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Die Angst des Schiris vor dem VAR

  • Charlotte Nell EMAIL logo , Diana Lindner und Hartmut Rosa
Veröffentlicht/Copyright: 24. Juni 2024
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Zusammenfassung

Der Artikel untersucht aus phänomenologisch informierter soziologischer Perspektive den Einsatz des VAR im deutschen Fußball. Hermann Schmitz neuphänomenologische Unterscheidung von ‚Konstellation‘ und ‚Situation‘ dient hierzu als sensibilisierende Leitheuristik. Vor dem Hintergrund der vielstimmigen Kritik an dem uneingelösten Gerechtigkeitsversprechen analysieren wir zunächst die Aufgaben der Feldschiedsrichterin unter dem Blickwinkel eines sozialtheoretisch modellierten Idealtypus des ‚hermeneutischen Dirigenten‘. Das Fußballspiel wird hierdurch als ein vielschichtiges situatives Geschehen betrachtet, bei dem die Feldschiedsrichterin eine Vielzahl an Aufgaben erfüllen, aber auch mit blinden Flecken ihrer Urteilskraft umgehen muss. Demgegenüber konstruieren wir den VAR als einen ‚parametrischen Accountant‘, der den Fußball – phänomenologisch betrachtet – von einer Situation in eine Konstellation verwandelt und damit zu einer Überbetonung einseitiger Regelbefolgung führt und den Entscheidungsprozess darüber in eine Black Box verwandelt. Damit trägt er zur Entstehung ,strukturierter Verantwortungslosigkeit‘ auf dem Spielfeld bei.

Summary

This article examines the use of the video assistant referee (VAR) in German soccer from a phenomenologically informed sociological perspective. Hermann Schmitz’s neo-phenomenological distinction between ‘constellation’ and ‘situation’ serves as a sensitizing heuristic. Against the background of the widespread criticism of the unfulfilled promise of justice, we first analyze the tasks of the on-field referee from the perspective of the social-theoretically modeled ideal type of a ‘hermeneutic conductor’. The soccer match is thus considered a complex situation in which the field referee has to deal with a variety of tasks but also with blind spots in their judgmental capacity. In contrast, we construct the VAR as a ‘parametric accountant’ who, from a phenomenological perspective, transforms soccer from a situation into a constellation, thus leading to an overemphasis on unilateral rule compliance and turning the decision-making process into a black box. In this way, the VAR contributes to the emergence of ‘structured irresponsibility’ on the pitch.

1 Einleitung[1]

Der Videobeweis – kurz VAR (für Video-Assistant-Referee) – erhitzt seit seiner Einführung in der 1. Fußballbundesliga zu Beginn der Saison 2017/2018 die Gemüter von Spielern, Trainern, Verantwortlichen und Fans.[2] Kaum eine Woche vergeht, ohne dass eine Grundsatzdiskussion über das Für und Wider der technischen Unterstützung entbrennt. Während auf der einen Seite betont wird, dass statistisch gesehen der Videobeweis mehr Gerechtigkeit nach sich ziehe und den verbleibenden Kinderkrankheiten mit technischer Feinjustierung und transparenter Kommunikation begegnet werden könne (DFB 2019a; Held et al. 2023), scheint ein Großteil der Fußballbegeisterten schlichtweg die Geduld verloren zu haben (SID 2023). Seit seiner Einführung wird der VAR von Stimmen der Videobeweisgegner begleitet, deren Kritik sich von der Enttäuschung über das uneingelöste Gerechtigkeitsversprechen bis hin zum Vorwurf erstreckt, der VAR mache schlicht und einfach das Spiel kaputt. Bereits im Jahr 2019 monierte Christian Streich, langjähriger Trainer des SC Freiburg, bezogen auf die Auswirkungen des VAR: „Das ist kein Fußball mehr“ (Hirsch 2019).

Etwas nüchterner betrachtet, lässt sich die Einführung des VAR zunächst mit Blick auf die genutzte ,Überwachungstechnologie‘ lediglich als eine weitere Stufe der Mediatisierung des Sozialen fassen. Dabei kommt dem VAR die Aufgabe zu, eine Vielzahl von Kameraeinstellungen auf mehreren Monitoren zu sichten und zu bearbeiten. Er muss dazu nicht nur verschiedene Blickwinkel anpassen sowie Bilder sortieren und ordnen. Weiterhin werden unter kommunikativer Verständigung im sogenannten ‚Kölner Keller‘ die entscheidenden Einstellungen ausgewählt und ggf. für die Ansicht durch die Feldschiedsrichterin vorbereitet. All dies soll dazu dienen, zu einer gerechteren Entscheidungsfindung beizutragen (DFB 2017).

Doch die Beschreibung des VAR als bloßem Entscheidungsoptimierer erscheint unzureichend. Vielmehr führt die Technisierung, indem sie eine neue Entscheidungsinstanz hinzufügt, die nicht wie die anderen am Spielgeschehen Beteiligten auf dem Platz steht, nicht nur zu einer Erweiterung, sondern auch zu einer grundlegenden Veränderung des Spielgeschehens. Diesem Ausgangspunkt folgend, wollen wir nach den Auswirkungen der Veränderungen der Rollenanforderungen an die Schiedsrichterin durch den Einsatz des VAR im Fußball fragen. Damit verbunden ist die Annahme, dass bereits im Vollzug der Schiedsrichterinnenpraxis immanente Gelingensmaßstäbe umgesetzt werden (Rosa 2017)[3]. Diese wollen wir im Rahmen des vorliegenden Artikels explizit machen. Unsere These ist hierbei, dass der VAR auf eine exaktere Entscheidungsfindung abzielt, dabei aber die Möglichkeit einer souveränen und gelingenden Spielführung untergräbt. Im Spezifischeren stützen wir uns dafür auf Hermann Schmitz‘ „neuphänomenologische“ Unterscheidung zwischen „Situation und Konstellation“ (Schmitz 2010) als „kulturkritische“ Leitheuristik (Großheim und Kluck 2010). Mit einem phänomenologisch sensibilisierten Blick auf das Regelverständnis, das Entscheidungsverhalten und das Bemühen um Akzeptanz der Feldschiedsrichterin arbeiten wir einerseits den Schiedsrichter-Idealtypus des situationistischen ‚hermeneutischen Dirigenten‘ heraus (Simmel 1923; Allert 2006; Heck 2019; Heck und Muhle 2020; Weigelin 2022). Demgegenüber positionieren wir den ‚konstellationistischen‘ VAR, der im Modus der „parametrischen Optimierung“ (King et al. 2021) operiert. Dessen Implementierung, die mit dem Ziel der Maximierung gerechterer Entscheidungen begründet wird, betrachten wir mit der neuphänomenologischen Leitheuristik als Beleg dafür, dass durch den VAR Situationen auf dem Spielfeld zunehmend in Konstellationen verwandelt werden. Damit entstehen veränderte und ggf. sogar sich widersprechende Rollenanforderungen. Um zu beschreiben, wie sich dies in der Praxis durch das Zusammenspiel von Feldschiedsrichterin und VAR darstellt, nutzen wir das sozialtheoretische Vokabular der Akteur-Netzwerk-Theorie, weil sie in der Lage ist, die komplexen Prozesse verteilter Handlungsmacht (Agency) zu erfassen (Passoth 2013; Knorr Cetina 1999; Latour 2001a). Dies ermöglicht es uns, die Black Blox des ‚VAR-Netzwerks‘ zu öffnen und unterschiedliche Prozesse der Übersetzung von Situationen in Konstellationen zu identifizieren. Die auf die Hervorbringung von Konstellationen ausgerichtete VAR Schiedsrichterinnenpraxis lässt sich wiederum unter Rückbezug auf die phänomenologische Leitunterscheidung als reduktionistisch kritisieren. Unsere These ist, dass der ‚konstellationistische VAR‘ in eine „strukturierte Verantwortungslosigkeit“ (Honegger et al. 2010) mündet und die moralische Urteilskraft (Accountability) der ‚On-Field-Schiedsrichterin‘ untergräbt.

