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Die Bedeutung muslimischer Krankenhausseelsorge in einer diversitätssensiblen Palliativversorgung

  • Dilek Uçak-Ekinci ORCID logo EMAIL logo
Veröffentlicht/Copyright: 12. August 2025
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Einleitung

Palliative Care fokussiert auf Patientinnen und Patienten und berücksichtigt deren kulturelle, religiöse und spirituelle Hintergründe. Dabei ist zentral, nicht nur über diese Hintergründe abstrakt Bescheid zu wissen, sondern die Perspektive der Betroffenen selbst zu verstehen. Der Zugang zu dieser Perspektive ist jedoch oft erschwert – gerade in pluralen Gesellschaften, in denen die Erfahrungen hochgradig divers und die Weltanschauungen vielfältig sind. Dies erfordert eine besondere Sensibilität für unterschiedliche Bedürfnisse, Ausdrucksformen und Deutungsmuster.

Wenn Menschen am Lebensende nach Orientierung suchen, geht es oft nicht nur um medizinische Entscheidungen – sondern um tieferliegende Fragen nach Sinn, Zugehörigkeit und Glauben. In einer pluralen Gesellschaft prallen dabei ganz unterschiedliche Vorstellungen aufeinander: über das, was Trost gibt, was erlaubt ist und was unausgesprochen bleiben soll.

Auch Patienten, Patientinnen und Angehörige mit muslimischen Hintergründen bringen in solche Situationen eigene Vorstellungen mit. In einer säkular geprägten, hochspezialisierten medizinischen Umgebung wird ihren spirituellen Bedürfnissen jedoch häufig nur unzureichend begegnet. Klitzman et al. (2023) zeigen, dass insbesondere am Lebensende mangelndes Wissen über die Vielfalt muslimischer Lebenswirklichkeiten sowie unterschiedliche Perspektiven zwischen Patientinnen/Patienten und Fachpersonen zu Spannungen und wechselseitiger Verunsicherung führen. Vor diesem Hintergrund stellt sich dieser Essay nicht die Frage, ob muslimische Seelsorge in der diversitätssensiblen Palliative Care gebraucht wird, sondern wie sie als dialogisch-theologische Praxis konkret wirksam werden kann. Wie kann sie Räume schaffen, in denen spirituelle Deutungen, familiäre Erwartungen und institutionelle Anforderungen miteinander ins Gespräch kommen? Welchen Beitrag kann sie leisten zur Anerkennung spiritueller Vielfalt in der letzten Lebensphase?

Im Folgenden wird gezeigt, welche Herausforderungen sich in der Kommunikation in der palliativen Versorgung muslimischer Patientinnen und Patienten ergeben, welche Rolle muslimische Seelsorge dabei einnehmen kann und wie sich ihre Praxis und theologische Verortung entfaltet. Ziel ist es, den spezifischen Beitrag muslimischer Seelsorge als spirituelle Ressource in einer diversitätssensiblen Palliative Care sichtbar zu machen. Muslimische Seelsorge etabliert sich als theologisches Forschungsfeld erst allmählich, in der Praxis ist sie jedoch längst ein zentraler Bestandteil spiritueller Begleitung, auch wenn es bislang an institutioneller Sichtbarkeit und theologischer Durchdringung mangelt (vgl. Heft 4 dieser Zeitschrift 12 [2023]: Dynamiken muslimischer Seelsorge).

Verständigungsräume – Herausforderungen in der Kommunikation

Im komplexen Alltag palliativer Versorgung entstehen immer wieder Kommunikationssituationen, die Spannungen zwischen professionellen Abläufen, institutionellen Logiken und den Erwartungen von Patientinnen/Patienten und Angehörigen erzeugen. Missverständnisse, Unsicherheiten oder divergierende Wertevorstellungen können diese Situationen zusätzlich belasten. Drei Themenfelder treten wiederholt hervor, nämlich die Informationsweitergabe an Betroffene, die Dynamiken familiärer Entscheidungsprozesse und das Vertrauen in Institutionen.

