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Modernisierungstheorie – revised: Entwurf einer Theorie moderner Gesellschaften

  • Detlef Pollack

    Detlef Pollack, geb. 1955, Studium der Theologie und Religionswissenschaft in Leipzig, Promotion ebendort, Habilitation 1994 an der Fakultät für Soziologie Bielefeld, von 1995–2008 Professor für vergleichende Kultursoziologie an der Europa-Universität Frankfurt (Oder), 2003 bis 2005 Max Weber Chair an der New York University, USA, seit 2008 Professor für Religionssoziologie an der Universität Münster.

    Forschungsschwerpunkte: Religionssoziologie, politische Kulturforschung, DDR-Forschung

    Wichtigste Publikationen: Religion in der Moderne: Ein internationaler Vergleich (mit G. Rosta), Frankfurt am Main 2015; Religion und gesellschaftliche Differenzierung: Studien zum religiösen Wandel in Europa und den USA III, Tübingen 2016; zuletzt in dieser Zeitschrift: Individualisierung und religiöser Wandel in der Bundesrepublik Deutschland, ZfS 28, 1999, 465–483 (gemeinsam mit G. Pickel).

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Veröffentlicht/Copyright: 10. August 2016
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Zusammenfassung:

Versuche, die Modernisierungstheorie durch Preisgabe ihrer Grundunterscheidungen zu überwinden, haben sich als wenig erfolgreich erwiesen. Vielfach bleibt die Kritik an der Modernisierungstheorie ihren Basisunterscheidungen verhaftet. Daher scheint es angebracht zu sein, die klassische Modernisierungstheorie nicht dadurch überwinden zu wollen, dass man ihre Grundannahmen prinzipiell in Frage stellt, als bloße Zuschreibungen dekonstruiert, als eurozentrisch, teleologisch, deterministisch, nationalstaatlich verengt und fortschrittsgläubig ablehnt, sondern unter Aufnahme der an ihnen geäußerten Kritik weiterentwickelt. Genau das nimmt sich der Artikel vor. In einem ersten Schritt wird der Kern des modernisierungstheoretischen Ansatzes überblicksartig rekonstruiert. Daraufhin werden die wichtigsten Einwände gegen ihn vorgestellt. Schließlich legt er unter Berücksichtigung der Kritik den Entwurf einer eigenständigen Theorie der Moderne vor.

Summary:

Attempts to overcome modernization theory by abandoning its fundamental differentiations have shown little success. In many cases criticism of modernization theory has remained within the bounds of its basic differentiations. Thus, it seems to be appropriate not to try to overcome classical modernization theory by questioning its core assumptions, deconstructing them as mere ascriptions, and rejecting them as eurocentrically, teleologically, deterministically, and nationally restricted views, but rather developing modernization theory further by taking up the criticism of it as articulated. Precisely this is the intention of the present article. To begin with, the core of the modernization approach will be reconstructed in an overview. In a next step, the most important objections to it will be explained. In a final step, the article presents the design for a new independent theory of modernity in due consideration of the criticism previously considered.

1 Einleitung

Die Soziologie ist mit dem Anspruch gestartet, die Spezifik des modernen Zeitalters in Abgrenzung zu vormodernen Gesellschaften zu bestimmen. Das Bewusstsein des radikal Neuen gehört unausweichlich zur Moderne. „Nur und erst die Neuzeit hat sich als Epoche verstanden und dadurch die anderen Epochen mitgeschaffen“, sagt Hans Blumenberg (1974: 135). Natürlich steht der Anspruch, einen radikalen Bruch mit der Tradition zu vollziehen, in einem Missverhältnis zur Realität der Geschichte, die nie von Grund auf neu anfangen kann. Gleichwohl ist die Moderne ohne diesen Anspruch nicht zu begreifen. Ob wir an Kant (AA III, 12) denken, der in der Vorrede zur zweiten Ausgabe der „Kritik der reinen Vernunft“ seinen nach den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis fragenden transzendentalphilosophischen Ansatz mit der kopernikanischen Wende vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild vergleicht, an Hegel (1981: 318, § 273; 1939: 46, 158), der in der „Freiheit der Subjektivität“ das Prinzip entdeckt, das die moderne Welt von allen im Statarischen verharrenden traditionellen Gesellschaften unterscheidet, oder an Habermas (1981, 1985), der wie Hegel die Selbstbegründung der Moderne aus ihren eigenen Prinzipien, nun aber nicht aus den Prinzipien einer subjektiven, sondern einer kommunikativen Vernunft für möglich hält, – immer setzt sich das moderne Denken in scharfen Kontrast zu allem Vorhergehenden.

Um den Anspruch der Einzigartigkeit aufrechtzuerhalten und zugleich die Abhängigkeit des Neuen vom Alten zu berücksichtigen, verbinden die Klassiker der Soziologie von Comte über Durkheim, Simmel, Weber bis hin zu Parsons und Luhmann ihre Analysen der modernen Gesellschaft stets mit entwicklungsgeschichtlichen Annahmen. Nicht nur der Bruch zwischen Moderne und Tradition, sondern auch der Übergang vom einen zum andern soll aufgezeigt werden. Auf diese Weise sind soziologische Meistererzählungen entstanden, die unter dem Eindruck tiefgreifender soziohistorischer Veränderungen eine umfassende Selbstvergewisserung der Moderne vornehmen.

Meistererzählungen indes stehen seit Jahrzehnten in der Kritik und vermögen kaum noch zu überzeugen. Es ist daher nicht überraschend, dass diejenige soziologische Theorie, die wie keine andere das Erbe der soziologischen Klassik aufgenommen hat – die Modernisierungstheorie –, derzeit auf weitgehende Ablehnung stößt. Die Kritik kommt einmal aus kulturtheoretischer Perspektive, die die ‚Moderne’ nicht als soziologischen Gegenstand fasst, sondern als „eine soziologische Beobachtungskategorie“, die es zu dekonstruieren gelte (Bonacker & Reckwitz 2007: 7; Lyotard 1988). In kulturtheoretischen Ansätzen tritt an die Stelle der Unterscheidung zwischen Tradition und Moderne die Annahme mannigfacher Überschneidungen und unscharfer Grenzen, an die Stelle des Primats sozialer Strukturen gegenüber kulturellen Orientierungen die grundsätzliche Vorgängigkeit von Semantiken und Diskursen, die das Soziale überhaupt erst konstituieren und damit die Differenz von Struktur und Kultur in sich auflösen, und an die Stelle der Behauptung von Linearität, Determinismus und Rationalität die Vorstellung von Brüchen, Ambivalenzen und Hybriden.

Kritik an der Modernisierungstheorie wird aber auch von Seiten einer Deutung der Gegenwartsgesellschaften als multiple modernities formuliert, die zwar nicht die klassische Unterscheidung zwischen Struktur und Kultur zu Fall bringen will, mit den kulturtheoretischen Ansätzen aber in der Vorordnung der kulturellen Dimension übereinstimmt (Eisenstadt 2000). Vor allem widerspricht sie der modernisierungstheoretischen Annahme, es gebe so etwas wie einen einheitlichen Kern miteinander verflochtener institutioneller Arrangements, in dessen Durchsetzung die Entwicklungen der unterschiedlichen Gegenwartsgesellschaften konvergieren. Moderne Gesellschaften seien nicht durch ein zusammenhängendes Set von institutionellen Systemen wie Demokratie, Marktwirtschaft und formalem Recht gekennzeichnet, sondern durch je unterschiedliche Mischungen institutioneller Sphären und wiesen so nicht Tendenzen verstärkter Konvergenz, sondern zunehmender Divergenz auf.

Grundsätzlich angelegt ist auch die Kritik der Globalisierungstheorien in ihren unterschiedlichen Varianten. Sie lehnen den Eurozentrismus der Modernisierungstheorie ab und bestreiten insbesondere die These endogen induzierter Modernisierungsprozesse, der gegenüber sie auf der Verwobenheit der westlichen Moderne mit außereuropäischen Kulturen bestehen (Randeria 1999; Kaviraj 2005; Chakrabarty 2002). Der Multiple-Modernities-These stimmen sie insofern zu, als sie wie diese den Monopolanspruch des Westens auf Modernität in Frage stellen; kritisch wenden sie ihr gegenüber jedoch ein, dass sich Weltgeschichte nicht als Geschichte voneinander getrennter Zivilisationen schreiben lasse, sondern nur als Transfer- und Verflechtungsgeschichte.

Am umfassendsten fällt die Modernisierungskritik in der Theorie der „Zweiten“ oder „reflexiven“ Moderne aus, die nicht nur die nationalstaatliche Axiomatik der Modernisierungstheorie in Frage stellt und nicht nur das Modell der einen westlichen Moderne problematisiert, sondern die Moderne auch durch einen scharfen Bruch charakterisiert sieht, in dessen Folge sich die Basisinstitutionen und Grundprinzipien der Moderne „von innen her“ auflösen (Beck et al. 2001: 11). Die Vertreter dieser Theorie erklären: „Die institutionalisierten Antworten der Ersten Moderne auf selbsterzeugte Probleme – mehr und bessere Technik, mehr und besseres wirtschaftliches Wachstum, mehr und bessere Wissenschaft, mehr und bessere funktionale Differenzierung […] – greifen nicht mehr“ (ebd.: 24); „die Standards des Rechtsstaats, des Sozialstaats, der Nationalökonomie und des korporatistischen Systems [lösen sich] ebenso auf wie die der parlamentarischen Demokratie.“ (ebd.: 19) Europa müsse das verfehlte Projekt der Moderne „‘zurückrufen‘“. Und so wie das Projekt der Moderne der grundsätzlichen Reparatur bedürfe, so müsse auch der Denkrahmen der modernen Sozialwissenschaften, wenn er den radikalen gesellschaftlichen Veränderungen gerecht werden wolle, prinzipiell umgebaut werden.

Die hier beispielhaft vorgeführte Ablehnung der Modernisierungstheorie hält viele ihrer Kritiker allerdings nicht davon ab, im nächsten Augenblick affirmativ wieder auf sie zurückzugreifen. Eine auffällige Ambivalenz zwischen rhetorischer Zurückweisung und impliziter Inanspruchnahme kennzeichnet ihren Umgang mit der Modernisierungstheorie. So neigen viele der postmodernen Kulturtheorien trotz ihrer modernisierungstheoretischen Skepsis selbst zu einer Art von Modernisierungstheorie, nun allerdings nicht als Emanzipations- und Befreiungsgeschichte, sondern in Form einer Theorie der Disziplinierung des Individuums (Foucault), der Naturalisierung der Gesellschaft (Latour) oder der Dezentrierung des Subjekts (Derrida). Gerade in ihrer auf Umkehrung setzenden Abwehr der Prämissen der Modernisierungstheorie bleiben sie diesen negativ verhaftet. Sie stellen nicht die Vernünftigkeit des Subjekts heraus, sondern arbeiten die machttheoretischen Implikationen des Vernunftbegriffs heraus (Foucault). An die Stelle des Dualismus von Natur und Gesellschaft tritt bei ihnen die Eigenständigkeit technologisch fabrizierter Hybride zur Beherrschung der Natur (Latour). Nicht mehr das Subjekt konstituiert die Differenz von Zentrum und Struktur, vielmehr löst sich seine Begründungsfunktion in der Unüberschreitbarkeit von Diskursen auf (Derrida). Mit ihrer an Nietzsche (Schelkshorn 2009: 18 f.) angelehnten Interpretation des neuzeitlichen Prinzips der subjektiven Freiheit als in Machtverhältnisse eingebundenes Konstrukt verbleiben die postmodernen Kritiker der Moderne jedoch im Innenraum der neuzeitlichen Subjekt/Objekt-Dialektik und geben dieser lediglich eine andere Bewertung. Das von ihnen betriebene Spiel mit immer denselben subjektivitätstheoretischen Variablen (Subjekt, Objekt, Natur, Kultur, Zentrum, Struktur, Differenz, Vermittlung, Identität, Vernichtung, Fiktion) überschreitet nicht den Denkhorizont der Aufklärung, entwirft keine alternativen begrifflichen Unterscheidungen und ist selbst in seinem gegenaufklärerischen Entlarvungspathos noch dem kritischen Geist der Aufklärung verpflichtet (Richter 2013).

