Summary
The Soviet documentary movement during the first decades after the October Revolution was characterized by a variety of genres. They all tried to convey reliable information based on experience. Journalism, photography, poster art, book and newspaper distribution reached a broader audience and involved more authors than ever before. Correspondents explored all branches of everyday life all over the country, among them new vehicles. The considered reports by Tretiakov, Gromov and Karmen on aerosledge tests do also test the principles of factography: They vividly apply their eye-witness experiences and intermedial techniques for a convincing narrative of a user-friendly vehicle though they might have hardly survived the races. Moreover, they praise the technical fact as a concern of literature as well as of Sovietization. By that, they develop factography from documentary towards an illustrative pattern of technological enthusiasm which is also confirmed by documentary movies of that time. This pattern relies on the picture-based narrative of the path towards Socialism. Thus, factographic reports bridge Avant-garde and Social Realism.
1 Intermedialer Dokumentarismus
Die organisierte künstlerisch-soziale Bewegung der ersten Fünfjahrespläne dokumentierte einzelne Schritte des sozialistischen Aufbaus in einer bis dahin nie dagewesenen Ausrichtung auf eine Massenleserschaft (Dobrenko 1997). Letztere, nach der Oktoberrevolution alphabetisiert, erhielt darüber hinaus die Möglichkeit zur journalistischen Mitarbeit (Dobrenko 1997: 302–309), besonders dank des Engagements der Gruppe LEF (Levyj front iskusstv), wie Jeremy Hicks aufzeigt (2007: 572–575). Die Programme der Bewegung schlossen avantgardistische Konzepte der Produktionsästhetik ein, den sozialen Auftrag von Arbeiterkorrespondent*innen und jungen Autor*innen, die sich der Zeitungsarbeit widmeten, zogen gestandene Belletristen wie Konstantin Paustovskij, Valentin Kataev und Maksim Gor’kij an und reichten bis zur stalinistischen Verherrlichung von Zwangsarbeit, so im kollektiven Dokumentarbuch über den Belomorkanalbau 1933/1934.[1]
Ins Zentrum der Dokumentarbewegung rückte das Genre der Skizze (očerk), auch wenn parallel alle tradierten Gattungen fortbestanden, neue Genres postuliert und ausprobiert wurden. Seit den 1920er Jahren wurden zahlreiche Schriftsteller und Künstler im Journalismus aktiv, sie verfassten so viele Reiseskizzen wie noch nie zuvor in der Geschichte der russischen Literatur (Eimermacher 1978). In diesem postrevolutionären Modernismus liefen modernistische und geopolitische Tendenzen zusammen, was Sergei Oushakine als eine letztlich kontinuierliche Kette von „Rissen“ und „Fügungen“ bezeichnet (Ušakin 2016: 57–60).
Dieses Phänomen veranschaulicht wie kein anderes das Werk des aktivsten Vertreters und Mitbegründers von LEF (Linke Front der Künste) sowie der Literatur des Fakts (literatura fakta), Sergej M. Tret’jakov (dazu vgl. Stephan 1981; Schneider 1983; Günther 1989). Neben Nikolaj Čužak, dessen Theorie des žiznestroenie für die Faktografen entscheidend gewesen ist, und der das Feuilleton und den Essay explizit in den Kanon der Tatsachenliteratur einbezogen hat (2000 [1929]: 60), sympathisierte Tret’jakov noch mit den Futuristen und Produktionskünstlern (Guski 1995) – davon ausgehend hat er seit den 1920er Jahren unterschiedliche Schreibweisen entwickelt, die sich mit dem sowjetischen (Moskauer Umgebung, Kaukasus, Sibirien) und dem außersowjetischen Raum (Deutschland, China, Tschechoslowakei) auseinandersetzen. An diese Reisetexte, Fotografien und Filmskripte hat er poetologische Konzepte gekoppelt, wie das der Faktografie und Operativität. Dabei ging es ihm vor allem darum, die Perspektive des ‚Konsumentenʻ in die eines Produzenten und Mitgestalters zu verwandeln. Dokumentarische Arbeit verstand er dabei nicht als Beschreibung von Welt, sondern als ihre Wiederherstellung (Fore 2006: 101) bis hin zur Korrektur und Vorgabe von Vorbildern: Der Begriff der Operativität wurde verwendet „to designate a situational aesthetics that conceptualized representation not as an objective reflection of a static world, but as an operation that by definition intervenes in the context of the aesthetic act“ (Fore 2006: 105).
Als Autor des neuen Typs, der die Fantasie durch literarische Fakten zu ersetzen meint, tritt Tret’jakov seit 1925 in Skizzen (očerki) hervor, verfasst darüber hinaus ein „Agit-Guignol“ (Tret’jakov 1924), ein erfolgreiches Poem und „Zeitungsdrama“ auf Grundlage einer Nachrichtenmeldung,[2] publiziert mehrere Bände dokumentierend-agitierender Lyrik,[3] kooperiert mit prominenten Theater- und Kinoregisseuren wie Vsevolod Mejerchol’d resp. Sergej Ėjzenštejn,[4] entwirft Drehvorlagen (vgl. Ratiani 2010), u. a. für Michail Kalatozovs Film Sol’ Svanetii (1930), und schreibt nach seinem anderthalbjährigen Aufenthalt in Peking ein sogenanntes Bio-Interview (Tret’jakov 1930). Auf seinen Reisen hat er seit Mitte der 1920er Jahre fotografiert, so dass seine visuelle Gedächtnisstütze mehrere Tausend Fotografien umfasst hat (dazu vgl. Reischl 2019; Lodder 2019), die allerdings bis auf die publizierten Bilder verlorengegangen sind.
Tret’jakovs zahlreiche Skizzen, die er in Zeitungen und Zeitschriften im Verlaufe von einem Dutzend Jahren bis zu seiner Ermordung 1937 publiziert hatte, sind als erweiterte Kapitel in seine zwölf Reisebücher eingegangen (vgl. Strätling & Hofmann 2020 a; 2021a). Daneben hat er theoretische Beiträge zum literarischen, aber auch weiter gefasst medialen und sozioästhetischen Programm eines neuen Verhältnisses von Autor*in zur außerliterarischen Realität formuliert und somit LEFs Prinzipien weiterentwickelt: Autor*innen und Leserschaft sollten auf Augenhöhe miteinander arbeiten, den Produktionsabläufen und Produkten im Kollektiv untergeordnet; die Fiktion, Belletristik, der Roman und der stimmungsabhängige Individualismus sollten durch authentische Erfahrungsberichte, journalistische Kleinformen und exakte Informationen ersetzt werden, und zwar aus einer Perspektive, die Autorschaft als verantwortungsvolles Mitproduzieren der sozialistischen Ordnung begreift; die Faktenauswahl sollte durch sachliche Dokumentation und auswertende Akzentsetzung das Aufbauprojekt fördern (Strätling & Hofmann 2020b), bis hin zur Umorganisation des Literaturbetriebs. Er plädierte dafür, dass Literaturbetrieb und Verlagssystem sich in das Projekt eines Fünfjahrplans einfügten, damit sie eine sozialistische Staatsliteratur produzierten statt privater Individualtätigkeit am heimischen Schreibtisch (Tret’jakov 1929). Dies führte zum neuen Autorschaftsverständnis in der Mehrfachrolle des Autors als Schriftsteller, Kulturarbeiter, unvermeidlicherweise aber auch als Tourist, obwohl mit dem Anspruch eines Forschers. Damit einhergehend kam der landeskundlichen Reiseskizze (kraevedčeskij očerk) eine Doppelrolle zwischen Wissenschaft und nationalem Patriotismus zu (Guski 1995: 106). Die weitere Kategorisierung der Reiseskizze trägt zum Verständnis der Diskursüberschneidungen in dieser Zeit bei, weshalb im Folgenden der Akzent auf die sog. Abenteuerreiseskizze gelegt wird.
Tret’jakov realisierte sein Programm in der Experimentierfreudigkeit mit Genres sowie in seiner Produktionsästhetik, die Fritz Mierau als eine Poetik der Korrektur bezeichnet hat (Mierau 1976). Diese sollte sich von der zuvor dominierenden Rolle des Autors, der sich am Schreibtisch fiktive Welten ausdenkt, verabschieden. Dafür erklärte Tret’jakov das Unterwegssein zur Bedingung der Literaturproduktion. Zum Anderen verhalf ihm ein Medienwechsel dazu, sein Credo vom operativen Reiseschriftsteller, der sich aktiv in die Umgestaltung des sozialistischen Alltags einbringt, umzusetzen, nämlich jener von Text zur Fotografie (Gough 2006 u. 2012). Ferner unternahm er in mehreren Anläufen einige Versuche für das kollaborative Schreiben, einem Pendant zur verherrlichten Arbeit im Kollektiv, so im Bio-Interview mit seinem chinesischen Studenten bzw. mit dessen als authentisch konstruierter Personifikation (1930a), in Tannu-Tavu (1930b, zus. mit V. Mačavariani) und in dem von Fotografien begleiteten Bericht über eine Luftschlittentestfahrt, verfasst mit Boris Gromov, der Gegenstand der nachfolgenden Lektüre sein wird: Vollgas voraus (Tret’jakov & Gromov 1930). Roman Karmen hat dieses Narrativ in seinem Fotobuch (Karmen 1931) fortgesetzt.
