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Missachtungserfahrungen und Anerkennungsforderungen unter Jüdinnen und Juden in Deutschland

  • Niklas Herrberg

    Niklas Herrberg, geb. 1993 in Münster. Studium der Sozialwissenschaften in Düsseldorf. Aktuelles Promotionsvorhaben ebendort. Seit 2020 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Soziologie am Institut für Sozialwissenschaften, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Forschungsschwerpunkte: Antisemitismus, Verschwörungstheorien, Extreme Rechte.

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    und Melanie Reddig

    Dr. Melanie Reddig, geb. 1972 in Düren. Studium der Soziologie, Medienwissenschaft und Neueren Geschichte in Düsseldorf. Promotion in Düsseldorf. Von 2002 – 2007 wissenschaftlicher Mitarbeiterin in der Abteilung für Soziologie am Institut für Sozialwissenschaften, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; seit 2007 akademische Rätin ebendort. Forschungsschwerpunkte: Antisemitismus, Extremismus, Radikalisierung, Diskriminierung.

Veröffentlicht/Copyright: 12. November 2024
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Zusammenfassung

Die Studie untersucht, welche Formen der Missachtung Jüdinnen und Juden in Deutschland erfahren. Zwischen Oktober 2021 und Februar 2023 wurden 21 problemzentrierte Interviews geführt. Die Anerkennungstheorien von Honneth und Taylor sowie die Arbeiten von Goffman und Margalit dienen als Heuristik zur Interpretation der unterschiedlichen Erfahrungen. Wir differenzieren vier Formen: Erstens erleben die Interviewten, potenziell nicht als gleichwertige Menschen anerkannt zu werden. Vor dem Hintergrund der Geschichte der Judenverfolgung im Nationalsozialismus sehen sie zweitens, dass ihre rechtliche Gleichwertigkeit missachtet werden kann. Drittens erfahren sie die Missachtung ihrer jüdischen Identität, da sie diese aus ihrer Sicht oft nicht gänzlich selbstbestimmt ausleben können. Abschließend erleben sie eine Reduktion ihrer Identität auf Jüdischsein als Missachtung ihrer individuellen Ich-Identität. Die Auseinandersetzungen mit diesen Missachtungserfahrungen können Ausgangspunkt für Anerkennungsforderungen werden.

Abstract

The study investigates the forms of disrespect experienced by Jews in Germany. Between October 2021 and February 2023, 21 problem-centred interviews were conducted. The theories of recognition by Honneth and Taylor as well as the work of Goffman and Margalit serve as heuristics for interpreting the different experiences. We differentiate between four forms: Firstly, the interviewees experience potentially not being recognised as equal human beings. Secondly, regarding the history of the persecution of Jews under National Socialism, they see that their legal equality can be disrespected. Thirdly, they experience a disrespect for their Jewish identity, as they often feel that they are unable to fully live out their identity in a self-determined way. Finally, they experience a reduction of their identity to being Jewish as a disrespect of their individual self-identity. Dealing with these experiences of disregard can become the starting point for claims for recognition.

1 Einleitung

Bislang liegt in der sozial- und geisteswissenschaftlichen Antisemitismusforschung der Fokus zumeist auf den antisemitischen Ideologemen, den Handlungen der Täter oder den Ursachen für das Auftreten von Antisemitismus. Die Frage, wie sich Antisemitismus und antisemitische Gewalt auf das Leben von Jüdinnen und Juden auswirkt, spielt dagegen eine untergeordnete Rolle. Ein nachvollziehbarer Grund dafür ist, dass es für das Verstehen von Antisemitismus keinen Rekurs auf Jüdinnen und Juden braucht. Schon Sartre weist darauf hin, „daß Antisemitismus kein jüdisches Problem ist: es ist unser Problem“ (Sartre 1994: 90). Die Auseinandersetzung mit Antisemitismus und dessen Ursachen würde fehlgehen, wenn sie bei Jüdinnen und Juden und deren Handlungen ansetzen würde, um sich mit der projektiven Figur „des Juden“ im Antisemitismus zu befassen (Adorno & Horkheimer 2019; Holz 2010; Beyer 2015). Stattdessen muss jede Erklärung des Antisemitismus bei denjenigen ansetzen, die antisemitische Einstellungen haben und aus ihrer antisemitischen Weltdeutung heraus Gewalt gegen Jüdinnen und Juden verüben.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Frage, wie Jüdinnen und Juden Antisemitismus erleben und verstehen und welche Konsequenzen dieser für ihren Alltag oder ihre Identität hat, nicht erforscht werden sollte. Das antisemitisch motivierte Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 durch die Hamas sowie die darauf folgende Welle von Antisemitismus auf der ganzen Welt sind der jüngste Höhepunkt der Gefährdung von Jüdinnen und Juden, durch den nachdrücklich die Relevanz der Beschäftigung mit Antisemitismuserfahrungen von Jüdinnen und Juden unterstrichen wurde.

Zu den Pionierarbeiten, die sich mit den Perspektiven von Jüdinnen und Juden auf Antisemitismus befassen, gehören verschiedene Studien der Fundamental Rights Agency (FRA 2013; FRA 2019a; FRA 2019b; auch Beyer & Liebe 2020), in denen das Ausmaß von Antisemitismus in seinen verschiedenen Ausprägungen für das Leben von Jüdinnen und Juden in ausgewählten EU-Mitgliedsländern untersucht wurde, sowie Studien aus dem US-amerikanischen Raum mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Während beispielsweise Cohen (2010) oder Kremelberg und Dashefsky (2016) Faktoren in den Blick nehmen, die Unterschiede im Erleben von Antisemitismus erklären können, fokussieren andere Studien stärker auf Intergruppenvergleiche wie das PEW Research Center (PEW 2022; Diamant 2023), das untersucht, wie unterschiedliche religiöse Minderheiten in verschiedenen Ländern „harassment“ erfahren. Eine der ersten spezifisch auf Deutschland abzielenden Studien wurde von Zick et al. (2017) vorgelegt. Insbesondere die qualitative Teilstudie (Zick et al. 2017: 41) untersucht, wie Jüdinnen und Juden in Deutschland verdeckten wie offenen Antisemitismus in ihrem unmittelbaren Alltag erfahren und deuten. Neben dieser Pionierstudie sind in den letzten Jahren im deutschen Raum zudem Studien im Zusammenhang mit der Etablierung der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) auf Bundesebene wie auch in einigen Bundesländern erschienen (exemplarisch Hauser et al. 2020; Reimer-Gordinskaya & Tzschiesche 2020). Auch von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) liegen inzwischen Studien über jüdische Perspektiven auf Antisemitismus vor (Chernivsky & Lorenz 2020). Die Studien machen deutlich, wie unterschiedlich die Vorfälle und Kontexte sind, in denen Jüdinnen und Juden mit Antisemitismus konfrontiert sind (Schäuble 2020). Wir schließen an diese Studien mit dem Ziel an, die negativen Erfahrungen von in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden weitergehend interpretativ zu explizieren und zu systematisieren.

Im Zuge der Interpretation des Materials aus 21 problemzentrierten Interviews[1], die wir mit in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden geführt haben, hat sich das Begriffspaar Missachtung und Anerkennung als eine brauchbare Heuristik herausgestellt, um sowohl die Vielfalt der negativen Erfahrungen der Interviewten als auch die Bandbreite der alltagstheoretischen Deutungen durch die Interviewten zu systematisieren. Für die differenzierte Untersuchung der Schilderungen der Interviewten beziehen wir uns insbesondere auf die unterschiedlichen Verwendungen des Anerkennungsbegriffs durch Honneth (2021) und Taylor (2009). Dementsprechend lautet die Fragestellung, die unsere weiteren Ausführungen anleiten wird, wie folgt: Welche unterschiedlichen Formen der Missachtung erfahren Jüdinnen und Juden in Deutschland und zu welchen Anerkennungsforderungen gelangen sie aufgrund dieser Missachtungserfahrungen?

2 Antisemitismus und die Vielfalt von Missachtungserfahrungen

Die bisherigen Studien über Antisemitismuserfahrungen von Jüdinnen und Juden im Alltag konnten deutlich die Vielfältigkeit dieser Erfahrungen, die allein schon aus den unterschiedlichen Erscheinungsformen von Antisemitismus resultiert, herausarbeiten. In ihrem Forschungsüberblick macht Schäuble (2020) deutlich, dass unter antisemitischen Praxen Differenzkonstruktionen verstanden werden, die einhergehen „mit distanzierenden Eigenschaftszuschreibungen, sowie Praxen der Stigmatisierung, Herabsetzung, Enteignung, Vertreibung, Gewaltandrohung sowie Gewalt gegen Gegenstände, Orte und vor allem Personen bis hin zu Pogromen sowie einem Genozid in Form einer modernen und arbeitsteilig organisierten Massenvernichtung“ (Schäuble 2020: 3). Unter institutionalisierten Formen des Antisemitismus werden nach Schäuble zudem auch Diskriminierung an Schulen und Universitäten, und auf dem Arbeitsmarkt sowie Benachteiligungen durch bestehende Feiertagsregelungen oder auch einen defizitären Bildungskanon gefasst. Es zeigt sich somit, dass, wie Schäuble feststellt, in der aktuellen Antisemitismusforschung viele Schnittpunkte zur Diskriminierungsforschung bestehen (Schäuble 2020: 18). Chernivsky und Lorenz halten dazu fest:

„In der öffentlichen wie wissenschaftlichen Debatte wird Antisemitismus nur bedingt unter der Perspektive der Diskriminierung betrachtet. Doch lassen sich für das theoretische Verständnis von Judenfeindschaft ebenso wie für die Bildungsarbeit und Intervention dagegen wertvolle Hinweise aus dem bestehenden Diskurs zu anderen Diskriminierungsformen gewinnen.“ (Chernivsky & Lorenz 2020: 35)

Zu den allgemeinen Konzepten aus der Diskriminierungsforschung, die für die Antisemitismusforschung bereits fruchtbar gemacht worden sind, gehören Elias’ „Etablierte- und Außenseiter-Konfiguration“, Halls Konzept des „Othering“ oder auch Goffmans Konzept des „Stigma und Stigma-Managements“ (Elias 2002; Chernivsky & Lorenz 2020, Reimer-Gordinskaya & Tzschiesche 2020). Allerdings wird in der Forschung in der Regel auf einen analytischen Vergleich zwischen Antisemitismus und Rassismus oder auch Islamfeindlichkeit verzichtet. Ein Denken im Muster einer Opferkonkurrenz trägt dazu bei, dass ein solcher Vergleich zunehmend als brisant erscheint:

„Among the reasons that have made this connective enterprise increasingly difficult in recent decades would appear to be a ‘competition of victimhood’, that is, a sense that social and scholarly engagement with one particular form of group stereotyping and discrimination will detract from an engagement with all the others in a putative zero-sum game of social memory, research and recognition.“ (Achinger & Fine 2015: 3)

Aufgrund des weitgehenden Ausbleibens eines analytischen Vergleichs ist die Frage, wie genau sich antisemitische Praxen von anderen Formen der Diskriminierung unterscheiden und was sie mit ihnen gemeinsam haben, in der Forschung noch nicht hinreichend geklärt. Stattdessen wird der Bezug zwischen Antisemitismus und Diskriminierung zumeist vorsichtig und sehr allgemein formuliert. Cousin und Fine, die sich mit der Geschichte der Debatte um Antisemitismus, Rassismus und Islamophobie befasst haben, kommen zu dem Schluss:

„Sociology is broken by the schism between racism and antisemitism. These different racisms have distinctive characteristics and an emphasis on connections does not imply obliteration of differences. Indeed, it both extends understanding beyond the familiar and sponsors reflection on the familiar. While methodological separatism narrows our lens, connectedness impels us to enter the viewpoint of others.“ (Cousin & Fine 2015: 29 f.)