Die These der multiple modernities von Shmuel Eisenstadt mit ihren Unterscheidungen von Kultur und Struktur, Zentrum und Peripherie, Eliten und Popularkultur, Markt und Gemeinschaft bewegt sich ohnehin stark in den Bahnen der Modernisierungstheorie, von der sie herkommt, auch wenn die Differenzen mit der Bestreitung von evolutionärer Konvergenz, institutioneller Interdependenz und strukturellem Primat scharf markiert werden. Obschon die Behauptung eines kulturellen Programms der Moderne als Ablehnung der Modernisierungstheorie gemeint ist, erfährt der Modernebegriff bei Eisenstadt eine solche Ausweitung, dass nicht mehr klar ist, wovon er ihn überhaupt abgrenzt.

Auch Chakrabarty (2002: 308) gibt zu verstehen, dass er mit seinem globalisierungstheoretischen Ansatz der Provinzialisierung Europas „kein Programm für eine simple Zurückweisung der Moderne“ verfolgt. Das wäre, erklärt er, nicht nur selbstmörderisch, sondern auch unmöglich, denn die Kritik an der Zentralstellung Europas sei „nicht unabhängig von jener Globalität, die durch die europäische Moderne geschaffen wurde“. Indem das Projekt der Provinzialisierung Europas die privilegierte Erzählung der Moderne durch andere Erzählungen, die sich von erträumten Vergangenheiten und Zukunftsentwürfen nähren, zu überschreiben versuche, betreibe es eine „Politik der Verzweiflung“, denn „innerhalb der bestehenden Strukturen“ gebe es natürlich „keinen Ort, an dem sich solche Träume verankern ließen.“ „Das Projekt der Provinzialisierung Europas muss“, so Chakrabarty (2002: 308 f.) weiter, „in sich selbst seine eigene Unmöglichkeit erkennen.“ So wirkt dieser Versuch wie eine im Protest vollzogene Kapitulation vor der Moderne, die zwar als illegitim gebrandmarkt wird, aber gleichwohl als übermächtige Globalität Anerkennung erfährt.

Und was schließlich die Kritik Ulrich Becks und seiner Anhänger an der Modernisierungstheorie angeht, so ist es gerade dieser sich am schärfsten von der Modernisierungstheorie abgrenzende Ansatz, der zugleich die am weitesten gehenden positiven Anleihen bei ihr macht. Der von der Theorie der Zweiten Moderne postulierte Bruch der Moderne, so muss der erstaunte Rezipient zur Kenntnis nehmen, verbleibe „innerhalb der Organisationsprinzipien der Modernität“ (Beck et al. 2001: 25 f.); er vollziehe sich „auf der Basis ihrer besonderen normativen und kognitiven Infrastruktur: der Idee der politischen Veränderbarkeit von Gesellschaft sowie dem Prinzip der Begründbarkeit und Begründungspflicht von Entscheidungen.“ (ebd.: 26) Was sich zunächst als grundsätzliche Absage an die Moderne und ihre Theorie las, das stellt sich nun in die Kontinuität der Moderne und entwirft sich unter Bezugnahme auf ihren Anspruch auf vernünftige Praxis und legitimierende Rationalität als „rettende Selbstkritik“ (ebd.).

Wenn aber die Modernisierungstheorie auch bei ihren Kritikern den Referenzrahmen der Argumentation abgibt, sei es, dass man sich an ihr negativ abarbeitet, ihre Unterscheidungen weiterführt, vor ihrer Übermacht die Waffen streckt oder sich sogar in die Kontinuität ihrer Basisprinzipien stellt, dann dürfte es geboten sein, die ihr gegenüber vorgebrachten Einwände noch einmal kritisch auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen. Dann ist es nicht mehr zwingend anzunehmen, dass man über sie nur hinauskommt, indem man ihre Grundunterscheidungen aufgibt. Vielmehr liegt es dann nahe, die Modernisierungstheorie sowohl unter Beibehaltung ihrer Basisannahmen als auch unter Aufnahme der an ihr geäußerten Kritik weiterzuentwickeln. Genau das will dieser Artikel tun. In ihm geht es darum, in einem ersten Schritt den Kern des klassischen modernisierungstheoretischen Ansatzes, wie er sich in den 1950er Jahren in der amerikanischen Soziologie herausbildete und von Sozialwissenschaftlern wie Ronald Inglehart, Wolfgang Zapf oder Anthony Giddens bis heute vertreten wird, überblicksartig zu rekonstruieren (2). Daraufhin sollen die wichtigsten Einwände gegen ihn vorgestellt und kritisch diskutiert werden (3). Den Abschluss bildet der Versuch, den Entwurf einer eigenständigen modernisierungstheoretisch inspirierten Theorie der Moderne vorzulegen (4). Dabei kann dieser Entwurf auf Überlegungen und Ideen von Johannes Berger, Niklas Luhmann, Hartmut Rosa, Uwe Schimank, aber auch auf Einsichten und Vorschlägen der Kritiker der Modernisierungstheorie wie Ulrich Beck oder Thomas Schwinn aufbauen.

2 Der Kern der Modernisierungstheorie

Im Unterschied zu den philosophischen Ortsbestimmungen der Moderne entdecken die soziologischen Modernisierungstheorien die Spezifik der modernen Gesellschaft nicht mehr in einem einzigen Prinzip, etwa dem der freiheitlichen Subjektivität, sondern in einer Vielzahl von Dimensionen. Tocqueville, der geniale Analytiker der politischen Macht, gibt den Ton vor. Überwältigt von der Einsicht in den unaufhaltsamen Siegeszug der Demokratie in Amerika und in Europa begreift er nicht nur, dass damit der Wert der Abkunft immer mehr sinkt. Er sieht auch, dass parallel zur Ausbreitung der Gleichheit zwischen den Menschen der Handel eine neue Quelle der Macht wird, dass Eigentum erwerbende Bürger und Finanzleute zu politischen Größen aufsteigen und Wissenschaft und Bildung an Bedeutung gewinnen, dass das Wohl des Staates und der Gesellschaft untrennbar mit der Gewährung politischer Rechte für alle Staatsbürger verknüpft ist und die Demokratie der aufrichtigen und tiefen Achtung des Gesetzes bedarf (Tocqueville 1976: 6 f., 272 f.). In der ganzen christlichen Welt vollziehe sich „die gleiche Umwälzung“ – eine Umwälzung, die dazu geführt habe, dass „die gesellschaftlichen Bedingungen der christlichen Völker sich heute mehr gleichen als irgendwann und irgendwo auf der Welt.“ (ebd.: 8)

So wie Tocqueville gehen auch die Vertreter der Modernisierungstheorie davon aus, dass die Moderne durch einen Satz miteinander zusammenhängender Eigenschaften charakterisiert sei. Daniel Lerner (1968: 387) nimmt fünf „salient characteristics of modernity“ an: ein sich selbst tragendes Wirtschaftswachstum, ein demokratisches Repräsentativsystem, die Verbreitung säkular-rationaler Normen, zunehmende Mobilität und die Ausprägung von empathischer Fremd- und individualistischer Selbstwahrnehmung. Talcott Parsons (1971) identifiziert vier Eigenschaften: Märkte, bürokratische Verwaltung, das Rechtssystem und Demokratie. Unter den neueren Vertretern der Modernisierungstheorie hält Anthony Giddens (1996: 75 ff.) Kapitalismus, Industrialisierung, Nationalstaat und das Machtmonopol des Staates für integrale Bestandteile der Moderne, Wolfgang Zapf (1991: 34) Konkurrenzdemokratie, Marktwirtschaft und Wohlstandsgesellschaft mit Massenkonsum und Wohlfahrtsstaat und Ronald Inglehart (1998) Wertewandel, Anstieg des Lebensstandards und Demokratie.

Die Liste der Modernisierungsmerkmale ließe sich durch Prozessbegriffe wie Urbanisierung, Verrechtlichung, Individualisierung, kulturelle Pluralisierung oder Bildungsexpansion komplikationslos verlängern. Dabei stimmen die meisten Modernisierungstheoretiker darin überein, dass der ökonomischen und politischen Dimension, also ökonomischen Märkten und demokratischen Partizipationsformen mit den ihnen entsprechenden Einstellungskomplexen wie Leistungsbereitschaft, Bildungsaspiration oder Eigenverantwortung das stärkste Gewicht zukommt. Ihren Skopus erhält die Modernisierungstheorie aber erst durch die Annahme, dass die einzelnen Dimensionen nicht unabhängig voneinander auftreten, sondern einen intrikaten Verflechtungszusammenhang bilden (Lipset 1959). Die Behauptung eines nicht-zufälligen Zusammenhangs von wirtschaftlichen, politischen, rechtlichen, kulturellen Veränderungen wie zum Beispiel Wohlstandsanhebung, Demokratisierung, Menschenrechtsgarantie und Individualisierung stellt den Kern der Modernisierungstheorie dar.

Dieser Kern enthält zwei Implikationen. Mit der Qualifizierung eines Systems interdependenter Modernitätsvariablen nehmen Modernisierungstheorien erstens eine Abgrenzung von der Tradition vor. Die Modernitätskennzeichen gelten als Marker für den Unterschied, ja für den Bruch zwischen Moderne und Tradition und zugleich als Voraussetzung für die Erlangung höherer Anpassungs- und Steuerungskapazität. Die Möglichkeit des Übergangs zur Moderne wird so an die Institutionalisierung dieser Spezifika gebunden. Zweitens vollziehen Modernisierungstheorien damit auch innerhalb der Gegenwart eine Unterscheidung von modernen und nichtmodernen Gesellschaften. Nicht alle Gegenwartsgesellschaften können als modern angesprochen werden. „Social, economic, and political unevenness persists, within and across societies.“ (Gluck 2011: 677)

Darüber hinaus werfen Modernisierungstheorien die Frage nach der Entstehung der westlichen Moderne auf. Sofern sie denn einen Bruch zwischen vormodernen und modernen Gesellschaftsformationen unterstellen, steht diese Frage unweigerlich im Raum. Dabei gehen sie davon aus, dass sich der Durchbruch zur Moderne weniger exogenen als endogenen Ursachen verdankt und vorrangig eine Eigenleistung ist (Berger 1996: 47, 54). Schließlich ist mit der Identifikation eines Systems interdependenter Modernitätsvariablen zumeist die These verbunden, dass sich dieses Variablensystem immer mehr durchsetzt und es zu einer zunehmenden Angleichung der Differenzen zwischen moderneren und weniger modernen Gesellschaften kommt.

Die in den modernisierungstheoretischen Ansätzen aufgeworfenen Fragen haben bereits die Klassiker der Soziologie beschäftigt. Was die moderne Welt von der vormodernen unterscheidet, sei es der durchgängige Zug zur Rationalisierung oder die Teilung der sozialen Funktionen, wie sich die Heraufkunft des modernen Industriekapitalismus erklären lässt, in welchem Verhältnis die einzelnen gesellschaftlichen Sphären zueinander stehen, ob im Modus der Konkurrenz und des Konflikts oder der Ergänzung und Unterstützung, und ob die für den Okzident charakteristischen Institutionen und Kulturerscheinungen von universeller Bedeutung und Gültigkeit sind – diese Fragen standen auch im Zentrum der soziologischen Entwürfe Max Webers und Emile Durkheims. Wenn Wolfgang Knöbl (2013: 77 f., 86) die Modernisierungstheorie als ein im Kalten Krieg entwickeltes „amerikanisches Projekt“ zur praktischen Anleitung unterentwickelter Länder auf dem Weg der Angleichung an „das politische, soziale und technologische ‚Niveau‘ westlicher Nationen“ behandelt und ihre genealogischen Bezüge zur soziologischen Klassik ebenso bestreitet (Knöbl 2013: 80; anders Lepenies 2009) wie deren Nähe zu den modernisierungstheoretischen Themen (Knöbl 2015: 261; anders Frisby 1985), dann verfolgt er damit offenkundig das Anliegen, das soziologische Gewicht der Modernisierungstheorie zu ermäßigen, um sie als ein „simples Wandlungsmodell“ (Knöbl 2015: 263) „mit nicht allzu weit zurückreichenden amerikanischen Wurzeln“ (Knöbl 2013: 80) und vorrangig politischen Intentionen guten Gewissens preisgeben zu können. Ebenso dient auch Thomas Mergel (2011: 1, 18) die Interpretation der Modernisierungstheorie als „Derivat der westlichen, europäisch-nordamerikanischen Fortschrittsidee“ dazu, sie theoretisch für „tot“ zu erklären. Wenn jedoch die Modernisierungstheorie tatsächlich nichts anderes war als ein fortschrittsoptimistisches Instrument der Entwicklungssteuerung und Institutionenübertragung, dann kann kaum verständlich gemacht werden, warum sie in der soziologischen Diskussion lange Zeit eine beherrschende Stellung einnahm, warum andere Disziplinen, etwa die Geschichts- oder Politikwissenschaften, nach wie vor auf sie zurückgreifen und warum sie in der Soziologie auch heute noch Attraktivität zu entfalten vermag. Besitzen Modernisierungstheorien tatsächlich keinerlei heuristisches Potential mehr? Worin bestehen denn die zentralen Vorbehalte ihnen gegenüber?