Umgang mit Information

Ein zentrales Spannungsfeld entsteht im Umgang mit medizinischer Aufklärung am Lebensende. Tareen (2024) führt in einem narrativen Review zwölf Studien (sechs aus mehrheitlich muslimischen, sechs aus westlichen Kontexten mit muslimischen Minderheiten) zusammen und zeigt, dass der häufige Wunsch, Diagnosen und Prognosen nur eingeschränkt an Patientinnen/Patienten weiterzugeben, ein transkulturelles Phänomen ist. Dieses Verhalten ist nicht primär Ausdruck von mangelndem Verständnis, sondern vielmehr Ausdruck emotionaler und religiöser Fürsorgepflicht gegenüber dem erkrankten Familienmitglied. Hoffnung soll geschützt, psychische Belastung vermieden und das Vertrauen in göttliches Wirken aufrechterhalten werden. Im Gesundheitssetting wird dies jedoch oft als Vermeidung oder gar als Hindernis für die Patientenautonomie wahrgenommen.

Dies zeigt sich auch in der folgenden Fallvignette, die aus der seelsorglichen Praxis stammt:

„Wir müssen ehrlich sein – es gibt keine Hoffnung mehr“, sagt der Oberarzt ruhig und offen beim gemeinsamen Gespräch mit dem ärztlichen Team, den drei erwachsenen Kindern der Familie und einer Pflegefachperson. Der Patient, Herr M., 68 Jahre alt, liegt mit einem fortgeschrittenen Pankreaskarzinom auf der Palliativstation. Die medizinische Lage ist eindeutig.

Einen Moment lang ist es still. Dann antwortet der älteste Sohn bestimmt: „Das ist Allahs Entscheidung.“ Die Atmosphäre spannt sich spürbar.

Nach dem Gespräch bittet die Pflegefachperson – wahrnehmend, wie angespannt und sprachlos die Situation geworden ist – die muslimische Seelsorgerin auf die Station, um die Familie zu begleiten. Im Flur begegnet diese der erschöpft wirkenden Tochter. Sie kommen rasch ins Gespräch. „Wir wissen, dass unser Vater stirbt. Wir müssen das nicht jeden Tag aufs Neue hören“ (Fallvignette basierend auf einer anonymisierten Schilderung aus der seelsorglichen Praxis, 2024).

Die Szene macht deutlich, dass Prognosetransparenz und spirituelle Deutung durchaus unterschiedlich sein können, aber nicht zwangsläufig im Widerspruch stehen. Sie können jedoch unterschiedliche Erwartungen an Sprache und Verantwortungsverständnisse – ärztliche, familiäre, spirituelle – hervorrufen. Während das ärztliche Team mit einer endgültig formulierten Aussage Klarheit schaffen will, verteidigt die Familie eine Haltung des inneren Wissens, ohne ständige Wiederholung.

Hier kann muslimische Seelsorge einen Raum schaffen und eine Brückenfunktion übernehmen. Sie kennt sowohl die institutionellen Anforderungen an Transparenz als auch die Bedeutung innerfamiliärer und religiös geprägter Ausdrucksformen. In dem geschützten Raum, den sie bietet, können affektive und spirituelle Reaktionen geachtet werden. Die Differenzen können hier ausgedrückt und sichtbar gemacht werden, was Verständigung ermöglicht, wo sonst Sprachlosigkeit droht.

Familiendynamik und Entscheidungsfindung

In vielen muslimischen Familien werden medizinische Entscheidungen gemeinschaftlich getroffen und nicht individuell. Oft übernimmt ein Familienmitglied, etwa das älteste Kind, eine Sprecherrolle für die Patientin / den Patienten. Dieses relationale Entscheidungsverhalten steht jedoch in Spannung zur westlich geprägten Idee der individuellen Autonomie, wie sie im medizinischen Kontext vorausgesetzt wird.