Die Berichte über die ersten serienmäßig produzierten, motorbetriebenen Schneefahrzeuge haben im Gegensatz zu den Autotestberichten (Siegelbaum 2005) bisher kaum Beachtung gefunden (bis auf Sasse 2010: 270–1). Am Beispiel narrativer und intermedialer Präsentationsstrategien dieser Reiseberichte über Luftschlittenrennen untersucht der Artikel Praktiken reisenden Schreibens in der feuilletonistischen und literarischen Prosa der Avantgarde. Er konzentriert sich auf die Erkundung von neuen Mobilitätstechnologien, die das Genre des Reiseberichts prägen und zwar, indem sie das Abenteuermoment hervorkehren.
Der Beitrag möchte zeigen, dass nicht ausschließlich Literatur als Medium der Dokumentarbewegung gelten kann, „die sich ihre sozialen Träger, Institutionen und Rezeptionsformen teils selbst geschaffen hat, teils auf bereits bestehende Institutionen dokumentärer Literatur zurückgreifen konnte.“ (Schmidt 1995/1996: 291) Wolf-Heinrich Schmidt klammert in seiner Übersicht zur Dokumentarliteratur in der Aufbauphase der Sowjetunion Dokumentarfilm und -Theater, Fotografie und Plakatkunst aus. Doch Literatur lässt sich von anderen Medien nicht trennen, sie ist mit ihnen inter- und plurimedial verschränkt, gerade in der Reiseskizze. Dieses Genre schlägt zudem die Brücke zwischen Faktografie über Produktionskunst zum Journalismus und ihrem Übergang zum Sozialistischen Realismus, wie Maria Zalambani für das Werk Tret’jakovs herausarbeitet (Zalambani 2006: 100, 117).
Das ausgewählte Material ergänzt Schmidts grundlegenden Artikel zudem um den Hinweis darauf, dass die Reiseskizze (putevoj očerk) in den 1920er und Anfang der 1930er Jahre recht mannigfaltige Ausformungen erfahren hatte. Der putevoj očerk findet in den Berichten über Testläufe (probegi) als Abenteuerreiseskizze statt – auf der Ebene des physischen und technischen Ausprobierens wie auch auf der Ebene des intermedialen Experiments. Die Arbeiten von Tret’jakov, Gromov und Karmen veranschaulichen, dass Faktografie einerseits Literatur und Fotografie verschränkt, andererseits sich auf der Suche nach neuen Erlebnismodi der Medialität von klimatischen, geografischen und insbesondere technischen Faktoren des Fortbewegungsmittels aussetzt.
Die folgenden Lektüren erweitern ferner die Kategorisierung der Dokumentarliteratur, die Schmidt anhand der zentralen Zeitschriften vorgenommen hat, um den Hinweis darauf, dass Zeitschriftenartikel auch Skizzen im Sinne von Vorläufern für Bücher gewesen sind, die aus ihnen hervorgingen, sozusagen ihre Testtexte. Das leitende Interesse richtet sich darauf, wie die Vehikel mit dem Schreibprozess interagieren, wie das Unterwegssein mit ihnen das Skizzengenre auf narrativer, sprachlicher und medialpoetischer Ebene prägt. Dies beginnt damit, ob und wie die Produktionsumstände in den Text Eingang finden, wie das Erzählen mit der Inter- und Plurimedialität, mit diachroner wie synchroner Intertextualität und der Sprache – als Dokumentarmittel und Umgestaltungsinstrument – umgeht.
2 Libellen auf Skiern
Vollgas voraus berichtet von einem rasanten Luftschlittenlauf vom 17. Februar bis zum 29. März 1929. Zehn propellerbetriebene Kabinen auf Skiern haben in dieser Zeit auf insgesamt ca. 3500 Kilometern von Moskau über Kostroma bis nach Vladimir die Tauglichkeit der Luftschlitten aus den Werken NAMI (Naučnyj avtomotornyj institut) und CAGI (Central’nyj aėrogidrodinamičeskij institut) erprobt.
Schlitten erfreuen sich in dieser Zeit in der Sowjetunion einer häufigen Verwendung. Umso exotischer, wenn sie durch abenteuerliche Abwandlungen ersetzt werden, wie im georgischen Swanetien, worüber Tret’jakov uns in Selo i sani (Schlitten ohne Schnee) aus dem Skizzenband Svanetija (1928, dt.: Swanetien) lakonisch unterrichtet, nämlich dass Einheimische in rutschenden Heuwagen den Berg hinunterrollen, was der Autor sich nicht traut (Tretiakow 2021: 162). In Sibirien transportieren Pferdeschlitten Menschen und Waren, können aber auch für den sportlichen Wetteinsatz herhalten, was dem sonst oft stockenden Erzählfluss der Erschließungsskizze Kyzyl’skie ulicy (Die Straßen von Kysyl) aus V Tannu-Tuvu (1930, dt.: Nach Tannu-Tuwa) Schwung verleiht: „Beim Wettrennen zeigen die Tuwinen Leidenschaft. Ich habe selbst mitangesehen, wie zwei sich ein Duell auf kleinen Schlitten quer durch Kysyl lieferten, sie rasten wie die Irren – stürzten, überschlugen sich, sprangen wieder auf und trieben ihre Pferde an.“[5] In diesem Bericht des Georgiers Mačavariani in Tuwa, den Tret’jakov aufzeichnet (oder dies vorgibt), erzählt der Protagonist, wie er einmal aus dem Schlitten gefallen ist, worauf die Einheimischen ihn freundlich wieder zurück in den Schlitten gepackt hätten (Tret’jakov & Mačavariani 1930: 93).
Die Schlittenfahrten dürften lebensgefährlich gewesen sein. Beim Umkippen eines Luftschlittens am Startpunkt, dem Roten Platz, stirbt bereits vor der Testschlittenfahrt ein Kapitän (Kartašov 1929: 62). Tret’jakov nimmt die drohenden und eintretenden Gefahren (ver)schweigend, vielleicht auch selbstverständlich hin, oder aber als naiver Held, der ahnungslos riskiert zu erfrieren, vom Propeller zerfleischt oder beim Unfall hinausgeschleudert zu werden. Als ihn jemand zum „Pechvogel“ verdammt, zuckt er nur mit den Schultern: „Wo Risiko ist, blüht der Aberglaube“ (Tret’jakov & Gromov 1930: 8).
Pech hat Kartašov, dem beinah das Gesicht und die Finger abfrieren. Der Mechaniker rettet ihn, indem er ihm einen mit Benzin getränkten Schal um den Kopf wickelt (Kartašov 1929: 58). Erst im Nachhinein erschließt sich die Bedeutung der Vorbereitung, die Vollgas voraus anhand von Reiseattributen, Kleidungsstücken und Utensilien wie Brille, Weste und Filzstiefel eingangs detailliert schildert.
Tret’jakov fährt von Moskau über Jaroslawl und Kineschma entlang der Wolga in Richtung Perm als Korrespondent der Zeitungen Rabočaja Moskva und Večernjaja Moskva mit. Unter seinen Kollegen befinden sich der Ko-Autor des Berichts Boris Gromov (Izvestija), außerdem der Kameramann Ivan Beljakov, Michail Rozenfel’d (Komsomol’skaja Pravda),[6] Sergej Kartašov (Revolucija i kul’tura) und ein Vertreter des Volkskommissariats für Post- und Fernmeldewesen. Letzterer sollte über die künftige Verwendung des Aeroschlittens – so die Bezeichnung des Gefährts in den 1920er und 1930er Jahren in der deutschen Fachpresse – in nördlichen Territorien Russlands entscheiden.
Die Ebene der Wahrnehmung, von der man annehmen könnte, dass Tret’jakov mit ihr in diesem noch nie zuvor erprobten Vehikel „bei Veränderung von Perspektive und Geschwindigkeit“ experimentiert (Sasse 2010: 271), drosselt der Autor allerdings weitestgehend in seinem Text. Ebenso wenig hat er den Zug in der Skizze Moskva-Pekin. Put’fil’ma (Moskau-Peking. Ein Reisefilm, 1925) als Steuerungsinstrument seines Schreibens hervortreten lassen, ungeachtet dessen, dass er auf dieser Zugreise dafür plädiert hat, man solle mit der Kodak-Kamera „kodakieren“ („кодачить“, Tret’jakov 1925: 33). Statt die Perspektive aus dem Zug wie einen Bildrahmen, eine Als-ob-Kamera auf eine sich bewegende Landschaftsleinwand einzusetzen oder als ein Erkenntnisinstrument, das die Umgestaltung des Raums durchdringt, richtet er seine Aufmerksamkeit auf das Innere der Waggons. Die Sequenz in seiner Flugskizze Skvoz’ neprotërtye očki (Durch die ungeputzte Brille, Tret’jakov 1932 [1930]: 12–14) dürfte eine der wenigen sein, in der er den Blick aus dem Vehikel heraus erzähl- und medienkonstitutiv einsetzt, als er nämlich nicht versteht, was er aus dem Flugzeug sieht. Das veranlasst ihn, sich hier noch einmal für die nachschlagewerkartige „маршрутка“, ein künftiges Aufklärungsgenre, auszusprechen, das den überwachend-prüfenden, szientistisch-exakten Durchblick hinter die Fassaden des Aufbaus gewährleisten würde.