2 Aufbau, Funktion und Einsatz des VAR im professionellen Fußball: Die Produktion von Entscheidungssituationen

Die Einführung des VAR im Fußball zur Bundesligasaison 2017/18 ist vergleichsweise spät erfolgt (Bundesliga 2015).[4] In anderen Sportarten wie im Football oder Tennis wird seit 2006 die Hawk-Eye Technologie genutzt, um Spielentscheidungen zu treffen (Simón 2019: 18)[5]. Die dem VAR zugrunde liegende „Video-Assist-Technologie“ (DFB 2017) kann zunächst charakterisiert werden als „Überwachungssystem, in dem charakteristische Bilder und Audiosignale analysiert werden, um Zweifel zu beseitigen und/oder Entscheidungen zu bestätigen“ (Cid und García 2019: 70, unsere Übersetzung). Insgesamt tritt der VAR mit dem Ziel an, „den Fußball ein Stück weit gerechter [zu] machen“ (Reese 2017; DFL 2023) und „extrem krasse Fehlentscheidungen“ (Menke 2022) zu korrigieren. Damit in Verbindung steht der Versuch, Schiedsrichterinnen in ihrer Entscheidungssituation von Handlungs- und Zeitdruck zu entlasten und zu unterstützen. Während eine Schiedsrichterin im Laufe eines Spiels im Durchschnitt ca. 200 Entscheidungen zu treffen hat (Helsen und Bultynck 2004), können diese beispielsweise aufgrund von schlechter Sicht, zu großer Distanz, uneindeutigen Situationen nicht immer korrekt gefällt werden (Plessner und Raab 1999; Heck und Muhle 2020: 185). Einer Schätzung zufolge treffen Schiedsrichterinnen ohne VAR Unterstützung zwischen 10 und 20 Prozent falsche Entscheidungen (Oudejans et al. 2000). Dieser Wert soll mithilfe des VAR optimiert werden.

Die Spielsituationen, die vom VAR genauer überprüft werden dürfen, sind festgelegt. Es geht 1) um Tore und die daran gekoppelten Regelverstöße, d. h. Fouls, Handspiel und Abseits, 2) um nicht oder falsch geahndete Strafstöße, 3) um nicht oder falsch vergebene Rote Karten und 4) um Spielerverwechslungen bei Roter oder Gelber Kartenvergabe (DFB 2021: 102 ff.): „Voraussetzung für ein Eingreifen des Video-Assistenten ist jeweils, dass nach seiner Einschätzung eine klare und offensichtliche Fehlentscheidung des Schiedsrichters auf dem Platz vorliegt. Ist eine solche klar falsche Wahrnehmung des Schiedsrichters auf dem Platz nicht gegeben, darf der Video-Assistent nicht eingreifen“ (DFB 2017). Folgt man dem DFB, so hat der VAR demzufolge lediglich eine beratende, genauer gesagt, unterstützende Funktion: „Jede Entscheidung liegt letztlich unverändert bei de[r] Schiedsrichter[in] auf dem Platz. Der Video-Assistent ist also kein Ober-Schiedsrichter. Er erweitert vielmehr das Team des Schiedsrichters“ (DFB 2017).

Der VAR arbeitet in einer speziellen Videokabine – dem ‚Kölner Keller‘ – und kommuniziert mit der Feldschiedsrichterin per Funk. Liegt nach dem Regelwerk des DFB eine ‚strittige Entscheidung‘ vor, kann der VAR nach Prüfung die Feldschiedsrichterin informieren, falls die Einschätzung von der der Feldschiedsrichterin abweicht. In einigen Situationen kann er auch die Entscheidung der Feldschiedsrichterin validieren. Zudem kann der VAR die Feldschiedsrichterin auch auf eine Situation hinweisen, wenn diese nicht gesehen wurde. Dem VAR stehen dazu 19 bis 21 Kameras zur Verfügung, die das Spielfeld aus verschiedenen Winkeln filmen (DFB 2017). Dem „Video-Assistent“, und den zwei unterstützenden „Operatoren“ kommt „die wichtige Aufgabe zu, möglichst schnell Szenen mit den besten Perspektiven aus dem Angebot an verfügbaren Bildern herauszufiltern, um diese dem Video-Assistenten vorzulegen und eine optimale Bewertung zu ermöglichen“ (DFL 2019). Dazu werden sie zusätzlich durch Software und Monitortechnologie unterstützt. Diese ermöglichen Spielszenen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten abzuspielen, zu zoomen und Standbilder zu kreieren (Schmidl 2021: 7). Der VAR wählt nach eigener Maßgabe die aussagekräftigsten Bilder aus (DFB 2021: 106). Zur Bewertung stehen darüber hinaus kalibrierte Abseitslinien, Hintertorkameras und Slow-Motion-Wiederholungen zur Verfügung. Die damit verbundenen Darstellungsmöglichkeiten werden nicht nur für die Entscheidungsvalidierung der Feldschiedsrichterin genutzt, sondern auch für die Fernsehproduktion, die über eine Tochtergesellschaft der DFL ein weltweites Fernsehbild kuratiert (Benítez 2019). Ziel ist es, die Entscheidung auch für die Zuschauer nachvollziehbar zu machen (DFB 2017). Die Feldschiedsrichterin kann weitere Bilder und unterschiedliche Geschwindigkeiten verlangen. Abschließend muss sie entscheiden, ob sie ihre Entscheidung beibehält oder sich dem VAR anschließt.

3 Ein uneingelöstes (Gerechtigkeits-)Versprechen? Die Wirkung des VAR im Spiegel der Forschung

Soziologische Veröffentlichungen zum VAR im Fußball sind aufgrund der Novität und des eher geringen Interesses der Soziologie an Fußball rar gesät. So finden sich einige Ausarbeitungen zu den Auswirkungen des VAR aus der Perspektive dreier Gruppen: 1) der Fans, 2) der Spieler und Verantwortlichen und 3) der Schiedsrichterinnen (Scanlon et al. 2022; Petersen-Wagner und Lee Ludvigsen 2022; Cid und García 2019; Simón 2019). Wir wollen im weiteren Verlauf nicht primär auf die Erlebensperspektive der Zuschauenden oder Spieler eingehen, sondern nach den Auswirkungen des VAR auf die Rolle und Bedeutung der Schiedsrichterin fragen. Hierzu lässt sich an vorhandene Ausarbeitungen aus Mediatisierungsperspektive anschließen, die es uns ermöglichen, die technologischen Veränderungen, die zur Einführung des VAR geführt haben, zu rekonstruieren (Benítez 2019; Mikos 2006; Collins 2020). Hierdurch werden Pfadabhängigkeiten sichtbar, die die jetzige Einsatz- und Funktionsweise des VAR prägen.

