Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht empirisch die Bedeutung von Vorurteilsmotivationen für die Strafzumessung bei polizeilich als Hasskriminalität eingestuften Gewaltverbrechen vor und nach der Novellierung von § 46 Abs. 2 StGB im Jahr 2015. Seit der Novellierung werden rassistische und menschenverachtende Motive explizit als Strafzumessungsgründe benannt. Unsere Analyse von Daten des Projekts »Vorurteilsmotivierte Gewaltkriminalität in Nordrhein-Westfalen 2012 bis 2019« zeigt, dass Vorurteilsmotivationen nur in rund einem Fünftel der Urteilsschriften strafverschärfend berücksichtigt wurden – nach der Gesetzesnovellierung häufiger (23 %) als zuvor (14 %). Der Anstieg lässt sich statistisch auf Ermittlungsmaßnahmen der Polizei – insbesondere die Auswertung von Mobiltelefondaten – zurückführen, die bei den nach der Novellierung verurteilten Beschuldigten häufiger durchgeführt wurden als zuvor. Wenn Vorurteilsmotive als strafverschärfend anerkannt wurden, dann erhöhten diese das Strafmaß um ca. 50 %. Die strafverschärfende Wirkung von Vorurteilsmotiven war im betrachteten Zeitraum damit ebenso stark wie die einer brutalen Tatausführung und stärker als die anderer Strafzumessungsgründe.
Abstract
This article conducts an empirical analysis of the impact of bias motivations on sentencing in violent crimes in North Rhine-Westphalia classified as hate crimes by the police, before and after the 2015 amendment to § 46(2) German Criminal Code (StGB). Since the amendment, racist and inhumane motives are explicitly identified as sentencing factors. Our analysis of data from the »Bias-Motivated Violent Crime in North Rhine-Westphalia« project indicates that bias motivations were recognized as aggravating factors in only about one fifth of the verdicts – more frequently after the amendment (23 %) than before (14 %). The increase can be statistically linked to police investigative measures – particular the analysis of mobile phone data – which were conducted more often for defendants after the amendment than before. When bias motives were acknowledged as aggravating, they increased the penalty by about 50 %. Therefore, the aggravating effect of bias motives was as significant as that of a brutal commission of the act and stronger than other sentencing factors during the observed period.
1 Einleitung
Im Kontext der Fluchtzuwanderung stieg die Zahl der polizeilich als »Hasskriminalität« erfassten Gewalttaten bundesweit ebenso wie in Nordrhein-Westfalen sprunghaft an und erreichte 2016 das höchste Niveau seit Einführung des Meldesystems im Jahr 2001 (vgl. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, 2020; Bleich & Hart, 2008). Ausmaß und Dynamik der Gewalt in den Jahren 2015 bis 2017 erinnern an die rassistischen Ausschreitungen zu Beginn der 1990er Jahre (vgl. Willems u. a., 1993; Lüdemann & Erzberger, 1994; Neubacher, 1998; 1999).
Als Hasskriminalität (hate crime) oder Vorurteilskriminalität (bias crime) werden Straftaten bezeichnet, die ganz oder teilweise aufgrund von Vorurteilen gegenüber bestimmten, gesetzlich oder in statistischen Erfassungskriterien festgelegten sozialen Gruppen geleitet sind (vgl. Coester, 2015; Coester & Rothenburg, 2023).[1] Sozialpsychologisch werden Vorurteile als negative Einstellungen gegenüber sozialen Gruppen und deren Mitgliedern konzeptualisiert (vgl. bereits Allport, 1979), wobei zwischen einer affektiven, einer kognitiven und einer verhaltensmäßigen Komponente (Drei-Komponenten-Einstellungsmodell) unterschieden wird (vgl. Dovidio u. a., 2010; Eagly & Chaiken, 1993).
Hasskriminalität richtet sich vor allem gegen Minderheiten, aber auch gegen Menschen, die sich für diese Minderheiten einsetzen, wie der für seine liberale Flüchtlingspolitik bekannte Altenaer Bürgermeister Andreas Hollstein, der 2017 Opfer eines lebensbedrohlichen Messerangriffs wurde. Minderheitenangehörige werden »zufällig« als »Repräsentanten« einer sozialen Gruppe angegriffen, weshalb die Angriffe über die unmittelbaren Opfer hinaus auf die Einschüchterung der Opfergruppe, auf andere Opfergruppen und auf demokratische Normen und Werte zielen (»Botschaftsverbrechen«, vgl. Iganski, 2001; Perry, 2002).
Strafrechtlich sind Vorurteilsmotivationen in Deutschland für verschiedene Straftatbestände – wie etwa Volksverhetzung oder als »niedrige Beweggründe« bei Tötungsdelikten – relevant (vgl. Glet, 2011, 65 f.). Zudem können Vorurteilsmotivationen nach § 46 Abs. 2 StGB strafverschärfend berücksichtigt werden. 2015 wurden »rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende« Beweggründe der Täter bzw. Täterinnen explizit als Strafzumessungsgrund in § 46 Abs. 2 StGB aufgenommen, 2021 erfolgte eine Ergänzung um »antisemitische« und 2023 um »geschlechtsspezifische« und »gegen die sexuelle Orientierung gerichtete« Beweggründe (vgl. dazu Coester & Rothenburg, 2023, 7 f.).
Empirische Untersuchungen zur Strafzumessung bei Vorurteilskriminalität liegen nur vereinzelt und vor allem für die Phase vor der in 2015 erfolgten Novellierung von § 46 Abs. 2 StGB vor (vgl. Neubacher, 1998; 1999; Krupna, 2010; Glet, 2011; Lang, 2014; Berberich, 2022; Fleck, 2022). Ob nach der Novellierung von § 46 Abs. 2 StGB im Jahr 2015 vorurteilsmotivierte Tatmotivationen häufiger zu einer höheren Strafe führten als zuvor, oder ob dies nicht der Fall ist, bleibt bislang offen und ist Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung zur Strafzumessung bei vorurteilsmotivierter Gewaltkriminalität in Nordrhein-Westfalen.
Unsere Analyse geht dabei über die Frage einer möglichen Veränderung der strafverschärfenden Berücksichtigung von Vorurteilsmotivationen nach der Novellierung von § 46 Abs. 2 StGB hinaus, indem versucht wird, weitere, für die Feststellung einer Vorurteilsmotivation relevante Determinanten zu identifizieren: Aus den bisherigen empirischen Studien liegen Hinweise zu Faktoren vor, die die Feststellung vorurteilsmotivierter Beweggründe und damit eine strafverschärfende Würdigung im Urteilsspruch begünstigen könnten. In einem ersten Schritt (1) wird daher der Einfluss einer Urteilsfindung vor/nach der Novellierung von § 46 Abs. 2 StGB und weiterer Faktoren auf eine strafverschärfende Würdigung von Vorurteilsmotivationen in Urteilen quantifiziert. In einem zweiten Schritt (2) wird anschließend geprüft, wie stark sich eine strafverschärfende Würdigung von Vorurteilsmotivationen sowie legale und extralegale Faktoren auf die Strafhöhe auswirken.
Für die Analyse nutzen wir Daten des Projekts »Vorurteilsmotivierte Gewaltkriminalität in Nordrhein-Westfalen zwischen 2012 und 2019«.[2] Im Fokus des Projekts stehen Gewaltstraftaten, die gänzlich oder teilweise aus Vorurteilen gegenüber ethnischen bzw. nationalen Gruppen, religiösen Gemeinschaften (i. e. antisemitisch, islamfeindlich) oder Menschen nicht-weißer Hautfarbe begangen werden und auf die sich auch die nachfolgenden Analysen beziehen. Gewaltstraftaten umfassen dabei alle Straftaten, die nach dem Erfassungssystem »Politisch Motivierte Kriminalität« als Gewaltstraftat definiert sind (vgl. 3. Datengrundlage).
Wir werden zunächst die Novellierungen von § 46 Abs. 2 StGB seit 2015 sowie rechtliche Grundlagen der Strafzumessung in Deutschland umreißen, bevor der Forschungsstand dargestellt, die Datengrundlage erläutert und unsere empirischen Befunde präsentiert werden.
