Zusammenfassung
Das Maduro-Regime wäre heute nicht mehr an der Macht, wenn es nicht von fünf Verbündeten gestützt würde: Russland, China, Kuba, Iran und Türkei. Russland und Venezuela haben eine langjährige finanzielle, politische und diplomatische Partnerschaft. China ist ein starker – wenn auch leiser – Unterstützer des Maduro-Regimes, aber es hat in den letzten Jahren seine wirtschaftlichen Projekte in Venezuela zurückgefahren. Iran und Venezuela pflegten seit der Regierungsübernahme von Chávez eine symbolische und von hochtrabender Rhetorik geprägte Partnerschaft. Im vergangenen Jahr haben sie als zwei auf der Weltbühne weitgehend isolierte Staaten einen gemeinsamen Nenner gefunden. Kuba ist existenziell abhängig von Venezuela, hat aber auch weiterhin enormen Einfluss auf die regimetreuen Nachrichtendienste, das venezolanische Militär und die ideologische Rhetorik des Regimes. Die Türkei ist ein relativ neuer Partner des Regimes und unterstützt den unerlaubten Goldhandel Venezuelas.
Abstract
The Maduro regime would not be in power today were it not for the support it receives from its five key allies: Russia, China, Cuba, Iran, and Turkey. Russia and Venezuela have a longstanding financial, political, and diplomatic partnership. China continues to be a strong – albeit quiet – supporter of the Maduro regime, but has significantly reduced its commercial forays into Venezuela in recent years. Iran and Venezuela have had a symbolic and heavily rhetorical partnership since the early years of the Chávez administration. In recent months, they have rekindled their partnership, finding common ground as two states that are deeply isolated on the world stage. Cuba is existentially dependent on Venezuela, but also continues to have tremendous sway over the Maduro regime’s intelligence apparatus, the Venezuelan military, and the regime’s ideological rhetoric. Turkey is a relatively new partner for the regime, and it has emerged as a facilitator of Venezuela’s illicit gold trade.
1 Einleitung
Das Maduro-Regime wäre heute nicht mehr an der Macht, wenn es nicht von fünf maßgeblichen Verbündeten gestützt würde: Russland, China, Kuba, Iran und der Türkei. Diese Staaten unterstützen das venezolanische Regime in unterschiedlichem Ausmaß finanziell, diplomatisch und nachrichtendienstlich. Einige dieser Staaten unterhalten seit dem Beginn der Präsidentschaft von Hugo Chávez enge Beziehungen zu Venezuela. Andere sind inmitten wachsenden internationalen Drucks als neue Rettungsanker des Regimes hervorgetreten. Russland, China, Kuba, Iran und die Türkei haben jeweils eigene finanzielle und geopolitische Motive, um das Maduro-Regime zu stützen, und verdienen daher eine je spezifische, nuancierte Analyse.
Russland und Venezuela haben eine langjährige finanzielle, politische und diplomatische Partnerschaft. Ohne sich groß um wirtschaftliche Risiken zu scheren, fungiert Russland weiterhin als ein „Kreditgeber letzter Instanz“, hilft Venezuela, Ölsanktionen zu umgehen, heizt Desinformationskampagnen an und liefert Rüstungsgüter an das Maduro-Regime.
China hat Venezuela mindestens 20 Milliarden Dollar geliehen, die vor 2017 vergeben wurden und deren Rückzahlung unsicher ist. Es ist weiterhin ein starker – wenn auch leiser – Unterstützer des Maduro-Regimes, hat aber in den letzten Jahren seine wirtschaftlichen Projekte in Venezuela zurückgefahren. Iran und Venezuela pflegten seit der Regierungsübernahme von Chávez eine symbolische und von hochtrabender Rhetorik geprägte Partnerschaft. In den letzten Monaten haben sie ihre Partnerschaft wiederaufleben lassen und einen gemeinsamen Nenner gefunden als zwei Staaten, die auf der Weltbühne weitgehend isoliert sind. Kuba ist existenziell abhängig von Venezuela, hat aber auch weiterhin enormen Einfluss auf die regimetreuen Nachrichtendienste, das venezolanische Militär und die ideologische Rhetorik des Regimes. Die ideologischen Bande zwischen den beiden Ländern sind sehr stark und gehen auf den Beginn der Regierungszeit von Hugo Chávez zurück.
Die Türkei ist ein relativ neuer Partner des Regimes und unterstützt den unerlaubten Goldhandel Venezuelas. In Anbetracht der Tatsache, dass die Türkei konstruktive diplomatische Beziehungen zu den Vereinigten Staaten pflegt, ist dies der ungewöhnlichste der fünf Verbündeten. Die Vereinigten Staaten, die Europäische Union, die Lima-Gruppe, die venezolanische Übergangsregierung und andere, die sich bemühen, einen demokratischen Übergang zu erleichtern, sollten die Nuancen und den historischen Kontext des Engagements dieser Länder in Venezuela verstehen.

Massenproteste gegen das Maduro-Regime in Venzuela
2 Russland
Für ein wirtschaftliches oder sicherheitspolitisches Interesse Russlands an Venezuela scheint es keinen naheliegenden Grund zu geben. Die Länder liegen über 11.000 Kilometer voneinander entfernt, und es gibt nur wenige historische oder kulturelle Affinitäten. Die bedeutendsten ökonomischen Ressourcen Venezuelas sind Öl und Gas, über die Russland reichlich selbst verfügt. Und dennoch ist Russland zu einem der wichtigsten Partner des Maduro-Regimes geworden. Zwischen 2004 und 2020 hat sich das Personal der russischen Botschaft in Caracas verfünffacht. Für Wladimir Putin ist diese Partnerschaft Teil einer geostrategischen Kraftanstrengung, um einer, wie er es nennt, unipolaren Weltordnung entgegenzutreten. Für Nicolás Maduro ist die Partnerschaft mit Russland überlebenswichtig. Ohne Rücksicht auf wirtschaftliche oder finanzielle Risiken dient Russland als ein letztinstanzlicher Kreditgeber, hilft Venezuela, Ölsanktionen zu umgehen, schürt Desinformationskampagnen und versorgt das Maduro-Regime mit Waffen.
