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Glaubwürdigkeit und Geltung

  • Georg Imdahl

    Georg Imdahl ist freier Kunstkritiker in Düsseldorf und hat seit 2011 die Professur für Kunst und Öffentlichkeit an der Kunstakademie Münster inne. Er promovierte an der Privatuniversität Witten/Herdecke bei Franco Volpi mit einer Dissertation über Martin Heidegger (Das Leben verstehen: Heideggers formal anzeigende Hermeneutik in den frühen Freiburger Vorlesungen, Würzburg 1997). Jüngste Buchpublikation: Ausbeute: Santiago Sierra und die Historizität der zeitgenössischen Kunst, 2. Aufl., Hamburg 2023.

Veröffentlicht/Copyright: 4. März 2024
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Buchloh Benjamin H. D., Gerhard Richter: Malerei nach dem Subjekt der Geschichte Aus dem Englischen vom Autor übersetzt. Köln: Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, 2023, XXXII, 711 Seiten, über 230 meist farbige Abbildungen, € 45,00, ISBN 978-3-86335-991-1


Der Autor nennt seine Studie »monografischmonolithisch«, aber auch »kumulativ zerstreut« (vii). Benjamin H. D. Buchloh spielt damit auf den Umstand an, dass sein Buch auf zahlreichen Beiträgen aus den vergangenen Jahrzehnten beruht und ein lang angestrebtes Resümee seiner Befassung mit dem Werk Gerhard Richters darstellt. Diese geht bis ins Jahr 1972 zurück, als Buchloh eine Ausstellung Richters in der Kölner Galerie Rudolf Zwirner kuratierte, bevor er 1977 seinen ersten Essay über den Künstler anlässlich einer Ausstellung im Centre Pompidou in Paris verfasste. Aus weiteren Aufsätzen über Richter ging 1994 Buchlohs Dissertation bei Rosalind E. Krauss hervor, die schon denselben Titel trug wie seine jetzt erschienene Untersuchung: Gerhard Richter: Malerei nach dem Subjekt der Geschichte. Das 712 Seiten umfassende Kompendium folgt auf eine ähnlich ausführliche Monografie von Armin Zweite, deren »detaillierte Genauigkeit und theoretische Grundlagen« laut Buchloh »unübertreffbar erscheinen« und die er »die erste wirklich monumentale kritische Studie des Richter-OEuvres« (xi) nennt, ohne im weiteren Verlauf noch einmal auf sie einzugehen.[1]

Chronologisch zeichnen die insgesamt 20 Kapitel den Werkverlauf in den wesentlichen Etappen nach, wobei auffällt, dass eine eingehende Analyse der gemalten grauen Monochromien aus den 1970er Jahren fehlt; das ist bedauerlich, denn Richter spielt darin seine persönliche Primärfarbe, die Farbe Grau, ebenso malerisch wie konzeptuell, voluptuös wie nüchtern und illusionslos aus. In diesen Werken gibt sich auch eine malerische Handschrift im buchstäblichen, manuellen Verständnis deutlich wie kaum sonst zu erkennen. Wohl aber steuert Buchloh brillante Beobachtungen zu den grauen Glasarbeiten wie Acht Grau (2002) bei, deren »Nicht-Farbe Grau« er treffend als »chromatische Quintessenz des antiutopischen Denkens« charakterisiert (430) – und zu den Glasbildern, die er in einem beherzten Rekurs mit der dystopischen Foto-Ikone Wall Street von Paul Strand aus dem Jahr 1915 assoziiert. Solche gedanklichen Verbindungen, die von der Gegenwart in die Tiefe des 20. Jahrhunderts zurückführen, sichern dem Buch einen durchgehend ergiebigen Ertrag. So verfügt Buchloh über ein hohes Maß an Detailkenntnis, mit der er historische Zusammenhänge plausibel machen kann, ohne die sich Stringenz und Glaubwürdigkeit künstlerischer Setzungen nach seiner Auffassung nicht begründen lassen. Was zum Beispiel den Atlas betrifft, das »anomische Archiv« Richters (226): Buchloh führt es nicht nur – naheliegend – auf Aby Warburg zurück, sondern auch auf das Album von Hannah Höch (1933) und die Analytische Lehrtafel von Kasimir Malewitsch (1924–1927); den vor einigen Jahren wiederentdeckten, noch in der DDR entstandenen Monotypie-Zyklus Elbe (1957) situiert er in seinem technischen Ursprung in amerikanischen Kontexten von Robert Rauschenberg, John Cage oder Nam June Paik und dem Trend des Deskilling. Zugleich charakterisiert er die »mechanische Drehung der Farbwalze« und das aus ihr resultierende »verschmierte Zufallsmuster« (30) als subversive künstlerische Praxis in der sozialistischen Gesellschaft.