2 Strafzumessung
2.1 Zur Novellierung von Artikel 46 Abs. 2 StGB
Die Entwicklung der Strafverschärfungsgründe im deutschen Recht, insbesondere in Bezug auf menschenverachtende Motive, hat Änderungen erfahren, die eng mit den Aktivitäten und Nachwirkungen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) verbunden sind. Die Morde und Gewalttaten des NSU führten zu einem Umdenken in der deutschen Rechtsprechung, insbesondere in Bezug auf die Bewertung von Verbrechen mit rassistischem oder anderweitig menschenverachtendem Hintergrund. So forderte der Gemeinsame Bundesausschuss in Reaktion auf die NSU-Verbrechen die Aufnahme von »rassistischen und sonstigen menschenverachtenden Motiven« als expliziten Strafverschärfungsgrund, eine Änderung, die am 1. August 2015 in Kraft trat.[3] Am 3. April 2021 wurde der Wortlaut um antisemitische Beweggründe ergänzt, was die fortlaufende Entwicklung und Anpassung des Strafrechts an die Realitäten von Hassverbrechen und ihre spezifischen Formen unterstreicht. Diese Erweiterung erkennt die besondere historische und gegenwärtige Bedeutung des Antisemitismus in Deutschland an. Die letzte bedeutende Novellierung von § 46 Abs. 2 StGB fand am 1. Oktober 2023 statt. Sie beinhaltete die Aufnahme von »geschlechtsspezifischen« und »gegen die sexuelle Orientierung gerichteten« Beweggründen.
Bereits vor der Novellierung war die Berücksichtigung vorurteilsgeleiteter Motive bei der Strafzumessung möglich (Rissing-van Saan u. a., 2020, 111) oder im Fall des Mordtatbestands in der Form von »niedrigen Beweggründen« im Rahmen einer Tatbestandslösung (Lang, 2014, 161). Jedoch stellte die explizite Erwähnung dieser Motive im Kontext der Aufarbeitung der NSU-Verbrechen eine deutliche Verstärkung und Präzisierung der rechtlichen Handhabung dar.
Den Novellierungen gingen seit Ende der 1990er Jahre mehrere gescheiterte Reformversuche voraus, wobei diese nicht ausschließlich die Strafzumessung adressierten, sondern ebenfalls neue Tatbestandslösungen vorsahen.[4] Im Jahr 2000 wurden zwei separate Gesetzentwürfe in den Bundesrat durch die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg eingebracht. Anlass beider Entwürfe war das hohe Niveau bzw. die Zunahme von antisemitischen Straf- sowie rechtsextremen Gewalttaten (vgl. BT-Drs 759/00, 2000, 1; BT-Drs 577/00, 2000, 1). Der Entwurf Mecklenburg-Vorpommerns setzte zum ersten Mal bei der Strafzumessung in § 46 Abs. 2 StGB an.[5] Zu keinem der beiden Entwürfe erfolgte jedoch eine abschließende Behandlung im Bundesrat (vgl. Lang, 2014, 172). Neben der Zunahme rechtsextremer Gewalttaten stellte die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz unzureichende Maßnahmen zur Ahndung und Prävention von rassistischen Taten in Deutschland fest (Fleck, 2022, 127), so dass weitere Gesetzentwürfe folgten. Mit Sachsen-Anhalt und Brandenburg (2007) sowie dem Freistaat Sachsen brachten erneut ostdeutsche Bundesländer Reformvorschläge ein. Daraufhin erfolgte ein Bundesratsbeschluss zu »besonders auch menschenverachtenden rassistischen oder fremdenfeindlichen Beweggründen« (BT-Drs 16/10123, 2008, 11). Dieses Verfahren endete jedoch mit einer Erledigungserklärung gem. § 125 GO-BT (vgl. Lang, 2014, 188). Die Änderung des Wortlauts zu der ratifizierten Fassung geht auf einen Änderungsantrag des Landes Hamburg aus dem Jahr 2010 zurück, der in dieser Form sowohl durch die Bundesländer Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen 2011 im Bundesrat sowie durch die SPD-Fraktion 2012 im Bundestag erneut eingebracht wurden; beide Anträge wurden abgelehnt.
Zusammenfassend reflektiert die Entwicklung der strafrechtlichen Behandlung von Verbrechen mit menschenverachtenden Motiven in Deutschland eine zunehmende Sensibilisierung und Spezifizierung im Umgang mit diesen Verbrechen. Diese Änderungen sind ein deutliches Zeichen dafür, wie gesellschaftliche Ereignisse und politische Debatten die Rechtsprechung beeinflussen und zu fortlaufenden Anpassungen im Rechtssystem führen. Gleichwohl bleibt fraglich, ob die Änderungen der Strafzumessung rein symbolischen Charakter haben, wie vielfach in der wissenschaftlichen als auch politischen Diskussion im Vorfeld der Novellierungen angemerkt wurde (vgl. Jungbluth, 2015, 579 f.; Sotiriadis, 2014, 271 f.; Deutscher Bundesrat, 2014, 313 f.), oder messbare Veränderungen hinsichtlich der polizeilichen wie justiziellen Aufarbeitung seit 2015 auftreten.
2.2 Rechtliche Grundlagen der Strafzumessung
In Deutschland wird das Strafmaß durch Richter/-innen und ggf. unter Beteiligung von Schöffen und Schöffinnen festgelegt. Die Entscheidung über das Strafmaß ist neben den bereits vorgestellten Annahmen basierend auf § 46 Abs. 2 StGB von einer Vielzahl von Gesichtspunkten abhängig und orientiert sich primär an dem Strafrahmen, den das Strafgesetzbuch vorgibt. So wird beispielsweise »wer eine andere Person körperlich misshandelt […] mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft« (§ 223 Abs. 1 StGB). Um die konkrete Strafe in diesem weitgefassten Strafrahmen zu ermitteln, werden Strafzumessungsgründe herangezogen. Falls mehrere Straftaten begangen worden sind, muss zunächst entschieden werden, ob diese in Tateinheit oder Tatmehrheit begangen worden sind. Von Tateinheit wird ausgegangen, wenn mit einer Handlung mehrere Strafgesetze – oder dasselbe Strafgesetz mehrfach – verletzt wurden (§ 52 Abs. 1 StGB). Wird auf Tateinheit entschieden, entspricht der Strafrahmen dem des schwersten Delikts (§ 52 Abs. 2 StGB). Alle weiteren Delikte wirken strafverschärfend, jedoch erfolgt keine Addition der Strafrahmen. Für Taten, in denen die genannten Bedingungen nicht zutreffen, liegt Tatmehrheit vor (§ 53 StGB). Dabei wird eine Gesamtstrafe nach dem Asperationsprinzip (§ 54 StGB) gebildet. Dies bedeutet, dass zwar eine Addition der für die einzelnen Taten verhängten Strafen erfolgt, die resultierende Gesamtstrafe jedoch die Summe der Einzelstrafen minus einer Einheit und darüber hinaus eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren oder bei Verhängung einer Geldstrafe 720 Tagessätze nicht übersteigen darf (§ 54 Abs. 2 StGB). Bei der Bildung der Gesamtstrafe ist zudem die sogenannte Einsatzstrafe zu berücksichtigen, die die Untergrenze für die Ermittlung der Gesamtstrafe bildet und sich an der schwersten der Einzelstrafen orientiert (§ 54 Abs. 1 StGB). Für Straftaten mit mehreren beteiligten Täter/-innen ist ferner genau zu prüfen, in welchem Umfang der Erfolg den Einzelpersonen zuzuordnen ist (Schäfer, Sander & van Gemmeren, 2017, Rn. 1407). Nach der prozessualen Festlegung des Strafrahmens wird die spezifische Tat gemäß den in § 46 Abs. 2 StGB aufgeführten Strafzumessungsumständen eingeordnet. Diese können sowohl strafmildernd als auch strafverschärfend wirken und werden nachfolgend inhaltlich diskutiert, um Überschneidungen zu vermeiden.
Zu den zentralen Faktoren gehören erstens die »Beweggründe und Ziele« der Täter/-innen. Darunter werden deren Motive sowie die daraus resultierenden Handlungsfolgen verstanden (Streng, 2017, § 46 Rn. 52). Die potenziell strafmildernde Wirkung altruistischer Motive oder der Tatbegehung aus einer Zwangslage heraus spielt im Rahmen von vorurteilsgeleiteten Straftaten eine untergeordnete Rolle. Primär kommt in diesem Kontext die strafverschärfende Wirkung der menschenverachtenden Zielsetzung zum Tragen. Mitunter lassen sich die Beweggründe der Täter/-innen nur schwer von dem zweiten Punkt, der »aus der Tat sprechenden Gesinnung« trennen (Maier, 2020, § 46 Rn. 220), die zusammen mit dem »bei der Tat aufgewendeten Willen« in § 46 Abs. 2 StGB genannt wird. Bezüglich der Gesinnung ist zu beachten, dass das Gesetz kein Gesinnungsstrafrecht darstellt, obwohl eine klare Trennung zwischen der Gesinnung der Täter/-innen und der Tatmotivation oft schwierig ist (Streng, 2017, § 46 Rn. 53). Die Gesinnung kann folglich nur im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden, wenn sie in einem inneren Zusammenhang mit der Tat steht (Maier, 2020, § 46 Rn. 217). Unter dem bei der Tat aufgewendeten Willen wird der Eifer, mit dem die Tat begangen wird, gefasst. Dieser Aspekt stellt den Grad des Engagements und der Entschlossenheit bei der Ausführung der Tat dar. Taten, die mit einem hohen Maß an Vorbereitung und Engagement durchgeführt werden, können zu einer strengeren Bestrafung führen. Andererseits können spontane Taten, die eher aus einer momentanen Versuchung heraus begangen werden, unter bestimmten Umständen als weniger gravierend angesehen und mit einer milderen Strafe belegt werden (Streng, 2017, § 46 Rn. 54).