Dem kann aus unserer Sicht nur zugestimmt werden. Allerdings muss bei einem solchen Vergleich darauf geachtet werden, dass nicht einer Unsichtbarmachung antisemitischer Bedrohungen Vorschub geleistet wird. Um dies auszuschließen, ist es wichtig, die spezifischen Merkmale des Antisemitismus im Blick zu haben. Achinger und Fine stellen heraus, dass antisemitische Verschwörungstheorien, die auf „die Juden“ eine bösartige Macht projizieren, um vermeintlich die Welt in ihrem eigenen Interesse zu kontrollieren, etwas sehr Spezifisches sind (Achinger & Fine 2015: 2). Auch Rensmann kommt hinsichtlich des Vergleichs zwischen Antisemitismus und Rassismus zu dem Schluss, dass antisemitische Ideologeme sowohl generalisierbare Dimensionen als auch einen spezifischen Charakter haben: „Analog zu kolonialen Rassismen diskriminiert und entmenschlicht Antisemitismus (…) mittels Stereotypbildung Juden als Gruppe, indem projektiv und falsch generalisiert wird, um Juden kollektiv abzuwerten.“ (Rensmann 2021: 473) Antisemitismus sollte aber nach Rensmann auf keinen Fall mit Rassismus gleichgesetzt werden, weil keine andere Ideologie in ähnlicher Intensität

„der totalisierende Charakter einer umfassenden, hermetischen, personifizierend verschwörungsmythischen Welterklärung sowie der unabdingbare Wunsch nach Vernichtung des ausgemachten ‚Feindes‘ (der Nation, der Religion oder der Menschheit) eingeschrieben ist.“ (Rensmann 2021: 472)

Damit kommt Rensmann dem Antisemitismusverständnis von Schwarz-Friesel und Reichharz nahe, die antisemitische Sinnstrukturen als „Konzeptualisierungen von Juden als fremde, seltsame und schlechte Wesen“ (Schwarz-Friesel & Reinharz 2013: 1), welche als „historisch tradiertes Wissen (…) über viele Jahrhunderte hinweg transportiert“ (ebd.) werden. Juden werden als „Unmenschen, Teufel und Unholde (…) dämonisiert“ (ebd.), als „geldgierige Wucherer, hinterhältige Verschwörer und rachsüchtige Nutznießer (…) moralisch diskreditiert“ (ebd.), ferner „als fremd, arrogant, halsstarrig sowie anders (…) negativ diskriminiert“ (ebd.) und auch durch Zuschreibungen „wie atavistisch, brutal, seltsam, den wahren Glauben negierend (…) als Religion delegitimiert“ (ebd.). Schwarz-Friesel und Friesel kommen allerdings anders als Rensmann zu dem Schluss, dass aufgrund der Spezifik antisemitischer Ideologeme sowie deren historischer Tragweite ein Vergleich von Antisemitismus mit Phänomenen wie Islamophobie gänzlich abzulehnen sei (Schwarz-Friesel & Friesel 2012).

Stögner versteht Antisemitismus und Rassismus auf die Kritische Theorie der Frankfurter Schule aufbauend als „unterschiedliche und doch durcheinander vermittelte Ideologien“ und „Teil eines antidemokratischen ideologischen Syndroms“, zu dem auch Nationalismus, Ethnozentrismus, Sexismus, Antifeminismus, Homophobie oder Transphobie gehören (Stögner 2021: 436). Antisemitismus ist für Stögner eine intersektionale Ideologie, „das heißt er integriert und wirkt über Momente, die für sich genommen nicht antisemitisch sein mögen, sondern sexistisch, homophob, rassistisch, nationalistisch und dergleichen“ (Stögner 2021: 437).

Wie in der Antisemitismusforschung sind auch die Sichtweisen der von uns interviewten Jüdinnen und Juden auf das, was Antisemitismus ausmacht, vielfältig. Einige Interviewte unterscheiden zwischen einem „offenen“ bzw. „groben“ Antisemitismus, der sich unter anderem in Verschwörungsmythologien, Vernichtungsfantasien und Gewalt zeigt, und einem „subtilen“ Antisemitismus, der vor allem in Form von Stereotypisierung, der Gleichsetzung von Juden mit Israel sowie einer überzogenen Israelkritik auftritt. Es gibt Interviewte, die klar zwischen Antisemitismus und Rassismus trennen, aber auch andere, für die Antisemitismus eine Unterform von Rassismus ist oder die der Ansicht sind, dass Antisemitismus und Rassismus eine gemeinsame Wurzel haben – beispielsweise der gleichen „Urangst“ (Interview 2) entspringen. Zudem stellen einige Interviewte heraus, dass es für sie nicht immer einfach sei, negative Erfahrungen, die sie im Alltag machen müssen, auf einen eindeutigen Begriff zu bringen. Dies mag nicht zuletzt daher rühren, dass alltagstheoretische Deutungen stark situational geprägt und zudem durch praktische Imperative bedingt sind, sodass alltagstaugliches Wissen reflexiv nicht kohärent sein muss. Besonders deutlich macht dies ein Interviewter, wenn er festhält, dass auf Israel und Antisemitismus angesprochen zu werden, etwas ist, „wo ich mir selbst auch teilweise dann unsicher bin oder drüber nachdenke, (.) war das jetzt per se antisemitisch?“ (Interview 7). Derselbe Interviewte findet es auch schwierig genauer zu fassen, was für ihn „subtilen“ Antisemitismus ausmacht. Die Gründe für diese Schwierigkeit beschreibt er wie folgt:

„Ich find’ das total schwierig in meinen persönlichen Erfahrungen zu vergleichen, (.) weil es ja, also ich hab’ keine Liste, wo ich jeden einzelnen Fall sozusagen reinschreibe und kategorisiere und dann nochmal ähm irgendwie sozusagen an Härte irgendwie.“ (Interview 7)

Bei unserer Analyse des Interviewmaterials haben wir daher das Begriffspaar der Missachtungserfahrung und Anerkennungsforderung ins Zentrum gerückt. Es ermöglicht es, die subjektiv-normativen Alltagserwartungen der interviewten Jüdinnen und Juden, die in Interaktionen mit Nicht-Juden verletzt werden können, in den Fokus zu rücken. Da Kämpfe um Anerkennung auf diesen subjektiven Alltagserfahrungen fußen, verfügen wir über einen begrifflichen Rahmen, in dem die wissenschaftliche Interpretation mit den alltagstheoretischen Selbstauslegungen (sinn-)adäquat verbleibt. Ferner können wir so berücksichtigen, dass die interviewten Jüdinnen und Juden aus ihren jeweiligen Alltagsperspektiven neben den Erfahrungen, die sie alle klar einem „groben“ Antisemitismus zuordnen, auch Erfahrungen machen, die nicht alle so leicht einordnen können oder wollen. Die Bezugnahme auf den Begriff der Missachtung ermöglicht zudem, die von den interviewten Jüdinnen und Juden geschilderten Erfahrungen als eine Form der Kritik zu begreifen, aus der sich konkrete Forderungen nach Anerkennung ergeben können. Missachtung und Anerkennung stellen einen heuristischen Rahmen bereit, mittels dem wir die Erfahrungen und Forderungen von Jüdinnen und Juden differenziert erschließen können, ohne diese vorab alleinig unter Antisemitismus zu fassen.

3 Über Anerkennungstheorien

Mit der Verwendung des Begriffspaars Missachtung und Anerkennung schließen wir insbesondere an die frühen Arbeiten Honneths an (Honneth 1994). Honneth argumentiert, dass „(i)n unserem alltäglichen Sprachgebrauch (…) noch als ein selbstverständliches Wissen angelegt (ist), daß sich die Integrität des Menschen auf untergründige Weise solchen Mustern der Zustimmung oder Anerkennung verdankt“ (Honneth 2021: 212). Die Erfahrung von Missachtung stellt sich bei ihm als Verletzung von Verhaltensantizipationen dar, vor deren unhinterfragten Hintergrund Menschen in ihrer alltäglichen Lebenswelt mit ihren Mitmenschen interagieren:

„Mißachtungsgefühle (…) bilden den Kern von moralischen Erfahrungen, die in die Struktur der sozialen Interaktionen eingelassen sind, weil menschliche Subjekte sich untereinander mit Anerkennungserwartungen begegnen, an denen die Bedingungen ihrer psychischen Integrität haften.“ (Honneth 2021: 264)

Das Selbstverhältnis einer Person ist für Honneth immer auch intersubjektiv (mit-)bestimmt. Das Selbstbild kann nicht autonom von den anerkennenden und missachtenden Beziehungen begriffen werden, in die ein Individuum stets verstrickt ist (ebd.: 212). Die Relation zwischen der Erwartung des Egos an ein Alter und der Verhaltensweise des Alters gegenüber dem Ego prägen das spezifische Selbstverständnis des Egos grundlegend (ebd.: 148).