Die strategische Partnerschaft zwischen Russland und Venezuela geht auf die Anfangsjahre der Präsidentschaft von Chávez zurück, als Putin versuchte, US-Interessen in der Region zu konterkarieren und Russlands frühere Größe auf der Weltbühne wiederherzustellen. Obwohl Russland von jeher eng mit dem Castro-Regime in Kuba verbunden war, bot sich Venezuela als ein naheliegender Partner für dieses Vorhaben an. Chávez hatte sich seit Beginn seiner Präsidentschaft dem Einfluss der Vereinigten Staaten in der Region entgegengestemmt. Obwohl sich Chávez in den ersten Jahren seiner Präsidentschaft dreimal mit Putin traf, wurde ihre Beziehung erst nach 2004 deutlich enger. Damals begann Chávez die Früchte eines beispiellosen Ölbooms zu ernten, und er ließ auch mehrere russische Ölunternehmen ins Land. Chávez hatte zudem begonnen, die Bolivarianische Allianz für die Völker unseres Amerika (Alianza Bolivariana para las Américas, ALBA) zu fördern, die sich gegen die USA richtete. Die 2004 gegründete Allianz strebte eine regionale wirtschaftliche Integration Amerikas auf der Grundlage sozialer Wohlfahrt, Gerechtigkeit und wechselseitiger Wirtschaftshilfe an, statt wie bisher einfach den internationalen Handel immer weiter zu liberalisieren.[1] Die ALBA unterstützte Russland auf diplomatischem Wege bei Schlüsselkonflikten, wie etwa im Kaukasuskrieg (2008), bei der Annektierung der Krim 2015 und im Syrienkonflikt.
2.1 Erdöl/Energie/Bergbau
Der Energiesektor steht im Zentrum der Beziehung zwischen Caracas und dem Kreml. Beginnend in den frühen Nullerjahren knüpften führende russische Energiekonzerne wie Rosneft (teilweise im Besitz des russischen Staates), Lukoil, Surgutneftegaz und Gazprom Kontakte zur staatlichen venezolanischen Ölgesellschaft Petróleos de Venezuela, S.A. (PDVSA), und gründeten schließlich zum Zweck der Erschließung potentieller Schwerölvorkommen im Orinoco-Becken ein Gemeinschaftsunternehmen. Die meisten dieser Unternehmen verkauften ihre Anteile an Rosneft, das ungeachtet steigender finanzieller Risiken, weiterhin Milliarden von Dollar in Venezuela versenkte.[2] Unter der Führung von Igor Setschin investierte Rosneft zwischen 2010 und 2015 9 Milliarden Dollar in venezolanische Öl- und Gasprojekte und hat dort noch immer nicht die Gewinnschwelle erreicht.[3] Diese Projekte produzierten aufgrund chronischer Engpässe bei Ausrüstungsgütern, fehlendem technischem Personal und Korruption viel weniger als ursprünglich prognostiziert. Im Jahr 2015 zum Beispiel berichteten interne Revisoren von Rosneft, dass PDVSA ein Loch von 700 Millionen Dollar in der Bilanz eines ihrer Gemeinschaftsunternehmen nicht erklären konnte.[4] Im Juli 2016 unterzeichnete Maduro eine Reihe von Verträgen mit dem CEO von Rosneft, Igor Setschin, zu dem Zweck, die Ölproduktion und die Kooperation auszuweiten.
Später wurde Rosneft das wichtigste Vehikel, durch das PDVSA US-Sanktionen umgehen konnte. Im Jahr 2019 verarbeitete Rosneft über ein Drittel des venezolanischen Rohöls und verkaufte es zu stark herabgesetzten Preisen auf Absatzmärkten wie Indien und China.[5] Als Rosneft selbst im Februar und März 2020 mit Sanktionen belegt wurde, übertrug es seine venezolanische Tochtergesellschaft auf eine eigenständige Gesellschaft im Eigentum des russischen Staates. Der russische Staat kontrolliert mittlerweile zahlreiche Ölfelder und besitzt ein Pfandrecht an 49,9 Prozent der Anteile an der US-Tochtergesellschaft von PDVSA, Citgo.[6]
2.2 Militär
Venezuela und Russland pflegen auch eine starke militärische Partnerschaft. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern der ALBA-Allianz bot Chávez Russland die Nutzung eines venezolanischen Militärstützpunkts in La Orchila an, einer Insel in der Karibik.[7] Beginnend in den ersten Jahren der Regierung Chávez verkaufte Russland Venezuela Rüstungsgüter im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar, darunter Panzer, Kampfflugzeuge und Kleinwaffen. Obwohl bei vielen der Käufe Anzahlungen in Form von Öllieferungen geleistet wurden, schuldete Venezuela, Stand 2019, für Kampfflugzeuge, die es zwischen 2009 und 2014 kaufte, mindestens 10 Milliarden Dollar.[8] Die beiden Länder errichteten dem Vernehmen nach in Venezuela auch eine Fabrik zur Produktion von Kalaschnikow-Gewehren,[9] sowie eine Anlage für die Ausbildung venezolanischer Piloten auf russischen Hubschraubern.[10]

Die Präsidenten Putin und Maduro
Während der Druck auf Maduro wuchs, unterstrich Putin seine Unterstützung durch symbolische militärische Gesten, die vor allem darauf abzielten, die Vereinigten Staaten zu ärgern. Im Dezember 2018 schickte Putin vorübergehend zwei atomwaffenfähige Bomber nach Venezuela.[11] Drei Monate später trafen zwei russische Militärmaschinen mit Soldaten und Ausrüstungsgütern in Caracas ein.[12] Zudem erstreckt sich das Engagement des Kreml in Venezuela auch auf halbstaatliche Gruppen, die Russland die Möglichkeit geben, eine eigene Beteiligung mit plausiblen Gründen abzustreiten. Im Jahr 2019 gab es Berichte, wonach eine private russische Söldnergruppe über Kuba nach Venezuela eingeflogen sei, um Nicolás Maduro zu beschützen.[13]
Die Präsenz solcher Gruppen macht die sowieso schon heikle Sicherheitslage in einer Transition noch komplizierter, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Russland sich umgehend von diesen Gruppen distanzieren würde – wie es dies in Syrien tat – sobald und wenn etwas schiefginge.