Drittens ist das »Maß der Pflichtwidrigkeit« ein entscheidender Aspekt, der auf das Handlungsunrecht verweist. Dieser Faktor ist vor allem bei Fahrlässigkeits- und Gefährdungsdelikten von hoher Relevanz (Streng, 2017, § 46 Rn. 55). Im Kontext rassistisch motivierter Taten spielt das Maß der Pflichtwidrigkeit bezüglich des Hauptdelikts allerdings eine untergeordnete Rolle. Die Differenzierung zwischen der Gesinnung, die aus der Tat spricht, dem aufgewendeten Willen und der Motivation ist wichtig, um die spezifische Natur und Schwere verschiedener Deliktarten im Rahmen der Strafzumessung angemessen zu berücksichtigen.
Viertens ist die »Tatausführung und ihre Auswirkungen«, die sowohl den Erfolgsunwert als auch den Handlungsunwert umfasst (vgl. Streng, 2017, § 46 Rn. 56–63), besonders hervorzuheben. Der Erfolgsunwert wird neben dem Ausmaß des vom gesetzlichen Tatbestand vorausgesetzten Erfolgs durch den Umfang des außertatbestandlichen Schadens gekennzeichnet (Schäfer u. a., 2017, Rn. 587).
Fünftens können die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie das Vorleben der Täter/-innen in Bezug auf die Tat strafrechtlich relevant sein, insbesondere im Fall von einschlägigen Vorstrafen (Streng, 2017, § 46 Rn. 66). Schließlich kann das Nachtatverhalten sowohl strafverschärfend – zum Beispiel durch rohe Behandlung des Opfers oder Beeinflussung von Zeugen – als auch strafmildernd, etwa durch Reue und Schuldeinsicht oder eine Stabilisierung der Lebensumstände bewertet werden (Streng, 2017, § 46 Rn. 76).
In den gesetzlich umschriebenen Umständen spiegelt sich das Maß des konkreten Tatunrechts ebenso wie die Höhe der Tatschuld wider (Maier, 2020, § 46 Rn. 202–204). Zudem können nur Umstände explizit aufgenommen werden, soweit sie nicht schon bei der Konstituierung des Handlungsunrechts verwertet worden sind (Doppelverwertungsverbot). Diesem Umstand kommt insbesondere bei Propagandadelikten (§§ 86, 86a StGB) und Volksverhetzung (§ 130 StGB) eine besondere Bedeutung zu. Das Doppelverwertungsgebot wurde insbesondere im Kontext der Novellierung von § 46 Abs. 2 StGB kontrovers diskutiert (vgl. Sotiriadis, 2014, 271 f.). Neben diesen direkt aus den Normen zu entnehmenden Umständen können zahlreiche weitere relevante Aspekte ausgemacht werden, solange sie mit den Wertungen des StGB mit der Schwere des Unrechts oder dem Grad der Vorwerfbarkeit in Verbindung gebracht werden können (Meier, 2019, 223). Hierunter fallen insbesondere Aufklärungshilfe, Absprachen im Strafverfahren und überlange Verfahrensdauern (Streng, 2017, § 46 Rn. 82–90), die allesamt mildernd auf das Strafmaß wirken können. Abschließend folgen präventive Überlegungen, z. B. ob gemäß § 56 Abs. 2 StGB eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird (Schäfer u. a., 2017, Rn. 884–889).
2.3 Forschungsstand
Empirisch wurde die Bedeutung von Vorurteilsmotiven für die Strafzumessung von Krupna (2010) für Hessen und Thüringen 2007, Glet (2011) für Baden-Württemberg 2004–2008, Lang (2014) für Sachsen 2006–2007 und bundesweit von Fleck (2022) untersucht. Für vorurteilsmotivierte Brandanschläge liegen eine bundesweite Analyse von Urteilen gegen Jugendliche und Heranwachsende für die frühen 1990er Jahre von Neubacher (1998; 1999) und eine Analyse für Nordrhein-Westfalen und Sachsen 2015–2017 von Berberich (2022) vor. Mit Ausnahme von Krupna (2010) und Fleck (2022), deren Analysen ausschließlich auf einer Befragung von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten bzw. Strafrichterinnen und -richtern beruhen, wurde in den genannten Studien (auch) die Praxis der Rechtsprechung durch eine inhaltsanalytische Auswertung von Strafakten bzw. Urteilen erfasst. Neben verschiedenen Untersuchungszeiträumen und -gebieten müssen Unterschiede in der sachlichen Abgrenzung der ausgewählten Taten beachtet werden.[6] Zudem analysiert Glet (2011, 159) ausschließlich Verfahren gegen die Hauptbeschuldigten, während alle weiteren Aktenanalysen die Strafverfolgung aller Beschuldigten – sofern verfügbar – einbeziehen.
Krupna (2010) geht aufgrund der Befragungsergebnisse von einer hinreichenden »Sensibilisierung« der Strafrechtspraxis und einer angemessenen Sanktionierung von Vorurteilskriminalität auch ohne die damals diskutierte Ergänzung von § 46 Abs. 2 StGB – die dann im Jahr 2015 erfolgte – oder eine damals ebenfalls diskutierte Einführung eines Qualifikationstatbestands in § 224 StGB aus. Kritisiert wurde seine Einschätzung insbesondere deshalb, weil durch die Befragung weniger die Strafzumessungspraxis bei Vorurteilskriminalität als eine durch die gesetzlichen Normen geprägte Verhaltenseinstellung erfasst würde: Die Verteilung der Fragebögen erfolgte an alle Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Thüringen und Hessen, also unabhängig davon, ob diese mit Verfahren zu Vorurteilskriminalität befasst waren oder nicht (vgl. detaillierter und auch zu anderen Kritikpunkten Lang, 2014, 208 f.).[7] Fleck (2022, 299) gelangt zu dem Ergebnis, dass ca. die Hälfte der Befragten, die an Verfahren mit rassistischem/fremdenfeindlichem Hintergrund beteiligt waren, der Aussage »Seit Inkrafttreten der Neufassung von § 46 Abs. 2 StGB wurde in mindestens einem Verfahren, an dem ich beteiligt war, der rassistische oder fremdenfeindliche Hintergrund einer Straftat im Rahmen der Strafzumessung strafverschärfend gewürdigt« (Fleck, 2022, 298) »vollständig« oder »eher zustimmten«, während die anderen 50 % der Befragten mit einer Beteiligung an entsprechenden Verfahren die Aussage als »eher nicht zutreffend« oder »nicht zutreffend« ansahen bzw. zu einem kleinen Teil die Angabe verweigerten. Aufgrund der Frageformulierung liefern ihre Ergebnisse ebenso wie die von Krupna (2010) keine Hinweise darauf, in welchem Umfang bei Strafverfahren, in denen rassistische bzw. »fremdenfeindliche« Tatmotive (z. B. durch polizeiliche Erfassung als Hasskriminalität oder andere Hinweise) im Raum standen, strafverschärfend berücksichtigt wurden.