Honneth greift hier auf Überlegungen Meads zurück, für den Identität in Auseinandersetzung mit den signifikanten Anderen ihren Ursprung in der Psychogenese hat (Mead 1973). Gelungene Anerkennung in diesen Auseinandersetzungen führt bei Mead zu einem „Myself“, das seine verschiedenen „Me’s“ integrieren und synthetisieren kann. Diese intersubjektive Form der Anerkennung hat auch Honneth im Blick. Ihm geht es in diesem Zusammenhang allerdings weniger um die Entwicklung einer Sozialisationstheorie als vielmehr um die Erarbeitung einer kritischen Gesellschaftstheorie, mittels der sich normativer Fortschritt verstehen lässt. In Anlehnung an das Anerkennungsmodell des jungen Hegel, der Anerkennung ebenfalls intersubjektiv fasst, konzipiert Honneth einen „Kampf um Anerkennung“: Vermittelt durch die Erfahrung und Bewusstwerdung von missachteten Anerkennungsforderungen setzt eine Dynamik ein, in dessen Folge Anerkennung erkämpft wird und Gesellschaft sich so normativ einem idealen Zustand intakter Anerkennungsbeziehungen annähert. In diesem „Ideal einer Gesellschaft“ (Honneth 2021: 281) sind „alle Subjekte als zugleich autonome und individuierte, als gleichgestellte und doch besondere Personen“ (ebd.: 281) anerkannt. Für unsere Argumentation ist in diesem Zusammenhang besonders relevant, dass die Einforderung derartiger Formen der Anerkennung ihren Ausgangspunkt in der lebensweltlichen Erfahrung ihrer Missachtung hat.

Schink stellt in Hinsicht auf Honneths Arbeiten fest, dass „(t)rotz der einerseits unterschiedlichen argumentativen Ebenen und der andererseits nicht ganz passgenauen Gegenstandsbereiche“ (Schink 2016: 159) Verbindungen zu den Überlegungen Goffmans gezogen werden können, insofern ein „enger theoretischer Zusammenhang zwischen (einer „gesunden“ oder „verletzten“) Integrität und (der Konstruktion oder Zerstörung personaler) Identität“ (ebd.) bei beiden Autoren anzutreffen ist. Gerade im Rahmen seiner Arbeit zum Stigma-Begriff, mit welchem er die Attribution sozial diskreditierter Identitäten analysiert, kommt auch Goffman auf die Rolle intersubjektiver Anerkennungsverhältnisse zu sprechen. Stigmatisierung bedeutet nach Goffman (2014), dass Individuen, die in ihrer sozialen Identität von der gesellschaftlichen Identitätsnorm abweichen, in ihren Selbstbezügen geschädigt werden und/oder sich aus Situationen, die als potenziell stigmatisierend wahrgenommen werden, zurückziehen. Der Begriff der „beschädigten Identität“ (Goffman 2014) ist für diesen Zusammenhang zentral. Stigmata sind in Interaktionen hergestellte Abwertungen, die kontextspezifisch geprägt sind (Goffman 2014: 11). Die Ich-Identität als „das subjektive Empfinden seiner eigenen Situation und seiner eigenen Kontinuität und Eigenart, das ein Individuum allmählich als ein Resultat seiner verschiedenen sozialen Erfahrungen erwirbt“ (ebd.: 132) ist abhängig von den Interaktionen mit anderen. Es existiert ein Ensemble verschiedener Bezüge, die kontinuierlich in Einheit gebracht werden müssen, und dabei stets der Gefahr ausgesetzt sind, missachtet zu werden.

Auch Margalit (2012) setzt sich mit der Stigmatisierung von Menschen auseinander. Anders als Goffman, der in Margalits Verständnis betont, „daß Stigmatisierte in ihrer sozialen Identität verletzt werden“ (ebd.: 115), betrachtet er vor allem den „Aspekt der Verletzung ihres Menschseins“ (ebd.). Diese Verletzung ist eine Missachtung des Ideals menschlicher Gleichheit und bezieht sich nicht auf die Zuschreibung einer konkreten diskreditierten Identität. Margalit führt in diesem Zusammenhang den Begriff der Demütigung ein, den er als „Ausschluß aus der menschlichen Gemeinschaft verstanden“ (ebd.: 117) wissen will.

Für uns ist an dieser Stelle relevant, dass sich die Überlegungen von Goffman und Margalit im Rückgriff auf die Arbeiten von Taylor (2009) verbinden lassen: Missachtungserfahrungen, die aus der Behandlung der eigenen Person durch andere entstehen, können entlang zweier Bezugsebenen differenziert werden: Einerseits der Ebene der konkreten sozialen Identitäten einer Person bei Goffman und andererseits der Ebene der Zugehörigkeit zur menschlichen Gemeinschaft bei Margalit. Dies entspricht in vergleichbarer Weise der Unterscheidung zwischen einer „Politik der Würde“ und einer „Politik der Differenz“, mit dem der kommunitaristische Ansatz von Taylor operiert.

Die Politik der universalen Würde fußt auf der Vorstellung einer „unveräußerlichen ‚Würde des Menschen‘ oder (…) Würde des Staatsbürgers“ (Taylor 2009: 15), die auf der Prämisse beruht, dass „jeder an dieser Würde teilhat“ (ebd.). Allerdings verkennt dieser differenzblinde Liberalismus der Moderne, auf dem die Politik der Würde fußt, nach Taylor die identitäre Pluralität der Gesellschaft. Das „Bedürfnis nach Anerkennung“ bezieht sich in seinem kommunitaristischen Verständnis nicht allein auf eine universalistische Anerkennung im Sinne eines klassischen Liberalismus, sondern vor allem auch auf die Anerkennung von Kulturen, an denen das Individuum teilhat (ebd.). Er setzt daher der Politik der universalen Würde die Politik der Differenz gegenüber, der „zufolge (…) jeder Mensch um seiner unverwechselbaren Identität willen anerkannt werden (soll)“ (ebd.: 25). Die unverwechselbare Identität des Einzelnen korrespondiert für Taylor dabei mit den kollektiven Identitäten, die ein Individuum durch seine Einbettung in kulturelle Kollektive hat. Taylor möchte allerdings den differenzsensiblen Liberalismus nicht im Sinne eines Partikularismus verstanden wissen, der im Gegensatz zu einem universalistisch-differenzblinden Liberalismus steht. Auch der differenzsensible Liberalismus weise eine „universalistische Basis“ (ebd.) auf:

„Die Politik der Differenz kritisiert jegliche Diskriminierung und lehnt Verhältnisse ab, in denen es Bürger zweiter Klasse gibt. Auf diese Weise verschafft sie dem Prinzip der universellen Gleichheit Einlass in die Politik der Würde. (…) Man könnte es auch so formulieren: Wir können das, was universell vorhanden ist – jeder Mensch hat eine Identität –, nur anerkennen, indem wir auch dem, was jedem Einzelnen eigentümlich ist, unsere Anerkennung zuteil werden lassen. Die aufs Allgemeine gerichtete Forderung wird zur Triebkraft der Anerkennung des Besonderen.“ (ebd.)

In Hinsicht auf diese Anerkennungsverhältnisse bewegt sich Taylor allerdings vor allem auf der Ebene multikulturell verfasster und rechtsstaatlich organisierter Gesellschaften. Anerkennung wird hier anders als in intersubjektiv ausgerichteten Ansätzen vor allem als Frage des Rechts diskutiert, auf dessen Basis Gruppen ihre kollektiven Identitätsansprüche im Zusammenleben mit anderen Gruppen anerkannt wissen. Der Einzelne wird in dieser Vorstellung primär in Relation zu kollektiven Identitätsansprüchen betrachtet, an denen er qua Gruppenzugehörigkeit teilhat. Auch Taylor betont hier, dass Nicht-Anerkennung das Individuum erheblich schädigen kann:

„Gleichheitliche Anerkennung ist nicht lediglich ein Verhaltensmodus, der einer demokratischen Gesellschaft angemessen ist. Ihre Verweigerung kann denen, die ihrer nicht teilhaftig werden, tatsächlich Schaden zufügen. Die Projektion eines diskriminierenden oder erniedrigenden Bildes auf einen anderen Menschen mag, je nachdem, wie stark es verinnerlicht wird, zerstörerisch und unterdrückend wirken.“ (ebd.: 23)

Zusammenfassend lassen sich insbesondere drei Punkte festhalten: Erstens ist zu betonen, dass Missachtungserfahrungen die Identität eines Individuums schwerwiegend schädigen können, insofern es interaktional auf Bestätigung durch einen anderen angewiesen ist. Zweitens muss berücksichtigt werden, dass sich Missachtungserfahrungen auf unterschiedliche, aber oftmals eng verwobene, Anerkennungsverhältnisse beziehen können. Die Unterscheidung zwischen Anerkennungsverhältnissen, die sich auf die gleichwertige Anerkennung als Teil der menschlichen Gemeinschaft beziehen, und Anerkennungsverhältnissen, die stärker die Relevanz konkreter Identitätsbezüge betonen, ist hier relevant. Drittens können die Missachtungserfahrungen unhinterfragter Anerkennungserwartungen Ausgangspunkt für die Einforderung von Anerkennung werden. Ein aus Missachtungserfahrung resultierender „Kampf um Anerkennung“ sollte allerdings nicht als zwangsläufige Entwicklung verstanden werden.

4 Empirischer Zugang

In unserer Studie haben wir die oben genannten Verständnisse von Missachtung und Anerkennung als Heuristik verwendet, um die Schilderungen unerwünschter und verletzender Erfahrungen im Interviewmaterial zu interpretieren. Hierbei ist wichtig festzuhalten, dass wir weder unsere Daten einfach unter eine bestehende Anerkennungstheorie subsumiert, noch einen „Test“ der Anerkennungstheorien mittels empirischer Daten durchgeführt haben. Vielmehr haben wir unseren Forschungsprozess als ein Ineinandergreifen von induktiven und deduktiven Momenten gestaltet, die sich im Wechselspiel gegenseitig informieren (Witzel 2000).

Die Vorstellung verschiedener theoretischer Ansätze im vorherigen Kapitel und die im nächsten Kapitel erfolgende Ergebnisdarstellung unserer Interpretation sollte nicht dahingehend missverstanden werden, dass auch im Forschungsprozess selbst die Theorien als Ausgangspunkt fungiert haben. Der Forschungsprozess verlief unter umgekehrten Vorzeichen: Ausgehend von der explorativen Analyse der Interviews mit Jüdinnen und Juden über Antisemitismus sind wir auf die Konzepte Missachtung und Anerkennung gestoßen und haben diese im Fortgang als Heuristik für die Präzisierung unserer Interpretation einbezogen.

Zur Beantwortung der Frage, wie Jüdinnen und Juden ihre Erfahrungen deuten, haben wir eine Herangehensweise gewählt, die an die Verfahren der Grounded Theory Methodologie (GTM) angelehnt ist, ohne jedoch „klassisch“ nach GTM zu verfahren. Wir haben uns auf 21 problemzentrierte Interviews (Witzel 2000) gestützt, die wir im Zeitraum von Oktober 2021 bis Februar 2023 mit Jüdinnen und Juden in ganz Deutschland geführt und anschließend mit dem „Talk in qualitative Research“ (TiQ) Verfahren transkribiert haben. Die Interviews wurden vor dem 7. Oktober 2023 abgeschlossen, sodass die Reaktionen auf das Pogrom an ca. 1200 Menschen in Israel und die Erfahrungen im Kontext dieses einschneidenden Ereignisses nicht Eingang in die empirische Analyse gefunden haben.