2.3 Desinformation/Repression
Die Unterstützung Russlands geht weit über den Energie- und Militärsektor hinaus. So halfen zum Beispiel russische Geschäftsleute Maduro, die mit Öl unterlegte venezolanische Kryptowährung, den Petro, zu schaffen. Als der Petro eingeführt wurde, war das einzige internationale Finanzinstitut, das bereit war, auf seiner Basis Finanzgeschäfte zu unternehmen, eine russische Bank.[14] Russische Medienunternehmen wie Russia Today (RT) und Sputnik haben durchweg Maduro-freundliche Desinformationen verbreitet. Einige Desinformationskampagnen in Venezuela gehen angeblich auf das Konto der Internet Research Agency, derselben Trollfabrik, die der Einmischung in die US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 beschuldigt wird.[15]
3 China
Im Jahr 2006 erklärte der damalige Präsident Hugo Chávez, Venezuela und China seien auf dem Weg, „eine strategische Allianz von der Stärke der Chinesischen Mauer“ zu bauen.[16] Die beiden Länder hatten gerade ein weiteres Handelsabkommen unterzeichnet, demzufolge China Öl und raffinierte Brennstoffe von Venezuela kaufen würde. Im Gegenzug wollte China die Bewerbung Venezuelas um einen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen unterstützen.
Chávez, der Parallelen zwischen der Lehre Mao Zedongs und seiner eigenen Ideologie eines Sozialismus für das 21. Jahrhundert zog, hatte seit Beginn seiner Präsidentschaft China als eine Alternative zur politischen und wirtschaftlichen Vorherrschaft der Vereinigten Staaten in der Region umworben. Laut Chávez boten die Chinesen flexiblere Kredite „ohne Auflagen.“[17] Tatsächlich verminderte China, anders als traditionelle westliche Kreditgeber, das politische Risiko bei vielen seiner zwischenstaatlichen Kredite zum Beispiel dadurch, dass es sie durch parallele Verträge absicherte, die den Kreditnehmer zur Lieferung von Rohstoffen an chinesische Importeure, einschließlich Öl- und Gaskonzernen wie Sinopec, verpflichteten. Dies erlaubte China, sich die Rohstoffe zu sichern, die es brauchte, um den Bedarf seiner stark wachsenden Wirtschaft zu befriedigen. Im Jahr 2015 beliefen sich die Kredite Chinas an Venezuela auf insgesamt mehr als 64 Milliarden Dollar. Diese waren hauptsächlich von zwei seiner größten staatseigenen Institutionsbanken vergeben worden.
Die beiden Länder kooperierten in einer breiten Palette von Sektoren, von Erdöl über Verkehrsinfrastruktur, Bergbau, Landwirtschaft, verarbeitendes Gewerbe bis hin zu Telekommunikation. China hat auch drei venezolanische Satelliten und die zugehörige Bodenkontroll- und Kommunikationsinfrastruktur gebaut und die Satelliten gestartet. Außerdem unterzeichnete China Verpflichtungserklärungen über den Bau von 20.000 Wohnhäusern, einer Hochgeschwindigkeitszugstrecke mit einem Auftragsvolumen von 7,5 Milliarden Dollar und der größten Reisverarbeitungsfabrik Lateinamerikas.[18] Viele dieser Projekte kamen jedoch aufgrund von Bürokratie, Korruption und schwindender technischer Expertise innerhalb Venezuelas zum Stillstand. Diese sollten auch Venezuelas Partnerschaften mit anderen Ländern, etwa Iran, überschatten. Die Bahnstrecke wurde nicht gebaut, und die Produktionskapazitäten der Reisfabrik, bei der Millionen von Dollar an Schmiergelder flossen, sind gegenwärtig zu weniger als ein Prozent ausgelastet.[19]
Nach Chávez’ Tod und dem Absturz des Ölpreises im Jahr 2014 wurden chinesische Kreditgeber deutlich vorsichtiger. Sie erkannten das politische Risiko einer Regierung, die anfällig für wirtschaftliches Missmanagement ist. Während Präsident Xi Jinping weiterhin mit dem Maduro-Regime kooperierte, flossen die Finanzhilfen hauptsächlich in Gemeinschaftsunternehmen.[20] Viele dieser Projekte zielten darauf ab, die Ölproduktion Venezuelas anzukurbeln, da das Land kaum genug Öl förderte, um seine durch Erdöl gedeckte Kredite zurückzuzahlen. Während Venezuela 2012 noch 64 Prozent der chinesischen Kredite an Lateinamerika bekam, erhielt das Land 2016 nur noch 10 Prozent und praktisch keine chinesischen Investitionen mehr.