3 Einwände gegen die Modernisierungstheorie

(1) Ein erster Einwand bezieht sich auf das Fortschrittspathos und den Überlegenheitsgestus modernisierungstheoretischer Entwürfe. Die westliche Moderne werde den anderen Gesellschaften als „normatives Zielbild“ (Mergel 2011: 2) vorgehalten, an das sich anzunähern die Bedingung ihrer evolutionären Höherentwicklung sei. Der damit ausgesprochene Vorwurf eines modernisierungstheoretisch implizierten Eurozentrismus ist in Bezug auf die frühen modernisierungstheoretischen Ansätze nicht unberechtigt. Neuere Modernisierungstheorien, wie etwa die von van der Loo und van Reijen (1992) oder Detlev Peukert (1989), verzichten denn auch auf ein positiv aufgeladenes Bild von der Moderne und stellen stärker ihre Ambivalenz, ihren janusköpfigen Charakter und ihre Paradoxien heraus.

(2) Eine zweite Kritik richtet sich auf den theoretischen Modellcharakter und den empirischen Universalitätsanspruch der Modernisierungstheorien. In unzähligen Varianten wird immer wieder Kritik am Notwendigkeitsdenken der Modernisierungstheorien, an ihren Linearitätsunterstellungen sowie an ihrer teleologischen Argumentationsstruktur geübt (Knöbl 2007; Gorski & Altinordu 2008). Die Geschichte lasse sich nicht in das Korsett einliniger Entwicklungshypothesen, vorgezeichneter Zusammenhangsmuster und verallgemeinerbarer Kausalerklärungen einzwängen. Sie sei nicht gekennzeichnet durch lineare Entwicklungen, sondern durch Kontingenz, durch unerwartete Wendungen, deviante Verläufe und zufällige Konstellationen, die alle deterministisch und linear argumentierenden soziologischen Konstruktionen ad absurdum führen (Daniel 1995: 456 ff.; Knöbl 2007, 2009: 803 ff.).

Derartige Vorbehalte finden in den Geschichts- und Sozialwissenschaften derzeit viel Resonanz. Natürlich ist es berechtigt, auf der Berücksichtigung der historischen Besonderheit des einzelnen Falles zu bestehen. Wenig überzeugend aber ist es, wenn man auf die Erkenntnis von Regelmäßigkeiten und Strukturen gänzlich verzichtet und sich wie etwa Wolfgang Knöbl (2007, 2009) mit dem Aufweis von der Modernisierungstheorie widersprechenden Ereignissen und Prozessen begnügt. Erst vor dem Hintergrund von Mustern lassen sich Abweichungen und Brüche überhaupt erkennen. Wer der Kontingenz der Moderne und der Zufälligkeiten in der Moderne ansichtig werden will, bedarf einer Definition der Moderne (Schwinn 2009a: 820). Um die Erstellung einer solchen Definition muss es einem revidierten modernisierungstheoretischen Entwurf mithin prioritär gehen.

(3) Damit sind wir bereits bei dem nächsten Vorbehalt gegenüber der Modernisierungstheorie, denn diese behauptet einen nicht zufälligen, interdependenten Verflechtungszusammenhang zwischen Entwicklungen in Wirtschaft, Politik, Recht und Kultur. Genau gegen diese ‚Dominotheorie‘ richtet sich der Haupteinwand der Kritiker der Modernisierungstheorie. Prozesse der Demokratisierung, der Wohlstandsanhebung, des Bildungsanstiegs, des Ausbaus des Rechtssystems – oder welche sonstigen Modernisierungsschübe auch immer angeführt werden – stünden weder strukturell noch kulturell in einem deterministischen Verflechtungszusammenhang (Eisenstadt 2000; Schwinn 2006: 24). Ihre interdependente Notwendigkeit lasse sich auch nicht aus Funktionserfordernissen ableiten, da Funktionserfordernissen keine kausale Erklärungskraft zukomme (Schwinn 2001: 55). Die Moderne stelle kein Ordnungsmuster dar, kein System und schon gar nicht eine Einheit, sondern zeige ganz unterschiedliche Formen der Verknüpfung zwischen ihren institutionellen und kulturellen Elementen (Eisenstadt 2000: 11).

Sollte dieser Einwand zutreffend sein, müsste das Argumentationsgerüst der Modernisierungstheorie in der Tat fallengelassen und nach Alternativen Ausschau gehalten werden. Mit der Behauptung eines intrikaten Verflechtungszusammenhangs zwischen wirtschaftlicher Prosperität, politischer Freiheit, Eigentumsgarantie und sozialer Absicherung steht und fällt die Modernisierungstheorie.

Tatsächlich kann die Herausbildung von aufeinander angewiesenen modernen Institutionen wie Marktwirtschaft, Wissenschaft, Demokratie oder Rechtsstaat nicht problemlos auf funktionale Erfordernisse zurückgeführt werden. Gesellschaftlich erforderliche Funktionen lassen sich soziologisch kaum identifizieren (Schimank 1985); vor allem aber ist es ausgeschlossen, aus ihnen die Entstehung gesellschaftlicher Ordnungen und Institutionen abzuleiten (Schwinn 2009b: 458 f.). Wie aber ist der behauptete Interdependenzzusammenhang zwischen den modernen Institutionen dann zu denken?

Um den funktionalistischen Fehlschluss zu vermeiden, halten es viele für erforderlich, der Analyse der Beziehungen zwischen Strukturen und Prozessen auf der Makroebene eine akteurtheoretische Fundierung und Ergänzung zu geben (Joas 1992: 336; Esser 2000; Schwinn 2001; Schimank 2005). Dieser Vorschlag läuft nicht auf eine Ersetzung makrosoziologischer Theorien durch mikroskopische Analysen hinaus, sondern darauf, Makro- und Mikroebene zu relationieren. Dabei kann man sich stärker am subjektiv gemeinten Sinn der Akteure orientieren oder stärker an den Sinnzuschreibungen anderer Akteure (Nassehi 2003: 28 ff.), zwischen sozialen Systemen und Akteurhandlungen vermittelnde Prozessketten herauszuarbeiten versuchen (Esser 2000: 33; Schimank 2009) oder auch die Bedeutung von Wiederholungen, Nachahmungen und sich einspielenden Gewohnheiten für die Herausbildung makrosozialer Strukturen betonen (Soeffner 1989: 178). Doch lassen sich Beziehungsmuster des Sozialen tatsächlich auf Handlungen von Akteuren und ihre Interaktionen zurückführen? Makrostrukturen sind aus Ereignissen, Handlungen oder gar aus Handlungsintentionen nicht umstandslos ableitbar. Eine akteurtheoretisch argumentierende Modernetheorie, die den von ihr behaupteten Verflechtungszusammenhang zwischen politischen, wirtschaftlichen, rechtlichen, wissenschaftlichen Strukturen und Prozessen erklären will, ist herausgefordert, einen soziologisch plausiblen Vorschlag zur Verknüpfung von Mikro- und Makroebene vorzulegen.

(4) Die Modernisierungstheorie nimmt jedoch nicht nur an, dass die im Westen entwickelten Hauptmerkmale der Moderne eng zusammenhängen, sondern dass sich das westliche Projekt der Moderne auf der ganzen Welt durchsetzt. Gegen diese Vorstellung wird seit einigen Jahren die Idee der multiple modernities in Stellung gebracht. In den verschiedenen Gegenwartsgesellschaften würden, so Shmuel Eisenstadt (2000: 10 f.), die voneinander unabhängigen Merkmale der Moderne ganz unterschiedlich miteinander kombiniert. Die Entwicklungen in unserem Zeitalter sprächen nicht für Konvergenz, sondern für die große und zunehmende „Vielfalt moderner Gesellschaften“ (ebd.). Prüfen muss eine Auseinandersetzung mit der Kritik an der Modernisierungstheorie also auch, inwieweit Tendenzen der Divergenz gegenüber solchen der Konvergenz überwiegen. Das wird nur möglich sein, wenn sich klare Indikatoren ausmachen lassen, anhand derer sich der Modernisierungsgrad von Gesellschaften bestimmen lässt.

(5) Die modernisierungstheoretischen Interdependenzunterstellungen gehen mit der Annahme eines scharfen Bruches zwischen Moderne und Tradition Hand in Hand. Auch gegen diese Annahme richtet sich die Kritik. Bereits in den sechziger Jahren stellte Joseph R. Gusfield (1966; vgl. auch Bendix 1967) die These auf, dass Tradition und Moderne sich nicht ausschlössen, zwischen beiden vielmehr ein Kontinuum bestehe und Traditionen vielfach selbst ein Mittel der Modernisierung seien. Die von Marion J. Levy (1952) und anderen behauptete Antithese zwischen askriptiven, partikularistischen und funktional diffusen Normen in traditionalen Gesellschaften und leistungsbezogenen, universalistischen und funktional spezifischen Werten in modernen Gesellschaften müsse aufgegeben werden. Vormoderne Gesellschaften seien nicht statisch, homogen und undifferenziert, sondern flexibel, konfliktreich und differenziert; so wie sich auch moderne Gesellschaften nicht einfach aus dem Gegensatz zur Tradition definieren ließen.

Hinter dem modernisierungstheoretischen Dualismus zwischen einer homogenen Vormoderne und einer differenzierten Moderne steht, so Andreas Reckwitz (2008: 227), die Tönnies’sche Unterscheidung zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft, die letztendlich auf Durkheim mit seiner Differenzierung zwischen mechanischer und organischer Solidarität zurückgeht. Talcott Parsons hat sie in seinen pattern variables aufgenommen, die dann von den frühen Modernisierungstheoretikern, unter anderem von Marion J. Levy, benutzt wurden, um moderne von traditionalen Gesellschaften abzugrenzen. Dass diese Abgrenzung in die Irre führe, wird bis in die jüngste Zeit hinein behauptet (Graf 2005: 239; Schwinn 2006: 11 f.; Casanova 2008: 320). Dabei hängt die Beantwortung der Frage, ob sich die Unterscheidung von Moderne und Vormoderne aufrechterhalten lässt, natürlich wiederum von der Definition der Moderne ab.

Die wesentliche Aufgabe einer zu reformulierenden Modernisierungstheorie besteht also zunächst einmal darin, die zentralen Strukturmerkmale moderner Gesellschaften ausfindig zu machen. Erst dann lässt sich zeigen, ob und wie stark die Moderne von vormodernen Gesellschaften differiert, ob die Verschiedenartigkeit unterschiedlicher moderner Gesellschaften gegenüber ihren Gemeinsamkeiten überwiegt, ob es in letzter Zeit eher zu einer Divergenz oder einer Konvergenz zwischen ihnen gekommen ist und inwieweit ihre einzelnen Elemente interdependent miteinander zusammenhängen. In dem hier angestellten Bemühen um eine Bestimmung der Merkmale der Moderne soll es weder darum gehen, zu den geläufigen Charakterisierungen weitere hinzuzufügen (so Dipper 2010, der acht Basisprozesse ausmacht), noch darum, „weniger geläufige Gesichtspunkte“ vorzuschlagen (wie etwa Osterhammel 2009: 1286 ff.) oder wie die aufklärerische Philosophie Modernität gar auf ein letztes Prinzip zurückzuführen. Vielmehr soll ein Abstraktionsniveau gewählt werden, das es erlaubt, immer wieder herausgehobene Kennzeichnungen der Moderne zu wenigen Struktur- und Prozessmerkmalen zusammenzuziehen. Die hier vorgelegte Skizze einer Theorie der Moderne schließt daher an eingeführte Theorieansätze der Soziologie an, kritisiert und ergänzt sie jedoch an verschiedenen Stellen und nimmt eine selbständige Verknüpfung zwischen ihnen vor.