Hinzu kommt eine häufig erlebte religiöse Unsicherheit: Was ist „islamisch erlaubt“? In Krisensituationen wächst der Wunsch nach Orientierung, nicht unbedingt durch islamisch-rechtliche Stellungnahmen, sondern durch Räume, in denen existenzielle Fragen religiös-spirituell gerahmt und gedeutet werden können. Seelsorge wird hier zum Ort einer gemeinsamen Neuordnung – getragen von Vertrauen, Hoffnung und der Suche nach Sinn.

Vertrauen in Institutionen und ihre Logik

Viele muslimische Patientinnen und Patienten – insbesondere ältere – bringen Erfahrungen mit, die von struktureller Benachteiligung, mangelnder Sensibilität oder kulturellen Missverständnissen geprägt sind. Studien zu älteren Migrantinnen und Migranten wie jene von Sedgley et al. (2025) zeigen, dass diese Erfahrungen Spuren hinterlassen – in Form von Misstrauen, Verunsicherung oder dem Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.

Zugleich kann die idealisierte Vorstellung, Großfamilien „kümmern sich besonders gut“, dazu führen, dass professionelle Standards – etwa zur Selbstbestimmung – unbewusst unterlaufen werden. Zwischen strukturellem Misstrauen und positiver Stereotypisierung entsteht ein Spannungsfeld, das muslimische Seelsorgende kompetent begleiten können. Sie kennen die kulturellen Logiken ebenso wie die institutionellen Rahmenbedingungen und schaffen so Orte des Aushandelns. Muslimische Seelsorge kann in palliativen Settings eine entscheidende Rolle spielen – vorausgesetzt, sie wird frühzeitig und systematisch einbezogen.

Dabei ist Kommunikation mehr als ein organisatorisches Mittel. So wird sie zum Ort der Anerkennung von Differenzen, Gemeinsamkeiten, Bedürfnissen. Gerade in Familiengesprächen oder Fallbesprechungen können muslimische Seelsorgende neue Wege der Zusammenarbeit ermöglichen und zur wirklich patientenzentrierten Versorgung beitragen. Damit muslimische Seelsorge ihre vermittelnde Rolle zwischen familiären Erwartungen und institutionellen Anforderungen wahrnehmen kann, ist ihre Anbindung an die interprofessionellen Abläufe im Krankenhaus unerlässlich (Peng-Keller 2021).

Um muslimische Seelsorge in der palliativen Versorgung nicht nur als kulturelle Vermittlung, sondern als spirituelle Ressource ernst zu nehmen, braucht es auch eine theologische Vergewisserung. Denn das, was in der Praxis wirkt, muss theologisch gedeutet, reflektiert und tragfähig begründet werden. Es bedarf einer religiösen Tiefendimension, die die gelebte Erfahrung trägt.

Theologische Fundierung muslimischer Seelsorge in Palliative Care

Anders als in etablierten christlichen Kontexten kann muslimische Seelsorge nicht auf eine historisch gefestigte disziplinäre Tradition innerhalb der klassisch islamischen Theologie zurückgreifen. Sie entwickelt sich vielmehr an der Schnittstelle postmigrantischer Lebensrealitäten, globaler Gesundheitsdiskurse und islamisch-theologischer Suchbewegungen. Ihre Fundierung entsteht im Dialog mit Erfahrung und theologisch unterschiedlichen Bezugspunkten wie ethisch-normativen Orientierungen, praktisch-rituellen Traditionen und mystischen Deutungen sowie tugendethischen Überlegungen.

