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Editorial

Published/Copyright: May 31, 2024
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Erstmals überhaupt widmet die Zeitschrift für Pädagogik und Theologie mit dieser Ausgabe ein eigenes Themenheft der Pfingstbewegung. Bedankt man die enorme Dynamik des pentekostalen Aufbruchs im globalen religiösen Feld, die im religionswissenschaftlichen und vermehrt auch theologischen Wissenschaftsdiskurs der letzten Jahrzehnte intensiv erforscht und reflektiert worden ist, erfolgt die Hinwendung zum Pentekostalismus in der deutschsprachigen Religionspädagogik erstaunlich spät.

Wie Henrik Simojoki in seinem Eröffnungsbeitrag aufzeigt, hat diese Ausblendung mehrere Ursachen, deren gemeinsamer Nenner darin liegt, dass die Pfingstbewegung sich gar nicht so einfach in die vorherrschenden Wissensordnungen, etablierten Reflexionsformen und strukturellen Rahmenbedingungen der deutschsprachigen Religionspädagogik integrieren lässt. Gerade deshalb, so die Pointe seines Beitrags, ist es an der Zeit, dass die religionspädagogische Auseinandersetzung mit der Pfingstbewegung auch in Deutschland an Fahrt aufnimmt. Dabei komme es besonders darauf an, die Vielgestaltigkeit der Pfingstbewegung vornehmlich über die Selbstbeschreibungen pentekostaler Akteur:innen zu erschließen – was Praktiken religiöser Bildung ebenso einschließe wie deren Deutungen in der pentekostalen Theologie.

In diesem Sinne beleuchtet Wolfgang Vondey als einer ihrer international führenden Vertreter die pädagogischen Fundamente der pentekostaler Theologie. An seinem Beitrag tritt eindrücklich zutage, dass die Kerngehalte der pfingstlichen Glaubenstradition (Erlösung, Heiligung, Geisttaufe, Heilung und Kommen der Gottesherrschaft) allesamt pädagogisch dimensioniert sind. Besonders akzentuiert wird die gemeinschaftliche Verkörperung des Glaubens als einer genuin pfingstlichen Ausdrucksgestalt weltweit gelebten Christentums.

Während die religionspädagogische Hinwendung zum globalen Pentekostalismus erst am Anfang steht, sind die Pfingstkirchen, wie aus dem Beitrag von Claudia Jahnel hervorgeht, als „transkulturelle Grenzgänger par excellence“ im Forschungsfeld der Interkulturellen Theologie fest etabliert. Jahnel macht jedoch darauf aufmerksam, dass in der für diese Forschung dominanten Perspektive transkultureller Verflechtung intersektionale Diskriminierungserfahrungen unterbelichtet geblieben sind. Vor diesem Hintergrund verweist sie auf neuere Arbeiten, in denen die Interdependenz von gender-, race- und class-bedingter Ungleichheiten systematisch eingebunden wird – ein Impuls, der hoffentlich breiter in den religionspädagogischen Intersektionalitätsdiskurs eingeht.

Die Pfingstbewegung ist auch deshalb für die Religionspädagogik interessant, weil sich in ihr die kontextuelle Mehrbezüglichkeit des Christentums in der heutigen Weltgesellschaft markant manifestiert. Dies zeigt sich exemplarisch in dem in deutschen Großstandkontexten besonders dynamisch wachsenden Geflecht pentekostaler Migrationsgemeinden. Der Verdienst von Stefan van der Hoeks mehrdimensional angelegten Annäherung liegt darin, dass er nicht nur in diesen pluralen Kontext einführt, sondern darüber hinaus einsichtig macht, warum es wichtig ist, pentekostalen Migrationsgemeinden im Religionsunterricht mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Dabei wird deutlich, dass diese Notwendigkeit mit religionsdidaktischen Anforderungen verbunden ist, auf die sich die religionsdidaktische Theorie und Praxis in Deutschland verstärkt einstellen muss.

Freilich sind die globalen Wachstumszentren der Pfingstbewegung nicht in Deutschland, sondern in Afrika, Asien und Lateinamerika zu finden. Unter Rückgriff auf Interview- und Beobachtungsdaten aus seiner Feldforschung in Chile entwirft Daniel Frei Umrisse einer pfingstlichen Gemeindepädagogik. Der Beitrag führt vor Augen, wie im pentekostalen Gemeindeleben unterschiedliche Sozialisationsräume ineinanderwirken – in Erziehungsprozessen, die aus intensiver Gemeinschaftsbindungen, emotional dichten Interaktionen und hohen Aktivitätserwartungen erwachsen.

Nicht mit dem Heftthema verbunden ist der Abschlussbeitrag des Heftes. Er basiert auf dem Festvortrag eines Symposiums aus Anlass des 75. Geburtstages von Hans-Günter Heimbrock, das im Mai 2023 an der Goethe-Universität Frankfurt am Main stattfand. Im Anschluss an aktuelle Umwälzungen in der Wissensproduktion und in Aufnahme vielfältiger Einsichten eines ertragreichen religionspädagogischen und praktisch-theologischen Weges befasst sich der Jubilar mit der zukunftsweisenden Frage, wie Innovation und Intuition in theologischen Erkenntnisprozessen ineinandergreifen.

Als besonderes Buch bespricht Johannes Lähnemann Katja Boehmes Grundlagenwerk „Interreligiöses Begegnungslernen“, in dem eine fächerkooperierende Didaktik von Weltsichten konzeptionell fundiert und didaktisch konkretisiert wird.

Henrik Simojoki und David Käbisch

Online erschienen: 2024-05-31
Erschienen im Druck: 2024-05-30

© 2024 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 29.12.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zpt-2024-2013/html
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