Vom ‚Irrweg‘ zum ‚Erbe‘
-
Arnd Bauerkämper
Zusammenfassung
Die Aufwertung der Geschichte Preußens in der DDR in der Debatte über ‚Erbe und Tradition‘ überraschte in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren viele Beobachterinnen und Beobachter. Demgegenüber wird in diesem Aufsatz argumentiert, dass schon zuvor einige differenzierende Deutungen in der ostdeutschen Geschichtsschreibung entwickelt worden waren. Zwar hatte lange eine Abgrenzung von der preußischen Geschichte vorgeherrscht: Jedoch war sie trotz der Auflösung Preußens durch den Alliierten Kontrollrat 1947 als Bezugsgröße durchweg präsent geblieben, sowohl in der Politik der KPD beziehungsweise SED als auch in der DDR-Geschichtsschreibung und in den gelenkten Medien. Allerdings hatten die wechselnden herrschaftspolitischen Ziele der Partei- und Staatsführung einen Wandel der Interpretationen herbeigeführt, die zudem grenzüberschreitenden Einflüssen unterlagen. Dazu werden in dem Beitrag besonders die Auswirkungen der ‚Preußen-Welle‘ in der Bundesrepublik und die Vorbehalte gegen die Aufwertung Preußens in Polen dargelegt.
Abstract
Many observers were taken by surprise by the seemingly sudden and positive revaluation of Prussian history in the GDR’s new official narrative of ‚heritage and tradition‘ during the late 1970s and early 1980s. As this article argues, however, some nuanced interpretations had already emerged in East German historiography in the preceding decades. Even though negative and depreciatory views of Prussia had long prevailed, its state, which had been dissolved by the Allied Control Council in 1947, continued to serve as an important point of reference for the GDR, whether in the ruling Socialist Unity Party’s policies, in East German historiography or in the tightly controlled media. Yet interpretations changed according to the varying political aims of East Germany’s rulers. Moreover, cross-border influences were notable. In particular, the resurgence of Prussian history in the Federal Republic of Germany and the reservations that Polish historians voiced against positive depictions of Prussia had to be considered in the GDR.
***
Schon bevor am 15. August 1981 in West-Berlin die Ausstellung ‚Preußen – Versuch einer Bilanz‘ eröffnet wurde, war in der westdeutschen Öffentlichkeit eine lebhafte und kontroverse Debatte geführt worden, in der glorifizierende Deutungen des 1947 aufgelösten Staates nur einen geringen Einfluss gewonnen hatten. Aber auch pauschal negative Bewertungen nahmen nur einen geringen Stellenwert ein. Demgegenüber hoben viele Diskussionsbeiträge die Ambivalenz oder sogar Widersprüchlichkeit Preußens – so die Spannung zwischen Militarismus und Aufklärung – hervor. Im Zentrum der Auseinandersetzung standen die preußische Geschichte und ihre Bedeutung in den frühen 1980er-Jahren, während der Umgang mit ihr seit dem Zweiten Weltkrieg kaum behandelt wurde. Auch in der Ausstellung selber, die bis zum 15. November 1981 im Martin-Gropius-Bau direkt an der Berliner Mauer gezeigt wurde, deuteten allein die Exponate und Schautafeln im letzten (kleinen) Raum das Erbe Preußens im Titel an: ‚Der Staat Preußen ist aufgelöst. Warum noch fragen?‘[1]
1981 ging man in der Bundesrepublik überwiegend davon aus, dass Preußen entweder bei der Gründung des Deutschen Reiches 1871 oder mit dem Sturz der Hohenzollern-Monarchie 1918 schon deutlich an Macht eingebüßt hatte. Die Absetzung der letzten preußischen Regierung durch Reichskanzler Franz von Papen am 20. Juli 1932 (‚Preußen-Schlag‘), das Scheitern des Attentats konservativer Offiziere auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 und das Ende des ‚Dritten Reiches‘ hätten den preußischen Staat noch weiter geschwächt. Der Publizist und Schriftsteller Sebastian Haffner bezeichnete sogar die gesamte Geschichte Preußens von 1871 und 1945 als „Abgesang“.[2] Aus dieser Sicht besiegelte das Kontrollratsgesetz Nummer 46 vom 25. Februar 1947, mit dem Preußen aufgelöst wurde, lediglich das Ende des Staates. Die Historiografie ist dieser Deutung weitgehend gefolgt.[3]
Dennoch fragte der Regierende Bürgermeister Dietrich Stobbe (1938–2011), der die Ausstellung im Juni 1977 angeregt hatte, 1981 in seinem Beitrag über die ‚Aktualität Preußens‘ im Katalog zur ‚Preußen-Ausstellung‘: Müssen wir nicht erkennen, dass nicht nur die Spaltung Deutschlands, sondern auch ihre andauernde Unüberwindbarkeit mit dem Fortwirken der europäischen Erfahrung zusammenhängt? In Berlin sind, mehr als anderswo, die Spuren Preußens im Negativen wie im Positiven sinnlich erfahrbar. Dies schien sich abzuheben von einer langen Periode des Schweigens über Preußens.[4] Auch andere Vertreter des öffentlichen Lebens plädierten um 1980 für eine nüchterne und abgewogene Auseinandersetzung mit Preußen. So sagte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Werner Knopp, voraus: Wenn die ‚Preußen-Welle‘ sich verläuft […], mag sie vieles zurücklassen: ein aufgefülltes Geschichtsbewußtsein ebenso wie eine abgeklärtere Bewertung Preußens, vielleicht sogar hier und da eine Besinnung auf den Wert preußischer Staatstugenden auch in einer Demokratie. Was mit Sicherheit nicht zu erwarten steht, ist eine Rückwendung der Deutschen zu preußischem Staats- und Weltverständnis.[5]
Er widersprach damit den Warnungen, mit denen einige Geschichtswissenschaftler auf das neue Interesse an Preußen reagierten. Vor allem der Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler kritisierte die ‚Preußen-Renaissance‘, von der in der Publizistik die Rede war. Verunsichert angesichts der ‚Welle‘, schrieben Wehler und sein Kollege Hans-Jürgen Puhle im Vorwort des von ihnen herausgegebenen Bandes ‚Preußen im Rückblick‘: Das Thema ‚Preußen‘ hat in den letzten Jahren wieder eine eigentümliche Publizität gewonnen. Die Beiträge zu ihrer Publikation sollten 1980 deshalb vor allem eine nostalgische Verklärung von Preußens Gloria verhindern.[6] Ähnlich erkannte auch der Politikwissenschaftler Martin Greiffenhagen 1981 wenig weiterführende Hinweise in einer Betrachtung der preußischen Geschichte: Wenn immer es Sinn ergibt, sich Preußen-Deutschland zu erinnern, dann vor allem als Warnung, nicht als Wegweisung.[7]