Dziri (2022) identifiziert vier grundlegende Ansätze für eine theologische Fundierung muslimischer Seelsorge: tugendethische (z. B. Geduld, Hoffnung), systematisch-theologische (z. B. Theodizee), ritualbasierte (z. B. Gebet, Koranrezitation) und ethisch-normative (z. B. Fatwa-Logik). Gleichzeitig reflektiert er die Chancen und Grenzen dieser Ansätze differenziert. Während tugendethische Perspektiven wie Geduld oder Dankbarkeit innere Stärke und spirituelle Resilienz fördern können, bergen sie zugleich das Risiko einer moralischen Überforderung, wenn sie zur individuellen Selbstoptimierung verklärt werden. Systematisch-theologische oder ethisch-normative Modelle bleiben ohne zeitgemäße Vermittlung und ohne Einbettung in gelebte Beziehungserfahrungen mit einem seelsorglichen Gegenüber oft abstrakt oder formalistisch. Ritualbasierte Praktiken wie das Gebet hingegen stellen eine lebensnahe, anschlussfähige und unmittelbar erfahrbare spirituelle Ressource dar, die insbesondere in existenziellen Krisensituationen als hilfreich erachtet wird. Auch wenn diese Typologie eine hilfreiche Orientierung bietet, greift sie letztlich zu kurz, denn nicht alle genannten Ansätze stellen im engeren Sinne theologische Fundierungen dar. Vielmehr handelt es sich teils um Grundhaltungen, teils um seelsorgliche Interventionen wie rituelle Praktiken.

Entscheidend ist für die Praxis, wie auch Dziri betont, dass eine tragfähige Fundierung nicht bei dogmatischen Vorgaben ansetzt, sondern beim konkreten Bedürfnis eines Menschen in Not. Muslimische Seelsorge muss sich dabei an der Vielfalt muslimischer Lebenswirklichkeiten, nicht an der Einheitlichkeit einer bestimmten Gemeinschaft orientieren. Muslimische Seelsorge bedeutet also nicht Anwendung eines theologischen Modells, sondern dialogische Begleitung in existenziellen Situationen.

Professionalisierung muslimischer Seelsorge

Entscheidend ist, dass diese Ansätze nicht isoliert wirken. Vielmehr entfalten sie ihre Kraft im Gespräch, in der Anwesenheit, in der Haltung der Seelsorgenden. Die theologische Tiefe entsteht nicht durch das Zitieren von Versen, sondern in der Fähigkeit, in Resonanz mit Texten, Traditionen und den Emotionen des Gegenübers zu gehen.

Kreative Formate wie die theologisch moderierte Intervision (Isis-Arnautović & Halilović 2023) bringen Seelsorgende in die Reflexion ihrer erlebten Praxis. Sie fördern die Entwicklung einer eigenen Haltung und leisten damit einen Beitrag zur Professionalisierung muslimischer Seelsorge. Im Zentrum steht dabei ein dialogisch-reflektiertes Rollenverständnis, das insbesondere im Spannungsfeld zwischen spiritueller Autorität und nicht-direktiver Begleitung von großer Relevanz ist. So gestaltet sich muslimische Seelsorge als Praxis im Dazwischen von psychosozialer Begleitung, theologischer Vielfalt und die Erwartung einer religiösen Autorität. Bei diesem Verständnis der professionellen muslimischen Seelsorge soll diese nicht als Belehrung, sondern als Beziehung verstanden werden.

Empirische Perspektiven

Im Zuge der Professionalisierung und institutionellen Verankerung muslimischer Krankenhausseelsorge gibt es zunehmend empirische Studien, die zentrale Konzepte nicht nur besser verständlich machen, sondern auch zur kritischen Weiterentwicklung und Reflexion muslimischer Seelsorge beitragen (Sheikhzadegan & Schmid 2025). Sie eröffnen nicht nur Einblicke in die Glaubenswelt am Lebensende, sondern tragen auch zur Erschließung dessen bei, was in konkreten Situationen als religiös bedeutsam, als „authentisch“ oder als glaubensnah empfunden wird. Diese empirischen Zugänge sind bedeutsam, weil sie religiös-normative Vorstellungen mit individuellen Deutungsmustern in Beziehung setzen und damit auch die Vielfalt muslimischer Spiritualität im klinischen Alltag sichtbar machen. Zum Beispiel untersucht Suleman (2023) in ihrer Studie, wie muslimische tugendethisch geprägte Haltungen die Entscheidungen und das Erleben am Lebensende beeinflussen. Ein Ergebnis ihrer Studie ist, dass Hoffnung und Akzeptanz in einer Lebensendsituation für viele muslimische Patientinnen und Patienten keine Gegensätze, sondern koexistierende Haltungen sind.