Weniger bezwingend fallen Versuche aus, Richter eine Schlüsselrolle bei einem »Paradigmenwechsel in der deutschen Zeichnung« zuzuschreiben (611). Als diskutabel erweist sich Buchlohs Bewertung von Richters vierteiligem, abstraktem Zyklus Birkenau, dem der Autor bald nach dessen Entstehen einen eigenen Katalogband widmete.[2] Er ordnet ihn in die realisierten, nicht realisierten und vom Künstler zerstörten Werke seit dem Bild Hitler von 1962 ein, wobei Buchloh die in den 1960er Jahren entstandenen Arbeiten als »das erste völlig glaubwürdige malerische Projekt« bezeichnet, »das die Geschichte des deutschen Faschismus und seine Folgen für die Entstehung einer neuen postfaschistischen und postnationalen Subjektivität thematisiert« (667). Dem möchte man angesichts von Boris Lurie und der von ihm propagierten, unversöhnlichen »NO!art« nicht zustimmen.

Ein Substrat von Buchlohs langjährigen Überlegungen bietet die Einleitung, die die eigene Person und ihre gesellschaftliche Haltung sowie seine Freundschaft mit dem Künstler vorstellig macht. Auffallend darin ist ein ausgeprägter Gestus von Bekenntnis und Rechtfertigung, in dem Buchloh die lange, in seinen Worten »unausgesetzte« Durchdringung des Richterschen Werks begründet und die Prämissen seiner Bemächtigung expliziert. Seine kontinuierliche Auseinandersetzung stellt er – schon auch etwas kokett – als mögliche »Folge professioneller Beschränkungen« oder als denkbares »Symptom einer Pathologie« dar, jedenfalls habe sich sein Interesse an Richter durchaus nicht »nach einiger Zeit als Täuschung und Enttäuschung« herausgestellt wie im Fall der Minimal Art, die Buchloh nur kurzfristig zu fesseln wusste (xiii). In seiner Selbstrechtfertigung geht Buchloh noch weiter, wenn er die Beschäftigung mit dem »OEeuvre eines anscheinend konservativen Malers« über die Dauer eines Berufslebens als Hingabe beschreibt, die »etwas Zwanghaftes«, wenn nicht gar »eine Art eschatologische Erwartungshaltung« an sich habe, ja einer »gewissen passionierten Devotion« gleichkomme (xiv) – was ihm offenbar selbst erklärungsbedürftig erscheint, zumal er im gleichen Zeitraum immer auch ein basales Interesse am Werk Marcel Duchamps gehegt habe, dem man die Haltung eines konservativen Künstlers fraglos nicht nachsagen kann.

Buchloh kontert diesen gegen sich selbst gerichteten Verdacht mit der Feststellung, Richters Malerei stelle »von Anfang an die Frage, ob und in welcher Weise Malerei das Regime technologisch produzierter Bildkulturen anerkennen und zugleich dessen hegemonische Ansprüche infrage stellen könnte«. Richter werfe die Frage auf, »ob die Genres und Techniken der Malerei, die seit 1912 als obsolet abgetan wurden, in der Tat unwiederbringlich verloren seien, oder ob nicht gerade eine zitierende Darstellung dieser obsoleten Genres und Techniken selbst eine weitere Form des Widerstandes gegen die desublimierende technokratische Hegemonie sein könnte. Und vielleicht noch provokativer und subtiler stellte Richter auch die Frage, ob jedes Genrezitat und jede Aufführung einer äußerst differenzierten malerischen Kompetenz unweigerlich mit ideologisch und politisch reaktionären Denkformen zu assoziieren sei, wie dies in den vorangegangenen Phasen eines retour à l’ordre anscheinend immer der Fall gewesen war« (xviii – xix). Damit sind die Grundzüge von Buchlohs Richter-Exegese umrissen: All die thematischen, motivischen, stilistischen Sprünge, die Richter lange und besonders im Feuilleton vorgehalten wurden, sind nicht Ausdruck postmoderner Beliebigkeit, sie verdanken sich vielmehr einer dauerhaft hochgehaltenen konfliktuellen Spannung im Disput darüber, wie die Malerei ihren historischen Reichtum noch immer ausschöpfen kann, ohne als regressiv oder gar reaktionär bewertet werden zu müssen, wenn sie das von Richter seit den 1980er Jahren erprobte Neo-Informel oder vermeintlich überkommene Bildgattungen wie Landschaft, Porträt, Stillleben und Historienbild bedient.