Derweil besteht seine Skizze über die Eisenbahnfahrt von Moskau nach Peking – sein „Reisefilm“ in Schriftform („путьфильма“), mit dem er mal wieder den Namen für ein neues Genre statuiert, – aus einer Montage pointierter, szenisch wiedergegebener Unterhaltungen der Reisenden. Sie rücken die punktuellen phänomenologischen Erfassungen von Eisenbahnstationen und Streckenabschnitten wie spannungsverzögernde Puffer in den Hintergrund. Vielleicht hob sich Tret’jakov das kinematografische Erzählen auf, denn diese Skizze sollte ein Entwurf für den Reisefilm Moskau – Peking sein, den er mit Ėjzenštejn drehen wollte. Zudem würde diesen Blick aus dem Zugfenster hinaus ein von ihm bereits 1924 auf der Zugfahrt nach China geplantes Genre kompensieren: eine neue Form des Reiseführers, der systematisch darüber informiert, was der Passagier mit bloßem Auge oberflächlich streift, aber dessen Bedeutung im Vorbeifahren übersieht. Dieses Genre würde ihn vom genießenden, passiven Passagier zum ökonomisch denkenden Sowjetbürger bilden, der, wenn nötig, an der richtigen Stelle anpackt. Dafür schwebte Tret’jakov ein Format zwischen „neuem Baedecker“ und enzyklopädischem Routenplaner („маршрутка“) in Gestalt einer mit Fotografien bebilderten Informationssammlung vor. 1933, am Ende des Skizzenbandes Ljudi na rel’sach (Menschen auf Schienen), kommt er wieder darauf zu sprechen. Hier erklärt er, wie man sich mit solch einer Marschrutka auf Zugfahrten fortbildet:
А, между тем, такая поездка стоит целого вуза.
За окнами вагона пробегает изумительно насыщенная жизнь. Надо только ее уметь рассмотреть. [...]
Маршрутка сделает то, что человек выйдет из поезда более грамотным, чем он в поезд сел.
Она заострит его глаз, до того умевший видеть лишь внешность сумбурно пролетающих вещей.
Она заведет глаз за линию горизонта и покажет пассажиру прошлое и будущее видимого. (Tret’jakov 1933: 46–47)
Dabei könnte so eine Reise mit einer ganzen Universität mithalten. Ein unfassbar reiches Leben zieht an den Fenstern vorbei. Man muss es nur sehen können. [...]
Die Marschrutka wird dafür sorgen, dass der Passagier den Zug klüger verlässt, als er eingestiegen ist.
Sie wird den Blick schärfen, der vorher nur die Oberfläche der vorbeifliegenden Gegenstände wahrnehmen konnte.
Sie wird den Blick hinter den Horizont führen und dem Reisenden die Vergangenheit und die Zukunft des Gesehenen zeigen. (Tretiakow 2021 c: 466–468)
Statt um formalistische Verfremdung geht es ihm um Produktion eindeutigen Wissens und um dessen Aneignung – diesem Ziel ordnet sich sein Text- und Bildbegriff unter. Erst mit diesem noch zu erschaffenden, intermedialen Streckenhandbuch würden Passagiere die passende Sehhilfe für das Erkennen der neuen Welt erhalten, andernfalls bleibe sie im stumpfen Blick des naiven Fremden verborgen.[7]
Dieses Medium erarbeitet er Schritt für Schritt in seinen Publikationen, wenngleich er im Luftschlitten und in der Luft stellenweise nicht nur den Überblick und das Gefühl für Proportionen, sondern auch den Aufklärerton verliert – es fehlt ihm an nötigem Wissen, mit dessen Hilfe er die zweidimensionalen Abstraktionen ,durchschauen‘ würde. Seine Fahrten und Publikationen finden so schnell statt, dass sie kaum Zeit für Nachrecherche lassen. Umso mehr erleben wir ihn an solchen Stellen als authentischen Reisenden, vom Fahrerlebnis überrumpelt. Sonst beherrscht er scheinbar mühelos, strategisch dokumentierend und intervenierend alle Reisewidrigkeiten, ebenso diverse Genres. Seit seiner Zeit als (Reise-)Lyriker bewegt er sich in und zwischen ihnen, selbst wie ein Aufzeichnungs- und Vermittlungsvehikel, kehrt aber immer wieder zur Reiseskizze zurück.
Die mediale Hauptreferenz beim vehikelaffizierten Erzählen bleibt der Film. Am Wandel seiner China-Texte lässt sich besonders deutlich nachvollziehen, wie Tret’jakov Mitte der 1920er Jahre von der Theaterarbeit zur filmischen Prosa übergeht. Kurz nachdem er im September 1925 Stellvertretender Vorsitzender des künstlerischen Rates des Ersten Staatlichen Filmstudios wird, beantragt er bei Goskino eine „Kinoexpedition“ nach China. Vorab schreibt er im Februar und März 1926 Drehbuchentwürfe: Džungo und Želtaja opastnost’ (Das Reich der Mitte und Die gelbe Gefahr, Ratiani 2010: 212–220). Die Dreharbeiten über die Expedition soll eine Filmchronik festhalten, daneben soll eine Folge von zehn Lehrfilmen über China entstehen. Damit legt er Anfang 1926 den Grundstein für eine langfristige Filmzusammenarbeit mit Ėjzenštejn, darunter für den Film Čžungo über die chinesische Revolutionsbewegung. Doch kommt sie nicht zustande.[8] Statt einen Spielfilm zu drehen, gelangt die Idee auf die Theaterbühne, als Vsevolod Mejerchol’d 1926 im GosTiM Tret’jakovs Drama Ryči, Kitaj! (Brülle, China!) inszeniert und es im Anschluss europaweit zum Kassenschlager aufsteigt. Zu Tret’jakovs Abenteuern zählen nicht nur seine im Akkord absolvierten Reisen und dank ihnen produzierten Skizzen, sondern auch ihre Transformation in weitere, mitunter hybride Genres wie dieses „Zeitungsartikelstück“, das wie eine szenische Marschrutka die Zeitgeschichte Chinas veranschaulicht und dabei massenwirksame Elemente des chinesischen Theaters für das europäische Linke Theater herausarbeitet.
Marschrutka-artig präsentiert Tret’jakov in Vollgas voraus mehr vom Hintergrundwissen als vom eigentlichen Fahrerlebnis. Den technisch hybriden Charakter des Luftschlittens erfasst er über die Entstehungsgeschichte des Gefährts, Vorläufermodelle und Produktionslabore, in denen u. a. Andrej Tupolev seine Flugzeuge erarbeitet hat. Der Propeller „flatterte“ in dieser Gerätgenese auf ein Boot, so dass das Gleitboot erfunden wurde, ebenso das panzerartige Schneemobil mit Maschinenraupenantrieb. Tret’jakov sucht nach abgeleiteten Namen für das ungewohnte Vehikel: Den Propeller schraube ein Verbrennungsmotor in die Luft, er schleppe „за собою по воздуху аэропланные крылья“ („ein Paar Aeroplanflügel hinter sich her“, Tret’jakov & Gromov 1929: 5; Tretiakow 2021 b: 287). Für den Antrieb findet er im Eingangskapitel Propeller iščet rabotu (Ein Propeller sucht Arbeit) bewundernd-belustigte Personifikationen: „этого нового толкача и тянульщика“, „дерзкий выскочка“, „чудовищное сооружение“, „ветряная мельница“ („Stürmer und Dränger“, „der dreiste Parvenü“, „Monstrum“, „Windmühle“, Tret’jakov & Gromov 1929: 5; Tretiakow 2021 b: 287).
Zunächst bedient er sich dabei der Naturalisierungen und fragt: „Вы видели водяных пауков, бегающих по поверхности пруда?“ (Tret’jakov & Gromov 1929: 11: „Haben Sie schon einmal einen Wasserläufer über den Teich flitzen sehen?“, Tretiakow 2021 b: 297). Anschließend geht er zu Wortneuschöpfungen aus bestehenden technischen Bezeichnungen wie „Luftmobil“ („аэромобиль“, Tret’jakov & Gromov 1929: 5) und zu „Libellenflügelzäunen, vor denen sich Menschen drängen“ („люди толкутся у полукруглых стрекозокрылых ограждений“, ebd.: 12) über, die an ein synthetisierendes, natürlich-technoides Phänomen denken lassen, bis die Technik in seinen Bezeichnungen Überhand gewinnt. Als der Abenteurer die Technikgeschichte beiseitelässt und erstmals vor dem Gefährt steht, notiert er: „Никель, целлулоид, алюминий.“ (Tret’jakov & Gromov 1929: 11; Tretiakow 2021 b: 297: „Nickel, Zelluloid, Aluminium.“) Solch eine Abstraktion passt zwar nicht ins Verständnis von LEFs Dokumentarästhetik, denn diese geht von eindeutiger Beschreib- und Abbildbarkeit aus, doch nur so kommt das Erzählen in Fahrt – unter dem Vorzeichen, dass die Technik des Schlittens den Text beherrscht, selbst wenn es für das neue Ski- und Sehvehikel noch keine adäquate Sprache gibt und der Autor keine seiner extravaganten Neuschöpfungen vornimmt, die er Anfang der 1920er noch nicht gescheut hat. Auch die abenteuerlichen Wendungen des Weges führen nicht zu dramatischen Kippmomenten der Textkomposition.
Gegen die Romantik der Schneefahrt setzt der Testbericht Prosaik und Pragmatik, inklusive der ,richtigen‘ Haltung zur Fotografie. Tret’jakov belehrt Dorffrauen, die für private Zwecke fotografiert werden möchten, eines Besseren. Statt Porträts von ihnen aufzunehmen, lässt er den Luftschlitten als Symbol der neuen Zeit neben dem Haus, wo einst Nikolaj A. Nekrasov gewohnt hat, ablichten (Tret’jakov & Gromov 1929: 32–33).