In diesem westdeutschen Diskurs wurde die geschichtspolitische Aneignung Preußens durch das SED-Regime in der DDR zwar durchaus beachtet, aber nur von wenigen Experten.[8] Auch ist erst im Rückblick hervorgetreten, dass die Debatte über die Geschichte Preußens im ostdeutschen Staat – ebenso wie in der Bundesrepublik – durchweg das Verhältnis zur Nation betraf.[9] In diesem Aufsatz werden die Entwicklung und Grundzüge offizieller Deutungen in der DDR dargelegt und erklärt. Dabei sollen auch die grenzüberschreitenden Einflüsse und Auswirkungen akzentuiert werden. So war der ostdeutsche Staat eine Bezugsgröße in der westdeutschen ‚Preußen-Welle‘, auf die wiederum die SED-Führung reagierte. Zudem ist in der Geschichtsschreibung argumentiert worden, dass in der Sowjetischen Besatzungszone und DDR zwar lange eine Abgrenzung von der preußischen Geschichte vorgeherrscht habe. Von einer generellen Tabuisierung könne aber keineswegs gesprochen werden. Rekurse auf Preußen im Zuge der Debatte über ‚Erbe und Tradition‘ seit Mitte der 1970er-Jahre waren deshalb keineswegs so überraschend, wie sie viele zeitgenössische Beobachter – vor allem im Westen – wahrnahmen. Allerdings durchlief die inhaltliche Aufladung einen Wandel, der sich weitgehend, aber keineswegs ausschließlich aus den herrschaftspolitischen Zielen der ostdeutschen Partei- und Staatsführung ergab.[10]
Diese Entwicklung wird in den folgenden Abschnitten untersucht. Dabei skizziert die Darstellung zunächst die Ausgangslage in der SBZ und frühen DDR. Anschließend werden die neuen Legitimationsbedürfnisse der SED-Führung und die Wandlungsprozesse in der ostdeutschen Geschichtswissenschaft in den 1970er-Jahren erläutert. Die darauffolgende Darstellung soll den Nexus zwischen der ‚Preußen-Renaissance‘ einerseits sowie der Aufwertung von ‚Heimat‘ und einer – offiziell marxistisch verstandenen – Regionalgeschichte andererseits zeigen. In einem weiteren Abschnitt werden transnationale Einflüsse behandelt. Dabei treten in vergleichs- und verflechtungsgeschichtlicher Perspektive besonders das Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten im Kalten Krieg und die Irritationen hervor, welche die offizielle Aufnahme Preußens in das ‚Erbe‘ der DDR in Osteuropa – besonders Polen – in den 1980er-Jahren auslösten. Der Aufsatz schließt mit einer zusammenfassenden Einordnung und Bewertung der ‚Preußen-Renaissance‘ in der DDR. Er konzentriert sich auf die ostdeutsche Historiografie, bezieht aber geschichtskulturelle Aktivitäten nicht-professioneller Akteure ein.[11]
1 ‚Misere‘ und ‚zwei Linien‘: Deutungen der preußischen Geschichte in der SBZ und frühen DDR
Anfang 1945 bestand zwischen den Alliierten zwar ein genereller Konsens über die verhängnisvolle Rolle Preußens in der Geschichte Deutschland. Im Gegensatz zur Politik der britischen Regierung, die auf eine föderale Struktur des besiegten Landes drängte, bemühte sich Stalin jedoch, ‚Preußen‘ als Hebel für sein Konzept eines deutschen Zentralstaates zu funktionalisieren. Das Potsdamer Kommuniqué vom 2. August 1945, das besonders mit den Forderungen nach Dezentralisierung und Entmilitarisierung gegen den preußischen Staat gerichtet war, erteilte diesem Plan eine Absage. Die Auflösung Preußens mit dem Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrates vom 25. Februar 1947 vollendete diesen Prozess.[12]
In den ersten Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs herrschte in der SBZ und in der frühen DDR im Allgemeinen eine scharfe Abgrenzung vom preußischen Staat vor, der aus der Sicht der sowjetischen Besatzungsmacht und der KPD/SED verhängnisvolle Traditionen und Belastungen der deutschen Geschichte repräsentierte. Dabei griff die Parteiführung nicht nur auf Karl Marx und Friedrich Engels zurück, sondern auch auf die Schriften des linkssozialistischen Politikers und Journalisten Franz Mehring.[13] Vor allem der Schriftsteller und Kulturfunktionär Alexander Abusch begründete mit seinem im Exil in Mexiko verfassten Buch ‚Der Irrweg einer Nation‘ (1945) eine ‚Misere-Konzeption‘, die eine direkte Kontinuität zwischen Preußen und dem ‚Dritten Reich‘ konstruierte. Nachdem bereits die Reformation und das Scheitern der Bauernaufstände von 1524/25 die Macht der Fürsten gestärkt und den Einfluss des universalistischen Humanismus geschwächt hätten, sei der ‚Irrweg‘ mit dem ‚Preußentum‘ fortgesetzt worden. Diese Fehlentwicklung habe nach den revolutionären und Napoleonischen Kriegen (1792–1815) eine wirtschaftliche Modernisierung verhindert, die Freiheitsbewegung unterdrückt und den Ruf nach einer Einheit Deutschlands erstickt. Dies verurteilte Abusch als antideutsche Haltung einer reaktionären Vormacht.[14] Der Schriftsteller Ernst Niekisch stellte im Hinblick auf Preußen sogar eine Deutsche Daseinsverfehlung fest.[15]
Nach 1945 propagierten und rechtfertigten die Sowjetische Militäradministration in Deutschland und die KPD-Führung deshalb einschneidende Eingriffe wie Enteignungen (so im Zuge der Bodenreform seit September 1945 und in der Industrie nach dem Volksentscheid in Sachsen vom 30. Juni 1946) als notwendige Maßnahmen, die als Ausdruck des ‚Antifaschismus‘ nicht nur Kriegsverbrecher und führende Nationalsozialisten, sondern auch private adlige und bürgerliche Eigentümer entmachten sollten. Mit der Beseitigung der offiziell dämonisierten ‚Großbourgeoisie‘ und ‚Junker‘ musste nach der offiziellen Deutung eine jahrhundertelange Fehlentwicklung in der preußisch-deutschen Geschichte korrigiert werden. Daneben wurde die Bodenreform – auch in den darauffolgenden Jahrzehnten bis 1989 – unter der Devise ‚Die Enkel fechten’s besser aus‘ als Vollendung des Kampfes der Bauern legitimiert, die sich 1525 unter Führung des Pfarrers und radikalen Reformators Thomas Müntzer in Mühlhausen gegen die Feudalherren erhoben hatten, aber von einem Fürstenherr geschlagen worden waren. Allerdings traf diese Kontinuitätskonstruktion auf dem Land durchaus auf Vorbehalte oder sogar Widerstand. So nutzten konservative Pastoren Luthers Vorbehalte gegen Müntzer, um sich gegen die Bodenreform zu wenden.[16]
