenz des Kaisers im gesamten Reich festigten.

Heksters souveräner Rundgang durch die Jahrhunderte zeigt eindrücklich, dass das römische Kaisertum eine äußerst anpassungsfähige Institution war, die sich kontinuierlich an interne Dynamiken und äußere Einflüsse adaptierte. Und genau an diesem Punkt befindet sich ein wichtiger Beitrag dieses Buches: Anlässlich der Diskussion, ob die Kommunikation zwischen Herrscher und Beherrschten eher top-down oder bottom-up war, betont Hekster nicht nur das „Getriebensein“ der Kaiser, sondern auch ihre Innovation und die Gestaltungskreativität. Die Kaiser hätten es geschafft, sich als verbindendes Element des Reiches darzustellen, selbst als ihre Rolle sich von militärischen Führern hin zu rechtlichen und religiösen Figuren wandelte. Diese Flexibilität war laut Hekster der Schlüssel zur Beständigkeit des Reiches. Das Kaisertum blieb relevant, indem es sich mit alten Traditionen auseinandersetzte und gleichzeitig Innovationen einführte, um den Anforderungen einer sich verändernden Welt gerecht zu werden. Hekster geht sogar so weit, dass er die ständige Veränderung und Adaption der kaiserlichen Selbstinszenierung als Grund dafür sieht, dass die vom Kaiser Beherrschten sich allmählich an gewisse Grenzüberschreitungen gewöhnt hätten und ihnen deshalb immer mehr zugemutet werden konnte.

Es gehört sicherlich zu den Stärken des Buches, dass neben Aspekten, die schon hinlänglich bekannt sind, trotzdem immer wieder solche von Hekster thesenartig formulierten Gedanken zu den römischen Kaisern und ihrem Umfeld zu finden sind, vor allem – und wenig überraschend – im Bereich der Selbstrepräsentation auf den Münzprägungen. Für wen eignet sich also dieses Buch? Absolute Kenner des Kaisertums werden wahrscheinlich bemängeln, dass zu viele Aspekte kursorisch gestreift werden. Aber selbst der überblicksartige Charakter hat für diesen Adressatenkreis noch einiges zu bieten, weil der oftmals mächtige Fussnotenapparat überaus nützliche Hinweise zu wichtigen Befunden aus der Forschung bietet. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die einen schnellen und effektiven Einstieg in die Materie anstreben, ist Heksters Darstellung aber eine unerlässliche Lektüre, gerade auch aufgrund der vielen Abbildungen, welche die schriftliche Präsentation illustrativ unterstützen, sowie aufgrund der ausführlichen und zahlreichen Listen und Tabellen, die nützliche Zusatzinformationen strukturiert darbieten. Zusammen mit der extensiven Bibliographie schmilzt der eigentliche Textteil des 376-Seiten-Buches somit sehr schnell zusammen, sodass man überrascht ist, wie schnell man das Buch gelesen hat – was aber nicht zuletzt am abwechslungsreich präsentierten Inhalt liegt.

Published Online: 2025-07-21
Published in Print: 2025-06-26

© 2025 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Germany

This work is licensed under the Creative Commons Attribution 4.0 International License.