Neue Symbole, Gesichter und Autoren ersetzen alte, Kollegialität die Vollmacht des Einzelnen: Obwohl man vor dem Start klare, autoritäre Regeln festgelegt hat (Benzinverbrauch eintragen, einander nicht überholen, nicht auf zurückgelassene Schlitten warten, Leitungspflicht des Schlittenführers etc.), entscheiden die Männer doch gemeinsam und situativ. Anstatt sich an eine hierarchische Subordination zu halten, verschmelzen sie zum Kollektivkörper: „Единая одежа, единая ночевка, совместное обмерзание, совместное вытаскивание саней и совместное поголадывание были изготовителями этого сплава.“ (Tret’jakov & Gromov 1929: 11; Tretiakow 2021 b: 295: „Die gleiche Kluft, die gleiche Schlafposition, das gemeinsame Vereisen, das Herausziehen der Schlitten aus den Wehen und das gemeinsame Hungern beförderten diese Verschmelzung.“)
Spricht Vollgas voraus mit Selbstironie über gebrochene Regeln, so wechselt bei dem Korrespondenten Sergej Kartašov diese Ironie zu Sarkasmus, als das Öl im Tank gefriert, die Schlittenkarawane von Jaroslaw nach Kostroma gleitet und nur Kartašovs Schlitten auf der Wolga mit hungriger, frierender Besatzung zurückbleibt. Er gibt trocken wieder, dass Beljakov in dieser Situation eine Fotosession veranstaltet: Er möchte inszenieren, wie das Team eine letzte Tafel Schokolade aufteilt, und bittet darum, man möge vor der Kamera so erstarren, als ob für immer; danach beschuldigt er die Männer, wegen des Drecks in ihren Gesichtern seien sie auf dem Foto nicht erkennbar (Kartašov 1929: 60). Die Fotografien, die sowohl Vollgas voraus als auch Kartašovs Skizze begleiten, sind grundsätzlich schlecht erkennbar. Was indirekt deutlich wird: Die Teilnehmer leiden an Schmerzen und Entbehrungen. Kartašov erlebt das Fahren wie das Fliegen in einer stacheligen Schneewolke, von der Karawane verursacht.[9]
Während Kartašov NAMI den Vorzug gibt (1929: 57), fährt Tret’jakov in einem CAGI-Schlitten, bis er nach einer Panne in Jurjewez aufhört. Ab da übernimmt Boris V. Gromov die Schreib- und Rennestafette bis nach Perm’. Bis dahin huldigt Tret’jakov zwar der Mannschaft, erklärt aber den Luftschlitten zum Hauptprotagonisten. Aus auktorialer Perspektive bringt uns der operative Testraser das Äußere und Innere des Vehikels vor Augen, widmet viel Aufmerksamkeit einzelnen Stationen, doch einen ausführlichen Erzählblick aus dem Schlitten heraus wagt er nicht. Das wiederholt Gromov im zweiten Teil des Textes. Wahrnehmungsverändernde Effekte, die ihnen diese Fahrt beschert, klammern beide Autoren zur Leerstelle aus, sie wird zum „Whiteout“ (Sasse 2014). Daran tastet sich nur die Sequenz in Krugosnežnyj probeg (Rallye im Schnee), dem zweiten Kapitel, ausnahmsweise heran, wenn Tret’jakov seine Suche nach Bewegungs- und Beschreibungsreferenzen offenlegt, die erst im intertextuellen Bezug auf Gogol’ eine gewisse Stabilität findet:
За Москвой по накатанному обледенелому Ярославскому шоссе сани берут 50-километровую скорость. Эта скорость незаметна, когда глядишь сквозь толстый целлулоид переднего окна. Снег скрадывает быстроту.
Дорога идет в зажиме леса, столбов, оград.
Трудно приноровиться к новым ощущениям. Все время переводишь их на язык уже знакомых ездовых впечатлений.
Сначала кажется, будто собираешься лететь на аэроплане. Пропеллер гремит, кабинка качается на мягких пружинах амортизатора. Вот-вот взлетишь...
Но взлета нет.
Потом вид водителя, схватившего обеими руками рулевую баранку, приводит мысль о шофере и автомобиле, но у автомобиля в ходе обязательно чувствуется резина, а здесь слишком много железа и железного грохота. И вот от этого-то железа возникает последнее представление — о поезде, о вагоне.
Готовясь к очерку, перебираешь в голове словесный инвентарь.
Идем полным ‚ходом‘? Нет, не ходом. Легкий ‚бег‘ аэросаней? Нет, не бег. Полным ‚летом‘, полным ‚катом‘, полным ‚скользом‘. Так и остается
— идем ‚полным скользом‘.
Изящные стремительные аппараты скользят по снегу. Бешеное кружение растворило пропеллер в воздухе, и сразу взглянувшему на сани человеку непонятно, чем они движутся.
Грохотом? Но разве грохотом можно двигаться?
Водитель нажимает акселератор. Дорога пустынна, можно газовать. Скорость подымается до 70, до 90 километров.
Что творится в это время, описать можно так:
... кажись, неведомая сила подхватила тебя на крыло к себе, и сам летишь, и все летит — летят версты (виноват, километры), летит с обеих сторон лес, летит вся дорога невесть куда, в пропадающую даль...
... только дрогнула дорога, да вскрикнул в испуге остановившийся пешеход...
... видно вдали, как что-то пылит и сверлит воздух...
... дымом дымится под тобой дорога...
... гремит и становится ветром разорванный в куски воздух...
Гоголь, описывая в ‚Мертвых душах‘ чудовищно преувеличенную тройку, оказывается, довольно точно описал нормальные аэросани. (Tret’jakov & Gromov 1929: 15–16).
Moskau liegt hinter uns, auf der vereisten Piste der Jaroslawler Chaussee legen wir an Tempo zu. Die 50 Stundenkilometer fallen durch das dicke Zelluloid der Frontscheibe kaum auf, der Schnee lässt die Geschwindigkeit nicht zur Geltung kommen.
Wälder, Masten und Zäune nehmen die Fahrbahn in die Klemme.
Sich diesem neuen Fahrgefühl anzupassen ist gar nicht so leicht. Man ist zunächst versucht, es in die vertrauten Begriffe zu übersetzen.
Erst scheint es einem, als stünde ein Flug im Aeroplan an. Der Propeller dröhnt, die Kabine schwingt auf den gut gefederten Stoßdämpfern. Gleich, gleich wird man sich in die Lüfte erheben ...
Doch das Abheben bleibt aus.
Sodann sieht man den Piloten sitzen, wie er das Steuerrad mit beiden Händen umfasst hält, und fühlt sich ans Autofahren erinnert. Doch vermisst man sehr bald die Annehmlichkeiten der Bereifung, zu viel Eisen hier, zu viel metallischer Lärm. Und dieses Rattern und Klirren bringt einen letztlich auf den Gedanken an eine Fahrt im Eisenbahnwaggon.
Vor Verfassen dieser Reiseskizze ging ich im Kopf den zur Verfügung stehenden Vorrat an Wörtern durch.
Sind wir gefahren? Eigentlich nicht. Gerollt – schon gar nicht. Gerodelt? Geglitten? Gut. Aber deswegen wird aus der Fahrt keine ‚Gleit‘ ...
Rasante, elegante Apparate fegen durch den Schnee. Die irre Drehzahl löst den Propeller in Luft auf, und gleich weiß man als Betrachter nicht mehr, wieso der Schlitten sich überhaupt bewegt.
Infolge von Krach? Ist Krach die neue Antriebsart?
Der Pilot tritt kräftig aufs Pedal. Die Straße ist leer, man kann Gas geben. Die Geschwindigkeit steigt erst auf 70, dann auf 90 km/h.
Was sich in diesen Minuten abspielt, ließe sich so beschreiben:
Es ist, als hätte dich eine unbekannte Gewalt auf ihre Flügel gehoben und du fliegst, alles fliegt: Es fliegen die Werstpfähle (Pardon, Kilometersteine), es fliegt zu beiden Seiten der Wald, es fliegt die ganze Straße in die wer weiß wo verschwindende Ferne ...
... die Straße erzittert, der Fußgänger bleibt erschrocken stehen ...
... und schon sieht man ein Etwas in der Ferne Staub aufwirbeln und die Luft durchbohren ...
... wie Rauch staubt unter dir die Straße ...
... es dröhnt die in Stücke zerrissene Luft und wird zu Wind ...
Als Gogol in den Toten Seelen seine Troika ins Monströse schwellen ließ, hat er, so zeigt sich nun, die normale Fahrt eines Aeroschlittens ganz treffend beschrieben. (Tretiakow 2021 c: 302–303)
Die Zweckhaftigkeit im Blick – Patrouillen in Grenzgebieten – vergleicht Tret’jakov das Fahrgefühl mit bekannten Fortbewegungsarten wie Fliegen, Auto oder Eisenbahn fahren, Gleiten, Rodeln, Rollen. Auslassungspunkte und rhetorische Fragen signalisieren, dass passende Worte für diese desorientierte, ratlose, ver-rückte Wahrnehmung fehlen. Die Relationen verschieben sich: Nicht der gleitende Beobachter fliegt, sondern alles um ihn herum. Dem sonst logischen Erzähler fehlt hier der Überblick, das Verständnis für das, was geschieht und warum. Die Kontrolle verliert er gänzlich, als die Syntax sich auflöst und das „Monströse“ Geltung erhält. Das Whiteout der Leerstelle geht über in eine Erzählpause, ein Knockout.
Auf den ersten Blick ,monströs‘ dürfte für LEF dabei die Affirmation von Gogol’s Toten Seelen (Mërtvye duši, 1842) sein, forderte ja Tret’jakov kurz zuvor die Abschaffung des Romans (ders. 1927: 38). Das energische Pferdegespann symbolisiert bei Gogol’ die unaufhaltsame, schnelle Ausbreitung des russischen Imperiums (Maroši 2015: 204). Der LEFist imaginiert, dass nun aėrosani – eine sowjetische Erfindung, die genauso wie die Trojka als eine russische gilt, – jene nationale, geografische und geschichtshistorische Bedeutung der Trojka gewinnen.