Wir konnten mittels „Theoretical Sampling“ (Strauss & Corbin 1998) der Interviews verschiedene Dimensionen berücksichtigen, bei denen wir davon ausgehen, dass wir ein breites Erfahrungsspektrum erheben. Ausganspunkt bildete eine erste Kontrastierung nach Geschlecht, Alter, eigener Migrationserfahrung sowie Elternschaft, um einen mittelbaren Zugang zu Antisemitismuserfahrungen an Schulen zu erarbeiten (Chernivsky & Lorenz 2020). Die Rekrutierung der Interviewpartnerinnen und Interviewpartner erfolgte sowohl durch Kontaktaufnahme zu jüdischen Gemeinden als auch durch das Anschreiben unterschiedlicher nicht-religiöser jüdischer Organisationen (wie des jüdischen Studierendenwerks ELES) oder auch der Kontaktaufnahme zu Privatpersonen, die keine Bindung zu jüdischen Institutionen aufwiesen. Im Verlauf des Forschungsprozesses kamen überdies der Wohnort in Deutschland (insbesondere Kontrast zwischen Ost und West), Stadt-Land-Unterschiede sowie der Bildungsgrad hinzu[2].

Damit wurde beim Sampling berücksichtigt, dass Jüdischsein heterogene Bezüge und Selbstverständnisse umfasst (Brenner 2012; Cazés 2022). Es kann nicht als rein religiöse Zugehörigkeit verstanden werden, auch wenn Religion zweifelsohne ein wichtiger Bezugspunkt des Jüdischseins bleibt. Zudem wurde beim Sampling bedacht, dass die Einwanderung von über 200 000 Jüdinnen und Juden im Zuge des Zusammenbruchs der ehemaligen Sowjetunion die demographische Zusammensetzung, lebensweltliche Prägung und Erinnerungstradition der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden erheblich verändert hat (Gromova 2015; Körber 2015).

Der mit der Samplingstrategie eng verzahnte Auswertungsprozess zielte in einem ersten Schritt darauf ab, in den Schilderungen von Erfahrungen durch die Interviewten die relevanten Themen zu identifizieren. Wir griffen hier zunächst auf eine weitestgehend offene Codierung (Strauss & Corbin 1998) des Materials zurück, um zentrale Themen und ihre unterschiedlichen Dimensionen herauszuarbeiten. Hierbei ist wichtig zu berücksichtigen, dass die Schilderungen eigener Erfahrungen und die Schilderungen der Erfahrung Dritter selbstverständlich nicht deckungsgleich sind. Für uns wurden die Schilderungen der Erfahrungen Dritter aber dann relevant, wenn die Interviewten diese Schilderungen heranzogen, um ihre eigenen Missachtungserfahrungen darzulegen. Im Zuge dieser induktiv ausgerichteten Codierung entwickelten wir mehr und mehr die Einsicht, dass sich die Schilderungen von unerwünschten und verletzenden Erfahrungen als Missachtung unterschiedlicher Identitätsbezüge interpretieren lassen. Vor dem Hintergrund dieser Überlegung begannen wir parallel zur Codierung damit, uns mit den verschiedenen Anerkennungstheorien auseinanderzusetzen. Über diese theoretische Rückbindung gewannen wir nicht nur eine weitere Perspektive auf unsere Codierung, sondern konnten mittels dieser schließlich auch die Systematisierung der Codierung vorantreiben.[3] Die Konkretisierung der Kategorisierung erfolgte hier in mehreren Phasen, womit versucht wurde, der „Eigensinnigkeit“ der Interviewgespräche gegenüber den theoretischen Zugängen Rechnung zu tragen. Der gesamte Forschungsprozess war darauf ausgerichtet, die Vielfalt unterschiedlicher Missachtungserfahrungen herauszuarbeiten.

Wir versuchten zunächst, diese Erfahrungsvielfalt in Anlehnung an Taylor (2009) zu analysieren und zwischen einem universalistischen (sich auf die gleiche Würde als Mensch beziehenden) und einem partikularistischen (sich auf die unterschiedlichen Vorstellungen kollektiver jüdischer Identität beziehenden) Konzept von Missachtungserfahrung und Anerkennungsforderung zu unterscheiden. In der weiteren Analyse erarbeiteten wir eine Dreiteilung. Wir gingen diesen Schritt, da verschiedene Interviewte äußerten, sich in einer weiteren Hinsicht missachtet zu fühlen: in ihrer Ich-Identität als gleichwertiger Mensch und zugleich als Person mit spezifischem Bezug zum Jüdischsein sowie drittens in Bezug darauf, dass die Interviewten die Reduktion auf ihr Jüdischsein und damit die Ausblendung anderer Identitätsbezüge ebenfalls als Missachtung wahrnahmen. In einem letzten Schritt erweiterten wir unser Schema abermals, da wir während der Analyse erkannten, dass sich die Erfahrung einer universalistischen Missachtung der Gleichwertigkeit sowohl auf die Gleichwertigkeit als Mensch als auch auf die Gleichwertigkeit als Rechtssubjekt beziehen konnte.

5 Missachtungserfahrungen und Anerkennungsforderungen

Im Folgenden stellen wir die Ergebnisse unserer Interpretation im Detail vor. Die Darstellung der Formen von Missachtung – differenziert hinsichtlich der Gleichwertigkeit als Mensch, als gleichwertiges Rechtssubjekt, als Träger einer kollektiven jüdischen Identität sowie hinsichtlich der individuellen Ich-Identität – und aus ihnen resultierenden Anerkennungsforderungen müssen hierbei als analytische Unterscheidung zur Interpretation unseres Materials verstanden werden. In den Interviews selbst können die hier aufgeschlüsselten Formen miteinander verwoben sein und treten nicht per se isoliert voneinander auf.

5.1 Missachtung und Anerkennung als gleichwertiger Mensch

Die Interviews zeigen, dass Jüdinnen und Juden in ihrem Alltag immer wieder die Erfahrung machen, von nicht-jüdischen Personen nicht als Gleichwertige gesehen und in ihrem Menschsein missachtet zu werden. Sie sind damit konfrontiert, dass zwischen Jüdischsein und Menschsein eine vermeintliche Differenz eröffnet wird. Die erfahrene Missachtung reicht hier von einer ungleichen Behandlung bis hin zu offener Gewalt.

Die Erfahrung in alltäglichen Interaktionen kann mit Margalit (2012) als demütigender Ausschluss aus der Menschheit begriffen werden, bei dem das Verhalten von Jüdinnen und Juden nicht als menschlich interpretiert wird. Ein Interviewter drückt diese Erfahrung so aus, „dass oftmals, wenn man sagt, man ist Jude, dann ist es so ‚wow, die Aliens sind da‘“ (Interview 6). Der Interviewte erfährt sich in Interaktionen mit nicht-jüdischen Personen metaphorisch als „Alien“ und nicht mit Selbstverständlichkeit als gleichwertiger und normaler Mensch behandelt. Eine andere Interviewte schildert, wie es im Verlauf eines Gesprächs mit einer nicht-jüdischen Person zur folgenden Frage kam: „(J)a sind Sie eine Jüdin, eine echte Jüdin, ja, darf ich Sie mal anfassen?“ (Interview 14). Jüdischsein wird von der Interviewten als assoziiert mit mysteriöser Fremdartigkeit erfahren, wobei sogar die physische Beschaffenheit als andersartig erscheint.

Aus unserem Interviewmaterial geht ferner hervor, dass es oftmals nicht allein bei einer solchen exotisierenden Perspektive auf Jüdinnen und Juden, die diese als Fremde begreift, bleibt, sondern im Zuge dessen auch klassische antisemitische Stereotype geäußert werden. Ein Interviewter berichtet davon, wie er bei seinem Engagement in schulischen Begegnungsprojekten mit der Vorstellung, dass Juden das Blut von Kindern trinken, konfrontiert wurde:

„Dass halt so diese Bilder sind da. Es ich wurde auch gefragt, ob ich Blut von christlichen Babys (trinke). Und dann sehr ungläubig- und also sehr verwirrte Augen bekommen also gesehen habe, als ich gesagt habe, so ich darf kein Blut essen, trinken, in irgendeiner Form, so. Geschweige denn, einen Menschen umbringen. (…) Und halt so, von wo kommt das denn her, und dann so das ist n geschichtlicher Diskurs (…). Aber und auf die Frage, woher das kam, das kam von der Lehrerin.“ (Interview 6)

Dies ist nicht nur ein absurdes Phantasma und tradiertes antisemitisches Klischee, sondern zugleich auch ein Vorwurf, der Jüdinnen und Juden aus den Normalitätsvorstellungen, die für menschliches Verhalten gelten, radikal ausschließt. Eine Interviewte schildert die Erfahrung einer offen als Jüdin lebenden Bekannten, die in einem Flüchtlingslager gearbeitet hat. Dort wurde ihr vorgeworfen, Krankheiten zu haben und letztlich die „Pest“ zu sein (Interview 12). Dies führte auch zu Angriffen, sodass die Bekannte schlussendlich ihre Tätigkeit im Flüchtlingslager aufgeben musste. Die Interviewte bezieht sich auf diese Erfahrung, um zu verdeutlichen, dass eine demütigende Sichtweise auf Jüdinnen und Juden als etwas nicht wirklich Menschliches oder nicht gleichwertig Menschliches auch unmittelbar zu Gewalt führen kann. Zu der historischen Einordnung heutiger Bedrohungserfahrungen von Jüdinnen und Juden hält eine andere Interviewte fest, dass „wie eine Holocaust-Überlebende gesagt hat, wenn jemand Ihnen droht, Sie umzubringen, nehmen Sie das ernst. Und äh das nehm ich durchaus ernst, diese Drohungen oder diese Aggressivität, die da hochsteigt“ (Interview 14).