Articles in the same Issue

  1. Frontmatter
  2. I. Zum 90. Todestag von Otto Lenel
  3. Aufsätze
  4. II. Ὁμολογία und nuncupatio –Das attische Homologie-Gesetz in seinem Kontext
  5. III. Charakterzeichnung und Motivsuche in den controversiae – zur Bedeutung der rhetorischen Schulübung für die juristische und die rechtliche Praxis
  6. IV. Bemerkungen zum Testament des Pomponius Maximus aus dem Jahr 371 n. Chr.
  7. V. Justinian und der Schild des Herakles
  8. VI. Studien zu frühen merowingischen Rechtsetzungen
  9. VII. Zur Methode der Pandektenwissenschaft am Beispiel der hereditas iacens
  10. Miszellen
  11. Materialien zur fiducia im Lichte der Interpolationenkritik
  12. Brazil meets Rome: Vasconcellos’ complete translation of the Digest of Justinian into Portuguese
  13. Analyzing Anonymity in Justinian’s Digest: A Quantitative Approach
  14. Between rhetorical and performative aspects of the stipulatio-clause in Greek legal documents of Egypt
  15. Zu den Quellen des byzantinischen Rechts
  16. Literatur
  17. Besprechungen: Martin Avenarius, Ordo testamenti. Pflichtendenken, Familienverfassung und Gemeinschaftsbezug im römischen Testamentsrecht
  18. Hartwin Brandt, Die Kaiserzeit. Römische Geschichte von Octavian bis Diocletian, 31 v. Chr.–284 n. Chr.
  19. Ciceros Topica und sein Programm De iure civili in artem redigeno, hg. von Wolfram Buchwitz/Matthias Ehmer
  20. Lucia C. Colella, I testamenti dei cittadini romani dʼEgitto tra storia sociale e prassi giuridica. Dal I secolo d.C. a Severo Alessandro
  21. Benedikt Eckhardt, Romanisierung und Verbrüderung. Das Vereinswesen im römischen Reich
  22. Jean-Louis Ferrary, La pensée politique de la Rome républicaine et les traités de philosophie politique de Cicéron. A cura di Maria Stefania Montecalvo
  23. Steffen Michael Jauss, Rechtsfragen der Herdenhaltung am unteren und mittleren Euphrat in altbabylonischer Zeit
  24. Papyrologische und althistorische Studien zum 65. Geburtstag von Andrea Jördens. Hg. von Lajos Berkes/W. Graham Claytor/Maria Nowak
  25. Selen Kılıç Aslan, Lycian Families in the Hellenistic and Roman Periods. A Regional Study of Inscriptions: towards a Social and Legal Framework
  26. Robert A. Kugler, Resolving Disputes in Second Century BCE Herakleopolis. A Study in Jewish Legal Reasoning in Hellenistic Egypt
  27. Roberta Marini, Prius testamentum ruptum est. Il problema della revoca del testamento in diritto romano
  28. Mike Reichert, Pflichten und Pflichtenkonflikte bei einer Verwahrung im römischen Recht im Wandel der Anschauungen
  29. Boudewijn Sirks, The Colonate in the Roman Empire
  30. Benedikt Strobel, Der Nießbrauchssklave im römischen Recht
  31. Tobias Bessel Donaas van der Wal, Nemo condicit rem suam. Over de samenloop tussen de rei vindicatio en de condictio. Proefschrift Leiden
  32. Luca Wimmer, Motivirrtum bei Schenkung und letztwilliger Verfügung. Eine kritische, historisch-vergleichende Untersuchung des deutschen, französischen und österreichischen Rechts
  33. Alfons Bürge, Die Lohnarbeit in der Antike
  34. Francesco Castagnino, I diplomata militaria. Una ricognizione giuridica
  35. Oliver Hekster, Caesar Rules. The Emperor in the Roman World ca. 50 BC‒565 AD
  36. Sammelbuch Griechischer Urkunden aus Ägypten, Bd. XXX hg. von Andrea Jördens unter Mitarbeit von Rodney Ast/Andrea Bernini/W. Graham Claytor/Ulrike Ehmig/Antonia Sarri/Eftychia Stavrianopoulou/Laura Willer
  37. Massimo Lolli, Turpitudinum notae. La caratterizzazione dell’usurpatore nei Panegyrici Latini tardoantichi
  38. Giuseppe Valditara, Civis romanus sum
  39. Eingelangte Schriften und Neuerscheinungen
  40. In memoriam
  41. Hans-Albert Rupprecht (16. April 1938–13. Februar 2024)
  42. Chronik
  43. „The Talmud Yerushalmi’s Civil Law in Its Ancient Legal Context: ­Rabbinic Law – Roman Law – Hellenistic Law“ Philipps-Universität Marburg, 23.–26. Juni 2024
  44. 44. Rechtshistorikertag Frankfurt 16.–20. September 2024
  45. XVIII. Jahrestreffen der Jungen Romanisten (Padua, 30.–31. Mai 2024)
  46. Quellenverzeichnis zu Band 142
Downloaded on 27.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zrgr-2025-0031/html
Scroll to top button