4 Entwurf einer Theorie der Moderne

Der hier skizzierte Entwurf einer Theorie der Moderne greift auf drei soziologische Theoriestränge zurück: die Differenzierungstheorie, die Individualisierungsthese sowie die Kapitalismustheorie und ergänzt diese Ansätze durch das Beschleunigungsmodell Hartmut Rosas, die integrative Theorie funktionaler Differenzierung von Uwe Schimank sowie die neomodernisierungstheoretische Perspektive Johannes Bergers. Die Differenzierungstheorie, die von Durkheim ebenso vertreten wurde wie von Weber, Parsons, Bourdieu und Luhmann, ist die vielleicht bedeutendste unter den soziologischen Theorieansätzen. Entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil hat sie in allen ihren Varianten eine starke kulturtheoretische Ausrichtung. Das gilt selbst für die funktional-strukturalistische Systemtheorie Niklas Luhmanns, an die hier vor allem angeknüpft werden soll. In ihr sind die ausdifferenzierten gesellschaftlichen Teilsysteme durch Codes konstituiert und weisen insofern einen kulturellen Zuschnitt auf (so scharfsichtig bereits Berger 1987: 139, ebenso Schimank 2015). Unterbelichtet sind in der Luhmannschen Fassung der Differenzierungstheorie jedoch Aspekte der sozialen Ungleichheit und der Individualisierung (vgl. aber Luhmann 1993). Gerade letztere sind, wie dieser Aufsatz zu zeigen versucht, mit der Differenzierungstheorie durchaus kompatibel. Die Schwachstelle der Individualisierungstheorie Ulrich Becks liegt in der nüchternen Analyse von Organisationen, Märkten und Gemeinschaften. Deshalb ergänzt der hier vorgelegte Entwurf die Individualisierungstheorie durch die These der zunehmenden Auseinanderziehung der mikro-, meso- und makrosozialen Konstitutionsebenen, die es erlaubt, Prozesse der Individualisierung und Prozesse des Ausbaus formaler Organisationen sowie der Markterweiterung zusammenzudenken. Die Kapitalismustheorie wiederum scheint differenzierungstheoretisch weitgehend blind zu sein, weshalb sie hier von Vornherein differenzierungstheoretisch eingeordnet und als ein Teilaspekt der Differenzierungstheorie behandelt werden soll.

Das Anliegen des hier vorgestellten Entwurfs besteht nicht darin, aus unterschiedlichen Bausteinen ein Theoriemodell eklektisch zusammenzusetzen. Vielmehr soll unter Aufnahme unterschiedlicher Theorieperspektiven eine kohärente theoretische Konstruktion errichtet werden, mit der sich wesentliche Charakteristika moderner Gesellschaften erfassen lassen. Der Theorieentwurf besitzt eine einfache konstitutionstheoretische Architektur. Mit funktionaler Differenzierung wird die horizontal verlaufende Gliederung der modernen Gesellschaft bezeichnet. Die Unterscheidung von mikro-, meso- und makrosozialen Konstitutionsebenen dient der Kennzeichnung der quer dazu verlaufenden vertikalen Differenzierung der Gesellschaft. Diese übersichtliche Strukturierung kann durch Analysen zu den unterschiedlichen Teilsystemen der Gesellschaft oder auch durch Untersuchungen auf den unterschiedlichen Konstitutionsebenen angereichert und konkretisiert werden. Im hier gesetzten Rahmen soll nur ein dabei möglicher Aspekt angerissen werden: die Ausbildung unterschiedlicher Wettbewerbsarenen auf der Makroebene.

4.1 Funktionale Differenzierung

Die soziologische Differenzierungstheorie hat seit Spencer ihr Zentrum nicht nur in der Prämisse, dass sich die Gesellschaft im Laufe der Evolution differenziert, sondern verknüpft diese Prämisse mit der Behauptung, dass sich in diesem Differenzierungsprozess die Form der Differenzierung verändert und aus funktional diffusen funktional differenzierte Strukturen entstehen (Tyrell 2008: 80 f.). In der am weitesten entwickelten Ausarbeitungsgestalt dieser Theorie, der Systemtheorie, wird die Emergenz der modernen Gesellschaft als Umbau der Gesellschaftsstruktur von Stratifikation auf funktionale Differenzierung gefasst, aufgrund derer sich unterschiedliche gesellschaftliche Funktionsbereiche – Recht, Wissenschaft, Ökonomie, Politik, Kunst – herauskristallisieren, die jeweils ihren eigenen Codes und Funktionsprinzipien folgen (Luhmann 1997). Diese Funktionsbereiche seien sowohl durch ein hohes Maß an Eigendynamik als auch durch wechselseitige Abhängigkeit charakterisiert. Das ist die erste der hier vertretenen Thesen: dass die Vielfalt der Gesellschaft in der Moderne nicht mehr auf eine Spitze zuläuft, die wie noch das Papsttum im Mittelalter in der Lage ist, Suprematie über alle anderen Bereiche der Gesellschaft zu reklamieren und das Ganze zu repräsentieren; sondern dass die moderne Gesellschaft durch funktionale Differenzierung charakterisiert ist, also durch die Ausdifferenzierung unterschiedlicher gesellschaftlicher Wertsphären und Strukturen,[1] die, ohne in eine Hierarchie gebracht werden zu können und gesellschaftsübergreifenden Normen und Weltbildern zu folgen, polyzentrisch nebeneinander stehen.

Im Verhältnis der Teilsysteme zueinander herrscht oft desinteressierte Indifferenz. Es kann aber auch Kooperation, Austausch, wechselseitige Entlastung sowie unbequeme Interferenzen, gegenseitige Einflussnahmen und konfliktive Auseinandersetzungen geben. Die Eigendynamik der Funktionssysteme schließt Interdependenzen und grenzüberschreitende Kommunikationen mithin nicht aus, sondern ein. Durch funktionale Differenzierung wird, wie Luhmann (1986: 86 f.) erklärt, die Abhängigkeit der ausdifferenzierten Funktionsbereiche gesteigert. Funktionale Eigendynamik meint also nicht Autarkie. Vielmehr läuft in sich wechselseitig überlappenden System/Umwelt-Verhältnissen funktionale Differenzierung weder auf die Hypostasierung eines alle Teile umfassenden Ganzen noch auf die Isolation eines Partikularen, sondern auf die Relationierung des Unterschiedenen hinaus. Deshalb stellen die zwischen den Gesellschaftsbereichen bestehenden Interdependenzen nicht eine Form der Entdifferenzierung dar. Entdifferenzierung bezeichnet den Einbau systemischer Fremdrationalität in ausdifferenzierte Sinnzusammenhänge (Gerhards 1991) und damit die Vermischung unterschiedlicher Sinnrationalitäten: Die Politik gibt vor, was wissenschaftlich wahr ist, die Wissenschaft, was geglaubt werden darf, die religiöse Moral, wie ökonomisch gehandelt werden soll. Im Falle von Interdependenz, Ressourcentransfer und Interpenetration werden unter den Bedingungen funktionaler Differenzierung die Grenzen zwischen den Bereichen jedoch bewahrt.

Allerdings sind die Trennlinien zwischen den Bereichen weder invariabel noch undurchlässig. Das Finanzsystem muss politische Eingriffe ebenso hinnehmen wie das Wissenschaftssystem, das wirtschaftliche System ist von moralischen Erwägungen so wenig frei wie die Medizin, und auch zwischen Religion und Medizin oder Seelsorge und Psychologie lassen sich mannigfach Überschneidungen beobachten. Wo die Grenzen zwischen den einzelnen gesellschaftlichen Bereichen jeweils verlaufen, ist umstritten. Zwar können Grenzen der gesellschaftlichen Teilbereiche dauerhaft nur von innen her aufgerichtet werden. Von außen ist nur Destruktion, nicht Instruktion möglich (Luhmann 1997: 753). Welche Leitwerte und Grenzziehungen Gültigkeit beanspruchen können, unterliegt jedoch Aushandlungsprozessen und sozialen Kämpfen.[2] Leistungsproduzenten eines Systems ringen mit Leistungsproduzenten anderer Systeme, aber auch mit innersystemischen Konkurrenten um die Bestimmung des systemischen Codes, die Kriterien seiner Erfüllung, die Grenzziehung zu anderen Systemen sowie um die Resonanz bei den Leistungsabnehmern.[3] Immer wieder werden aufgerichtete Leitdifferenzen und die ihnen entsprechenden institutionellen Arrangements durch innersystemische Konkurrenten, durch Leistungsproduzenten anderer Systeme oder auch durch Leistungsabnehmer in Frage gestellt. Immer wieder werden die etablierten Leistungsproduzenten eines Systems herausgefordert, sich zum Anwalt der angegriffenen Leitdifferenz zu machen und diese durch wiederholte Bezugnahme auf sie zu stärken. Die Leistungsabnehmer und die Leistungsproduzenten anderer Systeme können den Operationsmodus der Leistungsträger eines Teilsystems ungewollt sogar selbst bestätigen, indem sie seine Leistungen in Anspruch nehmen. Er bleibt gleichwohl umstritten.

Der Ausgang dieser Kämpfe hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, wird letztendlich aber von einem simplen Anerkennungskriterium bestimmt. Es setzen sich diejenigen Regeln und Leitdifferenzen durch, die Resonanz finden, an die angeschlossen wird, auf die man sich beruft, auf denen man aufbaut und die man gegen Kritik verteidigt. Die Leitunterscheidungen konstituieren sich kumulativ (Nassehi 2004: 108) und aversiv. Im Vollzug der Grenzarbeiten am Feld (Reuter 2009) und an den internen Codes des ausdifferenzierten Feldes bilden sich immer wieder benutzte Kanäle und Austauschbeziehungen, man könnte sagen: Trampelpfade der sozialen Interaktion heraus, die sich durch wiederholte Anschlusshandlungen und durch Abweisung von Abweichungen verstärken.[4] Auf wissenschaftlichen Methoden beruhendes neues Wissen knüpft an methodisch hergestelltes altes Wissen an und sortiert methodologisch unqualifiziertes Wissen aus; Rechtsprechungen berufen sich auf Rechtsgrundsätze und bereits erfolgte Rechtsprechungen und sperren sich gegen rechtsfremde Gesichtspunkte; die marktinduzierte Festsetzung von Preisen reguliert Zahlungen und schottet sich gegen die staatliche oder moralische Beeinflussung von Preisen ab usw. Die ausdifferenzierten Codes und Prinzipien hören damit nicht auf, umkämpft zu sein, und können immer wieder partiell außer Kraft gesetzt werden, gewinnen aber durch die kumulativen und aversiven Folgehandlungen eine relative, sich operativ wechselseitig bestärkende Stabilität, die ihre Rücknahme unwahrscheinlich macht, obschon sie prinzipiell nicht ausgeschlossen ist.[5] Um ein Beispiel zu geben: Demokratien können, wie die Geschichte zeigt, untergehen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich durch rekursive Redundanzen stabilisieren, ist größer und wächst, wie die seit 1945 weltweit zunehmende Zahl funktionierender Demokratien demonstriert, weiter an.