Obwohl der Luftschlitten anderen Transportarten überlegen sei, äußert Tret’jakov Respekt vor Pferden. Er manövriert die „Schneeschleuder“ an ihnen beim Fahren wie Schreiben vorbei, zeigt im gleichen Atemzug aber auch die überlegene Unverwüstlichkeit der aėrosani:
Чтобы не смущать лошадей, аэросани выискивают свободную от столбов обочину и делают то, что могут сделать только аэросани и на что не способен ни автомобиль, ни кегресс, ни олень, ни чукотская собака.
На полном скользе переплывают они глубокие придорожные канавы, засыпанные снегом, и идут вдоль лесной опушки снежною рыхлядью, так что фонтаны снежного порошка бьют через носки лыж. (Tret’jakov & Gromov 1929: 18)
Um nicht noch mehr Pferde zu verschrecken, nutzt der Schlitten das nächste Wegstück ohne Masten am Straßenrand und tut das, wozu weder Automobile noch Raupenfahrzeuge, kein Rentier und kein Gespann Tschuktschenhunde in der Lage wären, einzig Schlitten können das: In voller Fahrt setzt er über den tiefen, mit Schnee gefüllten Straßengraben hinweg. Kurz darauf fahren wir – die reinste Schneeschleuder: Pulverschnee spritzt fontänenartig unter den Kufenspitzen hervor – den Waldrand entlang. (Tretiakow 2021 b: 305)
Ein Abenteuer auf narrativer und sprachlicher Ebene besteht demnach darin, das neue Fahrgefühl zu vermitteln, zurückgeworfen auf das Wort, da Fotoapparat und Filmkamera der Kälte und Geschwindigkeit nicht standhalten. Die Präsenz des Chaos, der Störung, des Unterbruchs mit ungewissem, vom Zufall abhängenden Ausgang, gegen die Tret’jakov und Gromov anschreiben, verweist über Gogol’ hinaus auf zahlreiche Schneestürme in der russischen Literatur, darunter auf Aleksandr Puškins Erzählung Schneesturm (Metel’ 1830), der Lebenswege durcheinander bringt, und auf den Schneesturm (Metel’ 1856) von Lev Tolstoj, der den Sturm als Schreibexperiment in Folge sinnesphysiologischer Störung einsetzt (Sasse 2014). Während Tolstoj das Unvermögen, durch den Schnee etwas zu sehen, mit literarisch produktivem Wegimaginieren kompensiert, verlassen sich Tret’jakov und Gromov auf ihr erworbenes Wissen: Mit diesem füllen sie Whiteouts und verwandeln sie in eine – scheinbar widerspruchsfreie – kontrollierte Kontingenzerfahrung.
Auch beim Schreiben bleibt den Reportern die Luft weg, sie konkurrieren allabendlich miteinander ums Verfassen der Berichte. Tret’jakov schiebt nach dieser Beobachtung gleich jene versöhnliche Note hinterher, mit der er das kollegiale Funktionieren der Besatzung während der Fahrt schützt, obwohl nicht deutlich wird, was das übergreifend Kollaborative an den zwei separat verfassten Skizzenabschnitten ist: „И вот уже каждый зачитывает товарищем свое, и конспиративные блокноты ложатся развернутые под глаза конкурентов.“ (Tret’jakov & Gromov 1929: 29, „Und schon liest jeder seinem Kameraden seinen Text vor, so dass die konspirativen Notizblöcke vor den Augen der Konkurrenten aufgeschlagen liegen.“)[10] Der Bericht hat einen weiteren Stressfaktor in (Schreib-)Griff.
3 Zähmung des Abenteuers
Zwar unterliegt Tret’jakovs Schreiben Problemen des Unterwegsseins, doch glättet er das allzu Abenteuerliche – die Störfaktoren, die die Abhängigkeit des Einzelnen vom Kollektiv, von der Technik und von ideologischen Prämissen dessen, was zu Wort gelangt, enthüllen könnten. Damit reduziert er die medialen Produktionsbedingungen der Reise, die auf seine Poetik einwirken, auf das Nötigste. Wie die meisten Faktograf*innen seiner Zeit lässt er allzu unüberwindbare Probleme aus oder deutet sie um. Denn zum Großprojekt der Kontrolle gehört narrative Selbstkontrolle, Ungesteuertes ist weder unterwegs noch im Text erwünscht.
Den dokumentarischen Schreibprozess in diesen Extremsituationen erforscht Tret’jakov nicht, das würde eine Verlagerung von der referentiellen auf die phatische Funktion bedeuten, die zu viel Selbstbezüglichkeit, gar Kritik am Engagement der Faktografie nach sich zöge. Für ihn funktioniert das informierende Schreiben unter allen Bedingungen. Die Möglichkeiten der Sprache als Medium zweifelt er nicht an – bis auf kleine ,Entgleisungenʻ und gelegentliche Neologismen: Offenbar gibt es doch nicht Begriffe für alles in der neuen Ordnung. Diese führt er pragmatischerweise ein, schließlich geben sich seine faktografischen Tagebücher als Berichte eines im Entstehen begriffenen sozialistischen Handbuchs.
Erst aus seinen Plädoyers für die Fotografie, das Theater und den Film, der in seinen Visionen zwischen Buffonade, Chronik, Lehr- und Abenteuerfilm changiert (Ratiani 2010), lässt sich herauslesen, dass ihn der Text allein nicht zufriedenstellt. Metapoetische Passagen seiner Reiseskizzen und theoretische Überlegungen über diverse Kunstformen seiner Zeit laufen auf eine sozialistische Medientheorie hinaus. Diese schöpft aus ostasiatischer Kunsttradition ebenso wie aus der westeuropäischen und begreift sich als Angebot für ihre international zweckdienliche Anwendung, offen für alle Medien, Genres und für ihr mannigfaltiges Zusammenspiel. Insofern erfindet und testet Tret’jakov nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern genauso Wort- und Textformate und künstlerische Konzepte verschiedener Herkunft auf ihre Wirksamkeit für seinen Masterplan experimentell-strategischer Dokumentaristik.
Unterwegs fotografieren – dies wird auf der Tour ebenso im Selbstversuch deutlich –, erweist sich beim Luftschlittenlauf als problematisch: „Запыхавшись, приношу на почту пленки со снимками аэростатного пробега, надо скорее отправить в Москву. Служающие хмурятся – поздно уже, баулы запакованы, а главное – пленки не по правилам упакованы.“ (Tret’jakov & Gromov 1929: 29; „Außer Atem, bringe ich die Filmrollen auf die Post mit den Aufnahmen vom Luftschlittenrennen, sie müssen schnellstmöglich nach Moskau. Die Angestellten schauen mürrisch – es ist schon spät, ihre Postsäcke sind abgepackt, und vor allem habe ich die Filmrollen nicht nach den Regeln verpackt.“) Poststellen sind rar, das Material läuft Gefahr, verspätet aufgegeben zu werden, die Kamera fällt dem Frost anheim (Tret’jakov & Gromov 1929: 34). Die immens schwierigen Umstände bahnen sich in solchen Passagen ansatzweise den Weg an die Textoberfläche.
In den Chinaskizzen Čžungo (1927), als er seine Arbeit mit einer großen Kamera in Peking begonnen hat, erwähnt er keinerlei Probleme beim Fotografieren, auch nicht in der zweiten Auflage des umfangreichen Bandes von 1930. In Vollgas voraus erlaubt er sich hingegen sogar ironische Kommentare zum fotografischen Beeindrucken: „Поместившись как раз за торосом, снимаем фото, где на первом плане гренландский айсберг, а у него под крылом крошечные аэросани. Это на страницах журналов производит впечатление грандиозное.“ (Tret’jakov & Gromov 1929: 34, „Gerade mal hinter dem Packeis Platz gefunden, nehmen wir ein Foto auf – im Vordergrund ein grönländischer Eisberg, unter seinem Flügel winzige Luftschlitten. Das erzeugt grandiosen Eindruck auf Zeitschriftenseiten.“)
Das Abenteuerliche auf Kompositionsebene führen insbesondere jene Spannungsmomente herbei, die das Rasen mit bis zu 120 km/h mit Stillstand kontrastieren. Die (unfreiwilligen) Stopps entstehen bei Begegnungen mit neugierigen Bauern, mit der feiernden Stadtbevölkerung, mit aufgescheuchten Pferden und Kühen, dank einem umgeworfenen LKW bei Rostow und durch Unfälle. Bei Kineschma brechen zwei CAGI-Schlitten an einer nicht zugefrorenen Stelle ins Wasser ein. Ihre Besatzung, darunter Tret’jakov, entkommt knapp dem Tod.[11]
Das Modell von NAMI schneidet besonders schlecht ab: Der Motor gibt bei geringer Geschwindigkeit auf, infolgedessen steckt der Schlitten fest. Das Wetter bleibt unberechenbarer als der Motor, das größte Hindernis aber die allgegenwärtige Kälte. Die Vehikel werden von Menschenhand geführt, gewärmt, auf die Fahrbahn und in Gang gebracht, eingeschmiert oder geflickt:
Сани НАМИ 8, автобус, груженый 5-ю пассажирами, выезжает на обдутое ветром место. Лыжа прилипает к камням и песку. Пропеллер не в силах сдвинуть две тонны весу. Сбежавшийся народ хватается за переднюю лыжу и, словно мертвого слона за хобот, переволакивает тяжесть на скользкий снег.