Einer ersten (steilen) These in der Monografie zufolge ist es der Malerei Richters »wesentlich zu eigen, ihre Bedeutungen nicht nur erst über lange historische Zeiträume freizugeben, sondern sie auch fast kaleidoskopisch in jeder geschichtlichen Wendung neu zu positionieren, erstaunlich und enigmatisch zugleich in ihrer präzisen Korrespondenz zu den jeweils herrschenden ideologischen Regimes« (xiv). Übersetzt dürfte dies zum Einen bedeuten, dass Richters Werke, Werkgruppen und Werkphasen einen Bedeutungsgehalt bzw. Bedeutungsüberschuss bergen, die erst nach einer gewissen Inkubationszeit zur Geltung kommen, also ein ausgeprägtes retroaktives Potenzial in sich tragen. Als Beispiel aus einem anderen künstlerischen OEeuvre ließe sich Jasper Johns’ Gemälde Flag (1954/55) anführen, das im Lauf der vergangenen Generationen unter völlig unterschiedlichen Gesichtspunkten befragt und bewertet worden ist – nämlich erst durch Alan R. Solomon semantisch-semiologisch unter der berühmten Fragestellung »Is it a flag, or is it a painting?«,[3] in jüngerer Zeit hingegen unter autobiographischen Vorzeichen als Memento mori, so geschehen durch Anne M. Wagner und Robert Morris.[4] Zum anderen will Buchloh nachweisen, dass Richter mit besagten Wendungen im Werk stets präzise auf bestimmte Dispositionen in der zeitgenössischen Kunst und der westdeutschen Gesellschaft reagiert hat. Dies in einem Werk, das ständig gegen sich selbst arbeitet, zwischen den Polen von nüchterner Pragmatik und emphatischem Widerspruch pendelt, zwischen kühler konzeptueller Klarheit und malerischer Obsession oszilliert.

Ausführlich kommt Buchloh auf die biographischen Umstände zu sprechen, unter denen seine Freundschaft mit Richter – vor dem Hintergrund der Sozialisierung unter verschiedenen politischen Systemen und entsprechend konträren Erwartungshaltungen – entstanden und im Verlauf der Jahrzehnte auch offenbar beträchtlichen Belastungen ausgesetzt war. Diese Ausführungen zählen zu den aufschlussreichsten Passagen des Buchs. »Schließlich wurde der Maler unter den Bedingungen des deutschen Staatssozialismus der DDR von 1932 bis 1961 erzogen und als Künstler ausgebildet, wohingegen der Kritiker seine Jugend in den pädagogischen Institutionen der westdeutschen Rekonstruktionskultur verbrachte, die sich unmittelbar nach 1949 an ein amerikanisches Modell der liberalen Marktwirtschaft und des Konsumzwangs angepasst hatte. Diese Differenzen waren zweifellos eine fast unerschöpfliche Quelle unterschiedlicher Ansichten zur Politik und zur Kultur ganz allgemein und ganz besonders zur Kunstpraxis der Gegenwart« (xv). Dass Buchloh diese grundverschiedenen gesellschaftlichen und individuellen Sozialisationen als bestimmenden Faktor seiner Arbeit benennt, ist insofern von Belang, als er damit ausdrücklich macht, wie sehr seine eigene Sozialisation in der alten Bundesrepublik und deren Geschichtsverdrängung seine Rezeption und Exegese der Gegenwartskunst (nicht nur des Werks Richters) präfiguriert haben und bisweilen, wohl unweigerlich, zur Kollision mit Richter führen musste.