Verstetigen kann sich die Regelkonformität dadurch, dass regelwidrige Störungen und Interferenzen in die Unsichtbarkeit abgedrängt werden und Anschlusshandlungen an die sichtbare Seite des so Unterschiedenen anknüpfen und diese dadurch bestärken. Wie Forschungsergebnisse zustande gekommen sind, welche ökonomischen Rahmenbedingungen und politischen Einflussnahmen etwa eine Rolle spielten, wird abgeblendet; am Ende der Forschung steht die Publikation, gewissermaßen die Lichtseite der wissenschaftlichen Arbeit, an die angeknüpft und im Rahmen des Codes wahr/unwahr weiter kommuniziert werden kann.[6] Welche alltagsweltlichen Erfahrungen und politischen Interessen die Rechtsprechung beeinflusst haben, wird unsichtbar gehalten; als gültig werden die auf rationalen Argumentationen fußenden Urteilsbegründungen behandelt, die zur Grundlage weiterer rechtlicher Entscheidungen dienen. Auch wenn, getragen von den Leistungsproduzenten, immer wieder Selbstbehauptungsstrategien anlaufen, code-inadäquate Kommunikationen in die Unsichtbarkeit abgedrängt werden, selbstreferentielle Verstärkungen zur Verfestigung von Kommunikationskanälen beitragen und im Falle von Code-Verletzungen „thematische Reinigungen“ (Tyrell 2008: 89) vorgenommen werden, ist eine Bewahrung der führenden Leitdifferenz freilich niemals garantiert.

Das hat vor allem damit zu tun, dass entgegen systemtheoretischer Annahmen die einzelnen Funktionssysteme keine aus sich heraus begründete Autonomie besitzen. Die Wissenschaft muss auf Grundlagensicherheit verzichten. Ob ihre Erkenntnisse mit den Dingen übereinstimmen, dafür gibt es keine Gewissheit. Sie kann Methoden entwickeln und klare Begrifflichkeiten und Modelle, die die wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnisse intersubjektiv überprüfbar machen. Aber ob sie wahr sind, darüber geht der wissenschaftliche Streit, der nie an ein Ende kommen kann. Was wahr ist, unterliegt dem interaktiven Aushandlungsprozess, der sich durch Zeitschriftenveröffentlichungen, Reviewverfahren, Evaluationen, Begutachtungen, Diskussionen institutionalisieren lässt. Es gibt jedoch nicht den archimedischen Punkt, von dem her Wahrheit zu begründen wäre, wie Descartes noch gemeint hatte. Ebenso lebt aber auch der demokratische freiheitliche Staat von Voraussetzungen, die er nicht selbst garantieren kann (Böckenförde 1967). Anders als der absolutistische Staat kann er die Loyalität seiner Bürger nicht autoritativ erzwingen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben. Er ist auf die demokratische Gesinnung seiner Bürger angewiesen, wenn er nicht Gefahr laufen will, durch seine eigenen Verfahren abgeschafft zu werden – wofür der Nationalsozialismus ein dramatisches Beispiel abgibt. Da die Bürger in einer Demokratie diese auch abwählen können, besitzt eine demokratische Staatsordnung, die das Selbstbestimmungsrecht seiner Bürger zur Voraussetzung hat, keine sicheren Grundlagen. Aber auch die auf Profit und Rentabilität abzielende ökonomische Kernoperation ist nicht in der Lage, sich selbst zu sichern. Auch der kapitalistische Markt beruht auf einer Reihe von Umweltbedingungen, die er nicht selbst zu gewährleisten vermag. Dazu gehören die Garantie von Eigentumsrechten, die Institutionalisierung fairer Wettbewerbsbedingungen, etwa durch die Gründung von Kartellaufsichtsbehörden, die Gewährleistung politischer Stabilität und wahrscheinlich auch der Aufbau einer Kultur des Vertrauens.

Die oft in Anspruch genommene und behauptete Autonomie der Teilsysteme steht also auf tönernen Füßen. Letztendlich beruht die relative strukturelle und kulturelle Selbständigkeit eines Teilsystems auf seiner Abhängigkeit von anderen Teilsystemen, auf den Leistungen, die diese erbringen, und der dadurch gewährten Entlastung. Wirtschaftliche Prosperität trägt zu politisch stabilen Verhältnissen bei, rechtsstaatliche Bestimmungen garantieren dem wirtschaftlichen Handeln einen verlässlichen Rahmen, politische Partizipation profitiert von einem hohen Bildungsniveau, Abbau sozialer Ungleichheiten befördert die Herausbildung zivilgesellschaftlicher Assoziationen, technische Innovationen kommen dem Wirtschaftswachstum zugute usw. Die relative funktionale Selbständigkeit der gesellschaftlichen Teilsysteme ist mithin stark außenabhängig und verdankt sich letztlich günstigen Kontextbedingungen. Zwar bauen sich die ausdifferenzierten wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, politischen, rechtlichen Sinn- und Handlungszusammenhänge durch einen selbstreferentiellen Operationsmodus kumulativ und aversiv auf. Damit die Ausdifferenzierung aber überhaupt zustande kommen und sich stabilisieren kann, bedarf es spezieller Voraussetzungen in der Umwelt.

Daraus könnte sich auch erklären, warum sich moderne Institutionen, zum Beispiel demokratische Assoziationen, zumeist nicht isoliert herausbilden, sondern oft in engem Zusammenhang mit anderen modernen, etwa marktwirtschaftlichen, rechtsstaatlichen und sozialstaatlichen Strukturen entstehen und die isolierte Einführung moderner Institutionen, zum Beispiel marktwirtschaftlicher Elemente, zu besonderen innergesellschaftlichen Spannungen und Konflikten führt.[7] Die Ausdifferenzierung von Funktionssystemen ist vielleicht weniger auf funktionale Erfordernisse zurückzuführen als auf die umweltbedingte Erweiterung von Gelegenheitsstrukturen: Wenn die Wirtschaftsleistung steigt, stellt die Wirtschaft Ressourcen bereit, aufgrund derer sich politisch, kulturell, sozial neue Handlungsgelegenheiten ergeben. Mit den wirtschaftlich zur Verfügung gestellten Ressourcen können das Bildungssystem, die sozialen Sicherungssysteme, das Gesundheitswesen, die Kunstförderung ausgebaut werden. Erhöht sich das Bildungsniveau der Bevölkerung, steigt auch ihre Bereitschaft zum politischen Engagement. Mit der Ausweitung der politischen Partizipation erhöht sich das Vertrauen in staatliche Institutionen. Gewinnen rechtsstaatliche Sicherungen, zum Beispiel garantierte Eigentumsrechte, an Verlässlichkeit, beflügelt dies die Risikobereitschaft wirtschaftlicher Unternehmer usw.[8]

Der hier skizzierte Zusammenhang zwischen Ressourcenvermehrung, funktionaler Differenzierung und funktionaler Verkopplung wird in den sozialwissenschaftlichen und sozialgeschichtlichen Analysen zur Entwicklung der modernen Gesellschaften Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg zumeist tatsächlich auch vorausgesetzt. Dabei bildet den Ausgangspunkt der Argumentation in der Regel das exponentiell angestiegene Wirtschaftswachstum, dessen zentrale Komponente technologische Entwicklungen sind. In Deutschland zum Beispiel fiel das wirtschaftliche Wachstum allein in den 1950er Jahren doppelt so hoch aus wie zwischen 1800 und 1950 (Miegel 1983: 176 ff.). Zwischen 1950 und 1989 war es dreizehnmal so hoch wie in den 50 Jahren zuvor (Geißler 2008: 69 f.). Die gewachsene Wirtschaftskraft erlaubte nicht nur den Ausbau des Bildungswesens, der Gesundheitsversorgung und der sozialen Sicherungssysteme. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung erhöhte sich auch das Volumen an verfügbarer Freizeit und verringerte sich der Anteil harter körperlicher Arbeit. Völlig neue Unterhaltungs-, Musik- und Freizeitpräferenzen entstanden. Wirtschaftliche Absicherung, erhöhte Bildung und gewachsene Zeitreserven waren aber auch wichtige Voraussetzungen für steigende politische Partizipationsansprüche und für einen Wandel der dominanten Wertorientierungen. Wie seit Ronald Ingleharts (1977, 1990) bahnbrechenden Arbeiten immer wieder aufgewiesen, kam es mit der Erhöhung des Lebensstandards zu einem Wandel von auf materielle Sicherung und Ordnung ausgerichteten Werten zu postmaterialistischen Orientierungen, der seinerseits Auswirkungen auf das Konsumverhalten, auf den präferierten Lebensstil, die Geschlechterordnung oder die Religiosität hatte. All diese in den meisten westeuropäischen Ländern nahezu gleichzeitig und in allen sozialen Bereichen parallel ablaufenden Veränderungen lassen sich nicht allein funktional erklären, wohl aber als eine Folge der Erweiterung wirtschaftlich, politisch, kulturell, sozial bedingter Opportunitätsstrukturen. Es ist klar, dass unter theoretischen Gesichtspunkten keiner dieser Veränderungen Priorität zukommen muss, weder den ökonomischen noch den kulturellen oder den politischen. Es ist empirisch gesehen aber äußerst naheliegend, dass das gleichzeitige Auftreten dieser Veränderungen in den einzelnen Ländern nicht zufällig ist, sondern einen intrikat verbundenen Verflechtungszusammenhang darstellt. Im Gegensatz zu den Kritikern der Modernisierungstheorie scheint es zwischen der Ausdifferenzierung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereiche starke Interdependenzen zu geben. Die sog. Lipset-These etwa, der zufolge mit wachsendem Wohlstand die Chancen der politischen Demokratisierung steigen, wurde empirisch immer wieder bestätigt (Lipset 1959: 27 ff.; Diamond 1992; Barro 1996: 23; als Überblick: Geddes 2013).

Dabei ist es offenbar der Bereich von Öffentlichkeit, Zivilgesellschaft und Massenmedien, der in starkem Maße darüber bestimmt, welcher Wert den Produkten der einzelnen Teilsysteme zukommt.[9] Die Öffentlichkeit diskutiert über diesen Wert, interpretiert ihn, variiert ihn, streitet über ihn und zerstreitet sich vielleicht sogar über ihn. Insofern stellen die teilsystemischen Leistungen nicht einfach objektive Werte dar, sondern unterliegen der öffentlichen Aushandlung und dem öffentlichen Diskurs. Nur wenn ein Teilsystem Leistungen hervorbringt, die auf öffentliche Anerkennung stoßen, kann es seine Eigenständigkeit bewahren. Das heißt nicht, dass die zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit das sich selbst organisierende Steuerungszentrum der Gesellschaft ist, in dem sich die Strahlen der Gesellschaft im Ganzen bündeln, so wie es etwa Rödel, Frankenberg und Dubiel (1989: 103) unterstellen. So wenig ein einzelnes Funktionssystem die Führung der Gesellschaft übernehmen kann und so wenig es unter den Bedingungen ausdifferenzierter Funktionssysteme eine einheitliche Weltinterpretation geben kann, so wenig kann die Zivilgesellschaft die Gesellschaft im Ganzen repräsentieren. Ebenso wenig vermag die Zivilgesellschaft an die Stelle des Staates oder der Wirtschaft oder des Rechts oder anderer gesellschaftlicher Großsubjekte zu treten (Habermas 1992: 450). Funktionale Differenzierung ist stets mehrgipflig.