Seit der ersten Übertragung eines deutschen Fußballspiels im Fernsehen im Jahr 1952 ist die Anzahl der Kameras sukzessive erhöht worden, um der visuellen Dynamik des Live-Fußballs gerecht werden zu können.[6] In einer machtsoziologischen Lesart ist dies als Intensivierung des „panoptischen Blicks“ (Heck 2019) beschrieben worden. Damit verbunden ist eine Verschiebung der Deutungs- und Interpretationsmacht der Schiedsrichterin (Schmidl 2021). Alexander Schmidl stellt heraus, dass die Möglichkeit zur Interpretation der Bilder des Spielgeschehens auch Entscheidungsmacht darüber verleiht, wie die Handlungen der Fußballer beurteilt und wie mögliche Regelverstöße geahndet werden. Insofern kristallisiert sich neben der sozialen Ordnung, die von den Schiedsrichterinnen geschaffen wird, eine technisch erzeugte visuelle Ordnung heraus.

Gleichzeitig wird in anderen Studien betont, dass die Besonderheit des VAR – auch in Abgrenzung vom Hawk-Eye – darin besteht, eine interpretative Komponente zu beinhalten (Simón 2019: 18). Diese äußert sich nicht erst im adäquaten Bewerten einer Situation, sondern zeigt sich bereits in ihrer angemessenen Erfassung als kognitiv-evaluativem Prozess sowie darin, die richtigen Bilder, die einen realistischen Eindruck der Situation stiften sollen, bereitzustellen. Die hierfür zuständigen Operatoren sind nicht frei von normativen Erwartungen der Rundfunkanstalten, die das Spiel im Fernsehen übertragen sowie anderseits der Feldschiedsrichterinnen und Fans (Benítez 2019: 57). Damit verbunden ist auch der Aspekt, dass der VAR ein Narrativ benötigt, das sein Eingreifen der Schiedsrichterin und den Fans erklär- und begründbar macht. Insofern ist ein wesentlicher Kritikpunkt am VAR nicht, dass der VAR überhaupt genutzt wird, sondern häufig gerade die Art und Weise seines Einsatzes (Crespo 2019: 29). Dazu gehört auch die Beobachtung, dass durch die VAR Bildinterpretation neue Regelinterpretationen etwa im Hinblick auf das Abseits entstanden sind (Collins 2020).

In Bezug auf das Regelwerk finden sich in der Literatur zudem Beiträge zum Gerechtigkeitsversprechen, insbesondere dem spezifischen Versprechen auf „Fairness“ (Herrmann et al. 2008; Frieling et al. 2013; Heckemeyer und Schmidt 2021; Crespo 2019). Dieses erweist sich als zentrales „Leitethos“ für den Fußballsport (Herrmann et al. 2008: 13–14). Zwei Dimensionen von Gerechtigkeit werden mit der Einführung des VAR in Verbindung gebracht: a) die Bedeutung der Gewährleistung von fairer „Verfahrensgerechtigkeit“, also der Gewährleistung der Bedingung, dass der Bessere gewinnen möge (Frieling et al. 2013: 14), b) die Bedeutung der Durchsetzung von „Strafgerechtigkeit“, die die Angemessenheit der Bestrafung bei Abweichung und dadurch die Einhaltung sozialer Normen regulieren soll (Heckemeyer und Schmidt 2021: 168).[7] Das mit dem VAR verbundene Versprechen beläuft sich zusammenfassend nicht nur darauf, ‚mehr‘ (im Sinne eines umfassenderen Blicks), sondern auch ‚klarer‘ und ‚genauer‘ beobachten zu können. Zugleich ist damit die Vorstellung verbunden, zu exakteren Entscheidungen zu gelangen, die eine Vergleichbarkeit von Spielsituationen innerhalb von Spielen und über einzelne Spiele hinweg gewährleistet. Das Exaktheitsversprechen des VAR beinhaltet somit die Annahme, die Accountability[8] und Adäquanz von Schiedsrichterinnenentscheidungen zu erhöhen.

4 Eine ‚Kritische Phänomenologie‘ des VAR

Die konkreten Effekte des VAR wollen wir im Folgenden mithilfe einer aus der Phänomenologie gewonnenen Leitheuristik im Hinblick auf die unterschiedlichen Qualitäten der Entscheidungsfindung von Schiedsrichterinnen idealtypisch modellieren. Instruktiv erscheint uns dazu die von Hermann Schmitz getroffene Unterscheidung von „Konstellation und Situation“ (Schmitz 2010). Denn diese Unterscheidung ermöglicht es, insbesondere „technische“ Entwicklungen zu beschreiben, zu analysieren sowie im Rahmen einer „kritischen Phänomenologie“ zu bewerten (Großheim und Kluck 2010: 17). Ausgehend einer auf dieser Unterscheidung aufbauenden Modellierung zweier spezifischer Beziehungsmodi und sich daraus ergebender Rollenanforderungen – zum einen der situativen, zum anderen der konstellativen Schiedsrichterin –, wollen wir die Modifikation der Schiedsrichterinnenpraxis durch den VAR in den Blick bekommen. Dies geht mit der Annahme einher, dass Vorstellungen von gelingender Fußballpraxis nicht extern gesetzt werden müssen. Vielmehr sind die Vorstellungen gelingender Praxis und Maßstäbe zur Beurteilung derselben bereits in der Schiedsrichterinnenpraxis selbst zu finden und werden von den Teilnehmenden angezeigt und benannt. Auf Grundlage dieser Gelingensmaßstäbe kann auch misslingende Praxis als schlecht oder krisenhaft erfahren, angezeigt und letztlich als – wenn auch nicht immer voll artikulierte – Kritik geäußert werden.

Eine zentrale Krisendiagnose in Bezug auf die Verwendung des VAR seitens der Schiedsrichterinnen, indiziert die Gefahr des VAR ‚das Spiel‘ und genauer gesagt seine „Atmosphäre“ zu zerstören (Siebold 2021; Kicker 2022).[9] Angesichts dessen wird seitens der Schiedsrichterinnen Wert darauf gelegt, das Fußballspiel mit so wenig Unterbrechungen wie möglich ablaufen zu lassen (IFAB 2017). Aus Schiedsrichterinnenperspektive zeichnet sich eine gute Spielführung durch die gelungene Abwägung zwischen „Sicherheit“ und „Schnelligkeit“ aus (Kicker 2022). Der VAR verspricht sowohl sicherer als auch schneller zu agieren und somit insgesamt die Entscheidungsfindung zu optimieren. Allerdings werden wir zeigen, dass abgesehen davon, dass der VAR in der Praxis eher zu Verzögerungen des Spiels beiträgt, er zu einer Fokussierung auf die kleinteilige Befolgung isolierter Regelbestandteile führt, die zum Selbstzweck zu werden scheint.

In diesem Sinne verstehen wir die Kritik am VAR im Einzelnen nicht als Rückzugskämpfe, sondern nehmen den darin enthaltenen kritischen Gehalt der formulierten „Krisendiagnosen“ zunächst ernst. Folglich scheint sich die Kritik an der mit dem VAR verbundenen drohenden misslingenden Schiedsrichterinnenpraxis in erster Linie in einer ex negativo vorgebrachten „Verlust-Kritik (etwas ist nicht mehr, wie es sein sollte)“ (Großheim und Kluck 2010: 29) zu manifestieren. Enthalten sind darin allerdings implizite Vorstellungen über die Bedingungen und Beschaffenheit gelingender Schiedsrichterinnenpraxis. Diese versuchen wir im Weiteren idealtypisch mithilfe der Schmitzschen Gegenüberstellung von Situation und Konstellation herauszuarbeiten.