Chinas gegenwärtige Venezuela-Strategie wird oft missverstanden. China hat aus seinen Krediten, die es Venezuela seit 2008 gewährte und die sich auf 64 Milliarden Dollar beliefen, noch immer offene Forderungen über 20 Milliarden Dollar. Aber das ist ein im Verhältnis zu dem mehr als 1 Billion Dollar schweren chinesischen Staatsfonds geringer Betrag[21] und nicht genug, um China zu motivieren, eine Lösung zu vermitteln, die Washingtons Position, eine Demokratie nach US-amerikanischem Muster und freie Märkte in der Region stärken würde, insbesondere vor dem Hintergrund zunehmend angespannter Beziehungen zwischen den USA und China.
Chinesische Offizielle führten informelle Gespräche mit der Regierung von Interimspräsident Guaidó, die ihnen erlaubten, Kommunikationskanäle zur Opposition aufrechtzuerhalten und diese dazu zu bringen, die Verträge mit China einzuhalten, falls und wenn ein Machtwechsel stattfindet.[22] Aber chinesische Regierungsvertreter gehen davon aus, das venezolanische Militär unterstütze nach wie vor Maduro. Daher schätzen die Chinesen, die Chancen für einen politischen Übergang in Venezuela als sehr niedrig ein und betreiben eine entsprechende Außenpolitik.
China ist auch weiterhin ein starker – wenn auch vergleichsweise stiller – Verbündeter des Maduro-Regimes. Kürzlich verständigten sich die beiden Länder auf einen weiteren Aufschub für eine demnächst fällig werdende Schuldverschreibung – diesmal geht es um eine Zahlung in Höhe von 3 Milliarden Dollar, die ursprünglich 2020 angestanden hätte.[23]
Trotz strenger US-Sanktionen importiert China weiterhin venezolanisches Öl, wobei es diese Geschäfte mitunter durch Schiff-zu-Schiff-Umladungen verschleiert.[24] Im Jahr 2019 hat China, wenig überraschend, sein Veto gegen eine von den USA unterstützte UN-Resolution eingelegt, die freie und faire Präsidentschaftswahlen forderte.[25] Auf China stützte sich das Maduro-Regime auch bei Desinformationskampagnen und der Anwendung repressiver Technologien, wie etwa eines weithin kritisierten Personalausweises, der es ermöglicht, staatliche Unterstützungsleistungen ausschließlich Personen zukommen zu lassen, die dem Regime politisch treu ergeben sind.[26] Und wenngleich China in den letzten beiden Jahren Venezuela keine Rüstungsgüter verkauft hat, wurden einige der gepanzerten Fahrzeuge, die es während der Präsidentschaft von Chávez lieferte, bei der Niederschlagung der Proteste 2019 eingesetzt.[27] In der gegenwärtigen Covid-19-Pandemie ist China eine wichtige Stütze des Maduro-Regimes. Es hat medizinisches Personal und mindestens sechs Flugzeuge mit insgesamt 300 Tonnen medizinischer Bedarfsgüter nach Venezuela geschickt, u. a. Schnelltests, Mundschutzmasken und andere persönliche Schutzausrüstung.[28]
Obwohl China das Maduro-Regime weiterhin unterstützt, nimmt es letztlich einen anderen Platz ein als Russland, das eine viel größere Bereitschaft gezeigt hat, hohe finanzielle Risiken einzugehen, um das Maduro-Regime weiterhin zu unterstützen. Unabhängig von seiner gegenwärtigen politischen Haltung könnte China beim wirtschaftlichen Wiederaufbau Venezuelas zweifellos eine wichtige Rolle spielen, wie Interimspräsident Guaidó verlauten ließ.[29]
4 Kuba
Seit dem Machtantritt von Hugo Chávez unterhielten Kuba und Venezuela enge Beziehungen, die für beide Seiten vorteilhaft waren. Im Unterschied zu anderen hier aufgeführten Verbündeten, wo Handelsinteressen eine große Rolle spielen, ist Kuba ein ideologischer Verbündeter. Die Führung Kubas spielt bis auf den heutigen Tag eine starke, beratende Rolle in den innen- und außenpolitischen Angelegenheiten Venezuelas.
4.1 Kubas Lehrling
Der erste bedeutende Besuch Fidel Castros in Caracas fand im Jahr 1959 statt. Damals versuchte er die Volksmassen in der gesamten Region für die Kubanische Revolution zu begeistern. Aber erst nachdem Hugo Chávez Kuba 1994 einen Besuch abstattete – nachdem ihm seine Rolle in einem versuchten Staatsstreich verziehen worden war –, wurde Castro zu Chávez’ Mentor. Beide hatten eine ähnliche Vorstellung von einem geeinten lateinamerikanischen Block, der sich gegen den sogenannten Washington Consensus (das marktfundamentalistische, wirtschaftspolitische Programm von Weltbank und IWF) richtete und tief im revolutionären Marxismus verwurzelt war. Zwischen Castro und Chávez entwickelte sich eine enge Freundschaft; in den ersten fünf Jahren von Chávez’ Präsidentschaft besuchten sie einander mindestens fünfzehnmal – in dieser Zeit wurden auch die ersten großen Gruppen von Kubanern nach Venezuela entsandt.