In den 1950er-Jahren bemühten sich die Ost-Berliner Machthaber, die Fixierung auf eine negative Interpretation der deutschen Geschichte in der ‚Misere-Konzeption‘ zu überwinden. Nach der Gründung der DDR (7. Oktober 1949), vor allem aber im Anschluss an die Ablehnung der Stalin-Noten durch die westlichen Staaten und den daraus resultierenden Beschlüssen der 2. Parteikonferenz zum ‚Aufbau des Sozialismus‘ (9.–12. Juli 1952) wurde aus offizieller Sicht ein Rekurs auf eine positiv gefasste Tradition notwendig, so in dem seit 1951/52 vorbereiteten ‚Hochschullehrbuch der deutschen Geschichte‘. Damit sollten die in den späten 1940er-Jahren etablierte kommunistische Diktatur und die DDR mit ihrem gesamtdeutschen Anspruch legitimiert und gefestigt werden. Im Rahmen einer Politik, die am Ziel der deutschen Einheit – unter staatssozialistischen Vorzeichen – festhielt, behaupteten die führenden Ideologen und Geschichtsfunktionäre der SED, dass ein Kampf zwischen ‚reaktionären‘ und ‚progressiven‘ Kräften die neuere deutsche Geschichte Deutschlands gekennzeichnet habe. Mit dem Konzept der ‚zwei Linien‘ rückte offiziell erneut die Doktrin des ‚Klassenkampfes‘ in den Vordergrund einer Geschichtspolitik, die schon auf dem III. Parteitag (20.–22. Juli 1950) festgelegt worden war. Zwar waren Ansätze einer differenzierenden Deutung der Geschichte Preußens unübersehbar; die Interpretation blieb insgesamt aber negativ, nicht nur wegen des Primats der Herrschaftslegitimation, sondern auch um das außenpolitische Verhältnis zu den Nachbarländern in Ostmitteleuropa zu verbessern, besonders die Beziehungen mit Polen, dessen neue Westgrenze die SED-Führung im Görlitzer Vertrag vom 6. Juli 1950 anerkannt hatte.[17]
Ostdeutsche Historikerinnen und Historiker griffen diese Neuorientierung auf und nutzten sie für eigene Interessen, so zur Stabilisierung ihrer Profession. Dabei waren sie allerdings grundsätzlich an das deterministische und teleologische Geschichtsverständnis des Marxismus-Leninismus gebunden. Auch wenn in der DDR-Historiografie wissenschaftliche Kriterien keineswegs völlig aufgegeben wurden, ersetzte ‚Parteilichkeit‘ das Leitbild der Objektivität. Damit verknüpft, leiteten sich Interpretationen aus den jeweiligen politischen Zielen und Bedürfnissen der Gegenwart ab. Geschichtspolitik, Historiografie und Populärkultur waren deshalb in der DDR eng miteinander verbunden. Nicht zuletzt lag Deutungen der Geschichte ein manichäisches Weltbild zugrunde, das scharf zwischen ‚Freunden‘ und ‚Feinden‘ des Staatssozialismus unterschied.[18]
In den 1950er-Jahren wurde nicht nur Müntzer dem als ‚Verräter‘ stigmatisierten Wittenberger Reformator Martin Luther gegenübergestellt, sondern es vollzog sich besonders eine Aufwertung der preußischen Reformen des frühen 19. Jahrhunderts und der Befreiungskriege. Damit ging auch eine positivere Interpretation der Generäle einher, die nach dem Abschluss des Bündnisses mit Russland (März 1813) zusammen mit Truppen des Zarenreiches gegen Napoleons Frankreich gekämpft hatten.[19] Ebenso wurde die Wirtschaftspolitik Friedrichs II. – so die Gründung von Manufakturen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts – in der DDR durchaus gewürdigt, allerdings in der Geschichtswissenschaft deutlich früher und prononcierter als in Schullehrwerken.[20]
Die neue Ambivalenz zeigte sich auch im Umgang mit dem architektonischen Erbe Preußens. Zwar wurden 1950 Symbole preußischer Geschichte wie das Reiterstandbild Friedrichs des Großen, das der Bildhauer Christian Daniel Rauch von 1839 bis 1851 geschaffen hatte, in der Straße Unter den Linden demontiert und das Berliner Königsschloss gesprengt. Zudem ließ die SED-Führung in Potsdam 1959/60 das Stadtschloss und 1968 die Garnisonkirche abreißen. Beide Gebäude hatte ein Angriff der britischen Luftwaffe am 14. April 1945 schwer beschädigt. Jedoch waren für die Beseitigung der architektonischen Überreste Preußens außer politisch-ideologischen Zielen auch pragmatische Erwägungen maßgeblich. So sollte die weitgehend zerstörte Mitte der beiden Städte neugestaltet werden. Zudem wurden andere Bauten keineswegs beseitigt, sondern umgewidmet. So nahm das alte ‚Zeughaus‘ 1953 das im vorangegangenen Jahr gegründete Museum für Deutsche Geschichte auf, und die ‚Neue Wache‘ diente von 1960 bis 1990 als Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus.[21]
2 Neuorientierung in den 1970er- und 1980er-Jahren: politische Legitimität und historische Traditionskonstruktion
Die ‚Preußen-Renaissance‘ in der DDR war integraler Bestandteil der Bemühungen von SED-Funktionären, ihre Herrschaft zu rechtfertigen, als sich der ‚Antifaschismus‘ in Generationenwechsel erschöpfte. In den späten 1970er-Jahren traten auch die Modernisierungsansprüche, welche die SED-Herrschaft zuvor legitimieren sollten, zusehends zurück, denn das Ziel, die Bundesrepublik und andere westliche Staaten in wirtschaftlicher Hinsicht zu überholen, war offenkundig gescheitert. Damit musste eine neue Legitimationsideologie geschaffen und verbreitet werden. Angesichts der sozialen Verwerfungen, welche seit 1973 besonders die zunehmende Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik und in vielen anderen westlichen Ländern herbeiführte, schien dafür das Versprechen geeignet, die soziale Sicherheit zu stärken und zu erweitern. Schon unmittelbar nach der Entmachtung Walter Ulbrichts leitete der neue Erste Sekretär der SED, Erich Honecker, den Kurswechsel ein. Auf ihrem VIII. Parteitag beschloss die Staatspartei im Juni 1971 dazu die ‚Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik‘. Jedoch wurde bereits am Ende des Jahrzehnts deutlich, dass die sozialpolitischen Leistungen kaum noch finanzierbar waren. Zugleich bürdeten sich die Machthaber der DDR mit dem Beschluss, eine (von der Bundesrepublik klar getrennte) ‚sozialistische Nation‘ zu bilden, einen beträchtlichen Erwartungs- und Rechtfertigungsdruck auf.[22]