5 Taktische Grundausrichtung des VAR: Konstellationismus statt Situationismus

Im Rahmen des von Hermann Schmitz formulierten Programms einer Neuen Phänomenologie entsprechen die Begriffe „Konstellation“ und „Situation“ zwei grundlegend verschiedenen Erfahrungs- und Handlungsmodi eines „Weltverhältnis“ (Schmitz 2010: 44).[10] Großheim beschreibt sie folgendermaßen: „Eine Konstellation ist, vereinfacht gesagt, ein Netz aus lauter einzelnen Faktoren. Eine Situation ist dagegen eine binnendiffuse Ganzheit, aus der Einzelheiten erst expliziert werden müssen“ (Großheim 2010: 55). Eine Situation zeichnet sich folglich durch drei Merkmale aus: 1) Ganzheit, 2) Bedeutsamkeit, wonach festgelegt wird, ob etwas oder dass etwas bedeutsam ist oder sein möge und 3) eine „Binnendiffusion“ oder „chaotische Mannigfaltigkeit“ (Großheim 2010: 55 f.). Eine Konstellation ist spiegelbildlich durch die Zerlegung der Ganzheit der Situation in „einzelne, handhabbare Faktoren“ (Großheim und Kluck 2010: 25) charakterisiert. Damit werden „[…] nur ganz bestimmte, nämlich quantifizierbare und messbare Daten als gültig anerk[a]nnt“ (Großheim und Kluck 2010: 25). Demzufolge kommt es zur Reduktion mannigfaltig-sinnlicher Erfahrungen auf spezifisch messbare Daten (Großheim 2010: 63).

Überdies verbindet Schmitz diese begriffliche Unterscheidung mit einer Zeitdiagnose. Schmitz zufolge zeichnet sich die Moderne mit ihrer Durchsetzung technischer Rationalität durch einen „Konstellationismus“ als dominanter Ideologie aus, der in einer umfassenden Vernachlässigung und Verdrängung der „Situation“ zu gipfeln droht (Schmitz 2010: 43 f.)[11]. Der Konstellationismus impliziert somit eine Domestizierungsideologie, eine „Dominanz des naturwissenschaftlichen Empirismus“ (Großheim und Kluck 2010: 26), denn „[z]um Konstellationismus gehört nicht nur die Überzeugung, dass die Welt als Netzwerk einzelner Faktoren rekonstruiert werden kann, sondern dass sie so auch effektiv manipuliert werden kann“ (Großheim 2010: 61).

Mithilfe dieser phänomenologischen Leitunterscheidung und einer daraus gewonnenen Kritikperspektive wollen wir im Folgenden die Feldschiedsrichterin in ihrer Rolle und Funktion ohne VAR-Unterstützung idealtypisch fassen. In einem zweiten Schritt weisen wir auf systematische blinde Flecken und Unzulänglichkeiten dieses Idealtypus, auch vor dem Hintergrund empirischer Befunde, hin.

6 Die Feldschiedsrichterin als situative hermeneutische Dirigentin

Grundlegende Ausarbeitungen zur Figur der Schiedsrichterin stammen von Georg Simmel, dem zufolge die Schiedsrichterin als „eigentliche Vermittler[in]“, eine koordinierende Funktion zweier, um einen Vorteil konkurrierender, Parteien zukommt (Simmel 2013: 86 f.). Als Klassiker konflikttheoretischer Erwägungen begreift Simmel die Rolle der Schiedsrichterin nicht nur als Spezialfall einer Fußball- oder Sportkonstellation, sondern als Weichenstellung für kompetitiv organisierte Sozialität überhaupt (Simmel 1923: 104 f.). Ebenso arbeitet er neben der konstitutiven auch die regulierende, d. h. die mediatisierende und pazifizierende Funktion der Figur des „Unparteiischen“ heraus (ebd.). Die Schiedsrichterin ist von konstitutiver Bedeutung für die spezifische Formung des Wettbewerbs, indem sie die Spieler zunächst von einer prinzipiellen wechselseitigen Überwachung über das Einhalten des Regelwerks und entsprechenden Kooperationsanforderungen untereinander entlastet. Damit eröffnet sie erst die Möglichkeit instrumenteller Regelverstöße etwa des „gezielten Foulspiels, täuschende[n] Verhalten[s] zur Schiedsrichterbeeinflussung“ (Weigelin 2022: 229). In ihrer Rolle fungiert die Schiedsrichterin somit als „‚Blitzableiter‘ für Konflikte und als Garantie für deren Überführung von Unentscheidbarkeit durch Perspektivendivergenz der Parteien in Entscheidung durch einen autorisierten Dritten“ (Weigelin 2022: 229).

Analytisch lassen sich zwei Arten von Regeln unterscheiden, die die Schiedsrichterin durchzusetzen versucht (Allert 2006: 171): Konstituierende Regeln wie die Abseits- oder die Einwurf-Regel und moderierende Regeln, „die sich auf die Zivilisierung der Kampfsituation beziehen, in der sich beide Mannschaften gegenüberstehen“ (Allert 2006: 171). Das kann die Ahndung eines Foulspiels, die Beurteilung über eine vorliegende Sträflichkeit eines Handspiels oder ein zu weit nach oben gestrecktes Bein sein. Ferner soll die „Unparteiische“ durchweg eine objektiv „intellektuell-sachliche“ (Simmel 2013: 93) Haltung wahren und keine parteiliche oder interessierte Einstellung an den Tag legen. Die Amtslegitimität, ins Spielgeschehen einzugreifen, es zu ordnen und zu koordinieren, erwirbt die Schiedsrichterin wiederum auf Grundlage des „Vertrauen[s] in die Objektivität des Urteils“ (Simmel 2013: 90), das ihr von den Spielern entgegengebracht wird. Die Schiedsrichterin hat dazu zunächst die Verpflichtung, die allgemeingültigen Regeln möglichst ‚objektiv‘ und konsistent auch über verschiedene Spiele hinweg durchzusetzen.