Als Beispiel nennt Buchloh die divergierenden Ansichten über Bertolt Brecht und John Heartfield, »für den westdeutschen Kritiker heroische Figuren der kulturellen Praktiken der Weimar-Epoche«, für den Künstler hingegen »völlig korrumpierte Figuren eines einstigen marxistischen Widerstandes, die sich als Mitglieder einer angeblichen neuen kulturellen Elite opportunistisch an die deutsche Variante des stalinistischen Staatssozialismus angepasst hatten« (xv). Die konträren Dispositionen wirkten sich nicht nur auf beider Gespräch und Disput aus, sie zeichneten auch Differenzen in Bezug auf einzelne Werke und Werkgruppen Richters vor. So hatte Buchloh hinsichtlich des Zyklus 18. Oktober 1977 von 1988 Richter eine stärkere Identifikation mit den durch Suizid ums Leben gekommenen Terroristen der »Roten Armee Fraktion« (RAF) unterstellt als angemessen, während es Richter tatsächlich darum gegangen sei, »die tragische Vergeblichkeit radikaler politischer Hoffnung« ins Bild zu setzen (xvii). Stark befremdet hatte ihn, Buchloh, zudem die Serie S. mit Kind von 1995, in der Richter seine Ehefrau Sabine Moritz mit dem Baby Moritz porträtierte, dem ersten gemeinsamen Kind. Diese Bilder provozierten Buchlohs »Überzeugungen und Definitionen dessen, was gegenwärtig als künstlerische Praxis noch Gültigkeit und Glaubwürdigkeit beanspruchen könnte« (vxi). Buchloh begründet dies mit einem in der europäischen und amerikanischen Nachkriegskunst ausgebildeten Kanon, dessen unwiderlegliche Prämissen Sujets wie das Porträt im klassischen Sinn und schon gar »das Familienglück einer neuen Ehe oder eines neugeborenen Kindes zum Gegenstand der Malerei« obsolet gemacht hätten (vxi). Diese Auffassung – mit Buchloh gesprochen würde man sie eine Doxa nennen – ist für seine Beurteilung zeitgenössischer Kunst insoweit von Belang, als er jene »Glaubwürdigkeit« innerhalb der Monografie dutzende Male als maßgebliches Kriterium aufruft.

Buchloh nennt den Marxismus und die Frankfurter Schule, unter anderen Ernst Bloch und Theodor Adorno, als wegweisend für seine Position, seine Haltung und seine literarischdiskursive Ambition.[5] Auch aus diesem Ethos leitet sich der Maßstab der Glaubwürdigkeit ab, der für Buchloh nicht einfach einen subjektiven Prüfstein darstellt – vielmehr spricht er von ganzen »malerischen Techniken und Strategien«, die längst »jede Glaubwürdigkeit verloren« haben (xviii).[6] Kaum ein Kunsthistoriker und Kunstkritiker spürt methodisch so hartnäckig möglicher ästhetischer wie auch gesellschaftlicher und politischer Redundanz und Regression in der Kunst seit der Klassischen Moderne nach.

Über solche »Epistemologie der Obsoleszenz« (40) hinaus verfolgt Buchloh, wenn man so will, eine am Subjekt ansetzende negative Teleologie der Kunst nach 1945: Ihr zufolge ist das tradierte, bürgerliche Subjekt durch den Nationalsozialismus diskreditiert, wenn nicht zerstört, und kann dessen Restbestände nur mehr dann aktivieren, wenn es diese Zerstörung selbst, ob direkt sichtbar oder subkutan, in Szene setzt. Daher auch der scheinbar eingängige, tatsächlich aber erklärungsbedürftige Untertitel der Malerei nach dem Subjekt der Geschichte. Die Einsicht vom Verlust der bürgerlichen Kultur konditionierte von Anfang an Buchlohs Wahrnehmung und Wertschätzung von Gegenwartskunst. Eben deshalb machte er auch Richter zum Objekt seines Interesses und nicht zum Beispiel Andy Warhol. (En passant bemerkt: Eine Studie wie die vorliegende ließe sich ohne einen stabilen bürgerlichen Subjektbegriff kaum bewerkstelligen.)