Vor diesem Hintergrund avancierten Deutungen der Geschichte zu einer noch wichtigeren Legitimationsressource als schon zuvor. Der Entwicklung in der Bundesrepublik grundsätzlich ähnlich, lösten historische Traditionskonstruktionen die lange vorherrschende Fortschrittseuphorie ab. Der Verlust des Zukunftsoptimismus, der sich in den 1960er-Jahren in der Hoffnung auf die Steuerbarkeit sozioökonomischer Prozesse im Zuge der Kybernetik-Bewegung niedergeschlagen hatte, forderte die Führung in der DDR noch massiver heraus als die westlichen Demokratien. Schließlich war eine bessere Zukunft nicht nur ein zentrales Versprechen in der kommunistischen Ideologie, sondern sie hatte nach dem Zweiten Weltkrieg auch Hoffnung auf den Wiederaufbau Ostdeutschlands vermittelt. In den späten 1970er-Jahren musste sich das SED-Regime demgegenüber auf einen Wandel der Zeitwahrnehmung auf Kosten der Zukunft einstellen. Es bleibt allerdings noch zu untersuchen, ob und inwiefern mit der Transformation des Historizitätsregimes zugunsten der Vergangenheit auch in der DDR eine ‚Nostalgie‘ einherging, wie sie in der Bundesrepublik beobachtet wurde.[23]
Allgemein aber traten historische Rekurse, die durchweg auf die jeweilige Gegenwart orientiert waren, im ostdeutschen Staat deutlicher hervor. Um zumindest den Status quo und das Selbstverständnis als ‚sozialistische Nation‘ zu rechtfertigen und zu sichern, unterschied die SED-Führung ab Mitte der 1970er-Jahre zwischen einer ‚Tradition‘ als direkter Referenzgröße (vor allem die Arbeiterbewegung, Revolutionen und der Aufstieg der Kommunistischen Partei als direkter Vorgeschichte der DDR) und einem ‚Erbe‘. Letzteres sollte zwar nicht aktiv gepflegt und angeeignet, aber durchaus in das Geschichtsbild integriert werden. Diese Neuorientierung zielte darauf, dem ostdeutschen Staat angesichts der drohenden wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Westen, der 1980 entstandenen ‚Solidarność-Bewegung‘ in Polen und der Reformpolitik Michail Gorbatschows (ab 1986) eine eigene Identität zu verleihen und die DDR damit zu stabilisieren. Dabei schien die Geschichte Preußens besonders den Anspruch des SED-Regimes auf die deutsche Nation zu belegen. Dies widersprach aber dem offiziellen Bekenntnis zur Zweistaatlichkeit Deutschlands. Im Verlauf der 1980er-Jahre nahmen diese ideologisch-politischen Widersprüche und Aporien zu. Letztlich „war auch das Erbe-Tradition-Schema geprägt von einer dogmatischen Geschichtsauffassung“, denn die Trennung zwischen den beiden leitenden Begriffen konnte nicht wissenschaftlich entschieden, sondern nur politisch festgelegt werden.[24]
Die politische Legitimationsfunktion, welche die Aneignung der Geschichte Preußens als ‚Erbe‘ erfüllen sollte, war eng verwoben mit Erneuerungsimpulsen in der ostdeutschen Geschichtswissenschaft. Diese hatten eingesetzt, bevor das ‚Erbe‘ ab 1979 explizit von der ‚Tradition‘ abgegrenzt wurde. Nur aus externer Perspektive erschien die Neubewertung Preußens deshalb als ein abrupter Kurswechsel, der auch eine positivere Deutung einzelner Personen wie Luther, traditionaler Eliten wie der Gutsbesitzer und konservativer politischer Gruppen – beispielsweise des Widerstandes von Adligen im ‚Dritten Reich‘ – ermöglichte. Vor diesem Hintergrund wurde Preußen nach dem IX. Parteitag der SED (18.–22. Mai 1976) und dem VI. Historikerkongress der DDR (6.–9. Dezember 1977) in deutlich hellerem Licht gezeichnet als zuvor. Der Umbruch, der offiziell (so vom Präsidenten der Historiker-Gesellschaft, Joachim Streisand) mit dem in der DDR erreichten sozialen Fortschritt gerechtfertigt wurde, schlug sich von 1978 bis 1985 in viel beachteten Publikationen nieder. So kritisierte Ingrid Mittenzwei in einem Artikel, der im Oktober 1978 im Leitorgan der Freien Deutschen Jugend (dem ‚Forum‘) erschien, die offizielle Interpretation Preußens als ‚reaktionär‘ und Belastung in der deutschen Geschichte. Westdeutsche Journalisten erklärten diese Stellungnahme zu einer Sensation.[25] Auch die vom Institut für Marxismus-Leninismus (IML) beim Zentralkomitee der DDR koordinierte ‚Deutsche Geschichte‘, von der bis zum Abbruch der Arbeit 1989 sechs Bände erschienen, unterschied zwischen ‚Erbe‘ und ‚Tradition‘.[26]
Diese Differenzierung, die der Historiografie neue Impulse verlieh, ging nicht mehr vorrangig von der historischen Sektion der Universität Halle als ‚Leitinstitut‘ aus, in dem Hans Hübner um 1970 Arbeiten zur Geschichte Preußens initiiert hatte. Vielmehr wurden das IML, die Parteihochschule ‚Karl Marx‘, aber auch das 1956 gegründete Institut für deutsche Geschichte an der ‚Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin‘ (AdW) Zentren der Neuorientierung. Jedoch hatten auch hier Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen schon in den frühen 1960er-Jahren Forschungsarbeiten aufgenommen, die einer differenzierenden Interpretation der Geschichte Preußens den Weg bereiteten, sodass Siegfried Lokatis schon 1995 fragte, ob man „möglicherweise den Beginn der Preußen-Renaissance in der DDR […] vordatieren“ sollte.[27] Stellungnahmen ostdeutscher Historiker, die einen abrupten Bruch in der Deutung der preußischen Geschichte leugneten, sind zumindest nicht völlig aus der Luft gegriffen.[28]