In den Aktenanalysen zu Hassgewalt wurden der Ausgang der Strafverfahren und die Bedeutung von Vorurteilsmotiven erfasst. Die von Glet (2011) untersuchten 120 Verfahren wurden in etwas mehr als einem Drittel eingestellt[8], in 12 % erging ein Strafbefehl, und in 54 % erfolgte eine Verurteilung im Hauptverfahren (Glet, 2011, 216). In der Analyse von Lang (2014, 300) wurden 54 % der gegen 307 Beschuldigte geführten Verfahren eingestellt, 8 % der Beschuldigten wurden freigesprochen und 37 % mit Strafbefehl oder im Hauptverfahren verurteilt. Die höhere Einstellungsquote in der Untersuchung von Lang (2014) wird vermutlich auch daraus resultieren, dass sie im Gegensatz zu Glet (2011) Verfahren gegen alle Beschuldigten und nicht ausschließlich Verfahren gegen die Hauptbeschuldigten berücksichtigt. Bei den Verurteilungen dominierten mit mehr als 50 % in Baden-Württemberg und Sachsen Freiheits- bzw. Jugendstrafen (Glet, 2011, 218; Lang, 2014, 302), die in beiden Ländern bei mehr als der Hälfte zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Beide Aktenanalysen gelangen zu einer anderen Einschätzung der strafverschärfenden Berücksichtigung von Vorurteilsmotivationen als die Befragungen: Lediglich in 20 % (Lang, 2014, 305) bzw. 26 % der Urteile (Glet, 2011, 227) wurden Vorurteilsmotivationen strafverschärfend berücksichtigt, obwohl ausschließlich Verfahren zu Taten untersucht wurden, die polizeilich als Hassgewalt und/oder politisch rechts motivierte Gewalt eingestuft waren. Für eine strafverschärfende Wirkung von Vorurteilsmotiven scheinen insbesondere vorurteilsmotivierte Beleidigungen oder Parolen, einschlägige Vorstrafen bzw. polizeiliche Erkenntnisse zu politisch motivierter Kriminalität und eine rechtsextreme Szeneanbindung bedeutsam zu sein (vgl. Glet, 2011, 228; Lang, 2014, 306).
Für rassistisch motivierte Brandanschläge von Jugendlichen und Heranwachsenden zu Beginn der 1990er Jahre zeigen die bundesweiten Analysen von Neubacher (1998; 1999) eine veränderte Rechtsprechung nach dem schweren Brandanschlag von Mölln im November 1992, durch den drei Menschen getötet und mehrere Menschen schwer verletzt wurden. Nach Mölln erfolgten Verurteilungen wegen (versuchten) Mordes deutlich häufiger als vor Mölln (21 % versus 3 %), während Verurteilungen wegen Brandstiftung abnahmen (76 % versus 66 %), aber dominant blieben (Neubacher, 1999, 278). Jugendstrafen wurden nach Mölln zudem deutlich seltener zur Bewährung ausgesetzt als zuvor (Neubacher, 1999, 278). Für die Verhängung einer Jugendstrafe und die Strafhöhe waren die Tatfolgen für die Opfer und fehlende Milderungsgründe (wie fehlende Vorstrafen) ausschlaggebend (Neubacher, 1999, 236).[9]
Berberichs Analyse von polizeilich als politisch rechts klassifizierten Brandanschlägen zwischen 2015 und 2017 zeigt eine hohe Einstellungsquote bei den untersuchten Brandstiftungsdelikten (Berberich, 2022, 153 f.). Die insgesamt 11 untersuchten Verurteilungen erfolgten als Brandstiftungsdelikt (in einem Fall als Brandstiftung mit Todesfolge, 171 f.). Obwohl die politische Motivation der Tat in fünf Urteilen erörtert wurde, wirkte sich diese lediglich in einem Fall strafverschärfend nach § 46 Abs. 2 StGB aus (Berberich, 2022, 173).
Die Aktenanalysen zeigen, dass Indizien einer vorurteilsmotivierten Tat, die zu einer Erfassung der Taten im kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch Motivierte Kriminalität geführt haben – wie vorurteilsmotivierte Beleidigungen, Beschimpfungen, Parolen oder das Angriffsziel – nur bei einem kleineren Teil der Taten für die Strafzumessung von Bedeutung waren (Glet, 2011, 243; Lang, 2014, 274 f.). Bei den Brandanschlägen zu Beginn der 1990er Jahre kam es nach dem Anschlag von Mölln häufiger zu einer Verurteilung wegen versuchten oder vollendeten Mordes und damit einer Berücksichtigung der rassistischen Motive. Die Befunde für die kleine Zahl der untersuchten Brandanschläge im Zeitraum 2015 bis 2017 deuten nicht auf eine strafverschärfende Wirkung der Vorurteilsmotivation hin.
Um den singulären Einfluss von Vorurteilsmotivationen auf die Strafzumessung quantifizieren zu können, müssen andere Faktoren kontrolliert werden, die für die Strafzumessung bedeutsam sind.[10] Empirisch haben sich insbesondere die (normative) Deliktschwere sowie fehlende bzw. vorhandene (einschlägige) Vorstrafen als zentral erwiesen (vgl. Albrecht, 1994; Boy, 1984; Dölling, 1999; Grundies, 2018; Höfer, 2005; Hoppenworth, 1991; Ludwig-Mayerhofer & Rzepka, 1998). Einschlägige Vorstrafen und die Tatbegehung waren auch in den von Glet (2011, 222) untersuchten Verfahren die Hauptgründe für eine Strafverschärfung. Bei Hassgewalttaten wurde eine Alkoholisierung der Täter/-innen bei Verübung der Taten mehrheitlich als Strafmilderungsgrund gewertet (vgl. Glet, 2011; Neubacher, 1998; 1999). Zudem scheint die Strafzumessungspraxis regional zu variieren (vgl. Grundies, 2018).
Hassgewalt wird in der weit überwiegenden Zahl der Fälle von männlichen Deutschen ausgeübt. Geschlecht und Staatsangehörigkeit scheinen allgemein keinen oder nur einen geringen eigenständigen Effekt auf die Strafzumessung auszuüben (vgl. Dölling, Hermann & Laue, 2022; Höfer, 2005; Leuschner, 2022; siehe aber Grundies & Light, 2014 und zu Staatsangehörigkeit bei türkischen Jugendlichen Ludwig-Mayerhofer & Niemann, 1997; Ludwig-Mayerhofer & Rzepka, 1998).
Die empirischen Ergebnisse der bisherigen Forschung lassen erwarten, dass Vorurteilsmotivationen zumindest vor der Novellierung von § 46 Abs. 2 StGB im Jahr 2015 nur bei einem kleineren Teil der Verurteilungen zu einer Strafverschärfung führten. Vorurteilsmotivierte Beleidigungen, Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörden zu politisch motivierter Kriminalität und eine rechtsextreme Szeneanbindung scheinen eine strafverschärfende Berücksichtigung von Vorurteilsmotiven zu begünstigen. Wie stark sich eine strafverschärfende Würdigung von Vorurteilsmotivationen auf die Höhe der Strafe auswirkt, wurde in den bisherigen Studien zu Hassgewalt nicht untersucht (Glet, 2011; Lang, 2014; Berberich, 2022) bzw. nicht direkt quantifiziert (Neubacher, 1998; 1999).
3 Datengrundlage
3.1 Forschungsdesign und Fallstruktur
Für die empirische Analyse verwenden wir Daten des Projekts »Vorurteilsmotivierte Gewaltkriminalität im Kontext von rechtspopulistischer Mobilisierung und Fluchtzuwanderung: Nordrhein-Westfalen 2012–2019« (vgl. Fn. 3). Auswahlgesamtheit waren alle im Kriminalpolizeilichen Meldedienst – Politisch Motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) als Hasskriminalität klassifizierten Gewalttaten im Beobachtungszeitraum in Nordrhein-Westfalen (vgl. Bleich & Hart, 2008; Bundeskriminalamt, 2016).[11] Zu allen aufgeklärten Taten, die nach Einsicht in die Dokumente des Meldedienstes[12] von uns als vorurteilsgeleitet gegenüber ethnischen/nationalen Gruppen, religiösen Gemeinschaften (insb. antisemitisch, islamfeindlich) oder Menschen nicht-weißer Hautfarbe klassifiziert wurden[13], sind Strafverfahrensakten angefordert worden.
Der lange Beobachtungszeitraum wurde durch zwei getrennte Erhebungen, eine für Straftaten von 2012 bis 2016 und eine für Straftaten von 2017 bis 2019 möglich. 17 der 19 nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaften beteiligten sich an beiden Erhebungen, eine Staatsanwaltschaft ausschließlich an der ersten Erhebung und eine Staatsanwaltschaft stellte Akten nicht zur Verfügung.[14] Die Rücklaufquote betrug etwas mehr als 70 % der aufgeklärten Taten. Informationen zum Ausgang des Verfahrens liegen für 786 Beschuldigte (763 unterschiedliche Personen) für 563 Taten rassistischer Gewaltkriminalität vor.[15]
Die justizielle Abschlussentscheidung der ersten Instanz[16] ist in Tabelle 1 wiedergegeben: 61 % der Verfahren wurden eingestellt[17] und in 3 % erfolgte ein Freispruch. Ein Drittel der Beschuldigten erhielt eine Geldstrafe oder wurde zu einer Freiheits- bzw. Jugendstrafe verurteilt. 77 % der Freiheits- bzw. Jugendstrafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Zuchtmittel und Erziehungsmaßregeln sind aufgrund des durchschnittlich deutlich höheren Alters der Beschuldigten im Vergleich zu den 1990er Jahren[18] selten. Die Ergebnisse stehen weitgehend in Einklang mit den Befunden von Lang (2014) für Sachsen.