Aber diese sogenannte padre-hermano-Beziehung zwischen den beiden Staatsoberhäuptern bestand aus mehr als nur einer Mentorschaft in politischer Ideologie. Im Jahr 2000 unterzeichneten die Länder ein Ölabkommen, in dem sich Venezuela verpflichtete, fünf Jahre lang 53.000 Barrel Erdöl pro Tag – ein Drittel des kubanischen Verbrauchs – zu exportieren, während Kuba im Gegenzug Venezuela mit Generika, Impfstoffen, medizinischer Ausrüstung und Behandlungen belieferte.[30] Das Volumen des Abkommens wurde innerhalb eines Jahres verdoppelt, und im Jahr 2003 schuldete Kuba Venezuela 190 Millionen Dollar. Dieser Austausch ging während der gesamten Präsidentschaft von Chávez weiter. Im Jahr 2011 importierte Kuba 61 Prozent seines gesamten Erdölbedarfs aus Venezuela.[31]
Als das Verhältnis zwischen beiden immer enger wurde, begann Chávez, das kubanische Modell auf Venezuela anzuwenden. Im Jahr 2004 arbeiteten 20.000 kubanische Staatsbedienstete im Bildungs-, Sport- und Gesundheitswesen Venezuelas, wo sie sich auch an der Umsetzung staatlicher Programme wie etwa Misión Barrio Adentro beteiligten.[32] Bis 2015 waren geschätzte 40.000 kubanische Fachkräfte wie Krankenpfleger, Ausbilder, Ärzte, Lehrer und Sporttrainer sowie Mitarbeiter von Nachrichten- und Sicherheitsdiensten und Militärs nach Venezuela gekommen.[33] Mit dieser zunehmenden Okkupation ging ein enormer ideologischer Einfluss sowie der Aufbau eines ausgedehnten nachrichtendienstlichen Netzwerks im Dienste des kubanischen Regimes einher.[34]
Venezuela half Kuba auch, seine Telekommunikationskapazitäten erheblich zu vergrößern, indem es ein unterseeisches Glasfaserkabel, ALBA 1, treffend benannt nach der ALBA-Allianz zwischen Chávez und Castro, verlegte.
4.2 Der Einfluss Kubas in Venezuela heute
Nach dem Tod von Chávez und später von Castro wurde die Beziehung zwischen Kuba und Venezuela mehr von einem wechselseitigen Bedürfnis der Selbsterhaltung als von einer besonders engen persönlichen Beziehung zwischen Maduro und dem kubanischen Regime getragen. Kuba ist weiterhin von venezolanischem Öl abhängig – das Land erhielt noch im Mai 2020 durchschnittlich 105.000 Barrel venezolanisches Rohöl pro Tag. Außerdem kontrolliert Venezuela noch immer einen Großteil des kubanischen Kommunikationssystems, und es steht zu erwarten, dass es dies noch weitere 18 Jahre tun wird – entsprechend der erwarteten Betriebsdauer von ALBA-1.
Andererseits ist Kuba ein wesentliches Element des Systems der sozialen Kontrolle und Repression, die das Maduro-Regime nutzt, um sich an der Macht zu halten. Die Kubaner stellen weiterhin nachrichtendienstliche Unterstützung bereit und überwachen hauptsächlich durch die Generaldirektion Militärische Spionageabwehr (Dirección General de Contrainteligencia Militar, DGCIM) inländische und interne militärische Aktivitäten.[35] Zum Schutz des Regimes inhaftieren und foltern diese Sicherheitskräfte politische Dissidenten und zivile Demonstranten.[36] Seit 2014 hat Human Rights Watch über mehr als 380 Fälle von Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte und 31 Fälle von Folter berichtet.[37] Kubanische Beamte spielen dabei angeblich eine zentrale Rolle, nicht nur dadurch, dass sie bei der Planung dieser Operationen helfen, sondern auch dadurch, dass sie venezolanischen Offiziellen Verhörtechniken einschließlich Foltermethoden beibringen.[38] Kuba nutzt auch seine eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet, um Venezuela bei der Planung und Ausführung wirksamer Desinformationskampagnen zu helfen.[39]
Kuba ist so sehr abhängig von Venezuela, dass die Möglichkeit eines politischen Wechsels in dem südamerikanischen Land eine existentielle Bedrohung für das Castro-Regime darstellt. Es ist nicht im besten Interesse Kubas, dass zwischen den politischen Kräften in Venezuela eine Verhandlungslösung erreicht wird und dass das Land wieder zu echten demokratischen Verhältnissen zurückkehrt. Entsprechend besitzt Kuba einen erheblichen Einfluss auf den Sicherheitsapparat des Maduro-Regimes und hat vermutlich mehr als jeder andere Staat dazu beigetragen, Maduro an der Macht zu halten.
5 Iran
Iran machte den gesamten Sommer 2020 hindurch Schlagzeilen, weil er das Maduro-Regime weiterhin unterstützte, vor allem dadurch, dass er inmitten chronischer Versorgungsengpässe Treibstoff nach Venezuela lieferte. Diese Unterstützung rief in den Vereinigten Staaten und in der gesamten westlichen Hemisphäre Besorgnis hervor, da man darin die Stärkung eines Bündnisses zwischen zwei Staaten sah, die seit Langem ein Hort des Antiamerikanismus sind. Am 14. August 2020 beschlagnahmten die Vereinigten Staaten zwei Öltanker, die 1,12 Millionen Barrel Benzin transportierten.[40] Zu dieser Aktion kam es, nachdem der UN-Sicherheitsrat mit überwältigender Mehrheit den Resolutionsentwurf der Regierung Trump, der eine unbefristete Verlängerung des globalen Waffenembargos vorsah, abgelehnt hatte.
Iran hat sich konsequent der Kampagne maximalen Drucks der US-Regierung widersetzt, die auf den Sturz des Maduro-Regimes und die Wiederherstellung der demokratischen Ordnung in Venezuela abzielt. Die immer enger werdende Partnerschaft zwischen den beiden Ländern ist beunruhigend, sollte jedoch im übergeordneten Gesamtzusammenhang der Beziehungen zwischen Iran und Venezuela verstanden werden.