Das hat auch Konsequenzen für das Individuum. Auf der individuellen Ebene hat die funktionale Differenzierung der modernen Gesellschaft die Compartmentalization des Selbst zur Folge (Dobbelaere 2002). Wenn auf der Makroebene in modernen Gesellschaften die Möglichkeiten und sogar der Bedarf abnehmen, Integration durch allgemeinverbindliche Normen und Werte sicherzustellen, wird es in modernen Gesellschaften auch für die Individuen schwerer und unnötiger, ihre Lebensführung noch von einem Gesichtspunkt her zu steuern. Das Individuum spielt in den unterschiedlichen Handlungsbereichen vielmehr äußerst unterschiedliche Rollen, aus deren Kombination es einen Großteil seiner Unverwechselbarkeit bezieht.[10]

4.2 Ebenendifferenzierung

Quer zur funktionalen Differenzierung, die sich horizontal vollzieht, gibt es in modernen Gesellschaften auch eine Form der vertikalen Differenzierung. In modernen Gesellschaften tretennicht nur die Funktionsbereiche, sondern auch die sozialen Konstitutionsebenen mehr und mehr auseinander.[11] In der Moderne lassen sich Gesellschaften nicht mehr auf Personen und auch nicht mehr auf Interaktionen zwischen Anwesenden und Gemeinschaften zurückführen. Moderne Gesellschaften sind keine Anwesenheitsgesellschaften, in denen der unmittelbaren Interaktion und dem gesprochenen Wort eine konstitutive Rolle zukommt. Vielmehr nehmen die Abstände zwischen personaler, interaktionell-gemeinschaftlicher, institutionell-organisatorischer und gesamtgesellschaftlicher Ebene zu. Aufgrund der zunehmenden Ebenendifferenzierung gewinnen Systemtypen auf der Mesoebene in der Vermittlung zwischen Individuum und Gesellschaft eine besondere Bedeutung. Organisationen (man denke etwa an Betriebe, Kliniken, Schulen, Gewerkschaften, Parteien, Freiwilligenorganisationen usw.) übernehmen einerseits die Aufgabe, gesellschaftliche Erwartungen an den Einzelnen zu adressieren, und andererseits die Funktion, individuelle Bedürfnisse zu rezipieren und zu bearbeiten. Märkten und Gemeinschaften kommen ähnliche Funktionen zu.[12]

Anthony Giddens (1996: 40 ff.) stellt insbesondere die Bedeutung von Expertensystemen (Telefonnetze, Wasserversorgungssysteme, Kliniken, Fluggesellschaften, Eisenbahnen) für die Vermittlung von Individuum und Gesellschaft heraus. Meist fehlt dem Einzelnen das Wissen, wie diese Systeme funktionieren und wie ihre Funktionstüchtigkeit aufrechterhalten werden kann. Aufgrund der Ebenendifferenzierung hat der Einzelne in modernen Gesellschaften – anders als in einfachen Gesellschaften, in denen er mit den Lebensgrundlagen seiner Gesellschaft gut vertraut ist – meist keinen direkten Zugang zu den Techniken, die sein Leben bestimmen (Lübbe 1990: 45 f., 48; vgl. auch schon Weber 1988: 594). Stattdessen ist er darauf angewiesen, den Experten zu vertrauen. Dieses Vertrauen ist in der Regel unpersönlich, da die Experten gewöhnlich im Verborgenen, auf der Hinterbühne des Geschehens, arbeiten, und es ist ambivalent. Wir wissen nicht, inwieweit wir uns auf das Funktionieren der Expertensysteme verlassen können und haben zugleich doch keine andere Wahl, als ihnen zu vertrauen. Respekt ist so mit Skepsis vermischt und für Kritik immer anfällig. Manchmal treffen wir mit den Experten der technischen Systeme persönlich zusammen. Das sind Begegnungen, die unser Vertrauen in die Expertensysteme bestärken können, aber auch Gelegenheiten der Verletzung des Vertrauens.

Die Vermittlung der unterschiedlichen Ebenen ist insofern auf der einen Seite von der Effektivität der auf den einzelnen Ebenen erbrachten Leistungen abhängig, auf der anderen aber auch eine Fiktion. Gewonnenes Vertrauen kann sich verfestigen und eine gewisse Performanzunabhängigkeit gewinnen. Es muss durch Leistungen nicht beständig bestärkt werden. Ebenso können Institutionen und Organisationen, obschon sie effektiver operieren, wenn sie kulturell unterstützt werden, aber auch bei Vertrauensverlusten überleben. Aufgrund der gewachsenen Ebenendifferenzierung muss es zwischen gesellschaftlichen Institutionen und Bevölkerung keine permanente wechselseitige Rückkopplung geben. Treten institutionelle Performanz und kulturelle Bevölkerungseinstellungen zu weit auseinander und hält die Kluft über längere Zeit an, kann dies allerdings zu empfindlichen Störungen der eingerichteten Abläufe führen.

Für das Individuum hat die Auseinanderziehung der gesellschaftlichen Konstitutionsebenen zur Folge, dass es aus gesellschaftlichen Bindungen zunehmend freigesetzt wird und seine Abhängigkeit von gesellschaftlichen Kontexten nachlässt. Die damit aufgenommene Individualisierungsthese von Ulrich Beck (1983, 1986) besagt bekanntlich, dass sich das Individuum aus vorgegebenen Sozialformen wie Nachbarschaft, Region, Milieu, Stand und Klasse zunehmend herauslöst und mehr und mehr selbst über sein Leben bestimmt, dass es in diesem Freisetzungsprozess traditionale Sicherheiten verliert und durch seine Einbindung in moderne Institutionen wie den Arbeitsmarkt, das Sozialsystem oder das Bildungssystem eine neue Unmittelbarkeit von Individuum und Gesellschaft oder, wie Beck (1986: 118) auch sagen kann, zwischen sozialer Krise und individueller Krankheit, aber auch eine neue Individuumsabhängigkeit sozialer Institutionen entsteht (Beck 1991: 42).

Legt man das Modell der Ebenendifferenzierung zugrunde, erkennt man sofort, dass diese Beschreibung insofern richtig ist, als die zunehmende Auseinanderziehung der Ebenen in der Tat den Einzelnen mehr und mehr aus gemeinschaftlichen Bindungen herauslöst, diese Herauslösung aber eben gerade nicht zu einer neuen Unmittelbarkeit zwischen Individuum und Gesellschaft führt. Die Einbindung in den Arbeitsmarkt, die an die Stelle der Abhängigkeit von Herkunft und Familie tritt, bedeutet nicht, dass der Arbeitsmarkt das berufliche Schicksal des Einzelnen festlegt. Vielmehr vermag der Arbeitsmarkt nur die Rahmenbedingungen zu bestimmen, unter denen der Einzelne handelt, und es ist dann zu einem erheblichen Teil dem Einzelnen selbst überlassen, wie er sich in diesen Bedingungen bewährt, wie er sie zu nutzen weiß und welche er für sich selbst überhaupt akzeptiert. Die modernen Institutionen haben gerade keinen Direktzugriff mehr auf das Individuum, was diesem ein höheres Maß an Autonomie eröffnet.

Zugleich bedeutet zunehmende Ebenendifferenzierung aber auch eine Limitierung der Möglichkeiten des Individuums zur Direktbeeinflussung gesellschaftlicher Prozesse. Hatte das Wort statushöherer Personen in der Vormoderne unmittelbare gesellschaftliche Relevanz, so besitzt es in funktional differenzierten modernen Gesellschaften einen deutlich geringeren Stellenwert. Selbst für die Wahrnehmung von Führungspositionen kommt es in modernen Gesellschaften weniger und weniger auf Einzelpersönlichkeiten an. Individuelle Entscheidungen stehen in pluralistischen und differenzierten modernen Gesellschaften nicht nur in einem hochkomplexen Geflecht von konkurrierenden, sich funktional ergänzenden, relativierenden und korrigierenden Alternativentscheidungen, durch das ihre Wirkungen abgewandelt und eingeschränkt werden. Aufgrund der Differenzierung der gesellschaftlichen Operationsebenen lassen sie sich auch immer weniger einfach durchstellen und werden auf anderen Handlungsebenen bekämpft, gebremst, geblockt oder auch modifiziert und für andere Zwecke instrumentalisiert. In der hochentwickelten Moderne sterben die Industriekapitäne, die Vollblutpolitiker, die Leitwölfe, die Intellektuellen einen langsamen Heldentod.

Wenn das Auseinanderziehen der sozialen Konstitutionsebenen ein entscheidendes Charakteristikum moderner Gesellschaften ist, dann sind Beschreibungen unangemessen, die von einem Bedeutungsverlust der Gemeinschaftsebene ausgehen (Tönnies), die Kolonisierung der Lebenswelt durch die funktionalen Steuerungssysteme der Gesellschaft wie Politik und Wirtschaft behaupten (Habermas) oder die zunehmende Anonymisierung des Einzelnen in der Moderne beklagen. Die Moderne hält gemeinschaftliche Lebensformen ebenso bereit wie vormoderne Gesellschaften, nur drängt sie diese dem Einzelnen über Nachbarschaften, konfessionelle Zugehörigkeiten oder politische Organisationen nicht mehr auf. Gemeinschaftliche Bindungen müssen vielmehr zunehmend individuell gewählt werden. Das ist nicht jedermanns Sache, aber doch jedem prinzipiell möglich. Die moderne Stadt zum Beispiel treibt Individuum und Gesellschaft nicht nur auseinander, sondern kreiert auch neue, oft medial vermittelte und netzwerkartige Formen der Gemeinschaft, der Nähe, ja der Solidarität. Zwischen Individuum und Gesellschaft besteht in modernen Gesellschaften also nicht – wie der frühe und mittlere Foucault oder die Kritische Theorie annehmen (Schroer 2001) – ein Ausschließungs-, sondern ein Steigerungsverhältnis (Luhmann 1993; 1995: 130). Mit anderen Worten, die Erhöhung der gesellschaftlichen Komplexität muss nicht auf Kosten des Einzelnen gehen; vielmehr kann der Einzelne von diesen Komplexitätssteigerungen auch profitieren. Aufgrund der Vervielfältigung der Berufschancen, der Konsum-, Unterhaltungs- und Freizeitangebote, der Interaktionsmittel hat der Einzelne heute weitaus mehr Selbstverwirklichungs- und Betätigungsmöglichkeiten als früher, was ihn in vielen Hinsichten dazu zwingt, individuell begründete Selektionsentscheidungen zu treffen. Allerdings ist er häufig selbst dazu nicht gezwungen.[13] So nehmen die Differenzen in den individuellen Formen der Lebensführung zu und lassen sich kaum noch typisieren. Das aber bedeutet, dass gesellschaftliche Strukturen, Semantiken und Diskurse auf der einen und individuelle Wahrnehmungs-, Handlungs- und Denkformationen auf der anderen Seite immer weiter auseinandertreten und sich immer weniger entsprechen. Der Versuch, in den verschiedenen Perioden der Moderne so etwas wie jeweils typische kulturell codierte Subjektformationen ausmachen zu wollen, wie dies etwa Andreas Reckwitz (2006) versucht, ist daher beträchtlichen Schwierigkeiten ausgesetzt.

Aufgrund des größeren Abstands zwischen den sozialen Konstitutionsebenen tendiert der Einzelne dazu, sich selbst eine höhere Verantwortung für sein Leben zuzuschreiben und entfernteren sozialen Ebenen mit größerer Skepsis zu begegnen. Auch diese bezieht er zunehmend auf sich selbst. In modernen Gesellschaften neigt das Individuum dazu, sich und seine Bedürfnisse zum Maßstab für die Beurteilung institutionellen Handelns zu machen. Eine hoch entwickelte Anspruchsindividualität setzt die gesellschaftlichen Institutionen, die Parteien, den Staat gesteigerten Erwartungen aus. Aufgrund der hohen Individualisierungsansprüche werden soziale Angebote immer wieder auf ihre Identitätstauglichkeit kritisch geprüft (Schwinn 2013: 42), und oft lässt sich der Einzelne nicht überzeugen. Seine Dauerskepsis gegenüber den gesellschaftlichen Institutionen hält ihn allerdings nicht von der Dauerinanspruchnahme ihrer Leistungen ab.

4.3 Wettbewerbsforen

Wie es scheint, sind die einzelnen gesellschaftlichen Funktionssysteme in den Prozess der funktionalen Differenzierung in unterschiedlicher Weise involviert. Manche Systeme wie Familie, Erziehung oder Religion sind diesem Prozess eher reaktiv ausgesetzt und nehmen allenfalls in der Initialphase ermöglichende Funktionen wahr, andere wie Wirtschaft, Politik oder Wissenschaft treiben ihn voran. Entscheidend für die Unterscheidung von ermöglichenden und mobilisierenden Systemen ist anscheinend die Tatsache, ob die gesellschaftlichen Systeme Foren des Wettbewerbs, also Märkte, eingerichtet haben, in denen die unterschiedlichen Leistungsanbieter um Akzeptanz ringen.[14] Märkte stellen einen Anreiz zur Leistungssteigerung und wechselseitigen Überbietung dar und sind insofern entscheidende Motoren der gesellschaftlichen Dynamisierung. Unter Marktbedingungen können Angebote stets von besseren Angeboten überholt werden. Wie bereits erwähnt, ist die Entstehung von Märkten durchaus nicht voraussetzungslos. Ihre Herausbildung ist an die Garantie von fairen Wettbewerbsbedingungen und den Abbau von Privilegien gebunden. Sind sie aber installiert, dann ist damit eine wichtige Bedingung für die Entfesselung von Steigerungsdynamiken gegeben.