Justizielle Abschlussentscheidung (n = 786 Beschuldigte)
Einstellung |
60,7 % |
Freispruch |
3,2 % |
Geldstrafe |
16,2 % |
Freiheits-/Jugendstrafe |
16,8 % |
Zuchtmittel/Erziehungsmaßregeln (JGG) |
3,2 % |
100,0 % |
In den Analysen werden Verurteilungen zu einer Geldstrafe sowie einer Freiheits- bzw. Jugendstrafe berücksichtigt (n = 259). 28 % der Verurteilungen ergingen dabei per Strafbefehl und 72 % nach einer Hauptverhandlung.
Strafbefehle werden bei den Analysen zu Determinanten einer strafverschärfenden Würdigung von Vorurteilsmotivationen nicht berücksichtigt, da bei Strafbefehlen aus strukturellen Gründen (»Kurzurteile«) strafverschärfende und strafmildernde Gründe nur sehr selten (insgesamt zwei Mal) dokumentiert wurden. Die Analysen zu Einflussfaktoren der Strafhöhe beinhalten dagegen auch Strafbefehle. Für Strafbefehle wird bei diesen Modellen deshalb statistisch kontrolliert. Darüber hinaus wurde die Robustheit der Ergebnisse mit Analysen unter Ausschluss von Strafbefehlen geprüft.[19]
3.2 Operationalisierung und Analysemethoden
Modelle zur Erklärung einer strafverschärfenden Würdigung von Vorurteilsmotivationen:
Die abhängige Variable gibt an, ob durch das Gericht Vorurteilsmotivationen als strafverschärfend gewertet wurden oder nicht. Die strafverschärfende Berücksichtigung von Vorurteilsmotivationen wurde ebenso wie Strafmilderungs- und weitere Strafverschärfungsgründe (siehe unten) den Urteilsbegründungen entnommen.
Als Determinanten werden neben dem Zeitraum der ersten justiziellen Entscheidung (bis einschließlich Juli 2015/ab August 2015), der die Rechtsprechung vor und nach der Novellierung erfassen soll (Modell 1), eine Verurteilung aufgrund von Propagandadelikten oder Volksverhetzung (§§ 86, 86 a, 130 StGB, Kontrollvariable wegen Doppelverwertungsgebot), eine Verurteilung nach § 185 StGB, da Beleidigungen häufig Hinweise auf eine Vorurteilsmotivation beinhalten, Erkenntnisse zu vorherigen, politisch bzw. allgemeinkriminell motivierten Taten[20] (keine, ausschließlich allgemeinkriminell, [auch] politisch motiviert) und eine auf Basis der Aktenlage feststellbare Zugehörigkeit zur rechtsextremen Szene bzw. Gruppen/Parteien[21] berücksichtigt (Modell 2).
Tatrelevante Vorurteilsmotive sind nur schwer objektivierbar. Aus diesem Grund werden in einem weiteren Modell (Modell 3) zudem Ermittlungsmaßnahmen aufgenommen, die dazu geeignet sind, Hinweise auf Vorurteilsmotivationen zu erhärten. Als bedeutsam werden hier insbesondere Zeugenvernehmungen dritter Personen und die Durchsuchung von Mobiltelefonen erachtet.[22] Die Merkmalsausprägungen und deskriptiven Statistiken für das abhängige Merkmal und die unabhängigen Variablen finden sich in Tabelle 4 im Anhang.
Da die abhängige Variable dichotom ist, werden logistische Regressionen geschätzt. Ausgewiesen werden durchschnittliche marginale Effekte (AMEs, average marginal effects, vgl. Mood, 2010). Sie geben den durchschnittlichen Effekt einer Erhöhung der unabhängigen Variable um eine empirische Einheit auf die Wahrscheinlichkeit einer strafverschärfenden Berücksichtigung einer Vorurteilsmotivation (abhängige Variable) an, gegeben die beobachteten Merkmalsausprägungen auf allen anderen unabhängigen Variablen für die untersuchten Personen (vgl. Long, 1997).[23]
Modelle zur Erklärung der Strafhöhe:
Zur Messung der Strafhöhe wird der natürliche Logarithmus der abstrakten Strafdauer in Tagen verwendet (vgl. Grundies, 2018; Grundies & Light, 2014).
Die abstrakte Strafdauer entspricht bei Geldstrafen der gesetzlich festgelegten Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe; im Beobachtungszeitraum also einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe pro Tagessatz (vgl. Fischer, 2022, 7 f.). Bei Freiheits- bzw. Jugendstrafen mit und ohne Aussetzung zur Bewährung wird die Dauer der Strafe berücksichtigt. Durch die Verwendung der abstrakten Strafdauer werden Geldstrafen, zur Bewährung ausgesetzte Freiheits- bzw. Jugendstrafen und Freiheits- bzw. Jugendstrafen ohne Bewährung gleich gewichtet. Fokussiert wird damit auf die Strafhöhe. Unterschiede in (der Einschätzung) der Strafhärte[24] der Dauer verschiedener Strafarten werden dadurch nicht abgebildet.[25]
Strafdauern sind rechtsschief verteilt. Durch die Logarithmierung werden die Annahmen des linearen Modells besser erfüllt; zudem wird bei den hier geschätzten Modellen auch der Einfluss einzelner Ausreißer auf die Modellschätzungen beseitigt (vgl. Wooldridge, 2020, 186 ff.). Inhaltlich wird durch die Logarithmierung berücksichtigt, dass eine absolute Differenz von bspw. 30 Tagen Strafdauer bei einer hohen Strafdauer eine relativ geringere Bedeutung im Vergleich zur Gesamtstrafe zukommt als bei einer niedrigen Strafdauer (vgl. Grundies, 2018; ausführlich Grundies & Light, 2014, 228 ff.).[26]
Als unabhängige Variablen werden legale und extralegale Faktoren der Strafzumessung berücksichtigt.
Die Kontrolle der legalen Faktoren erfolgt zunächst durch das aus den Normen abgeleitete Strafmaß. Hierfür wurde für jede Verurteilung das schwerste Delikt, das bei einer Strafzumessung nach dem Absorptionsprinzip direkt den Strafrahmen vorgibt, ermittelt. Die drei Größen minimale Strafe, maximale Strafe sowie die Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe bestimmen dabei die Klassifizierung. Dadurch wurde eine Variable mit elf Kategorien gebildet, die das Intervall von eins »0 bis 12 Monate Haft- oder Geldstrafe« bis elf »60 Monate bis lebenslange Haftstrafe« abdeckt. Empirisch selten auftretende Kategorien wurden mit anderen Kategorien zusammengefasst, sodass das Strafmaß durch eine kategoriale Variable mit sechs Ausprägungen erfasst wird. Um den Konkurrenzregelungen Rechnung zu tragen, wird außerdem eine Verurteilung in Tatmehrheit mit der Bezugsgröße Tateinheit (Referenzkategorie) berücksichtigt. Ferner wird davon ausgegangen, dass die Anzahl der angewendeten Normen (Variable »Anzahl der Delikte«) einen Einfluss auf die Strafe hat. Wie bereits dargestellt wird kontrolliert, ob die Verurteilung mittels Strafbefehlsverfahren erfolgte oder nicht. Strafverschärfungs- und Strafmilderungsgründe wurden – wie oben bereits für »Vorurteilsmotive als Strafverschärfungsgrund« beschrieben – den Urteilsbegründungen entnommen und für die Analyse zusammengefasst.
Als extralegale Faktoren der Strafhöhe – definiert als Einflussgrößen auf die Strafhöhe, die nicht explizit aus den Gesetzen zur Strafzumessung hervorgehen – werden das Geschlecht, das Alter in Jahren sowie der Geburtsstaat (Ausland/Deutschland) als Indikator für einen (fehlenden) Migrationshintergrund der Täter/-innen berücksichtigt. Deskriptive Statistiken der abhängigen sowie der metrisch skalierten unabhängigen Variablen werden in Tabelle 5 dargestellt, die deskriptiven Statistiken für die weiteren unabhängigen Variablen finden sich in den Tabellen 6 und 7 (alle im Anhang).
Da ausschließlich die abhängige Variable logarithmiert ist, werden semi-logarithmische Regressionen (log-level Modelle) geschätzt. Die Effekte der unabhängigen Variablen auf die Strafhöhe in Tagen (nicht logarithmiert) können über eine Transformation der Regressionskoeffizienten ß ermittelt werden: 100 × (eß – 1) gibt den prozentualen statistischen Effekt der Erhöhung einer unabhängigen Variablen um eine empirische Einheit auf die Strafdauer in Tagen an (vgl. Wooldridge, 2020, 186 ff.).
