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NACHWEIS AUS HORAZ, SATIREN UND EPISTELN

  • Tobias Dahlkvist EMAIL logo
Published/Copyright: August 20, 2021

MA II, WS 6, KSA 2.542, Z. 3–6:

Man trifft, wenn man sich umsieht, immer auf Menschen, welche ihr Lebenlang Eier gegessen haben, ohne zu bemerken, dass die länglichten die wohlschmeckendsten sind

Vgl. Quintus Horatius Flaccus, Satiren und Episteln, für den Schulgebrauch erklärt von Dr. G. T. A. Krüger, Leipzig, 1853, 2. Buch, Satire 4, S. 118:

Longa quibus facies ovis erit, ilia memento,

Ut suci melioris et ut magis alba rotundis,

Ponere: namque marem cohibent callosa vitellum.

Nietzsches Exemplar dieser Ausgabe weist viele Lesespuren auf, auch auf Seite 118.[1] Seine Bibliothek enthält verschiedene Ausgaben von den Satiren des Horaz, darunter auch Wielands Übertragung, in der die einschlägigen Verse lauten:

Vergiss nicht, in der Wahl der Eyer stets

die länglichen, als feiner von Geschmack

und nährender, den runden vorzuziehn;

der letztern dick’rer Schale zeigt dem Kenner

das männliche Geschlecht des Dotters an.[2]

Die Präferenz für die länglichen Eier und überhaupt die Bedeutung, die Nietzsche der Form der Eier beimisst, wurden in der Forschung als fremdartig oder gar absurd aufgefasst: So behauptet etwa Jill Marsden, Nietzsches Bemerkungen über die Eier seien „of dubious validity, if not entirely bogus“.[3] Was den Geschmack der Eier betrifft, mag das wahr sein. Dass aber ein Professor der klassischen Philologie Anspielungen auf die klassische Literatur in seine Schriften einarbeitet, ist wenig erstaunlich. Noch weniger eigentümlich erscheinen Nietzsches Bemerkungen, wenn man bedenkt, dass Anspielungen auf eben diese Satire beinahe ein Gemeinplatz in der gastronomischen Literatur des 19. Jahrhunderts waren:

Vgl. Eugen Baron Vaerst, Gastrosophie, oder die Lehre von den Freuden der Tafel, Erster Theil, Leipzig 1851, S. 97:

Die Römer zogen die länglichen Eier den mehr runden vor.

Literaturverzeichnis

Campioni, Giuliano / D’Iorio, Paolo / Fornari, Maria Cristina / Fronterotta, Francesco / Orsucci, Andrea (Hg.): Nietzsches persönliche Bibliothek, Berlin 200310.1515/9783110896138Search in Google Scholar

Marsden, Jill: „The Wanderer’s Promise. Nietzsche’s Philosophy of the ‚Nearest Things‘“, in: Nietzsche-Studien 48 (2019), 117–13310.1515/nietzstu-2019-0008Search in Google Scholar

Published Online: 2021-08-20
Published in Print: 2021-08-18

© 2021 Dahlkvist, publiziert von De Gruyter

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Articles in the same Issue

  1. Titelei
  2. Editorial
  3. Inhaltsverzeichnis
  4. Die „Magie des Extrems“ in philosophischen Neuorientierungen. Nietzsches neue extreme Problemstellungen und -lösungen und das alte Beispiel des Sokrates
  5. Burckhardt’s Silence and Nietzsche
  6. A Heretical Student in the Schopenhauerian School
  7. Nietzsche’s Heraclitean Doctrine of the Eternal Recurrence of the Same
  8. Das Bild eines „europäischen Goethe“ in Nietzsches Götzen-Dämmerung. Einige Bemerkungen
  9. Le cas Napoléon
  10. Utopien des Übergangs. Don Quixote und Zarathustra
  11. „Werde, der du bist!“. Selbsterkenntnis, Handeln und Selbstgestaltung bei Nietzsche in einem Ineditum von Georges Canguilhem
  12. Bound Sovereignty: The Origins of Moral Conscience in Nietzsche’s “Sovereign Individual”
  13. Nietzsche’s Compassion
  14. Nietzsche’s Entomology: Insect Sociality and the Concept of the Will
  15. Sources of Nietzsche’s Knowledge and Critique of Anarchism
  16. Nachweis aus Horaz, Satiren und Episteln
  17. Nachweis aus Karl Rosenkranz, Aesthetik des Hässlichen (1853)
  18. Nachweise aus Eugen Dühring, Cursus der Philosophie (1875)
  19. Nietzsche and the Aesthetics of Philosophy
  20. Nietzsche and Music
  21. Leib, Seele und Subjektivität nach Nietzsche. Internationale Perspektiven auf ein Problem im Wandel
  22. Recent Work on Nietzsche’s Moral Psychology and Ethics
  23. Recent Work on Nietzsche’s Social and Political Philosophy
  24. Jewish Nietzscheanism
  25. Siglen
  26. Stellenregister
  27. Hinweise zur Gestaltung von Manuskripten für die Nietzsche-Studien
  28. Nietzsche-Studien Style Sheet
  29. Titelseiten
  30. Editorial
  31. Abhandlungen
  32. Die „Magie des Extrems“ in philosophischen Neuorientierungen. Nietzsches neue extreme Problemstellungen und -lösungen und das alte Beispiel des Sokrates
  33. Burckhardt’s Silence and Nietzsche
  34. A Heretical Student in the Schopenhauerian School
  35. Nietzsche’s Heraclitean Doctrine of the Eternal Recurrence of the Same
  36. Das Bild eines „europäischen Goethe“ in Nietzsches Götzen-Dämmerung. Einige Bemerkungen
  37. Le cas Napoléon
  38. Utopien des Übergangs. Don Quixote und Zarathustra
  39. „Werde, der du bist!“. Selbsterkenntnis, Handeln und Selbstgestaltung bei Nietzsche in einem Ineditum von Georges Canguilhem
  40. Bound Sovereignty: The Origins of Moral Conscience in Nietzsche’s “Sovereign Individual”
  41. Nietzsche’s Compassion
  42. Nietzsche’s Entomology: Insect Sociality and the Concept of the Will
  43. Abhandlung zur Quellenforschung
  44. Sources of Nietzsche’s Knowledge and Critique of Anarchism
  45. Nachweise zur Quellenforschung
  46. NACHWEIS AUS HORAZ, SATIREN UND EPISTELN
  47. NACHWEIS AUS KARL ROSENKRANZ, AESTHETIK DES HÄSSLICHEN (1853)
  48. NACHWEISE AUS EUGEN DÜHRING, CURSUS DER PHILOSOPHIE (1875)
  49. Rezensionen
  50. Nietzsche and the Aesthetics of Philosophy
  51. Nietzsche and Music
  52. Leib, Seele und Subjektivität nach Nietzsche. Internationale Perspektiven auf ein Problem im Wandel
  53. Recent Work on Nietzsche’s Moral Psychology and Ethics
  54. Recent Work on Nietzsche’s Social and Political Philosophy
  55. Jewish Nietzscheanism
Downloaded on 5.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/nietzstu-2021-0013/html
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