Die Einrichtung von Wettbewerbsforen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik hat für moderne Gesellschaften zwei unübersehbare Konsequenzen. Einmal werden soziale Praktiken der permanenten Überprüfung ausgesetzt und immer wieder im Lichte neuer Informationen reformiert. Unter Wettbewerbsbedingungen findet eine prinzipielle Delegitimation von Autoritäten, überkommenen Bindungen und Gewohnheiten statt, der sich kaum eine Institution, eine soziale Praxis oder ein Wissensbestand entziehen kann. In dem Prozess der permanenten Überprüfung und Kritik kann es aber auch ein letztes Ziel, auf das hin die gesellschaftliche Umgestaltung erfolgen soll, nicht geben. Die Ergebnisse der demokratischen Willensbildung sind prinzipiell unbestimmbar. Die wissenschaftliche Forschung findet in keinem Ergebnis einen beruhigenden Abschluss. Wirtschaftlicher Wohlstand lässt sich immer weiter steigern. Die Moderne ist insofern eben gerade kein Projekt, wie Habermas (1990) behauptet, sondern ein prinzipiell ergebnisoffener Prozess. Die Anwendung der modernen Praktiken auf sich selbst schließt die Formulierbarkeit letzter Ziele aus. Das selbstreflexive Konstitutionsprinzip der Moderne macht die Weiterführung des Alten legitimationspflichtig, treibt über den gerade erreichten Zustand hinaus und erhebt damit Beschleunigung zu einem Grundprinzip des Wandels (Rosa 2005).[15]

Zweitens tragen die Wettbewerbsforen die Tendenz in sich, sich auszubreiten. Es ist die Effektivität der auf dem offenen Markt erbrachten Leistungen, die alle anderen Angebote und Traditionen, auch die ehrwürdigsten, dem Vergleich aussetzen. „Die wohlfeilen Preise der Waren der Bourgeoisie“, sagen Marx und Engels (1848: 466), „sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt.“ Aufgrund ihrer enormen Effektivität eignet modernen Institutionen eine Tendenz zur Expansion, zum Export ihrer Leistungen, mit denen sie jeden anderen Bestand unter Konkurrenzdruck setzt. Mit der Ausbreitung von Marktmechanismen globalisiert sich die Moderne. Heute müssen sich selbst diejenigen zur Moderne ins Verhältnis setzen, die von ihr ausgeschlossen sind oder sich von ihr abgrenzen wollen.

Beide sich aus der Schaffung von Konkurrenzmärkten ergebenden Konsequenzen treffen in herausgehobener Weise auf das Wirtschaftssystem zu. Im Anschluss an Schimanks (2015: 251 ff.) Vorschlag, den Kapitalismus als einen speziellen Charakterzug funktionaler Differenzierung zu verstehen, soll das marktwirtschaftliche System hier als ein ausdifferenziertes Teilsystem unter anderen ausdifferenzierten Teilsystemen behandelt werden, allerdings als eines, dem aufgrund seiner Unverzichtbarkeit als Ressourcenproduzent eine exzeptionelle Stellung zukommt und von dessen produktiven Leistungen das Funktionieren anderer Teilsysteme in besonderem Maße abhängig ist. Die aus der Einrichtung von Finanz- und Kapitalmärkten folgende Dynamisierung der kapitalistischen Wirtschaft zeigt sich unabweislich am exponentiellen Anstieg der wirtschaftlichen Produktivität in den letzten zwei Jahrhunderten. Seit der industriellen Revolution hat sich das Wirtschaftswachstum um etwa das Dreißigfache erhöht. Das Pro-Kopf-Wachstum des BIP betrug vor 1820 weltweit jährlich etwa 0,04 %, zwischen 1820 und 1992 belief es sich jährlich hingegen auf 1,21 %. Nach den Berechnungen Angus Maddisons (2007) stieg die wirtschaftliche Produktivität in Westeuropa zwischen 1000 und 1500, also innerhalb von 500 Jahren, noch nicht einmal auf das Doppelte (vgl. Tab. 1). Von 1820 bis 1973, also innerhalb von nur 150 Jahren, verzehnfachte es sich indes.

Tabelle 1: BIP pro Kopf 1000–2003, in internationalen Dollar von 1990

JahrWesteuropaUSAJapanChinaIndien
1000427400425450450
1500771400500600550
1700997527570600550
182012021257669600533
187019602445737530533
1913345753011387552673
1950457895611921448619
1973114171668911434838853
200319912290372121848032160
(Quelle: Maddison 2007: 382)

Diese Zahlen verdeutlichen, dass zwischen der mit der politischen und wirtschaftlichen Doppelrevolution einsetzenden Moderne und der Vormoderne ein tiefgreifender Bruch verläuft. Obschon es zweifellos richtig ist, dass die Moderne vielfach traditionale Elemente enthält und die Tradition sogar selbst zu einem Medium der Modernisierung werden kann, lässt sich kaum bestreiten, dass wir heute in einer Welt leben, die sich von der vor 300 oder 500 Jahren fundamental unterscheidet. Wenn wir an die Versorgung mit Wohnraum, den Zugang zu sauberem Wasser, den Schutz vor Epidemien und Hungersnöten, das Niveau der medizinischen Versorgung, die Einrichtung des Sozialstaates, den Ausbau von Schulen und Universitäten oder auch an die Verfügung über Konsumgüter und Luxusartikel denken, so ist evident, dass sich die Lebensbedingungen des Menschen in den letzten Jahrhunderten radikal verändert haben. Die Menschen heute, soweit sie der westlichen Hemisphäre angehören, leben in einer Welt des materiellen Überflusses, der sozialen Sicherheit, funktionierender Verwaltungen und Rechtssysteme, politischer Partizipationsmöglichkeiten, in der die Würde des Einzelnen gesetzlich geschützt ist; die Menschen vor 300 oder 500 Jahren lebten in einer Welt der ökonomischen Knappheit, der politischen Abhängigkeit und Knechtschaft und der rechtlichen und sozialen Unsicherheit. Heute sind die Menschen von körperlichen Schmerzen weitgehend befreit, vor 300 oder 500 Jahren gehörten Krankheiten, Epidemien, physisches Leiden und Tod zum Alltag. Devianzen führten in der Vormoderne zu Entrechtung, wobei die geschlechtliche Deprivilegierung der Frauen die grundsätzlichste und hartnäckigste war, während heute der Rechtsgrundsatz von der Gleichheit der Menschen als fast unumstrittene Grundlage der Kultur gilt. An dieser Stelle neigen die Vertreter der Modernisierungstheorie zur Emphase. Für manche von ihnen ist keine soziale Veränderung so weitreichend wie der Umbruch von der Vormoderne zur Moderne, nicht einmal die neolithische Revolution oder die Erfindung der Schrift (Berger 1996: 48). Auch wenn man sich zu einer solch enthusiastischen Einschätzung der Leistungsfähigkeit moderner Gesellschaften nicht hinreißen lassen möchte, so ist trotz aller Kontinuitätslinien die tiefgreifende Differenz zwischen Tradition und Moderne doch evident.

Die andere Konsequenz der Einrichtung von Wettbewerbsforen lässt sich anhand der Wirtschaftsentwicklung gleichfalls gut demonstrieren, denn in den letzten Jahrzehnten hat sich das kapitalistische Wirtschaftsmodell weltweit immer weiter ausgebreitet. Wenn man anhand von Tabelle 1 noch einmal einen Blick auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Produktivität in den unterschiedlichen Weltregionen wirft, dann erkennt man, dass die Veränderungen im BIP per capita zwischen den erfassten Ländern seit 1972 nicht mehr wie noch bis in die 1950er und 1960er Jahre durch Divergenz, sondern durch Konvergenz gekennzeichnet sind. Seit 1820 weisen Europa und die USA ein deutlich höheres wirtschaftliches Wachstum auf als China und Indien, die trotz zeitlich begrenzter Wachstumsperioden bis 1950 mehr oder weniger auf dem gleichen Niveau verharrten. Seit den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts holen China und Indien jedoch schrittweise auf. Betrug der Abstand in der Produktivität zwischen China und Westeuropa 1950 noch 1 zu 10, ist er inzwischen auf ein Verhältnis von 1 zu 4 geschrumpft. Auch wenn sich der Abstand in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zwischen den unterschiedlichen Regionen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts vergrößerte, verringert er sich also seitdem. In den letzten Jahren haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in den Ländern weiter angenähert. Den Angaben der Vereinten Nationen zufolge (United Nations 2015: 6) fiel die Zahl der in extremer Armut lebenden Menschen zwischen 1990 und 2015 weltweit um mehr als die Hälfte, ging der Anteil der unterernährten Menschen seit 1990 um fast 50 % zurück; die Zahl der Erwerbstätigen, die der Mittelschicht angehören, hat sich in derselben Zeit fast verdreifacht. 1991 machte sie in den Entwicklungsregionen 18 % der Erwerbsbevölkerung aus, gegenüber fast 50 % im Jahr 2015.

Doch nicht nur hinsichtlich des Wirtschaftswachstums schwächen sich die Unterschiede zwischen den Ländern ab; auch andere typische Modernisierungsindikatoren wie der Grad der Urbanisierung, die Einrichtung demokratischer Verfahren und Institutionen, die Gewährleistung politischer Freiheiten und bürgerlicher Rechte, das Bildungsniveau oder auch die Höhe der Lebenserwartung weisen eine Tendenz zur regionalen Angleichung auf.[16] Der Anteil der Landwirtschaft am Sozialprodukt geht in allen sich modernisierenden Staaten zurück, besonders deutlich aber in Südamerika, Ostasien, Westasien und Afrika (Oesterdiekhoff 2006; www.berlin-institut.org). Die Bedeutung dieses Strukturwandels lässt sich kaum überschätzen, denn die Landwirtschaft mit ihren eingespielten Gewohnheiten, Rollenzuweisungen und Arbeitsrhythmen war über Jahrtausende hinweg die dominante Produktionsweise. Auch die Lebenserwartung erhöht sich in den Entwicklungsländern deutlich schneller als in Westeuropa (Human Development Reports, http://hdr.undp.org). Die wichtigste Ursache für die Erhöhung der Lebenserwartung besteht im Ausbau des medizinischen Systems. Ebenso steigt auch die Bildungsbeteiligung, gemessen an der Alphabetisierungsrate und an der Inanspruchnahme tertiärer Bildungseinrichtungen, außerhalb Westeuropas und der USA schneller als in diesen Ländern (Unesco http://stats.uis.unesco.org/unesco/TableViewer/document.aspx). Aber auch die Geburtenrate sinkt in nichtwestlichen Staaten deutlich stärker als in den westlichen Staaten (Human Development Report 2007: Tabelle 5). Die damit verbundene Transformation des alltäglichen Lebens führt zur unübersehbaren Statusanhebung der Frau, denn mit rückläufiger Geburtenrate wird die Frau von der Last lebenslanger Kinderaufzucht befreit; es eröffnen sich ihr neue Möglichkeiten zur Beteiligung am Erwerbsleben, zur Wahrnehmung von Bildungschancen, zur Erlangung eines höheren gesellschaftlichen Status und damit zu einem höheren Maß an Selbstbestimmung (Berger 2006: 213 f.).

Das alles spricht nicht für die These der multiple modernities, sondern für die Annahme einer zunehmende Annäherung der einst stark differenten Gesellschaften. Nicht wachsende Divergenz scheint das Merkmal der Modernisierung zu sein, sondern zunehmende Konvergenz.[17] Freilich sind viele Länder, vor allem die subsaharischen Gesellschaften Afrikas, von der Modernisierungsdynamik weitgehend ausgeschlossen. Nach wie vor gibt es viele Inseln der Unterentwicklung. Aber dort, wo die Modernisierung Fuß fasst, trägt sie offenbar zur Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen den Regionen bei.