Anknüpfend an die Heuristik von Situation und Konstellation zeichnet sich die Feldschiedsrichterin in idealtypischer Zuspitzung durch ihre raumzeitliche Involviertheit aus. Diese ist die Bedingung für ihre ‚verstehende‘ Einstellung. In diesem Sinn ist die Feldschiedsrichterin „Hermeneutiker[:in]“ (Großheim 2010: 62). Dazu gehört, dass sie Regel- und Erfahrungswissen im Laufe der Zeit inkorporiert. Sie bildet einen ‚geschulten Blick‘ beispielsweise in der Einschätzung der Flugkurve des Balles hin zu eingeübten Laufwegen und Positionsverhalten aus, woraufhin Spielsituationen kundig eingeschätzt, bewertet und „abgepfiffen“ werden können (DFB 2019b). Auch lernt die Schiedsrichterin die „kampfmoderierenden“ Regeln (Allert 2006, 174) mit interpretatorischer Kundigkeit zu deuten und basierend auf dem erlernten Erfahrungs- und Regelwissen durchzusetzen. Während sich einige Regeln der ‚spielkonstituierenden‘ Regelklasse entlang binärer ‚schwarz-weiß‘ Entscheidungen operationalisieren lassen – Abseits/kein Abseits, Tor/kein Tor, Aus/kein Aus – verweisen die moderierenden Regeln auf ein erhöhtes Maß an Komplexität in der Situationsbeurteilung und auf einen Graubereich sozialweltlicher Interpretationsbemühungen. Denn um festzustellen, ob eine Tätlichkeit, ein absichtliches Handspiel oder ein Rückpass vorliegen, bedarf es seitens der Schiedsrichterin Interpretationsleistungen unterstellter Motivationstypen der Spieler. Die „Deutung des Handlungssinns“ (Schütz 1971: 172) – wollte sie an den Ball kommen, hat sie den Arm ‚unnatürlich‘ nach oben gestreckt, war es eine ‚kontrollierte‘ Rückgabe – erfolgt unter Berücksichtigung der Bedingungen der Handlungsmöglichkeiten[12], etwa der Beschaffenheit des Rasens, des Balls, der Stellung zum Gegenspieler. Damit werden Kriterien der Kontextualität und Indexikalität zur Möglichkeit intersubjektiven Nachvollzugs sichtbar und modifizieren das ‚Objektivitätskriterium‘ schiedsrichterlicher Entscheidungen.[13] Die Ausbildung dieser Professionsanforderungen mündet in einer spezifischen Gangart, eines konsistenten ‚Takts‘, innerhalb einzelner Spiele sowie über einzelne Spiele hinweg, beispielsweise viel oder wenig ‚laufen zu lassen‘. Die Adäquanz als Gütekriterium schiedsrichterlicher Entscheidungen verweist in dem Zusammenhang nicht nur auf eine angemessene Regelauslegung in einzelnen Spielsituationen, sondern auch eine Konsistenz in Entscheidungen zwischen unterschiedlichen Situationen, sowie eine sich daraus ergebende Entscheidungskohärenz, die eben immer unter der Maßgabe der Stimmigkeit mit dem Regelwerk, harmonisch in die Linie der Schiedsrichterin zu passen hat. Dies geht freilich nicht immer ‚auf Knopfdruck‘, sondern bedarf zuweilen mühsamer Beobachtungs- und Explikationsarbeit (‚Wo war die Hand? Welche Flugkurve hatte der Ball? Was sagt der Spieler dazu?‘). Auch die ‚Accountability‘ muss überzeugend in der verbalen und gestischen Kommunikation angezeigt und hergestellt werden. Zugleich sieht sich die Schiedsrichterin mit der Herausforderung konfrontiert, auch dann Entscheidungen treffen zu müssen, wenn sie keine gute Sicht hatte. Sie steht unter fortwährendem Zugzwang und Handlungsdruck.

Empirische Analysen der Schiedsrichterinnenentscheidungen unterstreichen diesen Punkt, indem sie offenlegen, dass nach dem Pfiff das Gebot der schnellen Entscheidung gilt (Weigelin 2022). Schiedsrichterinnen werden erst zur Leiterin des Spiels, wenn sie überzeugend zeigen, dass sie die Situationen im Griff haben (Heck und Muhle 2020: 185). Damit einher geht auch die Anforderung, dass sie sich mit jeder Entscheidung Akzeptanz erarbeiten müssen, beispielsweise über die überzeugende Darstellung von Autorität und Klarheit (Heck und Muhle 2020; Weigelin 2022). Sie verfolgen insofern das Ziel, jede Entscheidung, trotz möglicher Zweifel, als sicher darstellen zu müssen, wobei die Reaktionen der Spieler nachträglich als Bestätigung oder Widerspruch zur Entscheidung fungieren kann. Akzeptanzbeschaffung auf dem Platz heißt deshalb auch, einsetzende Enttäuschungen und Proteste zu bearbeiten (Heck 2019; Heck und Muhle 2020).[14]

Beeinflusst werden die Schiedsrichterinnen zudem von eigenen Erwartungen, die sie in Bezug auf die Mannschaft und die Spieler haben. Sichtbar wird dies beispielsweise an dem Phänomen des „Heimvorteils“ (Dohmen 2008; Dohmen und Sauermann 2016). Eine abgewandelte Form des Heimvorteils ist im Fußball als Phänomen des ‚Bayernbonus‘ bekannt. Hiernach tendieren Schiedsrichterinnen „unbewusst“ dazu, tendenziell für jene Teams zu entscheiden, die als „Top-Mannschaften“ gelten und damit gegen die sog. „Kellerkinder“ (Werner 2016).[15] Bei beiden dieser Phänomene scheint es sich um eine Beeinflussung der Schiedsrichterinnenwahrnehmung durch externe, d. h. außerhalb des Spielfelds und somit des eigentlichen Fokus der Schiedsrichterin befindliche Faktoren (medialer oder lokaler Öffentlichkeit) zu handeln. Diese lassen sich wiederum mit dem von Pierre Bourdieu entwickelten Konzept der „Doxa“ (Bourdieu 1982: 668) als Verzerrungsprobleme der schiedsrichterlichen Urteilskraft beschreiben, die allerdings nicht psychologischen, also intra-subjektiven, sondern soziologischen, also inter-subjektiven Ursprungs sind. Die Doxa beschreibt nach Bourdieu einen Komplex gewohnheitsmäßiger, unhinterfragte[r], „vorreflexiv geglaubter Meinungen und Überzeugungen“ (Bourdieu 1982: 106) über die Richtigkeit und Legitimität der „alltäglichen Ordnung des Ungefragten und Selbstverständlichen“ (Bourdieu 1982: 668), welche nach Bourdieu jedoch immer eine spezifische Herrschaftsordnung darstellt. Der sich auch in körperlichen Dispositionen manifestierende Glaube an die Legitimität der Herrschenden schlägt dabei, wie Bourdieu zeigt, bis in die ‚natürliche‘ Einstellung der Alltagswelt durch. Dort erscheint dieser nicht als aufoktroyierte Herrschaftsideologie, sondern als „natürliche“, „nicht sichtbare, unauffällige, ‚natürliche‘ Attribute (die ‚natürliche Distinktion‘)“ der Welt und des Spielfelds (Bourdieu 2016: 208). Die scheinbare Wahrnehmungsverzerrung der Schiedsrichterinnen, die dazu führt, dass sie tendenziell häufiger für ‚die Bayern‘ pfeifen, kann vor dem Hintergrund dieser machttheoretischen Überlegungen als doxischer Glaube an die ‚natürliche Überlegenheit‘ der Bayern gedeutet werden, die sich nicht erst in der Bewertung, sondern bereits in der Situationswahrnehmung bis in die in Mikroentscheidungen hineinzieht. Demzufolge hätten es etwa Bayern-Spieler gar nicht nötig, sich fallen zu lassen oder ‚Foul zu spielen‘, weshalb strittige Entscheidungen tendenziell – auch im Sinn des bekannten „Matthäus Prinzips“ (Merton 2010: 448) – zugunsten der führenden Mannschaften getroffen werden. Beim Bayernbonus handelt es sich so gesehen also nicht um bewusste Manipulation der Schiedsrichterinnen, sondern vielmehr um eine präreflexive, nicht bewusste Form der Wahrnehmungsverzerrung, die im Glauben an eine selbstverständliche Überlegenheit gründet.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Feldschiedsrichterinnen auf der einen Seite von ihrer zeiträumlichen Involviertheit des Spiels profitieren, welche es ihnen ermöglicht, „‚Augenmaß‘ oder ‚Fingerspitzengefühl‘“ (Großheim 2010: 65) zu entwickeln. Diese Aspekte sind Teil einer professionalisierten und somatisierten Sensorik, die es den Schiedsrichterinnen ermöglicht, Situation auch als Atmosphäre zu spüren und sie angemessen und virtuos beurteilen zu können.[16] Auf der anderen Seite liegen hier auch ihre Einschränkungen und Probleme: Zunächst ergibt sich daraus eine Limitation in der lokalen Perspektive. So haben auch die Schiedsrichterinnen und ihre Assistentinnen keine Augen im Hinterkopf, sondern ihr visuelles Feld ist perspektivisch begrenzt, was in gravierenden Fehlentscheidungen münden könnte.[17] Ferner sind auch die geschulten Schiedsrichterinnen von situativen kognitiven Verzerrungen, wie das Phänomen des Heimvorteils zeigt, nicht gefeit. Die Perspektivität betrifft somit nicht nur das visuelle, sondern auch ein kognitiv-evaluatives Feld, das unterschiedliche Ebenen der Mikropolitiken von Aufmerksamkeits- und Wissensordnungen, des Aufmerkens, Erkennens und Bewertens umfasst. Ein weiterer Punkt betrifft die teilweise mühselige Explikationsarbeit von Situationen und die Kommunikation der Entscheidungen, die unter Antizipation der Struktur intersubjektiver Nachvollziehbarkeit unterschiedlicher Adressaten (Spieler, Zuschauende) getätigt werden muss (Muhle und Heck 2022).[18]