Приключение второе. Передовые сани, сползши с дороги на целину, идя опушкой леса, оказываются перед оврагом. (Tret’jakov & Gromov 1929: 18)
An einer besonders windumtosten Stelle des Weges geschieht es, dass der Schlitten NAMI 8, ein autobusartiges Gefährt mit fünf Passagieren, sich in Sand und Schotter festfährt. Der Propeller kriegt die zwei Tonnen Last nicht mehr vom Fleck. Etliche Leute müssen zu Hilfe eilen, den Schlitten bei der Vorderkufe packen wie einen toten Elefanten beim Rüssel und ihn wieder auf gleitfähigen Schnee zerren.
Das nächste Abenteuer folgte sogleich. Der vorderste Schlitten, der ebenfalls von der Straße auf die Brache gewechselt und den Waldrand entlanggefegt ist, sieht sich plötzlich einem Graben gegenüber. (Tretiakow 2021 b: 305)
Die Stopps sind noch weniger berechenbar, sie finden häufiger und dauerhafter als geplant statt. Tret’jakov nutzt solche Fahrtausdehnungen für Zwischeneinschübe à la Marschrutka, aber auch für eine Revision der zurückgelegten Etappe. Die Teilnehmer geben einander Feedback, wobei dieses Kapitel „Schraubenmuttergespräch“ („Razgovor gaek“) heißt – der Titel vergegenständlicht die Teilnehmenden zu mechanischen Instrumenten (Tret’jakov & Gromov 1929: 46–55). Sie diskutieren darüber, was man verbessern könnte, um nicht umzukippen, um nicht auf etwas zu stoßen oder zu explodieren. Schade, resümiert Tret’jakov, dass die Gespräche nicht stenografiert worden sind, ihnen entspringe die Theorie der Luftschlittenfahrt: „Ведь тут накапливается практика, из которой вырастает теория аэросаней езды, а по этой теории будут учиться в будущих школах аэросанной работе.“ (Tret’jakov & Gromov 1929: 50, „Denn hier versammelt sich die Praxis, aus der die Theorie der Luftschlittenfahrt wächst, und anhand dieser Theorie wird man in künftigen Schulen die Luftschlittenarbeit erlernen.“) Wie beim Fotografieren strebt er en passant Ablaufoptimierung und Wissensproduktion mit zukunftsträchtiger Formelhaftigkeit an.
Die geplanten Halte dienen nicht zuletzt der Agitation, einem wichtigen Ziel der Fahrt, was man auch anhand der Außenflächen der Vehikel sieht, auf denen Losungen prangen. Tret’jakov fragt Pioniere aus – didaktisch, mahnend, auskundschaftend: „как учком, что школа, как форпост, собираете ли железный лом и бумажный хлам, а в чем ваша помощь детдомовским воспитанникам, а что вы делали на выборах в советы?“ Tret’jakov & Gromov 1929: 62; „Wie ist das Lehrkomitee, die Schule, der Vorposten, sammelt ihr Altmetall und -papier, wie helft ihr Kindern im Kinderheim, was habt ihr bei den Rätewahlen gemacht?“).
Ebenda, in Jurjewez, werden NAMI 8, nunmehr anthropomorph, „krank“ (Tret’jakov & Gromov 1929: 63). Erst an zweiter Stelle erwähnt der ständig versachlichende Autor seinen Kollegen Rozenfel’d, der ins Eiswasser stürzt, das wegen warmer Fabrikabwässer aufgetaut ist. Sein eigenes Befinden lässt Tret’jakov weg. Er steige aus, da er abkommandiert wurde. Weiter berichtet der Sportkorrespondent Boris Gromov.[12] Dieser dürfte dank seiner guten Kondition der einzige vorbereitete Teilnehmer gewesen sein. Der Sprinter und Sportjournalist wird kurz nach diesem Testlauf an mehreren Expeditionen teilnehmen: auf dem Eisbrecher Georgij Sedov im Franz-Josef-Land (1929–1930), auf dem Eisbrecherdampfschiff Sibirjakov im Nordpolarmeer (1932) und auf dem Polarschiff Čeljuskin (1933–1934). Seine Arbeit im Jahr 1931 in der Reiseredaktion Vtorye puti wird ihn zudem auf die Spuren des Eisenbahnbaus führen.
Doch der sportliche Kapitän ermüdet bei der Luftschlittenfahrt so sehr, dass er morgens nicht aufstehen mag, sich beim Fahren im Wald verirrt und auf Bauern angewiesen ist: Sein Schlitten prallt auf und landet, senkrecht aufgestellt, im tiefen Schnee, aus dem sie ihn eine Stunde lang ausgraben. Ohne die Hilfe von Bauern hätte die Mannschaft im Wald übernachten müssen, Feuer ließe sich dort wegen des Windes nicht entfachen (Tret’jakov & Gromov 1929: 74–75). Zugleich fühlen sich die Tester von der Naivität der Landbevölkerung belästigt, da sie entweder zu viel Angst hat oder sich dem Propeller gefährlich nähert.
Vieles geht schief auf dieser Fahrt. Wegen Motorschaden scheidet NAMI 8 aus. Gromov hebt ständig seine Abhängigkeit vom Geschick seiner Kollegen hervor, dabei müssen sie Propellerflügel auch mal ad hoc mit Konservendosenmetall zusammenschweißen. Ebenso hängt die Fahrt von der Beschaffenheit des Geländes, d. h. von der Geschwindigkeit und den unvorhergesehenen Stopps in der Kälte, ab: Gefährlich wird es, wenn die Eisdecke auf der Wolga zu dünn ist, der Schnee aufweicht oder es streckenweise keinen Weg gibt. Auch aus Kartašovs Skizze geht indirekt hervor, dass die Fahrt genauso wie durch Bewegung durch ihre unerwarteten Unterbrechungen bestimmt wird, sei es wegen der freundlichen bis feindseligen Reaktionen der Bevölkerung oder wegen technischer Störungen.
Doch wechseln sich die Störfaktoren immerfort mit Lichtblicken ab, so dass die Schlitten ihre Prüfung bestehen, und das gerade noch pünktlich, denn das Wetter erwärmt sich zu frühlingshaften Temperaturen (Tret’jakov & Gromov 1929: 85). Das Image der Vehikel rettet Gromov durchs Zurückfinden zu ihrer aktiven Rolle: Nicht der Schlitten gerät in den Schneesturm, sondern er verursacht ihn hinter sich, während seine Wendigkeit den Männern zwischendurch auch eine Fuchsjagd erlaube (ebd.: 90; 96 f.). Aus Kazan’, wo der Schnee taut, gleiten sie in die Tschuwaschische Republik. Stolz verkündet Gromov am Schluss: „3456 километров пробега – за спиной“ (Tret’jakov & Gromov 1929: 104; „3456 Kilometer liegen hinter dem Luftschlitten“). Das Vehikel gehe in Massenfertigung im In- und Ausland über, sorgte es ja auf der Luftfahrtmesse in Berlin 1929 für Furore.[13]
Kurz darauf übersteht Gromov bravourös ein abermaliges Experiment bei der Konfrontation eines technologisch innovativen Verkehrsmittels mit den härtesten Wetterbedingungen während der Expedition ins Franz-Josef-Land jenseits des Polarkreises. Seinen Bericht (Gromov 1930), illustriert mit zahlreichen Fotografien, verfasst er ähnlich bescheiden wie seinen Part in Vollgas voraus. Er feiert nicht sich, sondern die Mannschaft, darüber hinaus die vollbrachte Reise: Sie glückt, obwohl die Männer der Übelkeit, bellenden angeketteten Schneehunden und eisigem Wasser im Ozean überlassen waren, ohne zu wissen, wann sie wieder Land sehen: „У Сосновицкого маяка пересекаем Полярный круг и выходим в Ледовитый океан. Исчезла неприветливая тундра безлюдного полуострова, белые пятна нерастаявшего прошлогоднего снега. Земли больше нет. Кругом — вода, вода...“ (ebd.: 7; „Am Sosnovickij-Leuchtturm überqueren wir den Polarkreis und betreten den Arktischen Ozean. Die unfreundliche Tundra der menschenleeren Halbinsel ist verschwunden. Weiße Schneeflecken vom letzten Jahr. Es gibt keine Erde mehr. Nur Wasser, Wasser rundherum.“) Gromov dokumentiert mehrere Situationen mit unklarem Ausgang, so zum Beispiel, wenn das Schiff vom Eis verschlungen zu werden droht oder von den Eismassen nach oben gedrängt wird, in Sturm gerät, den Wellen ausgeliefert umhertreibt oder von einer Eisfestung umringt ist (ebd.: 8: „Кругом нас — сплошная ледяная крепость“), ohne Sonne die Orientierung verliert und lädiert am Ziel ankommt.
Dort hätte Gromov am liebsten die mitgebrachten Schlitten, die er mit letzter Kraft durch die Eiswüste schleppt, fallengelassen, aber Kapitän Otto Schmidt zwingt ihn zum Weitermachen – von kollegialer Entscheidung keine Spur. Dieser berühmte Expeditionsleiter hat die Aufgabe, auf dem Franz-Josef-Land eine Radio- und eine Wetterstation aufzubauen und sieben Männer überwintern zu lassen. Das bedeutet, dass sie 128 Tage in Dunkelheit verbringen, in Ungewissheit, ob sie je abgeholt werden. Es soll eine internationale Wetterstation entstehen, die, so der Plan, Dürre und Regen für das gesamte Jahr vorhersagt, damit die Landwirtschaft besser planbar wird. Während die Wetterbestimmung bisher mittels Aberglauben (primety) und Erfahrungswissen erfolgt ist, soll nun die Meteorologie exakte Angaben generieren. Im festen Glauben an die Bedeutung dieses Unternehmens, den Gromovs Bericht bestärkt, führt die Besatzung allen Gefahren und Strapazen zum Trotz ihre Aufgabe aus, sie liefern die Messinstrumente und die Humanressourcen.