Tatsächlich war der Begriff ‚Erbe‘ in der DDR schon seit den 1950er-Jahren gebraucht, aber noch nicht klar von ‚Tradition‘ unterschieden worden. Dagegen erschienen in Parteiorganen wie der (1946 gegründeten) theoretischen Zeitschrift der SED, ‚Einheit‘, aber auch in Leitorganen der Historiografie wie der ‚Zeitschrift für Geschichtswissenschaft‘ (seit 1953) vor allem ab 1978 Artikel, in denen eine entschiedenere Öffnung gegenüber dem preußischen ‚Erbe‘ angemahnt wurde. Dabei waren die – in Konfliktfällen letztlich dominanten – Vorgaben ‚von oben‘ mit Erneuerungsimpulsen ‚von unten‘ verwoben. Historiker und Historikerinnen wie Horst Bartel, Ingrid Mittenzwei und Walter Schmidt, die 1979 in der ‚Einheit‘ einen wegweisenden Beitrag publizierten, identifizierten eine Dialektik zweier Klassenlinien und forderten, die architektonischen Überreste Preußens zu erhalten. Sie griffen damit – wie erwähnt – Überlegungen auf, die schon ab 1952/53 entwickelt worden waren. Außerdem betonten sie, dass nicht nur die Arbeiter, sondern auch Ausbeuterklassen in der Geschichte fortschrittlich gewirkt hätten, wenngleich im Rahmen von Reformen und oft gegen ihre Intentionen. Zudem hoben sie den Stellenwert von Revolutionen ‚von oben‘ hervor, um ‚Preußen‘ für die staatssozialistische Diktatur und die autoritären Traditionen in der DDR zu vereinnahmen. In seinem Grundsatzreferat zu einer Tagung im November 1980 und in einem 1981 veröffentlichten Aufsatz forderte Bartel eine Auseinandersetzung mit dem gesamten ‚Erbe‘ der deutschen Geschichte, auch wenn als ‚Traditionen‘ nur ‚progressive‘ Entwicklungen gelten sollten, auf denen der ostdeutsche Staat beruhte. Diese Neuorientierung störten jedoch Studien über eine gesellschaftliche Militarisierung in Preußen, da sie die offizielle Politik der Sozialdisziplinierung in der DDR in Frage stellten.[29]
Einzelne Studien zeigten die Aneignung Preußens im ostdeutschen Staat besonders deutlich. So identifizierte Ingrid Mittenzwei in ihrer 1979 veröffentlichten, Aufsehen erregenden Biografie Friedrichs des Großen eine „progressive Wirkung“ des Monarchen, dessen Reiterstandbild im Frühjahr 1981 wieder in Berliner Unter den Linden aufgestellt wurde.[30] Diesen Schritt rechtfertigte sogar Honecker, der den Preußenkönig als ‚den Großen‘ würdigte, ausdrücklich mit dem Hinweis auf die Verwurzelung des preußischen Herrschers in der Volkskultur. Zugleich stellte aber auch er einen grundlegenden Wandel der Interpretation preußischer Geschichte in der DDR in Abrede. Ähnlich äußerte sich der Leiter der Ideologischen Kommission des Politbüros und damit Chefideologe der SED, Kurt Hager, der auch in der Wiederaufstellung des Reiterstandbildes kein politisches Signal erkennen wollte.[31] Indem die Geschichtsschreibung in der DDR das Wirken ‚großer Männer‘ aufwertete, nahm sie letztlich den überkommenen Historismus auf, den die marxistische Tradition zu überwinden suchte. Auch in dieser Hinsicht war die ‚Preußen-Renaissance‘ letztlich widersprüchlich.[32]
Sogar Otto von Bismarcks Politik wurde nun abgewogener beurteilt. Der Direktor des Instituts für deutsche Geschichte an der AdW und Präsident des Nationalkomitees der Historiker in der DDR, Ernst Engelberg, betrachtete den preußischen Ministerpräsidenten in seiner 1985 veröffentlichten und auch in der Bundesrepublik gelobten Biografie zwar als Repräsentanten der herrschenden konservativen Eliten Preußens, würdigte aber seine Rolle bei der Reichsgründung.[33] Überrascht bemerkte Hans Adolf Schmitt in seiner Rezension: […] this book indicates that the Marxism of the German Democratic Republic has begun to wave the German flag quite as much as the red banner.[34]
Diese Einschätzung war allerdings übertrieben, obgleich auch andere Historiker und Historikerinnen wie der Direktor des Zentralinstituts für Geschichte der AdW (1984–1990), Walter Schmidt, Bismarcks Politik in den 1860er-Jahren als ‚Revolution von oben‘ deutete. Diese Interpretation erhob die Reichsgründung von 1870/71 letztlich zu einem Vermächtnis der Revolution von 1848/49, obgleich Bismarck diese Volkserhebung entschieden abgelehnt hatte.[35] Jedoch beruhte die Überraschung über die ‚Preußen-Renaissance‘ in den westlichen Ländern letztlich auf Unkenntnis oder einer einseitigen Wahrnehmung, denn der Umbruch war in den vorangegangenen Jahren vorbereitet worden. Wie angedeutet, rekurrierte die Unterscheidung zwischen ‚Erbe‘ und ‚Tradition‘ zumindest partiell auf das Konzept der ‚zwei Linien‘. Auch waren einzelne Interpretationen, die 1978/79 sensationell schienen, bereits zuvor vertreten worden. So galt die Reichsgründung von 1871 offiziell – in Anlehnung an Lenins Konzept der ‚Revolution von oben‘ – schon seit den späten 1950er-Jahren als Errungenschaft, wie besonders Engelberg wiederholt argumentiert hatte. Damit sollte beispielsweise zum 100. Jahrestag der Reichsgründung 1971 dem Anspruch der Bundesregierungen auf die preußisch-deutsche Geschichte entgegengetreten werden. Entgegen dem marxistischen Geschichtsverständnis hob das Konzept der ‚Revolution von oben‘ die Rolle des Staates hervor. Außerdem hatten Historiker und Historikerinnen in der DDR schon früh kritisiert, dass Engelberg den Revolutionsbegriff überdehnt habe. Insgesamt war die Diskussion über ‚Erbe‘ und ‚Tradition‘ im Hinblick auf die Interpretationen der Geschichte Preußens damit nicht nur von Widersprüchen, sondern auch von Wandel und Kontinuität gekennzeichnet.[36]
Über die Historiker und Historikerinnen hinaus nahmen auch die gelenkten Medien in der DDR den Impuls zur Aufwertung Preußens auf. Besonders Ingrid Mittenzwei avancierte in den späten 1970er-Jahren zu einer bekannten Person des öffentlichen Lebens. So wurde sie im Dezember 1980 auf dem Titelbild des satirischen Magazins ‚Eulenspiegel‘ gezeigt. In der Zeichnung nahm sie die Position Friedrichs II. auf Rauchs Reiterstandbild ein. Auch parodierte der Dramatiker Claus Hammel die Historikerin in seiner 1981 uraufgeführten Komödie ‚Die Preußen kommen‘. Die zweite Auflage ihrer Biografie Friedrichs II. belief sich 1980 auf 43 000 Exemplare, nicht zuletzt wegen der beginnenden ‚Preußen-Welle‘ in der Bundesrepublik. Verflechtungen zwischen den beiden deutschen Staaten spiegelten ebenso die Vorträge und Lesungen Mittenzweis in der Bundesrepublik wider. Auch mit ihren Publikationen in westdeutschen Zeitschriften nutzte die ostdeutsche Historikerin die Diskussionen über Preußen in der Bundesrepublik und der DDR.[37]