5.1 Eine langjährige Beziehung
Wenn politische Entscheidungsträger mögliche Reaktionen auf die Partnerschaft zwischen Iran und Venezuela erwägen, sollten sie sich daran erinnern, dass die beiden Länder seit Jahrzehnten diplomatische und Handelsbeziehungen pflegen – und dass diese während der Präsidentschaft von Chávez viel stärker und beunruhigender waren, als sie heute sind. Diese Beziehung sorgte oft für provozierende Schlagzeilen, während sie zugleich keine greifbaren Ergebnisse brachte.
Die beiden Länder, beide Gründungsmitglieder der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), unterhielten bereits vor der Revolution im Iran im Jahr 1979 bilaterale Beziehungen. Nach dem Sturz des Schahs war Venezuela eines der ersten Länder, die die neue iranische Regierung anerkannten. Während der nächsten zwanzig Jahre beschränkte sich die Zusammenarbeit der Länder auf die Ölindustrie.
Diese Beziehung vertiefte sich jedoch, als Chávez Präsident wurde. Zwischen 2001 und 2013 fanden Dutzende diplomatische Treffen zwischen den Regierungen Chávez und Khatami sowie Ahmadinejad statt. Die beiden Länder unterzeichneten schätzungsweise 300 Vereinbarungen von unterschiedlichem Stellenwert und Auftragsvolumen; diese reichten von der Kooperation beim Bau von Wohnungen für einkommensschwache Familien bis hin zu Zement- und Autofabriken.[41] Sie gründeten sogar einen gemeinsamen Entwicklungsfonds und eröffneten eine Entwicklungsbank unter dem Dach der iranischen Export Development Bank (EDBI). Im Jahr 2012 wurden die iranischen Investitionen und Kredite an Venezuela auf 15 bis 20 Milliarden Dollar geschätzt.[42]
Die meisten dieser Initiativen blieben weit hinter ihren selbstgesteckten Zielen zurück. Eine Autofabrik, die nach Chávez Aussage einmal 25.000 Einheiten jährlich produzieren sollte, fertigte im Jahr 2014 weniger als 2.000 Einheiten.[43] Eine Zementfabrik, die im Jahr 2005 angekündigt wurde, nahm die Produktion erst 2012 auf. Einige der Initiativen dienten angeblich auch der Unterstützung illegaler Aktivitäten. So beschlagnahmten zum Beispiel türkische Beamte im Jahr 2009 22 für Venezuela bestimmte iranische Container, die als „Traktorteile“ etikettiert waren, aber angeblich Materialien für ein Sprengstofflabor enthielten.[44] Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union haben wegen mutmaßlicher Verbindungen zum iranischen Atomwaffenprogramm Sanktionen gegen die Export Development Bank of Iran (EDBI) verhängt.[45]
5.2 Chávez’ Vision für Iran in Lateinamerika
Die Beziehung war symbiotisch. Obwohl Iran in Wirklichkeit nur geringe Investitionen tätigte, stärkten die iranischen Entwicklungsbemühungen innerhalb Venezuelas Chávez’ Image und brachten seine antiimperialistische Agenda in der gesamten Region voran. Für Iran wurde Venezuela ein Brückenkopf für die diplomatische und wirtschaftliche Expansion in Lateinamerika. Chávez führte die Iraner bei seinen regionalen Verbündeten ein und öffnete Kommunikationskanäle, die zu Vereinbarungen zwischen Ahmadinejad und den Regierungen Ecuadors, Boliviens und Nicaraguas führten. Da Iran aufgrund der US-amerikanischen Sanktionen zunehmend von Finanzierungsquellen abgeschnitten war, half Venezuela durch die ALBA-Allianz, lebenswichtige Handelsverbindungen zu eröffnen.
5.3 Die wachsende Partnerschaft zwischen Iran und Venezuela
Das Verhältnis zwischen Iran und Venezuela begann sich nach Chávez’ Tod im Jahr 2013 zu verschlechtern. Schließlich gibt es wenige natürliche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Ländern. Für Ahmadinejads Nachfolger, Präsident Rouhani, der mit dem Preisverfall von Erdöl zu kämpfen hatte, hatte Venezuela keine Priorität mehr. Abgesehen von einigen wenigen Vereinbarungen von fraglichem Stellenwert war Maduro im Allgemeinen nicht in der Lage gewesen, die Art von Beziehung zu Iran aufrechtzuerhalten, die Chávez vorgeschwebt hatte. Soweit in den letzten Jahren eine Beziehung bestand, wurde sie in erster Linie von Verbindungen zwischen dem Büro des Obersten Führers Irans und einer Handvoll hohen venezolanischen Militärs getragen.[46]
Aber diese Beziehung lebte in den letzten Monaten wieder auf, da sich beide Länder wachsendem Druck der internationalen Gemeinschaft ausgesetzt sehen. Der hauptsächliche Zweck dieser Partnerschaft besteht darin, US-Sanktionen zu umgehen – in erster Linie durch Verschiffung von Treibstoff und Raffinationsmaterialien nach Venezuela, wo akuter Benzinmangel die Lebensmittelverteilung und den Transport im Landesinnern gelähmt hat. Iran lieferte im Juni 2020 1,53 Millionen Barrel Benzin nach Venezuela. Eine zweite Lieferung wurde am 14. August vom US-Justizministerium beschlagnahmt. Anfang Oktober legten drei weitere iranische Tanker in venezolanischen Häfen an, und ein weiteres Schiff soll 1,9 Millionen Barrel venezolanischen Rohöls für die National Iranian Oil Company befördert haben.[47]
Iran wollte Venezuela auch helfen, eine Großraffinerie wieder in Betrieb zu nehmen – angeblich gegen Zahlung in Goldbarren. Aber die Raffinerie machte weniger als zwei Monate später erneut dicht.[48] Sämtliche Bemühungen Irans, die Raffinationskapazitäten Venezuelas zu erhöhen, hängen in erster Linie von der Fähigkeit beider Länder ab, ohne Verzögerungen, Korruption und Missmanagement technische Nachrüstungen vorzunehmen.