Die Schlittentestfahrt hat Gromov nicht nur auf diese noch extremere Expedition vorbereitet, sein Bericht über die erste hat Erfolgsnarrativ und Sachstil der zweiten vorgezeichnet. Die Vervielfachung des Narrativs umfasst auch seine Übertragung auf Berichte über andere Testfahrten und -flüge. Die (foto)journalistische Aufmachung der Skizze, die die Herausforderung der Bewegung mit allen Verkehrsmitteln meistert, etabliert sich als integraler Teil des Modernisierungsdiskurses.
4 Popularisierung der Schlitten- und Autorallyes
Nicht nur Vollgas voraus stammt aus der Feder des Zweiergespanns Tret’jakov & Gromov im Austausch mit anderen Korrespondenten. Die Skizzen letzterer, die bei diesem Testlauf produziert wurden, ergeben ein auf Zeitschriften und Zeitungen verstreutes Kollektivwerk. Mehr noch, Vollgas voraus prägt ein Muster: Das Fotobuch Aėrosani (Luftschlitten) von Roman Karmen (Kornman, 1906–1978), mit seinen Fotografien auf dem Cover und im Buch, publiziert im staatlichen Verlag für Kinder- und Jugendliteratur, schildert ein Jahr später (1931) einen Testschlittenlauf von Leningrad nach Moskau. Obwohl er nicht direkt auf Vorgänger referiert, vollzieht sein Kamerablick ihre Berichte nach. Er aktualisiert und reduziert sie anhand der neuen Route. Die Reduktion hängt damit zusammen, dass die Kurztexte und halbseitigen Fotografien des Journalisten, Regisseurs und Lehrers Karmen sich vorrangig an Kinder richten. Seine Karriere als bekannter sowjetischer Kameramann, (Kriegs-)Chronist und Dokumentarfilmer hat er als Journalist und Lehrer begonnen.
Unter der Überschrift Samolët bez kryl’ev (Flugzeug ohne Flügel) sehen wir das Gerät frisch vom Werk – eine russische Erfindung mit einem sowjetischen Flugzeugmotor, heißt es, der hinten statt vorne angebracht ist (Karmen 1931: 4). Der nächste Abschnitt Strekoza iz kolčugaljuminija (Libelle aus Aluminiumpanzer) naturalisiert das nagelneue Fahrzeug auf bereits bekannte Weise zum Insekt:
Когда аэросани несутся по снежному полю, они очень похожи на стрекозу. Только они не летят, а с бешеной быстротой скользят по снегу на своих лапах-лыжах. Кажется, что они вот-вот оторвутся от земли, поднявшись на воздух, полетят над лесом и скроются из глаз. (Ebd.: 8)
Wenn die Luftschlitten über das Schneefeld rasen, ähneln sie sehr einer Libelle. Nur dass sie nicht fliegen, sondern mit ihren skiartigen Fühlern in irrer Geschwindigkeit über den Schnee gleiten. Es scheint, als ob sie jeden Moment von der Erde abheben, in die Luft steigen, über dem Wald fliegen und aus den Augen verschwinden.
Das Buch eröffnet eine Fotografie oben rechts, die die grüßende Menschenmenge zeigt, analog zum Start der Schlitten auf dem Roten Platz im zuerst besprochenen Skizzenbuch, allerdings mit mehr Zuschauern. Die Außenplatzierung des Bildes und der Schnitt durch die Menge am Buchrand suggerieren, diese weite sich unbegrenzt aus – diese Wirkung wiederholt sich später mit Kinderscharen.
Karmens Fotobuch reduziert sprachlich und kompirmiert visuell weitere Teile dieses Narrativs: Vorbereitungen, Meetings an Stationen, Eiswind, Tempolimits, Treffen mit Bauern und Kindern, Benzinmangel, Warten auf andere Wagen des Trupps in der Nacht auf leerer Eisfläche, die Gefährlichkeit des Propellers, Vorträge über den Schneeläufer (snegochod) als Transportmittel von Esswaren und Zeitungen bis hinter den Polarkreis, eine Waldfahrt und wieder ein angeregter Austausch von Erfahrungen.
Ein Kapitel heißt wie das Vorläuferbuch Vollgas voraus: „Polnym skol’zom“ – so eilt der Schwarm der silbernen Libellen (ebd.: 11: „Полным скользом несëтся наша стая серебряных стрекоз“), allerdings rasen sie haarscharf am Tod vorbei, denn jede unvorsichtige Lenkerwendung würde zum Unfall führen. Die Fotografie darunter zeigt den Pfeilblick aus dem Schlitten nach vorn, vom Fahrerplatz aufgenommen (Abb. „Sani № 3“) – diese Perspektive aus der Kabine heraus versetzt uns zum Kapitän ans Steuerpult der unaufhaltsamen Bewegungsgeste des obigen Fotos. Sie fehlt in Tret’jakovs und Gromovs Vollgas voraus. Das Schaltpult erhält ein eigenes Kurzkapitel samt Foto, ein Kontrolleur führt Tagebuch („dnevnik probega“, ebd.: 22), alle zwei Stunden hält die Kolonne für eine fünfminütige Pause und nach exakt fünf Stunden endet die Fahrt im Moskauer Aerodrom. Der Schluss kündigt die Ausbreitung in nördliche Provinzen an (ebd.: 32) – die Übersichtlichkeit des Buches impliziert, dass diese Fahrt organisierter abläuft.
Karmen stattet die Erzählstationen mit Fotografien auf jeder (Doppel-)Seite aus, in besserer Qualität als in Vollgas voraus. Jedes der Kapitelchen liest sich wie eine ausführliche Unterschrift zu dem jeweiligen Foto. Bild und Text sind paritätisch aufgeteilt, doch visuell bestimmen die Fotografien den Blick durchs Buch, indem sie ganz an den Seitenrand gedrängt werden oder über ihn hinausgehen, offenbar in die Lebenswirklichkeit der Leserschaft. Der Effekt: Klar, dynamisch, fiktofaktisch. Das Vehikelerlebnis, die intermediale Fiktion und das Faktum der Massentauglichkeit des Transportmittels münden im Leseerlebnis mit nationaler Dimension. Die junge Generation ist hautnah beim durchorganisierten Erfolgsabenteuer des Schlittenrennens dabei.
Für dessen Popularisierung war ferner die Zeitschrift Za rulёm (Am Steuer) zuständig, 1928 gegründet auf Initiative des einflussreichen Journalisten Michail Kol’cov als erste Autozeitschrift der Welt. In ihr erschienen Gromovs Berichte über den Schlittenlauf; Majakovskij arbeitete auch in dieser Redaktion mit. Za rulёm warb für wirtschaftliche Projekte, für die Fortbildung der Lesenden in relevanten Berufen sowie für den Avtodor-Verein. In ihr schrieben Arbeitskorrespondent*innen (rabkory), Wissenschaftler*innen, Erfinder*innen und (Foto-)Journalist*innen, darunter der „Kinok“ Ivan Beljakov, über Straßenbauprojekte, Verkehrspolitik, Automarken sowjetischer und ausländischer Produktion, häufig aus Deutschland, Busse, Motortraktoren, -räder und -boote, Rallyes für Erschließungen und als Motorsport. Sie präsentierte Rekorde, Problemlösungen in Schemata, Anleitungen für Reparaturen und pries die Auto-Lotterie. Erst 1936 hat eine Frauenrallye stattgefunden, die bezeugt hatte, dass Frauen genau die gleichen Aufgaben wie Männer genauso gut erfüllen,[14] wohl in Anknüpfung an die Emanzipationsikone der Traktoristin Paša Angelina.
Die Autorallyes antworteten auf westliche Autoproduktion, realisierten die Kernmetapher des zielstrebigen, motorisierten Weges zum Sozialismus (Bucharin 1925) und warben für die Industrialisierung: Das Auto würde nun zur Massenware werden, für alle verfügbar – so Logo und Motto der zweiwöchentlich erscheinenden Za rulёm. Sport rückte in den Hintergrund, vielmehr kam es auf das Testen verschiedener Modelle an und auf die Demonstration der Leistungsfähigkeit sowjetischer Fahrzeuge, die sogar in der Wüste Kara-Kum vorwärtsfuhren: „One of the roles that Central Asia played was the Soviet Union's Sahara: the rougher the conditions, the better“ (Siegelbaum 2005: 262). Ebenso spielte der Schnee, Eiswind und bei Karmen die Einhaltung der Zeitvorgaben diese Rolle eines erbrachten Beweises, dass die sowjetische Technik den sowjetischen Gegebenheiten gerecht wird. Bei den Autorennen gerieten die Geräte selbst allerdings aus dem Fokus. In seinem Zentrum standen die Straßenverhältnisse, die Sovchoz-Infrastruktur, die ,zurückgebliebene‘ Kultur der einheimischen Bevölkerung, die Exotisierung der Autotestfahrt zur Reise in die Vergangenheit und die Forcierung der Vorwärts-Losung, grundsätzlich der Bewegung nach vorn (vperëd, vperëd) als Metapher für die politische Leitlinie. Wie bei den Luftschlittenläufen erfolgte diese als Erkundung maskierte Raumaneignung unter ständiger Zähmung des Abenteuer- und Gefahrenpotentials: „On those occasions when the path was not found or when the participants buckled under the strain, damage-control mechanisms ranging from outright secrecy to Potemkinism were adopted“ (Siegelbaum 2005: 270). Beide Arten der Testfahrten waren bis auf Ausnahmen überwiegend Männern vorbehalten.