Darüber hinaus stellten Filme in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren Persönlichkeiten der preußischen Geschichte in den Mittelpunkt. So porträtierte der im Dezember 1985 erstmals ausgestrahlte, sechsteilige Streifen ‚Sachsens Glanz und Preußens Gloria‘ Friedrich II. als widersprüchlichen, aber gegenüber dem sächsischen Kurfürsten und polnischen König August III. starken Herrscher.[38] Weitere Produktionen zeichneten auch einzelne Generäle als fortschriftliche Militärreformer. In den späten 1970er-Jahren wurde besonders Gerhard von Scharnhorst (1755–1813) gepriesen, den das SED-Regime schon in den späten 1950er- und frühen 1960er-Jahren genutzt hatte, um den Aufbau der Nationalen Volksarmee zu rechtfertigen. Scharnhorst ließ sich in der DDR zumindest vordergründig leicht politisch in Dienst nehmen, da er bäuerlicher Herkunft gewesen und schon im frühen 19. Jahrhundert als Gegner der Adelsherrschaft hervorgetreten war. Nach der Niederlage von Jena und Auerstedt (1806) hatte er führend zur Reform des preußischen Heeres beigetragen. Noch wichtiger war aus Sicht der Ost-Berliner Machthaber aber Scharnhorsts Rolle als energischer Befürworter des Militärbündnisses mit Russland 1813. Im Rahmen einer simplifizierenden politischen Traditionskonstruktion vereinnahmte ihn die SED-Führung, um die Allianz mit der Sowjetunion im Warschauer Pakt zu begründen.[39] Überhaupt eröffneten Rekurse auf die Befreiungskriege des frühen 19. Jahrhunderts offiziell positive Bezüge zu Russland beziehungsweise zur Sowjetunion. So wurde eine historische Kontinuität und politische Tradition von der Konvention von Tauroggen (30. Dezember 1812) bis zur Gründung des Nationalkomitees Freies Deutschland im Juli 1943 konstruiert. Damit konnte dem offiziellen ‚Antifaschismus‘ eine geschichtspolitische Grundlage verliehen werden.[40]
Neue Akzente setzte die ostdeutsche Historiografie auch in Darstellungen zur Herrschaft der Gutsbesitzer. Im Einzelnen zeigten empirische Forschungen (so von Hartmut Harnisch, Hans-Heinrich Müller und Rudolf Berthold), dass adlige und bürgerliche Gutsbesitzer keineswegs ausschließlich ‚reaktionär‘ agiert, sondern durchaus zur Modernisierung in der Landwirtschaft und zur Durchsetzung des Agrarkapitalismus beigetragen hatten. Sogar die Entwicklung vieler Rittergüter im 18. und 19. Jahrhundert galt nunmehr als ‚fortschrittlich‘. Außerdem wurden in den 1980er-Jahren sozial- und kulturgeschichtliche Forschungen zu ländlichen Lebensformen in Preußen vorangetrieben, besonders von Jan Peters und Lieselott Enders. Die daraus hervorgegangenen Publikationen enthielten nicht nur differenzierende Deutungen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung Preußens, sondern sie relativierten auch die vorherrschende Fixierung auf politikhistorische Fragestellungen.[41]
Damit verbunden, vollzog sich in den 1980er-Jahren außerdem eine Neubewertung von Prozessen, Ereignissen und Personen in der Zeitgeschichte Deutschlands. So rückten sowohl die Historiografie als auch die Publizistik in der DDR von der zuvor vorherrschenden Verurteilung des konservativen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus ab. Zwar kritisierten Historiker wie Kurt Finker weiterhin die Anpassung der preußischen Eliten im ‚Dritten Reich‘ und die aktive Unterstützung, mit der Adlige und Militärs die Diktatur der Nationalsozialisten ermöglicht und stabilisiert hatten. Jedoch erkannten sie nunmehr auch den Aufstand ‚progressiver‘ Konservativer gegen Hitler an. So betonte Finker 1985, daß die Verschwörung vom 20. Juli 1944 nicht einheitlich war, daß es in ihr auch eine Minderheit gab, die sich für Frieden und demokratische Erneuerung einsetzte, was Überwindung des reaktionären Preußentums einschloß. Diese Gruppe war es, die sich würdig einreiht in die fortschrittlichen Traditionen der deutschen und damit auch der preußischen Geschichte.[42]
Ebenso auffällig war die zunehmend affirmative Deutung Martin Luthers, dessen reformatorische Lehre und Politik auch gegenüber der lange einseitig verherrlichten revolutionären Bewegung Thomas Müntzers vor allem in den 1980er-Jahren in hellerem Licht erschien. Das SED-Regime instrumentalisierte Luther besonders für Deutungen und Ansprüche, die den weltgeschichtlichen Stellenwert der DDR zeigen sollten. Aber auch Jubiläen beeinflussten die Aneignungs- und Instrumentalisierungskonjunkturen. So wurde Luther erstmals bei der Feier zum 450. Jahrestag des Beginns der Reformation 1967 gegenüber Müntzer hervorgehoben. Noch deutlicher wurde die geschichtspolitische Aufwertung des Wittenberger Reformators 1983, als in der DDR mehrere Veranstaltungen zu seinem 500. Geburtstrag ausgerichtet wurden. Honecker selber hatte die Leitung des Festkomitees übernommen. Allerdings verwies Luther allenfalls indirekt auf die Geschichte Preußens.[43]
3 Die Suche nach Identität: Regionalgeschichte und ‚Heimat‘-Diskurs
Die ‚Preußen-Renaissance‘ in der DDR war mit der Aufwertung der Regionalgeschichte und einem Rekurs auf ‚Heimat‘ verbunden, der schon in der Mitte der 1970er-Jahre gefordert worden war. Die Wurzeln einer ‚marxistischen Regionalgeschichte‘ reichen sogar bis in die frühen 1960er-Jahre zurück. Ab 1978 beschleunigte sich aber die Neuorientierung, die zwar auf die Geschichts- und Identitätspolitik der SED-Führung zurückzuführen war, jedoch von örtlichen Aktivisten eigenwillig angeeignet wurde. Beide Konzepte waren eng mit der Neubewertung Preußens im Zuge der Differenzierung über ‚Erbe‘ und ‚Tradition‘ verknüpft; sie gingen aber darüber hinaus.