Einvernehmen zwischen dem iranischen Präsidenten Rouhani und seinem Kollegen aus Venezuela
In der Vergangenheit hat Iran Interesse daran gezeigt, seinen ideologischen Partnern Kurzstreckenraketen, bewaffnete Drohnen und Ausrüstungsgüter zu liefern, mit denen sich vorhandene Raketensysteme verbessern lassen. Es ist möglich, dass Venezuela am Kauf von Raketen interessiert ist, wie es unlängst der kolumbianische Nachrichtendienst berichtete, aber der Stand dieser Bemühungen ist ungewiss. Es ist unklar, ob Iran bereit ist, diese Raketen zu liefern beziehungsweise wie Venezuela sie bezahlen wollte.
6 Türkei
Am 18. August 2020 besuchte der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu Venezuela und brachte dringend benötigte medizinische Hilfsgüter zur Bekämpfung von Covid-19 mit, unter anderem mehr als zwei Dutzend Beatmungsgeräte und Tausende von Testkits und Masken.[49] Diese Geste steht für eine immer innigere Partnerschaft zwischen zwei Ländern, die noch vor weniger als einem Jahrzehnt nur widerstrebend Botschafter austauschten. Diese Partnerschaft gibt der internationalen Gemeinschaft die Gelegenheit, über Ankara Druck auf das venezolanische Regime auszuüben.
6.1 Eine merkwürdige Freundschaft
Jahrzehntelang war das Verhältnis zwischen Venezuela und der Türkei, abgesehen von einigen diplomatischen Friktionen, eher lau. Im Jahr 2005 zum Beispiel verabschiedete die venezolanische Nationalversammlung eine Resolution, die den Genozid an den Armeniern anerkannte, was den Zorn Ankaras erregte. Während des Arabischen Frühlings war Chávez dann ein strammer Unterstützer von Bashar al-Assad und Muammar Gaddafi – eine Position, die der des türkischen Präsidenten Erdogan diametral entgegengesetzt war. Dieser drängte auf einen Regimewechsel in Syrien und unterstützte militärische Operationen in Libyen.[50] Dies führte zu einer Phase diplomatischer Spannungen zwischen den beiden Ländern.
Doch nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 fuhr Präsident Erdogan (dessen Unterstützer behaupten, die USA seien maßgeblich daran beteiligt gewesen) einen antiwestlichen und antiamerikanischen außenpolitischen Kurs.[51] Hier fanden er und Maduro plötzlich Gemeinsamkeiten. Maduro, der während des Aufstands schnell seine Unterstützung für Erdogan zum Ausdruck brachte, traf ihn im Oktober 2016 in Istanbul.[52] Wenig später nahm Turkish Airlines Direktflüge nach Caracas auf, und in nur zwei Jahren verdreifachte sich das Volumen des bilateralen Handels zwischen den beiden Ländern.[53] Die beiden Staatschefs sind sich seit 2016 dreimal persönlich begegnet, und es gab ein weiteres halbes Dutzend hochrangige Treffen zwischen dem Maduro-Regime und der türkischen Regierung.
Venezuela gehört nicht zu den obersten außenpolitischen Prioritäten Erdogans – anders als etwa das militärische Engagement der Türkei in Syrien, Nordirak und Libyen. Trotzdem verbindet Erdogan und Maduro eine starke persönliche Beziehung, und die bilateralen Beziehungen zu Venezuela sind für die Türkei im breiteren Kontext von Erdogans Außenpolitik durchaus wichtig. Die Beziehung fügte sich ein in das anhaltende Bestreben Erdogans in den letzten Jahren, die Eigenständigkeit der Türkei in sämtlichen Aspekten der Außenpolitik zur Geltung zu bringen. Sie zieht ihre Stärke aus Erdogans Wahrnehmung, dass sich die beiden Führer ähnlichen Bedrohungen gegenübersehen. Als beispielsweise Juan Guaidó als Interimspräsident von Venezuela vereidigt wurde, verglichen die türkischen Medien das Ereignis mit dem versuchten Staatsstreich in der Türkei im Juli 2016, und Erdogan appellierte an „[seinen] Bruder“ Maduro, stark zu bleiben.[54]

6.2 Die Türkei als wirtschaftlicher Rettungsanker für Venezuela
Für die Türkei ist Venezuela ein nebensächlicher Akteur von relativ geringer geopolitischer oder wirtschaftlicher Bedeutung. Für Venezuela dagegen ist die Türkei in einem Umfeld immer erdrückenderer Sanktionen und diplomatischer Isolation wirtschaftlich und politisch gesehen ein Rettungsanker. Im Anschluss an die Sanktionen, die 2018 gegen die venezolanische Goldindustrie verhängt wurden, kündigte das Maduro-Regime an, seine Goldraffinerien von der Schweiz in die Türkei zu verlegen. Im selben Jahr wurde die Türkei zu einem bedeutenden Importeur venezolanischen Nichtwährungsgoldes; zwischen Januar und November importierte sie Gold im Wert von rund 900 Millionen Dollar.[55]