Ein genauer Blick auf das Wechselspiel von Hoffnung und Akzeptanz zeigt, dass diese beiden Haltungen nicht in linearer Abfolge, sondern in gleichzeitiger Spannung gelebt werden – ein Befund, den Suleman herausarbeitet. Hoffnung auf Gottes heilende Macht und Akzeptanz seines Willens, sollte der Tod eintreten, stehen nicht im Widerspruch zueinander, sondern bilden eine spirituell tief verankerte Doppelbewegung, in der sich viele muslimische Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen existenziell verorten. Hoffnung ist nicht Verleugnung, sondern Ausdruck eines Vertrauens, das über das medizinisch Mögliche hinausreicht. Und Akzeptanz bedeutet nicht Resignation, sondern die bewusste Einbettung des Unverfügbaren in eine göttliche Ordnung. Beide Haltungen sind dabei als spirituell legitim zu betrachten. Gerade in ihrer Koexistenz sind sie Ausdruck gelebter Religiosität. Der Tod wird nicht verleugnet, sondern religiös-spirituell gerahmt. Die Situation wird von Vertrauen und von der Sehnsucht nach Sinn getragen. Die oben zitierte Vignette ist ein Beispiel dafür: Die Familie zeigte sowohl Bewusstsein für das Sterben als auch Vertrauen in das göttliche Wirken. Dabei wurden beide Perspektiven nicht gegeneinander ausgespielt.

In der eigenen Praxis wie Forschung beobachtet die Verfasserin, dass religiöse Ausdrücke wie „das liegt in Gottes Hand“ oder „Allah ist der Heilende“ in Situationen der Therapiebegrenzungen oder im Angesicht des Todes mehrdeutig sein können. Sie können Zeichen tiefer Ergebung in den göttlichen Willen sein, aber auch ein Gefühl der Hilflosigkeit ausdrücken. Ihre Bedeutung erschließt sich nicht allein durch Übersetzung, sondern im Kontext biografischer und spiritueller Deutungsmuster. Dies zeigt sich auch im Fall von Herrn M., als der Sohn mit dem Satz „Das ist Allahs Entscheidung“ auf die ärztliche Prognose reagierte. Die Aussage stellte keine Zurückweisung der Diagnose dar, sondern spiegelte eine religiöse Deutung der Situation.

Gerade an diesen Schnittstellen des religiös-spirituellen Erlebens und der klinisch-medizinischen Realität beginnt die spezifische Aufgabe muslimischer Seelsorge (Uçak-Ekinci 2023). Die seelsorgliche Präsenz umfasst die emotionale, spirituelle und rituelle Begleitung, aber auch die Kontextualisierung. Eine Seelsorge, die dialogisch-reflektierend unterwegs ist und individuelle Werte als Teil einer Glaubenswelt, aus der Trost, Vertrauen und Orientierung erwachsen, als spirituelle Ressourcen kennt und anerkennt, kann dazu beitragen, dass religiöse Haltungen nicht missverstanden werden.