So forderte Kurt Hager die Historiker und Historikerinnen in der DDR 1980 auf, nicht nur die Geschichte Preußens, sondern auch die Wurzeln anderer Länder wie Sachsen, Thüringen und Mecklenburg verstärkt zu untersuchen. Daraufhin begann Karl Czok im folgenden Jahr an der Universität Leipzig, mit einer Gruppe von zehn Geschichtswissenschaftlern eine marxistische deutsche Regionalgeschichte auszuarbeiten. Im Mai 1981 nahm dazu am Zentralinstitut für Geschichte der AdW sogar eine Forschungsstelle ihre Arbeit auf. Diese Initiativen konzentrierten sich jedoch noch weitestgehend auf die Geschichte der Arbeiterbewegung, der KPD und SED. Außerdem war auch diese Neuorientierung keineswegs präzedenzlos, denn bereits in den Jahren von 1961 bis 1966 hatte sich die Deutsche Historiker-Gesellschaft (DHG) – darunter Czok selber – um eine ‚marxistische Regionalgeschichte‘ bemüht. In der DHG war im Juli 1961 sogar eine Arbeitsgemeinschaft ‚Heimat- und Landesgeschichte‘ gegründet worden.[44] Gegenüber der ‚bürgerlichen‘ Landesgeschichte westdeutscher Historiker und Historikerinnen, denen unterstellt wurde, die deutsche Nation für sich zu reklamieren, sollte Regionalgeschichtsschreibung in der DDR das Wechselverhältnis regionaler und nationaler Prozesse analysieren. Diese Initiativen, die sich 1965 auch in der Bildung einer Kommission für Regionalgeschichte in der DHG und der Gründung des ‚Jahrbuchs für Regionalgeschichte‘ niedergeschlagen hatten, waren aber nach dem kulturpolitischen ‚Kahlschlag‘ auf dem Plenum des ZK der SED (15.–18. Dezember 1965) versandet. Erst Ende der 1970er-Jahre wurden sie erneut systematisch aufgegriffen.[45]
Studien zu den ehemaligen Ländern konnten sich zwar auf überlieferte Bindungen stützen, welche die Bildung von 14 neuen Bezirken in der DDR 1952 keineswegs vollends beseitigt hatte. Allerdings sprachen diese Forschungen im ostdeutschen Staatssozialismus regionalen Entwicklungen eine Eigenwertigkeit ab. Vielmehr sollten diese Prozesse in den nationalhistorischen Deutungsrahmen integriert werden. Deshalb konnte die ‚marxistische Regionalgeschichte‘ die historische Analyse Preußens nicht einleuchtend in die DDR-Historiografie integrieren. Auch Analogien mit anderen ehemaligen Ländern wie Brandenburg führten nicht unmittelbar weiter, denn Preußen war in der neueren Geschichte zwar ein regionaler Raum, der aber unterschiedliche Provinzen aufgewiesen hatte. Dabei bildete Brandenburg seit der Mitte des 17. Jahrhunderts das ‚Kernland‘ Preußens als aufsteigende Großmacht, die aber auch europäische Bezüge aufwies.[46] Insgesamt unterschied sie sich hinsichtlich ihres nationalen und sogar supranationalen Stellenwertes von den Ländern, die 1945 in der SBZ gebildet worden waren. Insofern erwies sich die Abgrenzung von preußischer und brandenburgischer Geschichte als kompliziert, wie in der DDR noch in den 1980er-Jahren konstatiert werden musste. Letztlich ließen sich diese konzeptionellen Probleme einer ‚marxistischen Regionalgeschichte‘ Preußens nicht auflösen. Vielmehr ging der Rekurs auf ‚Preußen‘ auch im ostdeutschen Staat zumindest seit den späten siebziger Jahren oft mit Geschichtsnostalgie einher.[47]
Mit der Aufwertung einer ‚marxistischen Regionalgeschichte‘ verbunden, avancierte auch ‚Heimat‘ in den letzten zwei Jahrzehnten der DDR zu einem wichtigen Bezugspunkt der Geschichtspolitik, Historiografie und – noch umfassender – der historischen Populärkultur. So untersuchten regional- und lokalgeschichtliche Arbeiten Traditionen und ‚Lebensweisen‘. Dabei wurden soziale Gruppen und Schichten nicht mehr ausschließlich als Objekte der SED-Politik dargestellt. In herrschaftspolitischer Hinsicht sollte die Hinwendung zur ‚Heimatgeschichte‘ eine Kontinuität der Erfahrungswelt suggerieren und konstruieren, die gesellschaftliche Integration stärken, eine emotionale Bindung der ‚sozialistischen Bürger‘ an die DDR schaffen und damit dem SED-Regime eine feste Legitimationsgrundlage verleihen. Dieses Ziel wurde letztlich nicht erreicht. Vielmehr blieben die gesamtdeutschen Bezüge so stark, dass sie auch ostdeutsche Historiker und Historikerinnen 1990 und in den darauffolgenden Jahren aufnahmen.[48]
Darüber hinaus widersprachen lokale Aneignungen von ‚Heimat‘ in der DDR häufig politischen Vorgaben. So waren die Wettbewerbe ‚Das schöne sozialistische Dorf‘ und ‚Mach mit!‘ nicht vorranging auf das ‚Kollektiv‘ bezogen, sondern vorrangig auf die Interessen und Ziele lokaler Aktivisten und Bevölkerungsgruppen. Ebenso eigenwillig vollzog sich die Aneignung der offiziellen Politik durch die verschiedenen, vielerorts oppositionellen Umweltinitiativen, die in den 1980er-Jahren entstanden. Letztlich festigte die Rückbesinnung auf ‚Heimat‘ nicht – wie die Partei- und Staatsführung beabsichtigt hatte – die offiziell propagierten Traditionskonstruktionen zur Arbeiterbewegung und kommunistischen Politik, sondern sie verlieh lokalen Beharrungskräften und Netzwerken Auftrieb, oft gegen die offizielle Politik. Damit scheiterte ebenso die Absicht der SED-Führung, Heimatbewusstsein auf den ‚Realsozialismus‘ und die Bezirke zu beziehen, deren Grenzen 1952 neu festgelegt worden waren. Ebenso konnte die Orts- und Betriebsgeschichte, welche die Ost-Berliner Machthaber in den 1980er-Jahren förderten, die ihr zugewiesene identitätsstiftende Funktion allenfalls partiell erfüllen, obwohl sie eine Annäherung an volkskundliche Forschungen zum ‚Alltag‘ herbeiführte. Überdies lösten lokal- und regionalgeschichtliche Rekurse in der SED-Führung zunehmend Besorgnis über ‚reaktionäre‘ Orientierungen und Deutungen aus. Letztlich wirkten sie sich aus der Sicht der führenden Partei- und Staatsfunktionäre kontraproduktiv aus. Alles in allem war die Neuorientierung des historischen Bewusstseins zugunsten regionaler und lokaler Räume und Bezüge in den späten 1980er-Jahren zumindest aus Sicht der Ost-Berliner Machthaber gescheitert. Der Geschichtskultur verlieh sie aber durchaus Impulse, an die Vereine und Verbände in den neugebildeten Ländern nach der Wiedervereinigung Deutschlands in den 1990er-Jahren anknüpfen konnten, zumal in der Bundesrepublik grundsätzlich ähnliche Bestrebungen zur Heimatpflege gefördert worden waren.[49]
4 Die ‚Preußen-Renaissance‘ in transnationaler Perspektive: das deutsch-deutsche Konkurrenzverhältnis und Irritationen in Osteuropa
In vergleichs- und transfergeschichtlicher Perspektive ist der Stellenwert externer Anstöße für die ostdeutsche ‚Preußen-Renaissance‘ hervorzuheben. Diese waren nicht zuletzt der Konkurrenz mit der Bundesrepublik im Allgemeinen und der Vorbereitung der ‚Preußen-Ausstellung‘ in West-Berlin im Besonderen geschuldet. Demgegenüber übte die ‚Preußen-Renaissance‘ in der DDR auf den Westen nur geringen Einfluss auf, obwohl sie hier zumindest Experten genau beobachteten. Projektionen auf den ostdeutschen Staat führten aber zu einer Überschätzung der ‚Preußen-Renaissance‘. Umgekehrt löste eine wahrgenommene Aufwertung Preußens in den östlichen Nachbarländern der DDR erhebliche Besorgnis aus, besonders in Polen.