Zusammenfassend ergibt sich für die Feldschiedsrichterin als hermeneutische Dirigentin, der Vorteil einer involvierten interpretativen Bezugnahme und Spielleitung durch inkorporiertes Taktgefühl einerseits, allerdings andererseits auch ein transsituatives Problem durchgängiger Entscheidungskonsistenz aufgrund der perspektivischen Limitationen, das gar als Gerechtigkeitsproblem zutage treten kann.

7 Der VAR und die Reduktion des Fußballspiels zur ‚Konstellation‘ in der Praxis des parametrischen Accountant

Im vorherigen Abschnitt wurde deutlich, dass ‚lokale‘, kontextgebundene schiedsrichterliche Entscheidungen sich durch eine vergleichsweise hohe perspektivische Anfälligkeit und daraus ergebender inkonsistenter Standardisierbarkeit auszeichnen. Im Gegensatz dazu bietet das VAR-Netzwerk die Möglichkeit, als „Strukturstabilisierer“ (Passoth 2013: 264) von Schiedsrichterinnenentscheidungen zu fungieren. In techniksoziologischer Erweiterung der zu Beginn dargestellten Konfiguration der neuen visuellen Ordnung durch den VAR stellt das Video-Assistent-Center (VAC) in Köln demnach die Infrastruktur für ein „superpanoptische Beobachtungsarrangement“ (Heck 2019: 56) bereit.[19] Damit soll dem Problem der Perspektivität begegnet werden. Die anvisierte „irreversible Tatsachenentscheidung“ (Heck und Muhle 2020: 185) erfolgt, wie bereits skizziert, aus dem Zusammenspiel von technischer Hard- und Software wie Monitoren, Computern, Bildbearbeitungstechnik, menschlicher Bildinterpretation, technisch gestützter Kommunikation zwischen Feldschiedsrichterin und Video-Schiedsrichterin, face-to-face Interaktionen zwischen Video-Schiedsrichterin und Assistentin, der Replay Operatorin und ggf. der Supervisorin sowie Funkkommunikation des gesamten Schiedsrichterinnenteams. Gemeinsam agieren sie nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich – wenn auch unter höchstem Zugzwang – disparat. Hinzu kommen „overwatching audiences“[20], also das Publikum im Stadion, vor den Radios sowie vor dem Fernseher. Sie nehmen, wie bereits deutlich gemacht wurde, regulativen Einfluss auf die Kommunikation, indem die präsentierten Bilder letztlich auch für eine Nachvollziehbarkeit durch die Zuschauer zugeschnitten werden müssen.

Während die Feldschiedsrichterin mit ihren Assistentinnen in einer Teamstruktur (mit Linienrichterinnen und der vierten Offiziellen) vor den kritischen Blicken multipler Öffentlichkeiten und der overwatching audience agiert, scheint es in der Analyse des VAR umso mehr zu kurz gegriffen, ihn als eine personale und entsprechend ‚personal accountable‘ Figur zu beschreiben, weil damit der Eigenlogik seines Eingriffs nicht Rechnung getragen werden kann und der VAR somit gerade als Black Box erschiene. Letztere lässt sich jedoch mit der Perspektive der ,Akteur-Netzwerk-Theorie‘ öffnen, sodass die komplexen Übersetzungsprozesse, die aus einer Situation eine Konstellation machen, sichtbar werden. Der VAR lässt sich damit als „Aktanten-Netzwerk“ belebter und nicht belebter Aktanten fassen (Latour 2001b), das im Sinne einer „zirkulierenden Referenz“ (Latour 2017: 36) mehrere Übersetzungen zwischen den einzelnen Elementen bis hin zur letztendlichen Entscheidung vornimmt.

Abb. 1: Quelle: http://refereeingworld.blogspot.com/2020/07/advanced-offside-technology.html basierend auf FIFA https://www.fifa.com/news/fifa-organises-remote-demonstration-of-advanced-offside-technology.
Abb. 1:

Quelle: http://refereeingworld.blogspot.com/2020/07/advanced-offside-technology.html basierend auf FIFA https://www.fifa.com/news/fifa-organises-remote-demonstration-of-advanced-offside-technology.

Die funktionale Seite des VAR lässt sich zudem mit Latours Konzept des „immutable mobile“ präziseren (Latour 2006). Ein immutable mobile stellt ein spezifisches Wissensmedium dar, welches durch Übersetzung und Standardisierung die scheinbare Unwandelbarkeit spezifischer Situationselemente an die gleichzeitige Möglichkeit ihrer Mobilität in einem anderen Bedeutungskontext koppelt. Es ist also ein Instrument, durch das eine „zunächst lokale Gegebenheit […] delokalisiert und entkontextualisiert wird, ohne dass sie ihre wesentlichen Charakteristika verliert“ (Gertenbach und Laux 2019: 79) oder durch welches – in unserer Terminologie – eine Situation in eine Konstellation übersetzt wird. Das immutable mobile ermöglicht es, die binnendiffuse Situation mithilfe digitaler Darstellungs- und Messtechniken in eine in isolierbare Bilder, geometrische Formen und exakt messbare Daten zerlegbare Konstellation zu übersetzen.

Indem im Netzwerk des VAR mehrerer solcher immutable mobiles wie die Zeitlupe oder die kalibrierte Linie verwendet werden, können Spielsituationen in digitale, mathematische Modulationen übersetzt, also zunächst in Bildsequenzen, dann zu 3D-Modellen „idealisiert“ (Husserl 1996: 37) und schlussendlich in spezifische Konstellationen übersetzt werden. Der VAR verspricht somit mithilfe einer Reduktion binnendiffuser Situationen auf numerisch diskrete Modelle, gerechtere Entscheidungen treffen zu können. Indem er eine Spielsituation in eine „symbolische Logik und Formelhaftigkeit“ (Husserl 1996: 37) übersetzt,[21] scheint er auch den interpretativen Graubereich in Konstellationen aufzulösen, in denen richtige Entscheidungen auf Grundlage exakter Messungen getroffen werden sollen.

Der VAR ist ferner darauf ausgerichtet, „optische Konsistenz“ (Latour 2006: 267) herzustellen, also eine Darstellungsqualität des Geschehens zu schaffen, welche „naiverweise“ als „objektiv“ (Latour 2006: 267)[22] wahrgenommen wird, wobei die Objektivität selbst eine soziohistorisch partikulare und v. a. auch veränderbare Herstellungsleistung darstellt. Zudem scheint diese „Konsistenz“, verstanden als „die Kunst, alles zu beschreiben, und die Möglichkeit, von einem Typ von visueller Spur zu einer anderen zu gehen“ (Latour 2006: 267; zit. n. Schüttpelz 2009), die prinzipielle Möglichkeit exakter und unstrittiger Entscheidungen für jegliche Situationen zu implizieren. Der VAR eröffnet nicht nur die technische Möglichkeit, mithilfe der zusätzlichen Kameras mehrere Objekte zugleich aus einem besseren Winkel betrachten zu können, sondern impliziert, durch diese Proliferation an Perspektiven, blinden Flecken vorbeugen zu können und somit Objektivität herzustellen, welche aber, wie Latour beschreibt, selbst bereits eine (interpretative) Herstellungsleistung darstellt.