Die Regressionsmodelle werden schrittweise aufgebaut, um den Beitrag von (1) Strafrahmen, Tatmehrheit/Tateinheit, Anzahl der Delikte und Strafbefehl (ja/nein), (2) strafverschärfenden/strafmildernden Gründen und (3) extralegalen Faktoren für den Anteil der erklärten Varianz der logarithmierten Strafdauern getrennt angeben zu können.[27]
4 Ergebnisse
4.1 Strafverschärfende Würdigung einer Vorurteilsmotivation
In etwas mehr als einem Fünftel der Urteile (vgl. Tabelle 4) wurde eine Vorurteilsmotivation strafverschärfend gewürdigt. Der Anteil ist geringer als in der von der Untersuchungsanlage vergleichbaren Studie für Baden-Württemberg 2004–2008 (Glet, 2011, 227), in der im Unterschied zu unserer Untersuchung allerdings ausschließlich Verfahren gegen die Hauptbeschuldigten erfasst wurden. Da unsere Datenbasis ausschließlich im KPMD-PMK als Hassgewalt erfasste Taten beinhaltet, erscheint ein Anteil von 20 % als gering, und zwar auch bei Berücksichtigung von möglichen Fehlklassifikationen im KPMD-PMK, in denen eine Vorurteilsmotivation fälschlicherweise angenommen wurde.[28] Nach Inkrafttreten der 2015 beschlossenen Ergänzung von § 46 Abs. 2 StGB um »rassistische und sonstige menschenverachtende« Beweggründe sind in den von uns analysierten Strafverfahren Vorurteilsmotivationen prozentual häufiger als strafverschärfend gewürdigt worden als zuvor (23,3 % versus 14,0 %). Der bivariat geschätzte Effekt einer justiziellen Entscheidung bis einschließlich bzw. nach Juli 2015 auf die Wahrscheinlichkeit einer strafverschärfenden Würdigung einer Vorurteilsmotivation beträgt durchschnittlich etwas mehr als neun Prozentpunkte (vgl. Tabelle 2, Modell 1).
Die vor und nach Inkrafttreten der Novellierung verurteilten Beschuldigten und deren Taten können sich allerdings in weiteren Merkmalen unterscheiden, die für eine strafverschärfende Würdigung von Vorurteilsmotivationen relevant sein können. Auch bei Berücksichtigung der in Modell 2 aufgenommenen Merkmale bleibt der Effekt einer Verurteilung nach Juli 2015 bestehen. Substanziell zeigt Modell 2 zudem, dass eine Verurteilung aufgrund von Propagandadelikten (§§ 86, 86a StGB) oder Volksverhetzung (§ 130 StGB) erwartungsgemäß die Wahrscheinlichkeit für eine strafverschärfende Würdigung der Vorurteilsmotivation (Doppel-verwertungsgebot nach § 46 Abs. 3 StGB) verringert.
In den untersuchten Strafverfahren sind Beleidigungen, die Hinweise auf eine Vorurteilsmotivation beinhalten, gut dokumentiert, da diese für die polizeiliche Klassifikation als Hasskriminalität von besonderer Bedeutung sind. Eine Verurteilung nach § 185 StGB – dies betrifft etwa die Hälfte der Urteile (vgl. Tabelle 4) – begünstigt erwartungsgemäß eine strafverschärfende Würdigung der Vorurteilsmotivation. In der Modellschätzung wurden zudem in den Akten vorliegende Hinweise auf eine rechtsextreme Gruppenanbindung sowie zum Tatzeitpunkt vorliegende polizeiliche Kenntnisse berücksichtigt: Bei einer Zugehörigkeit zu einer rechtsextremen Gruppe oder Partei ist die Wahrscheinlichkeit für eine strafverschärfende Berücksichtigung einer Vorurteilsmotivation durchschnittlich um 19 Prozentpunkte höher als bei Beschuldigten, für die eine rechtsextreme Gruppen- bzw. Parteizugehörigkeit nicht dokumentiert bzw. nicht vorhanden ist. Eine in den Strafverfahrensakten dokumentierte Szenezugehörigkeit übt dagegen keinen Effekt aus (AME nahe null). Zum Tatzeitpunkt vorliegende Erkenntnisse der Polizei zu politisch motivierter Kriminalität begünstigen die gerichtliche Feststellung einer Vorurteilsmotivation überraschenderweise nicht stärker als (ausschließlich) zu Allgemeinkriminalität vorliegende Erkenntnisse.
Modell 3 beinhaltet zusätzlich die als relevant erachteten Ermittlungsmaßnahmen: Zeugenaussagen dritter Personen begünstigen die gerichtliche Feststellung einer Vorurteilsmotivation (AME 11 Prozentpunkte). Der mit Abstand stärkste Effekt geht allerdings von einer Auswertung der Daten von Mobiltelefonen aus: Die durch das Modell geschätzte Wahrscheinlichkeit der Feststellung einer Vorurteilsmotivation ist bei einer Auswertung von Mobiltelefondaten durchschnittlich um knapp 63 Prozentpunkte höher (77,8 Prozent) als ohne diese Ermittlungsmaßnahme (14,9 Prozent).
Determinanten einer strafverschärfenden Würdigung von Vorurteilsmotivationen (logistische Regression, average marginal effects)
Modell 1 |
Modell 2 |
Modell 3 |
|
Justizielle Entscheidung (Ref. 2012–07/15) |
|
|
|
08/2015–2021 |
0,092 |
0,109+ |
0,037 |
Delikt §§ 86, 86a, 130? (Ref. nein) |
|
|
|
ja |
|
–0,116* |
–0,098+ |
Delikt § 185? (Ref. nein) |
|
|
|
jaRechtsex. Gruppenanbindung (Ref. k.A./keine) |
|
0,087 |
0,131* |
Äußeres/Szene |
|
–0,017 |
–0,052 |
Gruppe/Partei |
|
0,191 |
–0,049 |
Polizeiliche Erkenntnisse (Ref. k.A./nein) |
|
|
|
Allgemeinkriminalität |
|
0,123+ |
0,060 |
(auch) Politisch motivierte Kriminalität |
|
0,098 |
0,077 |
Zeugenaussage Dritte (Ref. nein) |
|
|
|
ja |
|
|
0,106+ |
Durchsuchung Mobiltelefon (Ref. nein) |
|
|
|
ja |
|
|
0,629** |
Log-Likelihood |
–93,082 |
–88,751 |
–75,411 |
McFadden-R² |
0,012 |
0,058 |
0,199 |
McKelvey and Zavoina-R² |
0,024 |
0,122 |
0,289 |
N |
186 |
186 |
186 |
Log-Likelihood Nullmodell –94,173; + p < 0,1, * p < 0,05, ** p < 0,01, ohne Strafbefehle
Für die vorliegende Fragestellung ist bedeutsam, dass der Effekt einer gerichtlichen Abschlussentscheidung nach Inkrafttreten der 2015er-Novellierung (Modell 2) weitgehend durch die Auswertung von Mobiltelefondaten statistisch erklärt wird (Modell 3). Die insgesamt seltene Auswertung von Mobiltelefondaten kam vor allem in den Jahren 2015 und 2016 bei schweren Gewalttaten zum Einsatz[29], sodass die von uns erfasste erste gerichtliche Abschlussentscheidung bei diesen Verfahren mit nur einer Ausnahme nach 2015 getroffen wurde. Empirisch lassen sich mögliche Effekte des sprunghaften Anstiegs auch von schweren Gewalttaten in den Jahren 2015 und 2016 von einem möglichen Effekt der 2015 erfolgten Novellierung von § 46 Abs. 2 StGB mit den vorliegenden Daten daher nicht eindeutig trennen.
Die Ermittlungsmaßnahmen erklären statistisch die im Vergleich zu anderen Beschuldigten häufigere Würdigung von Vorurteilsmotivationen bei Beschuldigten mit einer rechtsextremen Gruppen-/Parteizugehörigkeit. Juristisch ist relevant, dass sich eine rechtsextreme Gruppenzugehörigkeit allein nicht im Urteil niederschlägt (Stichwort Gesinnungsstrafrecht). Bezüglich der kausalen Mechanismen ist sowohl ein Einfluss rechtsextremer Gruppenzugehörigkeiten auf Ermittlungsmaßnahmen als auch ein Einfluss von Ermittlungsmaßnahmen auf die Aufdeckung rechtsextremer Gruppenzugehörigkeiten naheliegend.