Fazit: Muslimische Seelsorge als unverzichtbare Ressource

Die Versorgung muslimischer Patientinnen und Patienten in der Palliativversorgung ist bislang weder strukturell verankert noch theologisch ausreichend reflektiert. Muslimische Seelsorge steht hier an einer doppelten Schwelle: Sie entwickelt sich theologisch in Ansätzen und ist zugleich in der Praxis bereits zentral, wenn es darum geht, spirituelle Bedürfnisse ernst zu nehmen. Ihr Mehrwert liegt nicht in der Funktion der kulturellen Vermittlung, sondern in der Schaffung von Schutzräumen, in denen Patientinnen und Patienten ihre religiösen Deutungen, Hoffnungen und Ängste artikulieren können, ohne sie erklären oder rechtfertigen zu müssen. Muslimische Seelsorge sollte nicht nur als praktische Ressource anerkannt werden, sondern auch theologisch weiter profiliert und institutionell verankert werden, um ihre vermittelnde und begleitende Rolle nachhaltig zu entfalten und den Anspruch einzulösen, spirituelle Vielfalt am Lebensende ernsthaft zu berücksichtigen.

Acknowledgements

Der Beitrag ist im Rahmen des vom Schweizerischen Zentrum für Islam und Gesellschaft der Universität Fribourg durchgeführten und von der Mercator Stiftung Schweiz geförderten Forschungsprojekts „Islamisch-theologische Studien: Orientierung und Diversität“ entstanden.

Literatur

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Online erschienen: 2025-08-12
Erschienen im Druck: 2025-09-04

© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Editorial
  3. „Wohin soll ich mich wenden?“
  4. Spiritueller Impuls
  5. Amen
  6. Übersichtsartikel
  7. Wohin soll ich mich wenden: An den Glauben? An Gott?
  8. Essay
  9. Den Himmel offen halten
  10. Die Bedeutung muslimischer Krankenhausseelsorge in einer diversitätssensiblen Palliativversorgung
  11. Originalia
  12. An den Bruchstellen des Sinns
  13. Übersichtsartikel
  14. Die Entscheidungsfindung zur palliativen Sedierung bei existenziellem Leid am Lebensende: Ein Umbrella-Review
  15. Research article
  16. The use of religious symbols: Reflections on cases from psychiatry and analysis
  17. Religion und Spiritualität im Arbeitsalltag von Sozialarbeitenden – eine quantitative Studie im internationalen Vergleich
  18. Silence, darkness, and gravity: A qualitative analysis of individual experiences during Floatation-REST
  19. Erfahrungsbericht
  20. „Integraler Ansatz“ in der Psychiatrie schärft Achtsamkeit für spirituelle Bedürfnisse
  21. Essay
  22. Erhard Weihers Metapher „Geheimnis des Lebens“
  23. Erfahrungsbericht
  24. Zur therapeutischen Dimension des Abendmahls
  25. Kasuistik
  26. Spiritual Care im Schockraum
  27. Rezensionen
  28. Günter Thomas (2023) Chaos und Erbarmen. Gesundheit und Krankheit in Karl Barths Theologie. Zürich: TVZ. ISBN: 978-3-290-18586-2 (Print); ISBN: 978-3-290-18587-9 (E-Book: PDF); 232 Seiten; Preis: CH 26,80 CHF; D 26,80 €; E-Book 24,00 €.
  29. Ulrike Wagner-Rau (2024) Im Umfeld des Todes leben. Religiöse Transformationen und kirchliche Praxis. Stuttgart: Kohlhammer. ISBN-978-3-17-043416-5; 246 Seiten; Preis: D 32,00 €; E-Book 28,99 €
  30. Megan C. Best (Hrsg.) (2024) Spiritual care in palliative care – What it is and why it matters. Cham: Springer. ISBN 978-3-031-50863-9; 680 Seiten; Preis: D 149,79 €; A 153,99 €; CH 181CHF; E-Book 149,79 Spiritual Care in Palliative Care – Was es bedeutet und warum es wichtig ist
  31. Interview
  32. Mit der Tumordiagnose stellt sich plötzlich die Sinnfrage
  33. Das Stichwort
  34. Palliative Care
  35. Mitteilungen
  36. Mitteilungen
Heruntergeladen am 3.10.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/spircare-2025-0080/html?recommended=sidebar
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