Im Zuge der Analyse des VAR-Netzwerks wird deutlich, dass zwei unterschiedliche Klassen strittiger Entscheidungen zu differenzieren sind, die sich entlang ihres notwendigen Interpretationsgrades unterscheiden: Auf der einen Seite stehen jene Regeln, welche ohne Rückgriff auf den subjektiven Handlungssinn getroffen werden können. Diese beziehen sich auf scheinbar mathematisch-physikalische Größen wie berechenbare Entscheidungen über Aus, Abseitsentscheidungen[23] oder Entscheidungen über die Torwartposition beim Strafstoß, der zufolge sich der Torhüter nach aktuellen Regularien „mindestens mit einem Teil eines Fußes auf, über oder hinter der Torlinie“ zu befinden hat (DFB 2022d: 89). Auf Basis dieser ‚Fakten‘ können mit quasi naturwissenschaftlichen Mitteln Entscheidungen getroffen werden (Schütz 1971: 28). Die unterstellte Absicht, ob der Torhüter die Linie verlassen wollte oder nicht, spielt hier keinerlei Rolle. Vielmehr entscheidet nur ihre ‚von außen‘ beobachtbare, in technisch-diskrete Daten überführbare Bewegung, also beispielsweise, ob der Torhüter mit dem Bein auf der Linie bleibt oder nicht. Für diese Fälle liefern die VAR generierten Bilder recht eindeutige Ergebnisse, da sie messbar sind. Ein Graubereich bleibt jedoch bestehen, da auch die hochtechnologischen Kameras mit einem Bild pro 0,02 Sekunden, nicht dem Umstand Rechnung tragen können, dass „in der Realität […] sich Fußballer und Fußball nicht nur alle 0,02 Sekunden, sondern eben ständig“ bewegen (Ahrens 2019). Nicht zuletzt muss deshalb auch hier auf interpretatorische Weise der ‚passendste‘ Frame ausgewählt werden.

Demgegenüber stehen Vergehen wie absichtliches Foul- oder Handspiel, welche zentral auf die Absicht, also auf den intentionalen Handlungssinn der Spieler Bezug nehmen. Dazu gehören versuchtes Schubsen, Treten, Beinstellen (DFB 2022d: 69) wie die – notwendigerweise immer supponierte – „Fahrlässigkeit“ oder „Rücksichtslosigkeit“ eines Einsteigens (ebd.). Bei den hier vorliegenden Vergehen werden auf Basis professionalisierten „Fremdverstehens“ (Schütz 1971) spezifische Motivlagen unterstellt. Dieser genuin interpretative Prozess verweist, wie bereits dargestellt, konstitutiv auf die Indexikalität sowie Kontextualität von ‚Äußerungen‘ und ‚Körperbewegungen‘, die erst im Rahmen des Fußballspiels als sinnhafte, zielverfolgende und aufgrund dieses Umstands als strafbare Handlungen und Praktiken verstanden werden können.[24] So liegt auch beim VAR bei der Bestimmung dessen, ob etwa ein Handspiel vorlag, ein eben nicht quantitativ zu messender Interpretationsprozess vor (Schmidl 2021: 7).

Beide Entscheidungsklassen, sowohl jene, die einen Handlungssinn unterstellen, ebenso wie jene ‚objektiverer‘ Beschaffenheit enthalten wie die Analyse zeigt, Interpretationsprozesse, was sich eindrücklich im Kardinalproblem des VAR, nämlich dem Problem der „Eingriffsschwelle“ (Feuerherdt 2023) zeigt. Wie bereits zu Beginn dieses Kapitels erläutert, liegt die Bedingung für die Möglichkeit des VAR einzugreifen, in dem Vorliegen einer „klaren Fehlentscheidung“ (Feuerherdt 2023). Zusätzlich zur Frage, was die Klarheit bei einer Fehlentscheidung ausmachen soll, zeigt sich darüber hinaus, dass die Entscheidung des VAR einzugreifen, selbst schon Ergebnis eines interpretativ-evaluativen Vorgangs darstellt, der zudem noch weitreichende Folgen hat. Denn in seiner Eigenschaft als immutable mobile verkoppelt der VAR nicht nur paradoxerweise „Unveränderbarkeit und Mobilität“ (Gertenbach und Laux 2019: 79) auf räumlicher Ebene, sondern ebenfalls in ähnlich paradoxer Weise „Ereignis und Prozess“ auf zeitlicher Ebene (Scheffer 2008: 378). Im Moment des Eingriffs wird er insofern aktiv, als er die Prozesshaftigkeit des Geschehens auf dem Platz in ein Ereignis (z. B. eine ungeahndete Tätlichkeit) transformiert, das als solches nicht nur vom Ort, sondern auch aus dem Zeitfluss isoliert und herausgehoben und somit als relevant demarkiert werden kann, wodurch eine „Zäsur im Verlauf der Dinge“ (Scheffer 2008: 378) geschaffen wird. Aus konstruktivistischer Perspektive ist der Eingriff also – selbst, wenn er in Sekundenschnelle getroffen wird – immer Resultat eines interpretativen Abwägungsprozesses, der notwendigerweise auf einer Situationserfassung und -Bewertung aufbaut.

Insgesamt zeigt sich beim hier mit der Akteur-Netzwerk-Theorie idealtypisch modellierten VAR, dass an ein Entscheidungsmodell angeschlossen wird, das sich als parametrischer Accountant[25] fassen lässt: Trotz der angedachten Entscheidungshoheit der Feldschiedsrichterin auf dem Platz, als Knotenpunkt, stellt der VAR einen Technik-Mensch-Komplex dar, der auf einer arbeitsteiligen Handlungsdelegation beruhen soll. Die mithilfe der technischen Infrastruktur vorgenommene Übersetzung der Situation des Spiels in Bildsequenzen, die angehalten und verlangsamt werden können, erzeugt Konstellationen, die scheinbar objektiv und messbar sind. Diese geht mit dem Versprechen technischer Exaktheit, mechanischer Unmittelbarkeit und ‚unparteilicher‘, weil distanzierter, nachprüfbarer und scheinbar objektiv ermittelbarer Entscheidungspraxis einher. Zugleich werden in diesen Prozessen jedoch die kreativen Interpretationsleistungen des VAR sichtbar, die in der Auswahl von passenden Frames, der Denotierung eines Prozesses zu einem eingriffswürdigen Ereignis, oder auch konkret der Regelauslegungsexegese selbst liegen, in der technischen Rationalität des VAR allerdings unsichtbar bleiben.

8 Schluss: Die Angst der Schiedsrichterin vor dem VAR

Der Artikel widmete sich aus soziologischer Perspektive der Frage, welche Veränderungen der VAR für das Spielgeschehen mit sich bringt. Für die Beurteilung dieser Auswirkungen ist entscheidend, dass mit der Einführung des VAR die Hoffnung verbunden war, den Fußball qua objektivierender und quantifizierender Technologien messbar, berechenbar und letztlich gerechter zu machen. Erste in diesem Aufsatz getätigte Überlegungen demonstrieren, dass der VAR jedoch weiterhin zentral auf Interpretationsprozesse zurückgreifen muss.