Über Printmedien hinaus verbreitete der Dokumentarfilm die symbolgeladenen Erfolge von Automobilen. Noch mehr als die Schlittenrallye stellten die Autorennen ein Massenereignis dar, z. B. im knapp achtminütigen Kurzfilm Avtoprobeg Moskva – Kara-Kum – Moskva (1933) von Ėduard Tissė (1897–1961), einem sowjetischen Kameramann und Regisseur lettischer Herkunft. Eingangs verabschiedet wie gewohnt eine Menschenmenge auf dem Roten Platz die Fahrlustigen. Die Autokolonne kommt überall problemlos durch, durchquert wässrige Wege, Schlamm, Sumpf (auf untergelegten Holzbrettern), Serpentinen. Die Autos bewegen sich genauso in der Wüste voran. Auch hier werden wir Zeugen eines kollektiven Reparatureinsatzes (3.40–4.20 Min.), eines parade-ähnlichen Empfanges der Ankömmlinge (5.50–6.20 Min.), eines Hinterzüglerwagens und des Kontrasts mit Lasttieren wie Dromedaren (6.30–6.40 Min.). Als das Auto in der Wüste Sand hinter sich aufwirbelt, die Sanddünen entlanggleitend (7.10–7.30 Min.), ähnelt es dem Luftschlitten auf Eis.
Der Motor sorgt in Viktor Turins Dokumentarfilm Turksib (Stal’noj put’, 1929, dt.: Der stählerne Weg) am Ende für jene Mechanisierung (besonders ab 1.07), die die Zugfahrt auf der neuen Strecke ermöglicht und deren filmische Dynamik sie präfiguriert. Maximale Dynamik im Dokumentarfilm erreicht Dziga Vertov in Čelovek s kinoapparatom (Der Mann mit der Kamera, 1929) dank der Montage, aber auch dank des Automobils, das es ihm und uns erlaubt, so nah wie möglich, zum Teil auf einem anderen Automobil, mit der Kamera zu fahren. Erst beim parallelen Rollen zweier Autos fängt Vertov die Perspektive des filmenden Abenteurers – seines Bruders – ein, der hinter der Kamera auf einem Nachbargefährt bei voller Fahrt voraus balanciert.
Das Auto in den Berichten über Testläufe soll zuallererst ein Medium des Transports und der Kommunikation sein, dann erst der sportlichen Artistik. Während der Luftschlitten Edelmetalle aus dem Norden bringen soll, kommt es dem Auto (wie dem Zug) zu, Moskau und Leningrad mit abgeschnittenen Regionen bis hin zum Ausland zu verbinden, dorthin Waren, darunter Zeitschriften und den Film zu bringen, und von dort Rohstoffe in die Industriezentren. Vor allem tragen die Transportmittel die Rhetorik der sowjetischen Modernisierung in alle Ecken des Landes.
5 Schablonenhaftigkeit der Faktografie
Den „Kinoki“ zufolge erfasst die Kamera die Welt besser als das bloße menschliche Auge. Diese Funktion der Kamera nehmen Ende der 1920er Jahre ein Stück weit auch Verkehrsmittel ein. Zwar optimieren sie die Wahrnehmung nicht mit prothesenhaften menschlichen Sinnen, wir erfahren allerdings dank der narrativen Bewegungen entlang, neben, hinter ihnen aus neuen Blickwinkeln von der Infrastruktur, der Vernetzung des Landes, seiner Beschaffenheit und von seinen Grenzen. Analog zum Mann mit der Kamera fungiert in den Abenteuerreiseskizzen, die um damals neue Vehikel wie Luftschlitten, Automobile und Flugzeuge entstehen und die der Artikel anhand von Testlaufberichten genauer betrachtet hat, der Text als Kamera-Ersatz, der die Kapitäne, Piloten, Fahrer bei ihrer (Agitations-)Arbeit filmt. Sie verbreiten landesweit und über die Landesgrenzen hinaus das Motto der mitreissenden Bewegung – eines sinn- und lustvollen Fortschritts, eines Fort-Schreitens. Fortbewegungsmittel agieren insofern als Akteure eines Narrativs, das sich in diversen Medien reproduziert: Anhand und dank ihnen speist sich die Erzählung von der Vernetzung fort, und zwar geografisch, intertextuell und intermedial in Zeitung, Zeitschrift, Fotobuch und Dokumentarfilm.
Geschwindigkeit steht für Revolution, die Freude an ihr für den entscheidenden Kurzschluss der ästhetischen mit der linken Avantgarde der 1920er Jahre. Šklovskij fasst es zusammen: „Мы (,Опояз‘) не трусы и не уступаем давлению ветра. Мы любим ветер революции. Воздух при 100 верстах в час существует, давит. Когда автомобиль сбавляет ход до 76, то давление падает. Это невыносимо. Пустота всасывает. Дайте скорость.“ (Šklovskij 1926: 17, „Wir von Opojaz sind keine Feiglinge und geben dem Druck des Windes nicht nach. Wir lieben den Wind der Revolution. Es gibt Luft bei 100 Werst, sie drückt. Wenn das Auto seine Geschwindigkeit auf 76 senkt, fällt der Druck ab. Die Leere saugt ein. Geben Sie Gas.“) Die Transportmittel erzeugen zwar Bedingungen für ein neues Sehen, das nach Šklovskij künstlerische Verfahren begünstigt. Doch gelangen sie kaum an die Textoberfläche. Das Hauptexperiment besteht im unbeschädigten Überstehen der Fahrt, in ihrer narrativen Bändigung bis hin zum performativen Statement: Mit Vollgas vollbracht, was zu beweisen war. Stilistische Fragen der Text-Bild-Komposition fängt das Team aus Fahrer, Mechaniker, Fotograf und Journalist ab. Die Autorperson ist ab- und ersetzbar. Eigenwilligkeiten oder Kritik treten zurück hinter ein funktionierendes Gesamtbild, das praktisch wiederhol- und anwendbar sein muss.
Das Abenteuer des Aufbaus würde als zu unrealistisch abstoßen, würde dieses Risiko des entstellenden oder tödlichen Unfalls, der Ratlosigkeit, der Zweifel – auch an Sprache und anderen Medien – offenbar werden. Daher wird je nach Erzählposition beschleunigt oder gedrosselt, mit Fotografie und Film vor Augen geführt, was funktionieren soll. Dass das Unmittelbare durch Geschwindigkeit verschwindet, dass Pathos und Übergriffigkeit der sowjetischen Begeisterung, die in traditionelle Lebensweisen eingreift, überhand nehmen, kritisiert erst Virilio (1978), aber kaum eine(r) der Teilnehmenden an den Abenteuerfahrten. Gerügt werden allenfalls das kapitalistische Autoproduktionssystem und die Romantisierung des Autos, denn dieses soll in seiner gesellschaftlichen Funktion und nicht als Subjektverlängerung oder privater Besitz begehrt werden.
Diese Art der Mobilität, die von Pioniergeist und Abenteuer geprägt ist, dürfte noch mehr ausschließlich männlich gegendered sein als die Autofahrt, die, wenngleich selten, doch auch Frauen freistand. Ein weiterer Unterschied zum Auto, das wie die Luftschlitten die Dynamik der Moderne und die angestrebte Prothesenhaftigkeit in der Fusionierung von Maschine und Körper symbolisiert (Smith 2012: 100–101), liegt darin, dass das Unterwegssein ohne Ziel, für das das Auto als Medium der individuellen Freiheit steht, hier mit klarer Zielvorgabe, Strecke und Fahrtzeit ersetzt ist: Luftschlitten sollen nicht Selbstzweck, sondern gefügiges Instrument des Neuen Menschen sein.
Zweifel an der Sinnhaftigkeit, gar ökologische Bedenken, fehlen diesen Skizzen. Sie ordnen das Entgleitende des Reiseabenteuers schablonenhaften Bild-Text-Narrativen unter. Der sowjetische Mensch lernt dank der nun in Bewegung geratenen Medien und vor allem dank der Abenteuerreiseskizze, wie das Land und er sein sollen. Die futuristische Geschwindigkeitsobsession hat sich in Technikvertrauen verwandelt, das für sozialen Wohlstand, Nützlichkeit und Innovationslust bürgt.
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© 2022 Tatjana Hofmann, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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Artikel in diesem Heft
- Frontmatter
- Frontmatter
- The Presence of the Past in Contemporary Russian Prose Fiction: A Comparative Reading of Guzel’ Iakhina and Sergei Lebedev
- Vollgas voraus. Testläufe für die Faktografie (Tret’jakov, Gromov, Karmen)
- Peregrynacja Maćkowa (Matzes Reise) (1612) und Finkenritter (um 1560). Traditionen der Erzählform und das Spiel mit den Konventionen: Einiges zu Julian Krzyżanowskis Überlegungen
- Simplifying grammatical gender in inflectional languages: Odessa Russian and beyond
- Das russische Demonstrativpronomen eto (‘dasʼ) in der Kopula-Stellung: Probleme des syntaktischen Status im Licht der funktionalen Grammatik
- Grammaticalization of Slavic Prefixes and Language Contact
- Tagungsbericht
- Tagungsbericht zur 29. Tagung der Jungslavist:innen
- Buchbesprechung
- Collective Memory and Oral Text
- Srpski (o)kvir. Prilozi za čitanje srpske književnosti u svetlu kvir teorije
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