Wie dargestellt, können nach Honneth (2021) aus der Erfahrung der Missachtung von intuitiv antizipierten Anerkennungsnormen Forderungen nach Anerkennung erwachsen, die in einen „Kampf um Anerkennung“ münden. In unserem Interviewmaterial zeigt sich, dass auch von uns interviewte Jüdinnen und Juden einfordern, als gleichwertige Menschen angesehen zu werden:

„So und dass die Leute halt (…) Juden nicht als irgendwie was Fremdes sehen oder als was Gruseliges oder so. Das ist dann so, ‚oh, du bist ein Jude‘, so als wäre man irgendwas ganz Besonderes, Eigenes.“ (Interview 11)

Nicht-jüdische Personen sollten sich aus Sicht der Interviewten darüber bewusst werden, dass Jüdinnen und Juden einen normalen Alltag führen und „ganz normal jüdisch“ (Interview 17) leben, ohne sich „von den anderen auch (abzuheben)“ (ebd.). Ein Interviewter bringt die Forderung nach einer universalen Anerkennung als Gleicher wie folgt auf den Punkt: „Ich bin ein Mensch. Ich bin Teil dieser Gesellschaft“ (Interview 5). Diese Forderung bedeutet nach Margalit (2012), Jüdinnen und Juden in nicht demütigender Weise als Mensch zu begegnen. Ein anderer Interviewpartner drückt diese Forderung wie folgt aus:

„Ich glaub aber, dass ne Vermenschlichung von Juden erstmal wichtig ist, und ich glaub im positiven wie im negativen. Ich glaube, wenn wir sozusagen, wenn wir irgendwann zu dem Punkt kommen, dass Menschen verstehen, dass Juden genauso menschlich sind, wie sie auch, dass sie Fehler machen, dass sie rechts sind, dass sie links sind, dass sie rassistisch sein können, dass sie nicht rassistisch sein können, dass sie dumm oder klug sein können, dann ist viel getan.“ (Interview 4)

Die Anerkennung als gleichwertige Menschen wird von den Interviewten zugleich als Basis und Ziel von gegenseitiger Verständigung gesehen. Begegnungen von jüdischen und nicht-jüdischen Personen sei „der einzige Weg“, da man durch ein gemeinsames Gespräch sieht, „(d)ass (…), wir alle Menschen“ sind (Interview 11).

5.2 Missachtung und Anerkennung als gleichwertiges Rechtssubjekt

Eine weitere Ebene, auf der die Interviewten damit konfrontiert sein können, dass sie nicht als gleichwertig behandelt werden, folgt aus der staatlichen Ungleichbehandlung oder dem Wissen darum, dass Jüdinnen und Juden historisch betrachtet vom Staat nicht als Gleiche anerkannt wurden. Die heutige Situation rechtlicher Gleichheit von Jüdinnen und Juden in Deutschland wird dabei von den Interviewten mit zwei historischen Kontexten verglichen: Zum einen der eigenen Erfahrungen in der ehemaligen Sowjetunion, von denen Interviewte berichten, die nach dem Kollaps 1991 nach Deutschland migrierten, und zum anderen mit dem deutschen Kontext, also die dem Massenmord vorweggehende Entrechtung der Jüdinnen und Juden ab 1933. Hier ist zu berücksichtigen, dass sich die Missachtung durch Recht nicht primär auf den Aspekt der Differenzblindheit einer Politik der Würde im Taylor‘schen Sinne, sondern grundlegender auf die Missachtung rechtlicher Gleichheit des Einzelnen (auf Grund seiner Zugehörigkeit zum jüdischen Kollektiv) bezieht.

Von staatlicher Ungleichbehandlung berichten Interviewte, die aus der ehemaligen Sowjetunion stammen und nach Deutschland migriert sind. In der Sowjetunion wurden Jüdinnen und Juden gezwungenermaßen (behördlich) sichtbar gemacht, sodass ein selbstbestimmter Umgang mit der Sichtbarkeit jüdischer Identität nur eingeschränkt möglich war. Das Leben in der Sowjetunion und das Leben in Deutschland werden von den Interviewten kontrastiert, da aus ihrer Sicht aktuell in Deutschland keine staatlich verordnete Ungleichbehandlung besteht. Ein Interviewter schildert seine unterschiedlichen Erfahrungen in der Sowjetunion und in Deutschland wie folgt:

„(…) (J)a, weil wie gesagt, in der Sowjetunion waren schon sehr viele Diskriminierungen in Worten (…), weil das überall bekannt war, diese sogenannte fünfte Punkte, wo die Nationalität stand. Man hat nicht gewusst, was dich erwartet, ob du da einen Platz im Studium bekommst, ob du in deiner Arbeit die Karriere machen kannst und so weiter und so fort. Und hier in Deutschland so das habe ich persönlich nie eine Diskriminierung als Jude erlebt und äh habe auch nicht von anderen äh gehört, dass sowas passiert, ja.“ (Interview 10)

Andere Interviewte, die aus der ehemaligen Sowjetunion stammen, berichten davon, in der Schule oder bei der Aufnahmeprüfung an der Universität einem besonderen Leistungsdruck ausgeliefert gewesen zu sein, da entsprechende Behördenvertreter Jüdinnen und Juden oftmals „über die Klinge springen“ (Interview 13) ließen, indem „unfaire Fragen“ (ebd.) gestellt und mit „anderem Maß gemessen“ (ebd.) wurde.

Zudem schließen mehrere Interviewte die Möglichkeit einer rechtlich kodifizierten Ungleichheit auch in Deutschland aufgrund des Wissens um die deutsche Geschichte nicht gänzlich aus. Man kann sich aus ihrer Sicht nie sicher sein, ob Jüdinnen und Juden eines Tages die rechtliche Gleichheit in Deutschland wieder aberkannt wird. Ein Interviewter erzählt von einer Situation, die ihn an diese Möglichkeit erinnert hat:

„Oder ich mein neulich hatte ich n Termin (…) und dann hab ich diese hab ich auf dem zentralen Platz da ne Plakette im Boden gesehen, die zum Gedenken an Professoren, Mitarbeiter, Studierende war, die quasi aus dem Dienst entfernt wurden, deren akademische Grade aberkannt wurden, weil sie Juden oder Gewerkschafter waren oder so, ja. Und ähm das hab ich dann schon im Hinterkopf. Da sehe ich dann wirklich schwarz auf weiß, dass du echt also ist natürlich n extremes Beispiel, dass du echt Nachteile erleiden kannst, wenn die Leute wissen, was deine äh kulturelle oder religiöse Identität ist.“ (Interview 15)

Die Interviewten sind sich vor dem Hintergrund der deutschen Historie der möglicherweise gravierenden Folgen einer rechtlichen Missachtung bewusst, da es schon einmal dazu gekommen ist, dass europäische Jüdinnen und Juden exkludiert, rechtlich diskriminiert und letztlich massenhaft ermordet wurden.

5.3 Missachtung und Anerkennung kollektiver Identität

Neben der Erfahrung, (zumindest potenziell) nicht als gleichwertiger Mensch oder als gleichwertiges Rechtssubjekt anerkannt zu werden, erleben die Interviewten, dass ihre kollektive Identität als Jüdin bzw. Jude nicht anerkannt wird beziehungsweise sie diese Identität nicht so leben können, wie sie es sich wünschen würden. Die Interviewten haben die Erfahrung gemacht, dass das Judentum als Kollektiv in Deutschland nicht zur Normalität einer pluralen Gesellschaft gehört, sodass sie sich in Deutschland nicht in ihrer kollektiven Identität als Jüdin bzw. Jude (in Gänze) anerkannt sehen. Dies kann sich sowohl in einer Fremdbestimmung jüdischer Identität, die die Relevanzsetzungen von Jüdinnen und Juden ignoriert und übergeht, sowie in einer Nicht-Berücksichtigung jüdischer Identität ausdrücken. In Übereinstimmung mit Taylors Anerkennungstheorie ist für die Interviewten diese Form der Anerkennung kollektiver Identität jedoch von großer Relevanz.

Die Frage nach der konkreten Bedeutung von Jüdischsein ist für viele Interviewte schwierig zu beantworten – es ist „die Frage aller Fragen“ (Interview 4), wie es ein Interviewter ausdrückt. Die interviewten Jüdinnen und Juden haben heterogene Bezüge zu ihrer kollektiven Identität als Jüdin bzw. Jude. Sie stimmen jedoch darin überein, dass ihr Jüdischsein in Deutschland positive Bezüge haben sollte, die über „die gemeinsame Situation (…) in einer Gesellschaft (zu) leben, die sie für Juden hält“ (Sartre 1994: 43) hinausreicht, und keinesfalls fremdbestimmt sein sollte.

Dabei besteht, wie es ein Interviewter festhält, ein anhaltendes Spannungsverhältnis zwischen der Notwendigkeit des Erinnerns an die Shoah und dem Wunsch nach Normalität des Jüdischseins in Deutschland:

„Also ich würd mir wünschen, dass insbesondere nachdem die Opfer und die Täter jetzt alle tot sind, nachdem es keine Zeitzeugen mehr gibt, nachdem es auch nicht mehr von jüdischer Seite das Gefühl gibt, dass der oder die n KZ-Wächter war, oder auch nur der Vater KZ-Wächter war, dass jüdisches Leben in diesem Land, so wie in den Vereinigten Staaten oder in Frankreich mehr immer mehr ein Teil der normalen Kultur wird. So ganz richtig (…), geht das nicht, weil der Holocaust nun mal ein einmaliges, einzigartiges, unglaubliches Menschheitsverbrechen war, das sicher nicht vergehen wird, auch nicht im Bewusstsein der Menschen. Das ist ja auch ein wesentlicher Teil des Selbstverständnisses der nachnationalsozialistischen, neuen deutschen Republik. Das bleibt auch. Das, das bleibt. Deswegen wird jüdisches Leben in diesem Land auch nie zu einer solchen Normalität werden, wie ich mir das wünschen würde.“ (Interview 17)

Die Identifikation mit einem jüdischen Kollektiv erfolgt bei den Interviewten mehrheitlich über die gemeinsame Geschichte. Dies kann die spezifische Familiengeschichte sein, die dezidiert als Geschichte einer jüdischen Familie gesehen wird, oder die Geschichte des Judentums insgesamt, die eine Schicksalsgemeinschaft der Jüdinnen und Juden geschaffen hat. Eine Interviewte spricht von einer Verbundenheit zum jüdischen Kollektiv, bei der geteilte Missachtungserfahrungen zu einer „Liebe oder Verbundenheit unter Druck“ (Interview 13) führen.

Im postnazistischen Deutschland machen die Interviewten zudem die Erfahrung, dass ihre jüdische Identität auf die Erwartungshaltung nicht-jüdischer Personen stößt, dass Jüdischsein stets und vor allem heißt, passives Opfer zu sein. Dies wird von den Interviewten als Missachtung ihrer wesentlich mehr umfassenden jüdischen Identität wahrgenommen. Ein Interviewter sieht Jüdinnen und Juden in Deutschland konfrontiert mit dem „Verständnis vom Gegenüber, dass seine oder ihre Vorfahr*innen meine vermeintlichen Vorfahr*innen ermordet hätten“ (Interview 7). Die Realität sei aber sehr viel komplexer, weil inzwischen die große Mehrheit von Jüdinnen und Juden in Deutschland aus der ehemaligen Sowjetunion stamme und diese ein anderes Selbstverständnis hätten, nämlich, „dass man nicht befreit wurde, sondern mit befreit hat in den alliierten Armeen“ (ebd.). Ein anderer Interviewter merkt hinsichtlich der rein auf die Shoah bezogenen Thematisierung von Judentum an, dass er nicht gerne „über tote Juden spricht“ (Interview 5).