Bei Betrachtung der Modellgüte wird ersichtlich, dass die erklärte Varianz der latenten abhängigen Variablen (McKelvey und Zavoina-R², vgl. Long, 1997, 105) insbesondere durch die Berücksichtigung der Ermittlungsmaßnahmen (Modell 3) deutlich verbessert wird und in Modell 3 einen sehr guten Wert erreicht.[30]
4.2 Strafhöhe
In Tabelle 3 wird der Einfluss von legalen sowie extralegalen Faktoren auf die verhängte Strafe dargestellt. Die Analyse beginnt mit der Betrachtung von Faktoren, die direkt aus den rechtlichen Normen abgeleitet sind (Modell 1). Das Strafmaß, die Anzahl der angewandten Delikte, die Aburteilung in Tateinheit oder Tatmehrheit sowie die Verurteilung mittels Strafbefehlsverfahren erklären statistisch rund 55 Prozent der Varianz der logarithmierten Strafhöhe. Dieser Befund entspricht den oben berichteten Ergebnissen früherer Untersuchungen und unterstreicht die zentrale Rolle rechtlicher Normen in der Strafzumessung.[31]
Die Einbeziehung von Strafverschärfungs- und Milderungsgründen in die Analyse führt zu einer Verbesserung der Varianzaufklärung um etwa acht Prozentpunkte. Bei der Interpretation des Modells muss besonders darauf geachtet werden, dass für den Erfolgs- und Handlungsunwert der Taten über den Proxy der Strafzumessungsgründe »Brutale Tatausführung/Opferschäden« kontrolliert wird. Die deutlich geringere Strafhöhe bei Strafbefehlsverfahren (Modell 1) wird durch die Kontrolle der in Modell 2 mit der Tatschwere verbundenen Strafzumessungsgründe erklärt. Eine weitere interessante Beobachtung ist, dass die zusätzliche Kontrolle für extralegale Faktoren in Modell 3 kaum zur Varianzaufklärung beiträgt. Extralegale Faktoren spielen insgesamt eine eher marginale Rolle.[32]
Determinanten der Strafhöhe (AV: logarithmierte Tagessatzäquivalente, lineare Regression)
|
Modell 1 |
Modell 2 |
Modell 3 |
Strafrahmen (Ref. 0 – 12/24 Monate oder Geldstrafe) |
|
|
|
0–36 Monate oder Geldstrafe |
0,134 |
0,094 |
0,070 |
0–60 Monate oder Geldstrafe |
0,398** |
0,314* |
0,323* |
3/6–60 Monate |
0,743** |
0,705** |
0,698** |
3/6/12–120 Monate |
1,381** |
1,228** |
1,225** |
12/60 Monate – lebenslang |
2,006** |
1,826** |
1,829** |
Deliktsanzahl |
0,006 |
0,008 |
0,004 |
Tatmehrheit (Ref: nein) |
0,564** |
0,519** |
0,508** |
Strafbefehl (Ref: nein) |
–0,390** |
–0,091 |
–0,084 |
Strafverschärfend: |
|
|
|
Vorurteilsmotivation (Ref: nein) |
0,416** |
0,406** |
|
(Einschlägige) Vorstrafen (Ref: nein) |
0,294* |
0,301* |
|
Laufende Bewährung, Verfahren, Auflagen (Ref: nein) |
0,091 |
0,095 |
|
Brutale Tatausführung/Opferschäden (Ref: nein) |
0,389** |
0,383** |
|
Tatinitiierung (Ref: nein) |
0,312+ |
0,340+ |
|
Rückfallgeschwindigkeit (Ref: nein) |
0,389 |
0,358 |
|
Schädliche Neigungen (JGG) (Ref: nein) |
–0,067 |
–0,092 |
|
Strafmildernd: |
|
|
|
Nachtatverhalten (Ref: nein) |
0,069 |
0,054 |
|
Keine/geringe Vorstrafen (Ref: nein) |
–0,069 |
–0,069 |
|
Tatumstände (Ref: nein) |
–0,093 |
–0,076 |
|
In der Person begründet (Ref: nein) |
0,152 |
0,153 |
|
Geschlecht (Ref: männlich) |
|
–0,175 |
|
Alter [in Jahren zum Tatzeitpunkt] |
|
–0,001 |
|
Geburtsstaat: Deutschland (Ref.: Ausland) |
|
0,176 |
|
Konstante |
4,052** |
3,824** |
3,729** |
N |
259 |
259 |
259 |
R2 |
0,551 |
0,632 |
0,637 |
Angepasstes R2 |
0,537 |
0,602 |
0,603 |
+ p < 0,10, * p < 0,05, ** p < 0,01
Nicht-standardisierte Regressionskoeffizienten erlauben keinen Vergleich der inhaltlichen Bedeutung (Effektstärke) verschiedener unabhängiger Variablen, wenn diese unterschiedlich skaliert sind. Standardisierte Regressionskoeffizienten sind ausschließlich bei metrischen (Anzahl der Delikte, Alter), nicht aber bei den hier vorliegenden dichotomen unabhängigen Variablen sinnvoll interpretierbar. Aus diesem Grund wird die Effektstärke anhand der geschätzten Veränderung der Strafdauer bei einer Veränderung der unabhängigen Merkmale über deren Wertebereich beurteilt. [33]
Besonders hervorzuheben ist der Einfluss bestimmter Strafverschärfungsgründe: So zeigt sich, dass die strafverschärfende Berücksichtigung von rassistischen oder sonstigen menschenverachtenden Motiven, brutaler Tatausübung/Opferschäden sowie den quantitativ bedeutsamen (einschlägigen) Vorstrafen zu einer deutlich höheren Strafe führt – mit einer Erhöhung der Strafe um etwa 50 Prozent in den ersten beiden Fällen[34] bzw. 35 Prozent bei einer strafverschärfenden Würdigung der Vorstrafen. Von allen Strafverschärfungsgründen können wir somit der Tatbegehung aus rassistischen bzw. menschenverachtenden Motiven die größte Wirkung auf die Strafhöhe zuschreiben. Die Anwendung des zweithöchsten Strafrahmens (3/6/12 – 120 Monate) geht im Vergleich zur Anwendung des niedrigsten Strafrahmens mit einer um etwa 240 Prozent höheren Strafdauer einher (vgl. Tabelle 3). Selbst in Relation zur Bedeutung der Strafrahmen haben sowohl die brutale Tatausführung/Opferschäden als auch die Vorurteilsmotivation mit einer strafverschärfenden Wirkung von etwa 50 % einen starken substanziellen Effekt auf die Haftdauer bzw. die Anzahl der Tagessätze. Die absolute Größe des Effekts lässt sich anhand des Unterschieds in der durch Modell 3 geschätzten durchschnittlichen Strafdauer bei strafverschärfender Wertung einer Vorurteilsmotivation – 310 Tage – und ohne strafverschärfende Wertung einer Vorurteilsmotivation – 207 Tage – illustrieren[35]; der durchschnittliche Effekt beträgt 104 Tage.
Auffällig ist, dass keiner der untersuchten Strafmilderungsgründe einen starken Effekt auf die Strafhöhe zeigt. Insbesondere überraschend ist, dass die Strafmilderungskategorie »Tatumstände«, die den Einfluss einer alkohol- und/oder drogenkonsumbedingten verminderten Steuerungsfähigkeit beinhalten, die Höhe der Strafe nicht stärker verringert. Darüber hinaus führen in der Person der Täter/-innen liegende Strafmilderungsgründe paradoxerweise zu einer höher zu erwartenden Strafe von rund 16 %, was darauf hindeuten könnte, dass solche Eigenschaften vor allem bei schwerwiegenderen Delikten relevant werden. Auch für das Nachtatverhalten, das vor allem Geständigkeit, Reue und Entschuldigungen abbildet, zeigt sich nicht das erwartete Vorzeichen. In diesem Bereich der Strafzumessung besteht unseres Erachtens noch weiterer Erkenntnisbedarf. Eventuell sind hier nicht entdeckte Moderationen zwischen Strafmilderungs- und Strafverschärfungsgründen[36] vorhanden.
5 Fazit und Diskussion
Vorurteilsmotivationen wurden vor Gericht bei den untersuchten Taten, die polizeilich als Hasskriminalität erfasst wurden, nur in einem Fünftel der Urteile strafverschärfend gewürdigt. Unsere Analysen bestätigen die Bedeutung von Ermittlungsmaßnahmen der Polizei für eine strafverschärfende Berücksichtigung von Vorurteilsmotivationen (vgl. BT-Drs 17/14600, 2013, 861), wozu die Dokumentation von Beleidigungen und Beschimpfungen, die eine Verurteilung nach § 185 StGB begünstigen, Zeugenvernehmungen und insbesondere die Auswertung von Mobiltelefondaten zählen. Nach der Novellierung von § 46 Abs. 2 StGB wurden Vorurteilsmotivationen in Nordrhein-Westfalen häufiger bei der Strafzumessung berücksichtigt als zuvor. Statistisch lässt sich der beobachtete Anstieg unter anderem auf eine häufigere Auswertung von Mobiltelefondaten bei den schweren Straftaten in den Jahren 2015 und 2016 zurückführen, die nach der Novellierung von § 46 Abs. 2 StGB abgeurteilt wurden.