Ausgehend von dieser Beobachtung verfolgten wir das Ziel, das Objektivitätsversprechen mit einer Kombination aus kritisch phänomenologischer Analyseheuristik und Akteur-Netzwerk-theoretischer Beschreibung im Sinne eines parametrischen Accountant zu fassen. Indem wir die Leistungen der Feldschiedsrichterin in der idealtypischen hermeneutischen Dirigentin rekonstruiert haben, konnten wir zeigen, dass die Frage nach mehr Gerechtigkeit im Fußball wesentlich an eine Kritik einer als zu hoch empfundenen Fehlentscheidungsquote der Feldschiedsrichterin gekoppelt ist. Diese lässt sich mithilfe einer Einführung des VAR nicht lösen. Die heuristische Gegenüberstellung legt blinde Flecken beziehungsweise Limitationen ‚auf beiden Seiten‘ offen: Die hermeneutische Dirigentin erscheint in ihrer lokalen Perspektivität und einer sich daraus ergebenden transsituativen Entscheidungsinkonsistenz limitiert. Der parametrische Accountant offenbart allerdings auch Schwächen in der Transparenz und Konsistenz von Interpretationsentscheidungen, insbesondere in der Frage nach der Eingriffsschwelle. Er verspricht Objektivität, Exaktheit und Standardisierbarkeit, die er versucht, durch die Übersetzung des sozialen Geschehens auf dem Platz in technisch-diskrete Daten vorzunehmen. Dadurch erzeugt er jedoch systematisch ein Accountability-, und genauer gesagt Verantwortungsvakuum.

Folglich soll die Gegenüberstellung zwar nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rede von ‚dem Schiri‘ ohnehin eine Fiktion darstellt, denn auch die Feldschiedsrichterin kooperiert mit Linienrichtern sowie mit anderen nützlichen Aktanten, beispielsweise von der Pfeife bis zum Headset. Gleichwohl scheint die mit dem VAR vorgedrungene Erkenntnis über die in einem Netzwerk verteilte Kognition und Aktion eine neue Qualität des Problems der Accountability bzw. der Verantwortlichkeitszurechnung zu produzieren. Durch den VAR wird Komplexität in einem solchen Maße erhöht, dass durch die dort entstehenden Emergenzeffekte, die Accountability im Sinne von Zurechenbarkeit und Fehlerzurechnung unterminiert wird. Gerade dort, wo es die Aufgabe des VAR-Netzwerks sein sollte, Komplexität zu reduzieren, d. h. zu einer eindeutigeren und gerechteren Lösungsfindung beizutragen, schafft es eine Art „strukturierte Verantwortungslosigkeit“ (Honegger et al. 2010).

Nicht nur aus Schiedsrichterinnenperspektive kommt es zu einer Krisenwahrnehmung: Denn das Zusammenspiel aus menschlichen und nicht-menschlichen Aktanten produziert nicht nur höchst spezialisierte und technisierte Formen der Entscheidungsfindung, die Regeländerungen und aufwendige Explikationsarbeit für Schiedsrichterinnen nach sich ziehen, sondern das Geschehen erscheint aus Fanperspektive kaum noch nachvollziehbar. Ähnlich wie den Feldschiedsrichterinnen wird auch den Fußballfans die Möglichkeit entzogen, sich angemessene Urteile über das Geschehen auf dem Platz bilden zu können. Dies scheint auf Seiten der Fans gerade deshalb als neue Form von Ungerechtigkeit erfahren zu werden, weil Fehler nicht auf situative lokale, etwa optische Fehleinschätzungen oder Verzerrungen zurückzuführen sind, sondern auf Fehler mit System und dadurch auf ein fehlerhaftes System verweisen. So scheint die Funktion des Fußballspiels als moderne Erlebnissphäre „kollektiver Efferveszenz“ (Rosa 2017: 296)[26] und der damit verbundenen Kollektivierungseffekte – freilich nicht nur im Ärger auf die Schiedsrichterin, sondern beispielsweise auch in der Vorläufigkeit jedes Torerfolgs und jeder Gefühlseruption – abgeschwächt zu werden.[27]

Ferner stilisiert der VAR in seiner mathematisch-technischen Rationalität den Fußballplatz zu einer abstrahierten 3D-Welt, in der prinzipiell alles exakt berechenbar und feststellbar zu sein scheint. Dass es sich dabei aber um ein konstellatives Modell handelt, das sich für bestimmte Detailentscheidungen besser eignet, etwa für die Torlinientechnik, andere Probleme aber nicht beheben kann oder gerade erst hervorbringt, so insbesondere das Problem der Eingriffsschwelle, rückt in den Hintergrund und verdeckt dabei die situativen Elemente. Mit dieser Form der Herstellung technischer Verfügbarkeit, die die Annahme einer prinzipiellen Möglichkeit der Messbarkeit und Entscheidbarkeit aller strittigen Situationen auf Basis von Daten impliziert, geht auch die Forderung nach einer Tilgung von der Unverfügbarkeit als durch den VAR zu kontrollierbarer Stellgröße einher (Rosa 2021).[28] Der Preis für den Anstieg abstrakter Regelkonformität in der Entscheidungsfindung scheint auf Kosten der konstitutiven Unverfügbarkeit und somit der Grundattraktion des Spiels zu gehen, die Herberger zufolge, die Fans zum Stadionbesuch erst motiviert (Gebauer 2013; Rosa 2021).

Schließlich, um zum Aspekt der Rollenautorität der Schiedsrichterin zurückzukehren, erscheint die Forderung nach der Nutzung technischer Möglichkeiten zur besseren Spielführung zunächst nachvollziehbar. Allerdings muss danach gefragt werden, inwiefern der VAR als nicht intendierte Nebenfolge statt zu einer Unterstützung gerade zu einer De-Legitimierung des On-Field-Referees beiträgt. Indem der VAR immerfort als ‚Überwachungsapparat‘ eingreifen könnte, wird nicht nur die Zurechenbarkeit, sondern auch die Entscheidungsautorität der Schiedsrichterin untergraben. Ferner ist auch die im VAR materialisierte Konzeption der Schiedsrichterin als technisch-menschlichem Apparat, der für die Voraussetzung der Spieldurchführung zwar nötig, aber in seiner Rollenausführung in erster Linie unsichtbar, automatisch und funktional agieren soll, insofern problematisch, als hierdurch die hermeneutische Kunst der Spielleitung unterminiert wird. Die Möglichkeit der Professionalisierung durch Schulung des Interpretations- und Reflexionsvermögen der Verantwortlichen droht zur Nebensache zu werden, wodurch den Schiedsrichterinnen auch die Anerkennung als konstitutive Spielfigur für die Durchführung und das Gelingen des Spiels versagt bleibt. Dass die fehlende Anerkennung einer der Hauptfaktoren für das „Schiedsrichternachwuchsproblem“ im deutschen Fußball ist, kann vor diesem Hintergrund nicht überraschen (Süddeutsche 2023). Die Angst der Schiedsrichterin, ins Spiel eingreifen zu müssen, wie sie sich in der „Angst vor dem Elfmeterpfiff“ manifestiert (Heck 2019), droht demzufolge gar von der Angst überboten zu werden, als Feldschiedsrichterin die eigene Perspektivität und gar Urteilskraft durch einen konstellativen Empirismus aufgelöst zu sehen.

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Online erschienen: 2024-06-24
Erschienen im Druck: 2024-11-22

© 2024 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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