Die Problematisierung von Fremdbestimmung durch die nicht-jüdische Mehrheitsgesellschaft findet sich im Interviewmaterial auch hinsichtlich der Bewertung der deutschen Erinnerungskultur. Verschiedene Interviewte greifen hier – stellenweise implizit – auf die auch von ihnen rezipierte These Bodemanns (1996) zurück, nach der deutsche Erinnerungskultur Gedächtnistheater sei. Hierunter ist eine Inszenierung von Erinnerungskultur zu verstehen, bei der es vor allem um moralische Selbstvergewisserung der nicht-jüdischen Gesellschaftsmehrheit geht und die Jüdinnen und Juden lediglich zu diesem Zweck eine Rolle zuweist. In jüngerer Zeit wurde diese These insbesondere von Czollek (2023) prominent aufgegriffen. Ein Interviewter will zwar nicht so weit gehen, deutsche Gedenkveranstaltungen an die Shoah als reines Gedächtnistheater zu sehen, aber er sieht klar „die Gefahr, dass es eher vor allem um Selbstbestätigung geht als tatsächlich um die Belange von Jüdinnen und Juden in Deutschland“ (Interview 4). Ein anderer Interviewter ist der Ansicht, dass „die Ruhe und die Rituale und das Eingefahrene in diesen Gedenkveranstaltungen „(…) irgendwie aufgebrochen werden“ (Interview 19) müsse. Er überlegt im Interview, „dass sich vielleicht junge Juden oder junge Jüdinnen mal irgendwie Gedanken machen (könnten), ob man da irgendwie mal hier n bisschen quer treibt, also solche Veranstaltungen stören, glaube ich, n Stück weit eskalieren (könne)“ (ebd.).

Jenseits der Bezugnahme auf jüdische Identität im Rahmen der Erinnerung an die Shoah, die Jüdinnen und Juden zu oft in eine passive Rolle drängt, haben nicht-jüdische Personen aus Sicht der Interviewten nur sehr wenig Wissen über die gegenwärtige Lebensweise von Jüdinnen und Juden in Deutschland. Der Unterricht an deutschen Schulen sei dadurch gekennzeichnet, dass „meistens halt Jüdischsein oder Judentum nur im Geschichtsunterricht oder irgendwie in Religion behandelt wird, aber es wird nicht auf das aktuelle Judentum eingegangen“ (Interview 6). Abseits der Beschäftigung mit der Shoah oder dem oberflächlichen Wissen, dass auch in Deutschland Synagogen existieren und Jüdinnen und Juden Chanukka feiern, hätten die Menschen „auch eigentlich keine Ahnung, was bei jüdischen Leuten irgendwie so abgeht, was die machen, wofür die leben und so weiter“ (Interview 11). Dabei wird von den Interviewten als besonders problematisch erachtet, dass viele nicht-jüdische Personen Judentum, Zionismus und Israel durcheinanderwerfen und nicht den Unterschied „was ist jüdisch, was ist israelisch“ (Interview 3) verstehen würden.

An diesem vereinfachten, verzerrten und stereotypen Bild seien, so eine Interviewte, auch die Medien in Deutschland Schuld, da sie Jüdinnen bzw. Juden exotisierten und wenig Raum für eine selbstbestimmte Repräsentation von Jüdinnen und Juden in Deutschland lassen würden:

„Und allein irgendwie, wenn dann irgendwie da läuft n Jude die Straße lang und dann läuft Klezmer im Hintergrund, so. Klezmer? Come on. Also ich hör kein Klezmer, so. Und so weiter. Also das ist so da werden dann gleich so Verbindungen geknüpft, die irgendwie sehr komisch sind. Was nicht heißt, ähm dass Klezmer nicht irgendwie seine Daseinsberechtigung hat oder so. Aber es ist halt komisch, wenn es untermalt, wenn man irgendwie ne jüdische Person die Straße langlaufen (.) sieht und dann läuft da Klezmer dazu. Strange. Und es gibt glaub ich zu wenig jüdischen Anteil selbst, die selber mitbestimmen, wie das Bild am Ende aussieht.“ (Interview 6)

Ein anderer Interviewter findet es „echt traurig“ (Interview 5), dass das „Einzige, was Juden in den Medien repräsentiert, Antisemitismus, Israel-Konflikt und halt Holocaust in irgendeiner Form ist“ (ebd.). Die alleinige Thematisierung von Jüdinnen und Juden als Opfer spräche diesen ihre Handlungsmacht ab und verneine „die Vielfalt jüdischer Positionen“ (Interview 4).

Vor dem Hintergrund solcher Missachtungserfahrungen artikulieren die Interviewten Forderungen nach einer Anerkennung der pluralen Selbstverhältnisse von Jüdinnen und Juden. Eine Anerkennungsforderung bezieht sich auf die institutionelle Berücksichtigung jüdischer Kultur und Religion. Das entspricht Taylors Politik der Differenz, die differenzsensible Institutionen schafft und erhält. Eine Interviewte bezieht sich allgemein auf die differenzsensible Anerkennung religiöser Identitäten in Deutschland, wobei sie die nach ihrer Ansicht vergleichbare Situation von jüdischen und muslimischen Menschen betont:

„Aber meiner Meinung nach Neutralität ist halt kein Ding, also es existiert nicht. Menschen haben Identitäten und Sachen und keine Ahnung was. Und weil Deutsche nun mal schnell das Kreuz wegmachen können, oder vor allem manchmal das Kreuz auch gar nicht wegmachen müssen, ist es sehr einfach, allen anderen zu erzählen, dass sie ihre Kopftücher und so abmachen müssen. Aber das funktioniert so nicht.“ (Interview 9)

Eine weitere Interviewte ist der Ansicht, dass, auch wenn Deutschland ein christlich geprägtes Land mit entsprechenden Feiertagen sei, die Feiertage anderer Religionsgemeinschaften Anerkennung finden sollten:

„(I)ch würd zum Beispiel sagen, dass die muslimischen und die jüdischen Feiertage auch reinintegriert werden sollten. Und zum Beispiel für Jobs, ich brauche keine christlichen Feiertage und für meine jüdische müsste ich mir extra Urlaub nehmen. Und dann finde ich, also ich fänd‘s cooler, wenn, wenn ich sage, ich arbeite an christlichen und dafür hab ich aber die jüdischen frei.“ (Interview 8)

Ein anderer Interviewter berichtet demgegenüber von positiven Erfahrungen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Arbeit und jüdischen Feiertagen. Man müsse zwar überlegen, wie man seinem Arbeitgeber gegenüber „das Ganze formuliere“ (Interview 6), bei seinem aktuellen Job habe er aber „sehr positive Erfahrungen“ (ebd.) gemacht. Seinem Empfinden nach wird sein Wunsch nach einem autonomen und unbehelligten Ausleben des eigenen Jüdischseins in Deutschland sowohl in persönlichen Interaktionen als auch auf der Ebene institutioneller Regelungen anerkannt. Auch hinsichtlich der Thematisierung des Judentums in der Öffentlichkeit stellt ein Interviewter eine positive Entwicklung fest. Es sei „ne Wandlung dahingehend zu erkennen (…), dass doch ne Sensibilität besteht, auch auf nicht-jüdischer Seite, wenn’s um diese Themen geht“ (Interview 4).

Eine Wandlung hin zu mehr Sensibilität und eine breitere Beschäftigung mit dem gegenwärtigen Judentum könne der Reduktion auf immergleiche Klischees vorbeugen. Ein Interviewter fordert: „(I)nformiert euch doch mal, macht euch doch mal schlau“ (Interview 15). Der Austausch und Dialog zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Menschen stellt für die Interviewten eine Möglichkeit dar, sich in anerkennender Art und Weise mit jüdischen Identitäten zu beschäftigen. Dazu hält eine Interviewte fest:

„Von der anderen Seite wünsche ich mir mehr Gespräche über unsere Kultur, unsere Freude, unser buntes und freudiges, jüdisches Existenz und Leben und wie sehr wir (.) Tora lieben und wie sehr wir unsere Community lieben und so was halt.“ (Interview 9)

Die Forderungen, die auf Selbstbestimmung und Sichtbarkeit im Rahmen einer anerkennenden nicht-jüdischen Gesellschaft zielen, können jedoch nicht losgelöst von der potentiellen Konfrontation mit Antisemitismus gesehen werden. Jüdischsein autonom und selbstbestimmt auszuleben, kann aufgrund des verbreiteten Antisemitismus die eigene Person gefährden. Dem sind sich die Interviewten bewusst. In Antizipation möglicher antisemitischer Reaktionen auf ihr Jüdischsein fühlen sich viele Interviewte daher zur Vorsicht gezwungen. Mehrere Interviewte berichten davon, dass sie bereits früh gelernt haben, „nicht aufzufallen“ (Interview 11) – sprich in der Öffentlichkeit generell nicht als jüdisch sichtbar zu sein. Eine Interviewte drückt es so aus, dass sie permanent unter einer „Tarnkappe“ (Interview 2) leben würde. Eine weitere interviewte Person berichtet von ihrer Vorsicht, die sie bereits in der Kindheit vermittelt bekommen hat, und dem damit verbundenen Verlust:

„Und dann hat sie (die Mutter) mir halt irgendwie ruhig erklärt, dass (…) (ich) nicht erzählen soll, dass ich jüdisch bin und so weiter. Ich war halt n Kind, deswegen natürlich hab ich das weitererzählt, weil ich mir dachte, oh das ist so ne ganz tolle, stolze Sache. Also früher fand ich das dann total schlimm und hab das halt überhaupt nicht verstanden, aber mit der Zeit hat man dann irgendwie daraus gelernt und damit gelebt. Aber es ist halt trotzdem unschön, weil das ist also für mich ist das halt irgendwie, früher fand ich das traurig und hab darüber geweint. Aber mittlerweile ist das halt einfach nur noch diese Wut, die man hat, weil ich mir halt denke, ich würd’ gern offen jüdisch leben. Ich würd’ das gerne irgendwie zelebrieren, dass ich jüdisch bin. Auch mit anderen Menschen, und meine Kultur weitergeben, weil ich das schön finde. Aber ich kann das nicht, weil ich Angst um mein Leben haben muss.“ (Interview 12)

Die interviewte Person schildert hier einen Zwiespalt zwischen dem starken Wunsch nach einem freien und offenen Umgang mit ihrer jüdischen Identität einerseits und der Wahrnehmung einer existenziellen Gefährdung der eigenen Person andererseits. Die nicht aufzulösende Spannung schlägt bei ihr letztlich in Resignation und Wut um, da ihre Handlungsentwürfe und ihre Lebensrealität auf unabsehbare Zeit nicht in Einklang gebracht werden können. Es besteht für sie eine Situation der Heteronomie, in der sie nicht den eigenen Wünschen entsprechend leben kann, sondern sich stets mit Rücksicht auf eine immer vorhandene Bedrohungslage verhalten muss.