Ein weiteres fällt auf: Die Daten sprechen nicht dafür, dass es zwischen dem wirtschaftlichem Aufschwung, den Prozessen der Demokratisierung, der Etablierung rechtsstaatlicher Verhältnisse, dem Aufbau sozialer Sicherungssysteme sowie der Erweiterung der Bildungschancen keinen Zusammenhang gäbe. Vielmehr legt sich aufgrund der zeitlichen Parallelität der ablaufenden Entwicklungen wiederum die Annahme eines kausalen Zusammenhanges zwischen ihnen nahe:[18] Mit dem Lebensstandard steigen die Chancen zum besseren Bildungserwerb; mit höherer Bildung nehmen die Ansprüche auf politische Partizipation zu; mit der Herausbildung einer zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit erweitern sich die Möglichkeiten zur Kontrolle staatlichen Handelns; der Ausbau sozialer Sicherungssysteme, die Erzielung medizinischer Fortschritte, die Verbesserung der inneren Sicherheit hängen unmittelbar vom wirtschaftlichen Wachstums ab; die Wirtschaftskraft wiederum wird durch die Gewährung politischer und sozialer Freiräume befördert.[19] Aufgrund dieser miteinander verzahnten Prozesse erhöht sich die Fähigkeit der Menschen, Kontrolle über ihre natürliche und gesellschaftliche Umwelt auszuüben und die Abhängigkeit von unkontrollierbaren Gefahren wie Hungersnöten, Epidemien und Naturkatastrophen zurückzudrängen (Norris & Inglehart 2004).

Moderne Gesellschaften sind aber nicht nur durch Steigerungsdynamik gekennzeichnet, sondern auch durch ihre Fähigkeit zur Selbstbegrenzung, zur Entschleunigung und Moderierung. Diese Fähigkeit hängt mit der Selbstreflexivität moderner Institutionen zusammen, aufgrund derer diese nicht nur über erreichte Zustände hinausdrängen, sondern diese auch zurückfahren können.[20] Das wissenschaftliche Denken ist bereit, die Grenzen seiner Zulänglichkeit anzugeben, sofern es diese selbst bestimmt. Modernes Recht kann sich ändern, sofern die Verfahren der Gesetzesänderung selbst rechtsförmig sind. Wirtschaftliches Handeln vermag ökologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen, sofern diese in ökonomische Kosten/Nutzen-Rechnungen überführbar sind. Daher wird nicht alles, was wissenschaftlich denkbar, was technisch herstellbar und was medizinisch machbar ist, auch realisiert. Selbst das Prinzip der Volkssouveränität ist nicht auf die Spitze getrieben, sondern durch die Einführung von Verfahren der Repräsentativität, die Aufrichtung von Sperrklauseln, die Schaffung von zwei Kammern, also durch die Berücksichtigung von checks and balances relativiert. Der modernen Steigerungsdynamik eignet eine Tendenz zur reflexiven Selbstbeschränkung (Offe 1989), die allerdings daran gebunden ist, dass sie nicht heteronom erzwungen wird, sondern in der Hand der modernen Institutionen selber liegt und der Steigerungslogik der modernen Institutionen entspricht. Oft kann Optimierung nur durch Selbstbegrenzung, Mäßigung und Kompromiss erreicht werden. Dazu sind moderne Institutionen in der Lage. Es ist also falsch, der Moderne Absolutheitswahn, Ambiguitätsvernichtung und eine Sucht nach Vereindeutigung vorzuwerfen (Bauman 1992). Die Moderne ist zwar von Anfang an durch den Versuch charakterisiert, die Komplexität der Wirklichkeit zu reduzieren, klare Entscheidungen herbeizuführen und die eigenen Imperative auszudehnen und zu steigern, sehr wohl aber auch durch die Selbstzurücknahme ihrer Purifikationsstrategien, durch Kompromissfähigkeit und Entschleunigung.

Diese Fähigkeit zur Selbstbegrenzung und Moderierung hat viel zu tun mit den verstörenden Erfahrungen, die die Moderne mit sich selbst gemacht hat – mit der Konfrontation mit ihren dynamischen, aggressiven und selbstzerstörerischen Potentialen. Die durch die modernen Technologien ausgelösten Risiken, die industriell bedingte Umweltbelastung, die nukleare Bedrohung, die Wahrscheinlichkeit von Zivilisationskrankheiten haben zu einer wachsenden Fortschrittsskepsis, zu Rationalitäts- und Technikkritik geführt. Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, in denen unerwartete wirtschaftliche und ökologische Probleme auftraten, ist die allgemeine Fortschrittseuphorie zurückgegangen und ein Bewusstsein der Grenzen des Wachstums, ja der Krise der Moderne an die Stelle des Fortschrittsoptimismus getreten.

Aufgrund ihrer Selbstreferentialität sind moderne Institutionen jedoch in der Lage, aus ihren Fehlern zu lernen, sich zu korrigieren und neue Wege einzuschlagen. Eindrücklich zeigt sich diese Korrekturfähigkeit in dem Vermögen Europas zur Sicherung einer lang anhaltenden Friedensperiode nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs. Aber auch was die Bewahrung der Umwelt angeht, zeigen die westlichen Industrienationen die Bereitschaft zum Umdenken mit klar erkennbaren Effekten. Die Reduzierung der Arbeitszeiten, die Regulierung der Finanzmärkte, der Ausstieg aus der Atomenergie, die Schuldenbremse, das Embryonenschutzgesetz, das Verbot des Verkaufs der eigenen Organe usw. sind weitere Beispiele, die dafür stehen, dass moderne Gesellschaften nicht nur durch Steigerungsimperative charakterisiert sind, sondern auch durch die Kapazität zur Begrenzung und Zähmung ihrer dynamischen Potentiale. Aus der selbstreferentiellen Anlage der Moderne und ihrer Institutionen resultiert auch ihre Fähigkeit zur Dezentrierung, zur Selbstkritik und zur Offenheit für das Fremde.

Der Einrichtung von Wettbewerbsforen entspricht kulturell eine Leistungsideologie, die den Einzelnen zur Steigerung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit und zum lebenslangen Lernen herausfordert. Diese Leistungsideologie besitzt in den hochmodernen Gesellschaften Westeuropas jedoch schon längst keine absolute Gültigkeit mehr, sondern ist reflexiv abgefedert und geht einher mit einer Norm der Mäßigung, der Selbstzurücknahme und des Spannungsausgleichs. Leistungssteigerung erfolgt nicht um jeden Preis, etwa bis hin zur sozialen Unverträglichkeit und zum körperlichen Ruin. Sie ist nicht ein Zweck um ihrer selbst willen, sondern wird zu anderen Zielen ins Verhältnis gesetzt. Selbstdisziplinierung und Selbstzurücknahme setzen spätestens dann ein, wenn durch Leistungserhöhung das Steigerungsprinzip selbst verletzt wird. So scheint es die Spannung von Aktivierung und Moderierung zu sein, die das moderne Subjekt und seine Kultur charakterisiert (Reckwitz 2006). Dem Streben nach Erweiterung der individuellen Möglichkeiten des Erlebens und Handelns steht die Domestizierung dieses individuellen Strebens gegenüber (Münch 1986), der auf die Welt ausgreifenden Bewegtheit im Innern des Individuums die rationale Selbstkontrolle, der Zügellosigkeit des Wollens das bindende Maß der Mitte. Natürlich sind weite Bereiche des individuellen Handelns in der Moderne durch Erfolgsstreben, durch Weltbemächtigungsanstrengungen und Ausweitung der Möglichkeitshorizonte gekennzeichnet. Gleichzeitig lässt sich aber auch eine Bändigung dieser Energien, ein Bemühen um Grenzsetzung beobachten.

5 Fazit

Die Einwände gegen die Modernisierungstheorie richten sich auf ihren Fortschrittsoptimismus, ihren Eurozentrismus, ihre deterministische und teleologische Argumentationsstruktur, auf die Unterstellung eines interdependenten Verflechtungszusammenhangs zwischen der Herausbildung moderner Institutionen wie Demokratie, Marktwirtschaft, Rechtsstaat und Wohlfahrtssystem, auf die Behauptung einer Konvergenz regionaler Entwicklungsverläufe sowie auf die Annahme eines radikalen Bruchs zu vormodernen Gesellschaftszuständen. Die Kritik am Überlegenheitsgestus der Modernisierungstheorie muss als berechtigt anerkannt werden. Die anderen Einwände hingegen sind, so haben wir festgestellt, weithin unbegründet. Eine Vielzahl von Argumenten spricht dafür, dass zwischen den kulturellen und institutionellen Elementen der Moderne ein interdependenter Verflechtungszusammenhang besteht, dass sich die Moderne radikal von vormodernen Gesellschaften unterscheidet und dass es in zentralen Parametern der Modernisierung eine Tendenz zur regionalen Angleichung und nicht zur Divergenz gibt.

In dem Bemühen um eine Revision der Modernisierungstheorie hat der Aufsatz ein höheres Abstraktionsniveau als gemeinhin üblich gewählt. Zentrale Merkmale der Moderne sieht er in der Durchsetzung von Prinzipien der funktionalen Differenzierung, in der Auseinanderziehung sozialer Konstitutionsebenen sowie in der Einrichtung von Wettbewerbsforen. Dabei unterscheidet sich der Ansatz von den bekannten Versionen der Modernisierungstheorie dadurch, dass er die Prozesse der funktionalen Differenzierung handlungstheoretisch reformuliert, die Außenabhängigkeit und Umweltsensibilität der ausdifferenzierten Handlungs- und Sinnrationalitäten betont, den Zusammenhang zwischen den gesellschaftlichen Teilbereichen nicht über funktionale Erfordernisse, sondern über die Erweiterung externer Opportunitätsstrukturen plausibilisiert, die Teilbereiche der Gesellschaft nicht als gleichgewichtig behandelt, sondern die besondere Rolle wettbewerbsgesteuerter Bereiche wie Wirtschaft, Politik und Wissenschaft akzentuiert und die Gleichzeitigkeit von Steigerungs- und Selbstbegrenzungstendenzen herausarbeitet. So berechtigt die Kritik an der Moderne und ihren Versprechungen auch sein mögen, so wenig sollte man sich doch dazu verleiten lassen, diese Kritik auf die Theorie von der Moderne einfach zu übertragen. Bei der Modernisierungstheorie handelt es sich um eine Theorie von fachuniversalem Anspruch, darüber hinaus um eine Theorie, deren zentrale Aussagen empirisch operationalisierbar und testbar sind, und schließlich um eine Theorie, die eine beachtliche Anschlussfähigkeit an die Analysen anderer Disziplinen, etwa der Wirtschaftswissenschaft, der Geschichtswissenschaft, der Kommunikations-, Erziehungs- oder der Literaturwissenschaft, besitzt. Anstatt an ihrer Überwindung zu arbeiten und sich dabei in Sackgassen und Paradoxien zu verstricken, wäre es angebracht, mehr Anstrengungen auf ihre Weiterentwicklung zu verwenden.

Über den Autor / die Autorin

Detlef Pollack

Detlef Pollack, geb. 1955, Studium der Theologie und Religionswissenschaft in Leipzig, Promotion ebendort, Habilitation 1994 an der Fakultät für Soziologie Bielefeld, von 1995–2008 Professor für vergleichende Kultursoziologie an der Europa-Universität Frankfurt (Oder), 2003 bis 2005 Max Weber Chair an der New York University, USA, seit 2008 Professor für Religionssoziologie an der Universität Münster.

Forschungsschwerpunkte: Religionssoziologie, politische Kulturforschung, DDR-Forschung

Wichtigste Publikationen: Religion in der Moderne: Ein internationaler Vergleich (mit G. Rosta), Frankfurt am Main 2015; Religion und gesellschaftliche Differenzierung: Studien zum religiösen Wandel in Europa und den USA III, Tübingen 2016; zuletzt in dieser Zeitschrift: Individualisierung und religiöser Wandel in der Bundesrepublik Deutschland, ZfS 28, 1999, 465–483 (gemeinsam mit G. Pickel).

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Online erschienen: 2016-8-10
Erschienen im Druck: 2016-8-1

© 2016 by De Gruyter

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