Ein ursächlicher Effekt der Reform läge vor, wenn die Reform direkt oder indirekt – z. B. über die durch Polizei, Gerichte oder auch Nebenklage-Anwälte und -Anwältinnen initiierten polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen – eine Berücksichtigung von rassistischen und menschenverachtenden Motiven im Urteil beeinflusst hätte. Das Untersuchungsdesign der vorliegenden Studie erlaubt die Identifikation kausaler Effekte nicht. Gleichwohl erscheint es plausibler, dass der starke Anstieg schwerer Gewalttaten im Kontext der hohen Fluchtzuwanderung 2015 und 2016 die Zunahme der Ermittlungsmaßnahmen erklärt, die zu einer stärkeren Berücksichtigung von rassistischen und menschenverachtenden Motiven in den (in der Regel nach der Reform) gefällten Urteilen führten. Diese Interpretation wird dadurch gestützt, dass Wohnungsdurchsuchungen und die Auswertung von Mobiltelefoninhalten nur in sehr kleiner Zahl vor 2015 oder ab 2017 durchgeführt wurden.
Mit der vorliegenden Studie wurde zudem erstmals multivariat untersucht, wie stark sich die strafverschärfende Anerkennung von Vorurteilsmotivationen auf die Strafhöhe auswirkt. Wurden Vorurteilsmotive bei der Strafzumessung berücksichtigt, gingen damit um 50 % höhere Strafen einher. Die Ergebnisse liefern zudem Erkenntnisse über die Faktoren, die in der Praxis die verhängten Strafhöhen beeinflussen. Sie zeigen die dominante Rolle rechtlicher Normen und bestimmter Strafzumessungsgründe, während sie gleichzeitig auf die begrenzte Bedeutung von Strafmilderungsgründen hinweisen. Diese Befunde bieten wertvolle Ansatzpunkte für weiterführende Forschungen im Bereich der Strafzumessung.
Mit Blick auf gesetzliche Novellierungen zur Berücksichtigung von Vorurteilsmotivationen ist zu konstatieren, dass die effektive Umsetzung gesetzlicher Änderungen eine kontinuierliche Überprüfung und Anpassung der Justizpraxis erfordert. Es ist essenziell, dass zukünftige Forschungen die Mechanismen und Prozesse in den Blick nehmen, die zu einer Anerkennung und Ahndung von Vorurteilsmotivationen in der Justiz führen können. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die sozialen und moralischen Prinzipien, die den Änderungen von Art. 46 Abs. 2 StGB im Strafrechtssystem zugrunde liegen, umgesetzt werden.
Danksagung
Der Autor und die Autorin sind beide Hauptautoren. Für wertvolle Hinweise sind wir den Gutachterinnen und Gutachtern zu Dank verpflichtet.
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Anhang
Analysen zur strafverschärfenden Berücksichtigung einer Vorurteilsmotivation: Deskriptive Statistiken der Merkmale
n |
Prozent |
|
Abhängige Variable: |
||
Vorurteilsmotivation strafverschärfend |
||
nein |
148 |
79,6 |
ja |
38 |
20,4 |
Unabhängige Variablen: |
||
Jahr Justizielle Entscheidung |
||
2012–07/2015 |
65 |
34,9 |
08/2015–2021 |
121 |
65,1 |
Verurteilung wegen §§ 86, 86a, 130? |
||
nein |
140 |
75,3 |
ja |
46 |
24,7 |
Verurteilung wegen § 185? |
||
nein |
95 |
51,1 |
ja |
91 |
48,9 |
Polizeiliche Erkenntnisse |
||
k.A./keine |
38 |
20,4 |
Allgemeinkriminalität |
100 |
53,8 |
(auch) Politisch motivierte Kriminalität |
48 |
25,8 |
Gruppenzugehörigkeit rechtsextrem? |
||
unbekannt |
144 |
77,4 |
Szene |
27 |
14,5 |
Gruppe/Partei |
15 |
8,1 |
Zeugenaussage, Dritte |
||
nein |
37 |
19,9 |
ja |
149 |
80,1 |
Ermittlungsmaßnahme: Durchsuchung Mobiltelefon |
||
nein |
170 |
91,4 |
ja |
16 |
8,6 |
Insgesamt n = 186 Verurteilungen (ohne Strafbefehle)
Analysen zur Auswirkung einer Vorurteilsmotivation auf die Strafe: Deskriptive Statistiken der Merkmale (metrische Variablen)
n |
Arith.Mittel |
s |
Min |
Max |
|
Abhängige Variable:33 |
|||||
Tagessatzäquivalente |
259 |
229,42 |
286,75 |
8 |
2190 |
ln(Tagessatzäquivalente) |
259 |
4,92 |
1,00 |
2,08 |
7,69 |
Unabhängige Variablen: |
|||||
Alter |
259 |
34,82 |
13,75 |
17 |
83 |
Anzahl Delikte |
259 |
3,17 |
1,79 |
1 |
11 |
Insgesamt n = 259 Verurteilungen, s = Standardabweichung
Analysen zur Auswirkung einer Vorurteilsmotivation auf die Strafe: Deskriptive Statistiken der Merkmale (kategoriale Variablen)
n |
Prozent |
|
Geschlecht |
||
männlich |
234 |
90,35 |
weiblich |
25 |
9,65 |
Geburtsstaat |
||
Ausland |
26 |
10,04 |
Deutschland |
233 |
89,96 |
Strafrahmen |
||
0–12/24 Monate/Geldstrafe |
32 |
12,36 |
0–36 Monate/Geldstrafe |
18 |
6,95 |
0–60 Monate/Geldstrafe |
84 |
32,43 |
3/6–60 Monate |
31 |
11,97 |
3/6/12–120 Monate |
84 |
32,43 |
12/60 Monate – lebenslang |
10 |
3,86 |
Insgesamt n = 259 Verurteilungen
Analysen zur Auswirkung einer Vorurteilsmotivation auf die Strafe: Deskriptive Statistiken der Strafverschärfungs- und Strafmilderungsgründe
n |
Prozent |
|
Strafverschärfungsgründe |
||
Vorurteilsmotivation |
||
nein |
219 |
84,56 |
ja |
40 |
15,44 |
(Einschlägige) Vorstrafen |
||
nein |
180 |
69,50 |
ja |
79 |
30,50 |
Laufende Bewährung, Verfahren, Auflagen |
||
nein |
242 |
93,44 |
ja |
17 |
6,56 |
Brutale Tatausführung/ Opferschäden |
||
nein |
220 |
84,94 |
ja |
39 |
15,06 |
Tatinitiierung |
||
nein |
244 |
94,21 |
ja |
15 |
5,79 |
Rückfallgeschwindigkeit |
||
nein |
252 |
97,30 |
ja |
7 |
2,70 |
Schädliche Neigungen (JGG) |
||
nein |
254 |
98,07 |
ja |
5 |
1,93 |
Strafmilderungsgründe |
||
Nachtatverhalten |
||
nein |
171 |
66,02 |
ja |
88 |
33,98 |
(keine/geringe) Vorstrafen |
||
nein |
222 |
85,71 |
ja |
37 |
14,29 |
Tatumstände |
||
nein |
142 |
54,83 |
ja |
117 |
45,17 |
Person |
||
nein |
209 |
80,69 |
ja |
50 |
19,31 |
Insgesamt n = 259 Verurteilungen
© 2024 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
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- Vorurteilsmotivierte Gewaltkriminalität vor Gericht – Eine empirische Analyse der Strafzumessung für Nordrhein-Westfalen 2012 bis 2019
- Strafschnelligkeit – die in der empirischen Forschung vernachlässigte Dimension der negativen Generalprävention Bisherige Evidenzen und neue Befunde
- Künstliche Intelligenz im Strafvollzug: Zulässigkeit, Bedarf und Ethik multimodaler Überwachung im Kontext der österreichischen Justiz
- »Klar kam mir das ein bisschen komisch vor!« – Eine explorative Studie zum Irritationspotenzial tänzerischen Kampfkunsttrainings mit männlichen Gefängnisinsassen
- Forum
- Zugänge zu § 153a Abs. 1 StPO und ihre Wechselwirkung mit Bedingungen von Akzeptanz
- Bericht
- Jahrestreffen des »Kriminologischen Forums Bayern«, zuletzt am 15. und 16.3.2024
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