Die Notwendigkeit, immerzu zwischen dem selbstbestimmten Ausleben jüdischer Identität und den hiermit einhergehenden Gefährdungen durch andere abzuwägen, zeigt sich besonders deutlich daran, dass sich die von uns interviewten Jüdinnen und Juden mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob sie jüdische Symbole wie die Kippa oder den Davidstern tragen wollen bzw. können. Das Tragen eines solchen Symbols wird von den Interviewten als eine Möglichkeit gesehen, sich mittels eines Symbols positiv auf ihr Jüdischsein zu beziehen. Zugleich wissen sie darum, dass dieser symbolische Ausdruck eines positiven Bezugs auf das eigene Jüdischsein potenziell zur Stigmatisierung und Bedrohung durch nicht-jüdische Personen führen kann. Eine Interviewte erklärt, was dies für sie bedeutet:

„Also jetzt auch in Bezug auf so Antisemitismus und so, weil man möchte ja so n stolzer Jude sein und ich will mit meinen Davidstern-Ketten und meinem Schmuck und so was rumlaufen, mache ich halt aber nicht, weil eben Sicherheitsgründe. Und ich kenn Leute, die das machen. Ich kenn Leute, die mit Kippot rumlaufen. Und das ist für mich sehr, sehr krass. Also das ist so sehr, sehr mutig.“ (Interview 9)

Eine mögliche Umgangsweise mit dieser potenziellen Gefährdung sei, in bestimmten Situationen eine Kappe über die Kippa zu ziehen oder die Kippa gegebenenfalls auszuziehen – gerade wenn man nicht mehr „die Situation kontrollieren könne“ (Interview 15), beispielsweise wenn man im Zug schlafe. Ferner sei es eine Möglichkeit, eine Kette mit Davidstern nur dann zu tragen, wenn man „mit anderen Menschen unterwegs“ (Interview 12) ist, da man sich das Tragen „alleine nicht traue“ (ebd.).

Eine Interviewte berichtet von einem Gefühl der Zerrissenheit, ihrer Tochter das Tragen einer Davidsternkette „auszureden“ und gleichzeitig zu sehen, dass dies eigentlich nicht notwendig sein sollte:

„Und jedes Mal, zum Beispiel, wenn meine neunjährige Tochter eine Kette mit Magen David anziehen möchte und in die Stadt gehen möchte mit meiner Mutter, ich versuche, ihr das auszureden und ihr zu erklären, warum. Und dann ärgere ich mich über mich selbst und denke, das ist doch egal, ob Mickey Mouse und oder David-Stern. Aber das ist eben nicht egal. Und an solchen Momenten merke ich dann, das ist doch nicht so, wie ich das gerne gehabt hätte.“ (Interview 14)

Die Interviewten nehmen die Übergriffe auf Jüdinnen und Juden dabei nicht als rein individuelles Problem wahr, sondern allgemein als Angriffe gegen ein selbstbestimmtes Leben von Jüdinnen und Juden in Deutschland:

„Also, wenn irgendjemand mit Kippa angegriffen wird, dann gilt dieser Angriff ja nicht nur dieser einen Person. Und die ganze Gruppe fürchtet sich. Und eigentlich kann da niemand mehr rausgehen und so rumlaufen, wie man will. Sondern auf einmal, ja, das ist so eine Art Terror auch, denke ich.“ (Interview 18)

Bei der Frage, ob es sich als Jüdin bzw. Jude in Deutschland gut und sicher leben lässt, gehen die Einschätzungen der Interviewten allerdings weit auseinander. Einige der Interviewten fühlen sich zunehmend unwohl in Deutschland und denken inzwischen über Auswanderung nach. Eine Interviewte stellt heraus, dass im Freundeskreis immer wieder Gespräche aufkämen, ob „wir uns hier sicher (fühlen)“ (Interview 8) und ob es „besser für uns (ist), jetzt irgendwo irgend… irgendwohin zu gehen“ (ebd.) Dabei sei es nicht nur gruselig, dass derartige Gespräche „so sehr casual sind“ (ebd.), sondern auch, dass derartiges „jede jüdische Generation“ (Interview 8), bereits diskutieren musste.

Ein Interviewter vertritt die konträre Position, dass jüdisches Leben in Deutschland gut möglich sei und er mit seinem Lebensentwurf persönlich auf keinerlei Schwierigkeiten stoße, auch wenn er sich den existierenden Problemen bewusst sei:

„Es sollte vielleicht (ins Interview) rein, ja, dass ich sehr bewusst hier lebe, dass ich hier auch den Rest meines Lebens verbringen möchte. Auch unter den Umständen, die es hier gibt. Und dass ich sechs Kinder hab (…) für die es auch eigentlich ganz selbstverständlich ist, in Deutschland zu leben und die alle trotzdem sich als Juden und Jüdinnen fühlen. Vielleicht ist das bei vielen anderen nicht so, aber das hängt damit zusammen, dass eben, ja, viele Juden und Jüdinnen die Chance einer offenen, multikulturellen, multinationalen Erziehung haben und dass so viele von ihnen eben Kontakte, auch familiäre Kontakte in viele Teile der Welt haben, sodass es einfach leichter ist, außerhalb von Deutschland zur Schule zu gehen, zu studieren, auch ne Existenz zu finden, wenn man es denn mag. Aber nichtsdestoweniger man kann als Jude durchaus vernünftig, bewusst und letztlich angstfrei in diesem Land leben.“ (Interview 16)

5.4 Missachtung und Anerkennung der Ich-Identität

Abschließend zeigt sich im Interviewmaterial, dass die Interviewten zwar als Jüdin bzw. Jude anerkannt, aber dennoch nicht auf ihre jüdische Identität reduziert werden möchten. Die Interviewten fordern ein, als Mensch mit einer vielfältigen Persönlichkeit anerkannt zu werden. In diesem Sinne ist weder ein einseitiger Fokus auf die universale Würde als gleichwertiger Mensch noch auf die jüdische Identität allein gewünscht. Es gelte vielmehr, die Person als gleichwertigen Menschen zu sehen, dessen individuelle Identität durch einen Bezug zum Judentum geprägt sei, aber über diesen Aspekt hinaus weitere Identitätsbezüge aufweise. Ein Interviewter hält dazu fest:

„(…) (I)ch sehe mich nicht vor allem als Juden in Deutschland, ich sehe mich als deutschen Staatsbürger, der auch jüdischen Hintergrund hat, und aber auch keinen deutsch-jüdischen Hintergrund hat, sondern anderen Migrationshintergrund einfach hat. So also ich hab auch keine direkte Shoah-Geschichte – Wobei das stimmt gar nicht. Es gibt Verwandte von mir, die sozusagen, aber damals halt in der Sowjetunion oder in Moldawien der Shoah zum Opfer geworden sind. Aber sozusagen ich hab auch keine deutsch-jüdische Geschichte, sondern ich bin einfach jemand mit ner Migrationsgeschichte zuallererst, die auch jüdisch eben ist.“ (Interview 4)

Die Reduktion auf die jüdische Identität, die das Individuum nicht im Zusammenspiel der verschiedenen Identitäten und Rollen wahrnimmt, birgt für die Interviewten die Gefahr, in selektiver und damit auch stereotyper Weise nur noch als „bloß“ jüdisch und als nichts weiteres mehr wahrgenommen zu werden. Die jüdische Identität überblende, wie ein Interviewter feststellt, in der Interaktionssituation alle andere Aspekte des eigenen Selbst: „Und da dann immer in diesen gleichen Topf geworfen zu werden und halt so, ja klar, ich kann gerne darüber reden, aber ich hab tausend andere Seiten“ (Interview 6).

Derselbe Interviewte schildert exemplarisch eine Erfahrung, bei der er vom Gegenüber nur noch als „Jude“ wahrgenommen wurde:

„Ich bin der U-Bahn gefahren und es war so ne sketchy Gegend. Und dann dacht ich mir, okay, ich nehm mal die Kippa ab, ich hab keinen Bock auf irgendwelche Diskussionen. (…) Das hat dann irgendein Typ von der CDU gesehen. (…) Und dann bin ich die Treppen hochgegangen und dann zieht der mich am Rucksack runter. Gibt mir seine Karte in die Hand und so ganz stolz so, ja, ich hab gesehen, Sie haben Ihre Kippa abgenommen und wir würden uns freuen, wenn Sie mit uns n bisschen darüber sprechen, warum. (…) Es tut mir leid, aber man zieht keine Menschen an den Treppen (…) So ich will nicht dein Mittel sein, ich will nicht dein Instrument sein. Wenn du mich aktiv bittest, dir zu helfen, ja, gerne. Aber nicht, indem man mich an nem Rucksack die Treppe runterzieht.“ (Interview 6)

Für den Interaktionspartner zählte aus der Sicht des Interviewten in der Situation nichts anderes als die jüdische Identität des unbekannten Gegenübers. Dies veranlasste ihn dazu, als normal zu bezeichnende Verhaltenserwartungen gegenüber Fremden schlicht zu ignorieren. Für den Interviewten entstand das Gefühl, vor dem Hintergrund einer stereotypen Wahrnehmung durch sein Gegenüber als Objekt behandelt zu werden, mit dem nach Belieben verfahren werden kann.

Jüdische Personen quasi als Objekte anzusehen, führe ferner dazu, dass ihnen die eigene Handlungsfähigkeit aberkannt werde. Eigene Leistungen, Interessen, Ansichten und Vorhaben, ob sie nun mit dem je eigenen Jüdischsein in Verbindung stehen oder nicht, gerieten schnell aus dem Blick, wenn jüdische Personen homogenisierend einzig auf eine vermeintlich allgemeingültige jüdische Identität festgeschrieben werden. Ein Interviewter hält dazu fest:

„Und das ist vielleicht, das muss man genau formulieren, aber ich finde es gibt auch im Philosemitischen eine Gefahr für Juden, weil da gleichzeitig ne (…) Objektivierung von Juden stattfindet. Also Juden immer nur als Juden zu definieren und ihnen dementsprechend Handlungsmacht abzusprechen, das ist für mich n Problem.“ (Interview 4)

Die Interviewten fordern ein, als Mensch im Geflecht ihrer unterschiedlichen Lebensumstände anerkannt zu werden – dies schließt Jüdischsein und seinen Bezug zu kollektiven Formen jüdischer Identität mit ein, bedeutet aber zugleich, das Individuum als situiert in verschiedensten, teils widersprüchlichen, teils nur lose miteinander verbundenen sozialen Rollen und individuellen Identifizierungen zu verstehen.