Der Goldhandel wurde über ein Netzwerk von Mantelgesellschaften abgewickelt, von denen einige vermutlich eigens zu dem Zweck gegründet wurden, Venezuela den Tausch von Gold gegen Lebensmittel zu ermöglichen. In wenigstens einen dieser ausgeklügelten Umgehungspläne war Alex Saab eingebunden, ein Vertrauter des Regimes, der sich gegenwärtig in Kap Verde in Gewahrsam befindet. Saab kaufte Gold von sogenannten handwerklichen Schürfern in Südvenezuela und verkaufte es an die Zentralbank von Venezuela.[56] Die Zentralbank führte das Gold dann in die Türkei aus und finanzierte mit den Erlösen den Kauf von Konsumgütern.[57] Über seinen in Istanbul ansässigen Spediteur Mulberry Proje Yatirim kaufte Saab die Nahrungsmittel in der Türkei zu einem überhöhten Preis und importierte sie nach Venezuela für Maduros Programm namens „Lokale Ausschüsse für Versorgung und Produktion“ (Comité Local de Abastecimiento y Producción, CLAP). In Venezuela wurden türkische Produkte zu gängigen Waren in den Supermärkten.[58] Letztes Jahr exportierte die Türkei Güter im Wert von 131,6 Millionen Dollar nach Venezuela – 78 Prozent davon bestanden aus Konsumgütern wie Getreideflocken, Milchprodukten und Seife. Vor nur fünf Jahren, vor Maduros und Erdogans erstem persönlichem Treffen, hatten die türkischen Exporte nach Venezuela ein Volumen von insgesamt lediglich 18,7 Millionen Dollar.[59]
Maduro fand in der Türkei auch einen verlässlichen Käufer von venezolanischem Öl, nachdem die USA Sanktionen verhängt hatten. In zunehmendem Maße abgeschnitten von internationalen Märkten, sah Maduro eine weitere Gelegenheit, von seiner engen Beziehung zur Türkei zu profitieren. Drei Monate, nachdem die Vereinigten Staaten Sanktionen gegen PDVSA verhängt hatten, begann eine neu gegründete türkische Kapitalgesellschaft, Group Iveex Insaat, venezolanisches Öl zu kaufen. Im April 2020 kaufte die Gesellschaft, die Maduros ehemaligem Minister für Wohnungsbau gehört, knapp unter 8 Prozent der gesamten monatlichen Ölausfuhren Venezuelas.
6.3 Diplomatie
Erdogan hat Maduro bei mehreren Gelegenheiten auf diplomatischem Parkett energisch verteidigt. Der türkische Staatschef erkennt Guaidó nicht als Interimspräsidenten an und hat die US-Sanktionen gegen das Regime heftig kritisiert.[60] Während einer Pressekonferenz in Caracas im letzten Jahr antwortete Erdogan auf eine Frage nach dem Handel zwischen beiden Ländern mit der Gegenfrage: „Ersuchen wir irgendwo um Erlaubnis, mit wem wir befreundet sein und Handel treiben dürfen?“[61]
Die Türkei ist unter den fünf Ländern, die wir in diesem Artikel besprechen, wohl ein Sonderfall. Am wichtigsten ist vielleicht, dass sie das einzige dieser Länder ist, das gegenwärtig eine enge bilaterale Beziehung zu den Vereinigten Staaten unterhält. Tatsächlich hatte Erdogan einen guten persönlichen Draht zu Präsident Trump.[62] Die Türkei ist außerdem ein Mitgliedstaat der NATO und könnte von einer größeren europäischen Unterstützung einiger seiner wichtigsten strategischen Interessen profitieren.[63] Zudem ist die Beziehung zwischen der Türkei und Venezuela – anders als jene zu Russland, China, Iran und Kuba – vergleichsweise neu. Sie wurde von Maduro gepflegt, nicht von Chávez. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren stellt die Türkei vielleicht einen noch nicht erprobten Weg zur Erleichterung eines demokratischen Übergangs dar, und die Vereinigten Staaten und die Europäische Union sollten ihre Beziehungen zur Türkei nutzen, um Erdogan dazu zu drängen, seine Unterstützung für Maduro zu überdenken.
6 Fazit
Es ist wichtig zu unterstreichen, dass der gegenwärtige Zustand Venezuelas, der durch den Zusammenbruch der politischen Ordnung charakterisiert ist, für viele dieser Verbündeten mit negativen Auswirkungen auf den Handel verbunden ist. So kam es zum Beispiel in Kuba infolge der Krise in Venezuela zu sporadischen Engpässen bei der Treibstoff- und Kochgasversorgung. Russland, das seit vielen Jahren ein Partner der PDVSA ist, schreibt mit den meisten seiner Enegieinvestitionen noch rote Zahlen. Die offenen Schulden Venezuelas bei China belaufen sich auf Milliarden von Dollar. Und dennoch unterstützen diese Staaten weiterhin das Maduro-Regime und seine illegalen Unternehmungen. In der Regel geschieht das in der Absicht, US-Interessen in der Region zu konterkarieren.
Die venezolanische Interimsregierung und ihre Verbündeten sollten weiterhin Druck auf die „fabelhaften Fünf“ des Regimes ausüben, die dem Maduro-Regime nach wie vor helfen, Sanktionen zu umgehen, Menschenrechte zu verletzen und von illegalen Aktivitäten zu profitieren. Diese Bündnisse haben jeweils verschiedene kulturelle, historische und geopolitische Nuancen, die eingehender betrachtet werden sollten. Ein besseres Verständnis der Art und Weise, wie diese Länder das Maduro-Regime unterstützen, und wie weit sie zu gehen bereit sind, zeigt vielleicht bislang ungenutzte Wege auf, wie die Interimsregierung und ihre Verbündeten eine friedliche demokratische Lösung finden können.
Anmerkung
Diese Untersuchung ist im Oktober 2020 in Englischer Sprache unter dem Titel „The Fabulous Five: How Foreign Actors Prop up the Maduro Regime in Venezuela“ als Online Publikation des CSIS erschienen (https://www.csis.org/analysis/fabulous-five-how-foreign-actors-prop-maduro-regime-venezuela). Übersetzung und Abdruck erfolgt mit Zustimmung des CSIS.
Literatur
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© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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