Eine leitende Fragestellung richtet sich stets darauf, welche (nach Buchlohs Begriffen) kunstgeschichtlich fälligen, notwendigen Setzungen zu welchem Zeitpunkt und unwiderruflich geleistet werden und für jegliche folgende Praxis als unhintergehbar markiert sind. Relevante Kunst bringt immer schon generischen Selbstzweifel zum Vorschein. Sie schiebt jene Skepsis gegenüber der Affirmation herrschender Verhältnisse permanent vor sich her, kann sich überhaupt nur aus ihr heraus entwickeln, will sie nicht unglaubwürdig werden. Auch auf Seiten der Rezeption kann sie nur in einem defizienten Modus, sozusagen als erhellender Verlust erfahren werden: Kunstgenuss verbietet sich von selbst. Künstlern und Vermittlern wie Georg Baselitz und Götz Adriani wirft Buchloh vor, eine »als bankrott erklärte nationale Kunstgeschichte wiederzubeleben« (xvii; 700–701). Richter hingegen bescheinigt er eine »transnationale und postkonventionelle Identität sowie eine entsprechende kulturelle Praxis« (xxviii).

Das Resultat von Buchlohs Befassung mit Richters OEuvre lässt sich wie folgt zusammenfassen: Ob in der Ready-made-Abstraktion der Farbtafeln (1966) oder dem zur selben Zeit auf die Tagesordnung gesetzten »Akt in der Neo-Avantgarde« wie Ema (Akt auf einer Treppe), der Monochromie, dem rakelgesteuerten Neo-Informel oder den »weißen Bildern« und ihrer Kontextualisierung in der amerikanischen Malerei der 1950er Jahre – stets malt Richter in einer Spannung von Antiästhetik und Libido der Malerei, zudem provoziert er kontinuierlich einen Konflikt mit den »heroisch-modernistischen Formen des Darstellungsverbots« (525), um eben diese zu unterlaufen.

Abschließend ein Wort zu Stil und Rhetorik Buchlohs. Ganz gleich, ob es im Einzelnen um »neuro-motorische Impulse« bei Jackson Pollock geht (212), »mechanomorphe Bilder« von Francis Picabia (502), »manuell-artisanale Begrenzungen« bei Donald Judd (516), »empirio-kritische Ansprüche« bei Ellsworth Kelly (543), »neuromotorische Grapheme« bei Cy Twombly (608) oder bei Richter um die »aleatorisch-mechanische Spur« mittels Rakel (351) und den »räumlich-perzeptuellen Chorus« seiner Glaspaneele (475) – Buchloh ist der Meister des Kompositums. Am Ende bleibt ein gewisses Erstaunen, dass ein Autor, der einer kritikfreien Selbstaffirmation des Kunstbetriebs aus guten Gründen kritisch gegenübersteht und der gegenüber Künstlern wie eben Baselitz – »ein wahrhaft reaktionärer Künstler« (414) – Anselm Kiefer oder Jörg Immendorff (415) kräftig austeilt, ein enormes Kompendium wie das Gerhard Richters mit maximalem intellektuellem Aufwand durchgehend affirmativ legitimiert. Dies übrigens auch bezüglich der Bilder über das Familienglück, die Buchloh letztlich doch als gezielte Dialektik des Möglichen und Unmöglichen in der zeitgenössischen Malerei verortet, als Subversion gegen jede normative Ästhetik in Stellung bringt.

Mit seiner Monografie, gibt er zu verstehen, sieht er seine publizistische Befassung mit Richter als abgeschlossen an.[7]

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Georg Imdahl

Georg Imdahl ist freier Kunstkritiker in Düsseldorf und hat seit 2011 die Professur für Kunst und Öffentlichkeit an der Kunstakademie Münster inne. Er promovierte an der Privatuniversität Witten/Herdecke bei Franco Volpi mit einer Dissertation über Martin Heidegger (Das Leben verstehen: Heideggers formal anzeigende Hermeneutik in den frühen Freiburger Vorlesungen, Würzburg 1997). Jüngste Buchpublikation: Ausbeute: Santiago Sierra und die Historizität der zeitgenössischen Kunst, 2. Aufl., Hamburg 2023.

Published Online: 2024-03-04
Published in Print: 2024-03-25

© 2024 Georg Imdahl, published by De Gruyter

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