6 Fazit

Wir haben die vielfältigen unerwünschten Erfahrungen, die Jüdinnen und Juden im Umgang mit nicht-jüdischen Personen machen müssen, anhand der Anerkennungstheorien von Taylor und Honneth systematisch exploriert. Für uns war es hierbei wichtig, unsere Interviewtranskripte nicht unter der Theorie zu subsumieren, sondern im Verlauf der Arbeit am Material Theorien zur Schärfung und Fokussierung der analytischen Perspektive zu verwenden und in den Forschungsprozess zu integrieren. Dadurch ergab sich ein fortlaufendes Wechselspiel zwischen der theoretischen und der empirischen Ebene.

Mit den verschiedenen theoretischen Ansätzen konnten die Schilderungen der Interviewten als Erfahrungen von Missachtung interpretiert werden. Wir haben vier Formen von Missachtung und analogen Forderungen nach Anerkennung unterschieden. Die interviewten Jüdinnen und Juden berichten von den Erfahrungen in Deutschland, zum einen nicht als gleichwertige Menschen anerkannt zu werden und zum zweiten, auf Grund historischer Erfahrungen nicht ausschließen zu können, auch als gleichwertiges Rechtssubjekt missachtet zu werden. Drittens sprechen sie die Missachtung ihrer kollektiven Identität als Jüdinnen und Juden an, die sich in fremdbestimmten und selektiven Bezügen auf gegenwärtige jüdische Identitäten ausdrückt. Darüber hinaus konnte noch eine weitere Form der Missachtung interpretativ herausgearbeitet werden, die auf die jeweils individuelle Ich-Identität abstellt: Die interviewten Jüdinnen und Juden fühlen sich missachtet als jüdische Menschen, bei denen Jüdischsein zwar wichtiger Teil des eigenen Selbst sein kann, ihr Selbst jedoch nicht auf diese Identität festgeschrieben und reduziert ist. Sie fordern nicht nur einfach ganz allgemein „Anerkennung“ statt „Missachtung“, sondern artikulieren je nach Kontext und Art und Weise der Missachtungserfahrung verschiedene Anerkennungsforderungen. Durch den Rückgriff auf anerkennungstheoretische Ansätze war es uns möglich, die Erfahrungsvielfalt zu adressieren, die Jüdinnen und Juden in Interaktion mit nicht-jüdischen Menschen machen. Hinsichtlich der herangezogenen Anerkennungstheorien hat sich gezeigt, dass auch auf den ersten Blick vermeintlich empirieferne theoretische Ansätze in produktiver Weise zur sinnverstehenden Interpretation herangezogen werden können.

In Anknüpfung an diese Ergebnisse halten wir es daher auch für zukünftige Arbeiten zielführend, die Erfahrung von (antisemitisch motivierter) Missachtung aus Sicht der Betroffenen mit Bezug auf theoretische Ansätze aus den Bereichen der Sozialphilosophie, der Sozialpsychologie, der soziologischen Theorie wie auch der Gesellschaftstheorie zu analysieren. Während wir uns in der Konzeption unserer Leitfadeninterviews vor allem auf Antisemitismuserfahrungen bezogen und uns im Verlauf der Analyse auf Fragen nach Missachtung und Anerkennung fokussiert haben, könnte es sich auch als lohnend erweisen, sich dem Themenkomplex narrativ-biographisch anzunähern, um noch offenere Erzählungen über Missachtungserfahrungen vor dem Hintergrund des eigenen Lebenslaufs zu evozieren. Die soziogenetische Rekonstruktion der biographischen Erfahrungshintergründe, die wir in unserer Studie nicht durchgeführt haben, wäre sicherlich ebenfalls lohnend. Zudem könnte aus einer transgenerationalen Perspektive spezifischer die Kontinuität, Weitergabe und Wirkungsentfaltung von Missachtungserfahrungen und Anerkennungsforderungen zwischen verschiedenen Generationen untersucht werden (Eisemann 2021).

Auch eine vergleichende Perspektive zu Missachtungserfahrungen anderer marginalisierter Gruppen könnte sich im Weiteren als lohnend erweisen. Die Ausarbeitung eines vergleichenden Studiendesigns, welches für Spezifika der jeweiligen Erfahrungen sensibilisiert ist und gleichzeitig strukturidentische Missachtungserfahrungen subjektiv-normativer Erwartungen adressiert, ist ein Desiderat, deren Bearbeitung dazu beitragen könnte, die Unterscheidung zwischen allgemeinen und gruppen- sowie kontextspezifischen Missachtungserfahrungen weiter zu schärfen. In diesem Zusammenhang wäre auch wünschenswert, dass sich intersektionale oder multikulturelle Forschungsansätze weiter für den Themenkomplex Antisemitismus öffnen würden. Die jüngsten Arbeiten von Stögner sowie von Coffey und Laumann sind hinsichtlich der Verbindung intersektionaler Ansätze mit Erkenntnissen der Antisemitismusforschung instruktiv (Stögner 2021; Coffey & Laumann 2021). Im Einklang mit diesen Arbeiten sowie der Position einiger Interviewter aus unserer Studie muss die zukünftige Forschung in noch stärkerem Maße die Erfahrungen von Jüdinnen und Juden auch jenseits des Themenkomplexes Antisemitismus berücksichtigen.

Zukünftige Studien müssen sich aus unserer Sicht aber vor allem auch mit der Welle an Antisemitismus auseinandersetzen, die im Anschluss an den 7. Oktober 2023 über Jüdinnen und Juden weltweit hereingebrochen ist. Zwar glauben wir nicht, dass die von uns entwickelte Typologie der Missachtungserfahrungen von Jüdinnen und Juden in Deutschland mit diesem Ereignis obsolet geworden ist. Für die empirische Analyse stellt sich jedoch die Frage, welche Veränderungen der 7. Oktober für das Erleben von Missachtung unter Jüdinnen und Juden mit sich bringt. Welche Grenzverschiebungen wurden hier erlebt, welche Dimensionen der Missachtung wurden in noch nachdrücklicher Weise für Jüdinnen und Juden salient und welche neuen Akzentuierungen sind im Zuge dessen erlebt worden?

Über die Autoren

Niklas Herrberg

Niklas Herrberg, geb. 1993 in Münster. Studium der Sozialwissenschaften in Düsseldorf. Aktuelles Promotionsvorhaben ebendort. Seit 2020 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Soziologie am Institut für Sozialwissenschaften, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Forschungsschwerpunkte: Antisemitismus, Verschwörungstheorien, Extreme Rechte.

Melanie Reddig

Dr. Melanie Reddig, geb. 1972 in Düren. Studium der Soziologie, Medienwissenschaft und Neueren Geschichte in Düsseldorf. Promotion in Düsseldorf. Von 2002 – 2007 wissenschaftlicher Mitarbeiterin in der Abteilung für Soziologie am Institut für Sozialwissenschaften, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; seit 2007 akademische Rätin ebendort. Forschungsschwerpunkte: Antisemitismus, Extremismus, Radikalisierung, Diskriminierung.

Danksagung

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projektes „Auswirkungen des radikalen Islam auf jüdisches Leben in Deutschland (ArenDt)“ entstanden, das von BMBF unter dem Förderzeichen 01UG2034 gefördert wurde. Wir danken aus dem Projekt Heiko Beyer, Bjarne Goldkuhle, Ilias Kenssi und zudem Sebastian Doll sowie den Gutachter:innen für die kritische Durchsicht des Manuskripts und ihre für uns sehr wertvollen Hinweise dazu.

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Appendix 1

Tab. 1:

Soziodemographische Merkmale der Interviewten

Geschlecht

Alter

Bildungsstand

Migrationserfahrung

Wohnort Größe

Wohnort Ost/West

Elternschaft

Familienstand

Interview 1

Weiblich

66–75

Hochschulabschluss

Polen

Großstadt

West

Ja

Verheiratet

Interview 2

Weiblich

56–65

Hochschulabschluss

Tschechoslowakei

Großstadt

West

Ja

Verheiratet

Interview 3

Männlich

18–25

Abitur

Ukraine

Großstadt

Berlin

Nein

Ledig

Interview 4

Männlich

26–35

Hochschulabschluss

Israel

Großstadt

Berlin

Ja

Ledig

Interview 5

Weiblich

26–35

Hochschulabschluss

- 

Großstadt

West

Nein

Ledig

Interview 6

Männlich

18–25

Abitur

Israel

Großstadt

Berlin

Nein

Ledig

Interview 7

Männlich

18–25

Hochschulabschluss

- 

Großstadt

West

Nein

Ledig

Interview 8

Weiblich

18–25

Abitur

Ukraine

Großstadt

West

Nein

Ledig

Interview 9

Weiblich

18–25

Abitur

Israel

Stadt

West

Nein

Ledig

Interview 10

Männlich

56–65

Realschulabschluss

UdSSR

Großstadt

West

Ja

Geschieden

Interview 11

Weiblich

Über 75

Hochschulabschluss

UK

Stadt

West

Nein

Verheiratet

Interview 12

Divers

18–25

Realschulabschluss

Polen

Kleinstadt

West

Nein

Ledig

Interview 13

Weiblich

46–55

Hochschulabschluss

Russland

Großstadt

West

Ja

Verheiratet

Interview 14

Weiblich

56–65

Hochschulabschluss

Ukraine

Großstadt

West

Ja

Verheiratet

Interview 15

Männlich

46–55

Hochschulabschluss

- 

Stadt

West

Ja

Verheiratet

Interview 16

Männlich

66–75

Hochschulabschluss

- 

Großstadt

West

Ja

Verheiratet

Interview 17

Männlich

46–55

Realschulabschluss

- 

Stadt

Ost

Ja

Geschieden

Interview 18

Männlich

26–35

Abitur

- 

Stadt

West

Nein

Ledig

Interview 19

Männlich

56–75

Hochschulabschluss

- 

Großstadt

West

Ja

Ledig

Interview 20

Weiblich

Über 75

Hochschulabschluss

- 

Großstadt

West

Nein

Ledig

Interview 21

Weiblich

18–25

Kein Abschluss

- 

Großstadt

Ost

Nein

Ledig

Online erschienen: 2024-11-12
Erschienen im Druck: 2024-11-26

© 2024 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Heruntergeladen am 4.11.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zfsoz-2024-2028/html?lang=de
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