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Berufliche Belastungen und Burnout

  • Wolfgang Weig EMAIL logo
Published/Copyright: January 20, 2016
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Arbeit als bezahlte Berufstätigkeit, Haushalts- und Erziehungsarbeit oder Ehrenamt stellt einen zentralen Bereich menschlichen Lebens dar und ist für Selbstverwirklichung und seelische Stabilität essenziell. Von daher sind längere unfreiwillige Arbeitslosigkeit und Ausschluss von als sinnvoll erlebten und existenzsichernden Beschäftigungen für die psychische Gesundheit bedrohlich und mit einem erheblichen Risiko für psychische und psychosomatische Erkrankungen sowie soziale Krisen assoziiert. Daran hat sich seit den Zeiten der klassischen Studien zu diesem Thema (Jahoda 1933) wenig geändert.

Anderseits können ungünstige Arbeitsbedingungen – objektiv oder subjektiv als solche erlebt – ihrerseits die Lebensqualität mindern und zur Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen beitragen. Faktoren wie Verteilung der Arbeitszeit, physikalische Arbeitsbedingungen, aber auch Führungsstil und Betriebsklima sind maßgeblich. Schädlich wirkt sich Über-, aber auch Unterforderung aus, wichtig ist die Passung der persönlichen Fähigkeiten, Ressourcen und Vorlieben mit den Anforderungen des Arbeitsplatzes (Bamberg et al. 2012). Im Wechselspiel von Persönlichkeit mit ihren Schwächen und Verletzlichkeiten einerseits und ungünstigen Faktoren des konkreten Arbeitsplatzes andererseits können spezifische Belastungs- und Krisensituationen entstehen wie Mobbing, arbeitsplatzbezogene Ängste oder Workaholism.

Die stärkste Aufmerksamkeit hat in diesem Zusammenhang das sogenannte B.-Syndrom gefunden. Der Begriff wurde ursprünglich von dem US-amerikanischen Psychoanalytiker Herbert Freudenberger eingeführt, er beschrieb damit eine Trias aus emotionaler Erschöpfung, zynischer Einstellung gegenüber Patienten oder Klienten sowie negativer Wahrnehmung der eigenen Arbeitsleistung und Leistungsfähigkeit bei Angehörigen sozialer Berufe (wie Krankenpflege oder Lehrer) (Freudenberger 1974). Später weitete sich die Definition aus auf Zustände psychophysischer und emotionaler Erschöpfung als Folge lang dauernder Belastungen im Arbeitsleben. B. stellt dabei keine Diagnose im klinischen Sinne dar. In den verbreiteten Klassifikationen ICD und DSM wird B. nur als Zusatzkategorie („Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“) erwähnt. Erschöpfungsgefühle, abnehmende Freude an und Motivation zur Arbeit, nachlassende Leistungsfähigkeit, innere Kündigung und negative Veränderungen im Umgangsstil mit Kollegen und Kunden bzw. Klienten / Patienten sind Warnzeichen. Mittleres Lebensalter, langjährige Tätigkeit an belasteten Arbeitsplätzen, ungünstige Strukturen der Arbeitsorganisation, aber auch Persönlichkeitseigenschaften und belastende Faktoren in anderen Lebensbereichen, insbesondere im Bereich Beziehung und Familie stellen Risikofaktoren dar. Kündigung des Arbeitsverhältnisses, beruflicher Abstieg und Arbeitslosigkeit, mit ihren sozialen Folgen, sind eine mögliche Konsequenz. Das Risiko an Depressionen zu erkranken, nimmt zu; wobei sich zwischen depressiven Krankheitsepisoden und Burnout-Situationen Wechselwirkungen im Sinne eines Teufelskreises ergeben können. Auch psychosomatische Symptombildungen, Missbrauch und Abhängigkeit von Alkohol, Nikotin oder psychotropen Medikamenten gehört zu den häufigeren Komplikationen (Nil et al. 2010).

Interessanterweise kann auch das sogenannte Boreout (also die Folge übermäßiger Langeweile bei der Arbeit) zu vergleichbaren Folgen führen (Rothlin & Werder 2007).

Verlässliche Zahlen über die Häufigkeit von B. und Boreout liegen nicht vor, ein tatsächlicher Anstieg entsprechender Phänomene ist nicht nachgewiesen. Veränderungen in der Arbeitswelt, insbesondere die Erwartung ständiger Verfügbarkeit bei vielen Arbeitnehmern mit der Aufhebung der Grenze zwischen Arbeit und Privatleben, machen eine erhöhte Prävalenz jedoch plausibel. Zur Prophylaxe von B. können arbeitspsychologisch fundierte Zuweisungen zu Arbeitsplätzen und Aufgaben, gute Unternehmenskultur und die Etablierung von Frühwarnsystemen beitragen. Droht ein B. oder ist es bereits eingetreten, kommen Wechsel des Arbeitsplatzes, spezifische Hilfen und Beratungen im Sinne von Coaching sowie Psychotherapie, ggf. auch stationär in Frage.

Literatur

Bamberg E, Mohr G, Busch C (2012) Arbeitspsychologie. Göttingen: Hogrefe.Search in Google Scholar

Freudenberger HJ (1974) Staff Burn-Out. Journal of Social Issues 30:159–165.Search in Google Scholar

Jahoda M, Lazarsfeld PF, Zeisel H (1933) Die Arbeitslosen von Marienthal. Leipzig: Hirzel; Neuauflage: Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1975.Search in Google Scholar

Nil R, Jacobshagen N, Schächinger H, Baumann P, Höck P, Hättenschwiler H, Ramseier F, Seifritz E, Holsboer-Trachsler E (2010), Burnout – eine Standortbestimmung. Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie 161:72–77.Search in Google Scholar

Rothlin P, Werder PR (2007) Diagnose Boreout – Warum Unterforderung krank macht. Heidelberg: Redline Wirtschaft.Search in Google Scholar

Online erschienen: 2016-1-20
Erschienen im Druck: 2016-1-1

© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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