Wichtige Anstöße für die neue Diskussion über Preußen in der DDR in den späten 1970er- und 1980er-Jahren gingen zunächst von der westdeutschen Diskussion über die verstärkte Hinwendung zur Geschichte aus.[50] Dabei nahmen die Ausstellungen über die Staufer in Stuttgart (1977) und die Wittelsbacher in München (1980), aber auch die Vorbereitung der ‚Preußen-Ausstellung‘ im Gropiusbau einen wichtigen Stellenwert ein. Sie wurden in der DDR als Versuch interpretiert, durch intensive publizistische und vor allem auch massenwirksame museale Aufbereitung territorialgeschichtlicher Aspekte der deutschen Geschichte neue Möglichkeiten historischer Legitimierung der Bundesrepublik zu erschließen.[51] Dies entsprach auch den Wahrnehmungen vieler zeitgenössischer Beobachter und Beobachterinnen im westdeutschen Staat. Hier galt ebenso die Aufwertung des Denkmalschutzes in den späten 1970er-Jahren als Ausdruck eines gewachsenen Geschichtsbewusstseins. Unterschiedliche Wissenschaftler wie Hermann Lübbe und Jürgen Kocka warnten dabei vor einer ‚Nostalgie‘, bei der Verklärung an die Stelle von Aufklärung treten könnte. Auch die ‚Hitler-Welle‘, die mit Joachim Fests 1977 erschienenem Film ihren Höhepunkt erreichte, löste Besorgnis aus.[52]
Diese Auseinandersetzungen luden die Konkurrenz zwischen den beiden deutschen Staaten geschichtspolitisch auf, nicht zuletzt angesichts des bevorstehenden 750. Jahrestages der Gründung Berlins (1987). Der deutsch-deutsche Wahrnehmungs- und Bezugshorizont war 1981 offenkundig. In diesem Kontext beobachtete das ZK der SED aufmerksam die Diskussion über die ‚Preußen-Ausstellung‘, die Mitglieder des Führungsgremiums der Partei ebenso besuchten wie Angehörige des Instituts für Geschichte in der AdW. Die SED-Führung und auch einflussreiche Historiker und Historikerinnen behaupteten, dass die Ausstellung ein ‚reaktionäres‘ Geschichtsbild widerspiegele. Demgegenüber beanspruchten sie mit dem Konzept von ‚Tradition‘ und ‚Erbe‘ alle „fortschrittlichen“ Errungenschaften in der gesamten deutschen Geschichte.[53]
Umgekehrt traf die positivere Interpretation auch bislang verfemter oder tabuisierter Aspekte der preußischen Geschichte in den Werken ostdeutscher Historiker und Historikerinnen in der Bundesrepublik auf beträchtliche Aufmerksamkeit. Hier wurde die scheinbar abrupt vorgenommene Differenzierung zwischen ‚Tradition‘ und ‚Erbe‘ aufmerksam beobachtet, allerdings im Filter der Auseinandersetzung mit der DDR im Kalten Krieg, der sich nach dem NATO-‚Doppelbeschluss‘ und dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan Ende 1979 nochmals verschärfte. Einerseits überschätzten dabei westdeutsche Liberale, die weiterhin auf Entspannung hofften, den Wandel in der offiziellen Interpretation der preußischen Geschichte in der DDR.[54] Projektionen kennzeichneten aber andererseits auch den Blick konservativerer Akteure. So erkannte Werner Knopp im kommunistisch beherrschten deutschen Staat […] trotz aller anderslautenden Ideologie und Tradition preußische Züge […], die auch die vielen Sachsen in Führungspositionen nicht haben verdrängen können.[55] Einzelne Wissenschaftler wie Iring Fetscher bezeichneten den ostdeutschen Staat 1981 sogar als rotes Preußen, und der konservative Journalist Wolfgang Venohr betitelte noch acht Jahre später seinen Überblick über die DDR mit ‚Die roten Preußen‘.[56]
Beobachter in der Bundesrepublik erkannten in den 1980er-Jahren aber nicht nur die offenkundigen territorialen Überschneidungen und politischen Affinitäten zwischen Preußen und der DDR. Beide Staaten galten auch als ‚künstliche Gebilde‘, die ohne Rücksicht auf die Bevölkerung geschaffen worden waren.[57] Viele westdeutsche Kommentatoren betonten ebenso die zentrale Rolle Russlands beziehungsweise der Sowjetunion in der Geschichte Preußens und der DDR. Nicht zuletzt wurde die autoritäre Herrschaftsordnung, welche die Bevölkerung den Machthabenden unterwarf, als gemeinsames Merkmal hervorgehoben. Letztlich schienen Belastungen der deutschen Geschichte in der staatssozialistischen Diktatur fortzuleben. Diese Interpretation war unmittelbar anschlussfähig für das Paradigma des ‚Sonderwegs‘, das die westdeutsche Geschichtsschreibung in den 1970er- und 1980er-Jahren maßgeblich prägte.[58] So argumentierte ein wichtiger Vertreter des Konzepts, Jürgen Kocka, noch 1994, dass Traditionen, welche die Geschichte Preußen-Deutschlands belastet hätten, in der DDR konserviert worden seien.[59] Diese Interpretation wiesen ostdeutsche Historiker wie Gustav Seeber scharf zurück.[60]
Eine weitaus weniger wichtige Referenzgröße als die Bundesrepublik waren für ostdeutsche Politiker Historiker und Historikerinnen Polens, wo die Hinwendung zu differenzierteren Interpretationen preußischer Geschichte im Zuge ihrer Integration in das ‚Erbe‘ oft Besorgnis auslöste. Die polnische Historiografie hatte sich in den 1920er- und 1930er-Jahren von der Politik Preußens abgegrenzt, die als aggressiv und militaristisch gedeutet worden war. Diese Interpretation hatten schon abfällige Stellungnahmen von Abgeordneten in der Frankfurter Paulskirche zur polnischen Kultur 1848/49, die Unterdrückung der polnischen Minderheit im Kaiserreich und die Siedlungspolitik in den preußischen Provinzen Posen und Westpreußen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert verursacht. Auch nach 1945 waren im östlichen Nachbarland der DDR abgrenzende Interpretationen einflussreich, die zum Teil sogar eine Konfrontation zwischen ‚Preußen‘ und ‚Polen‘ vom Deutschen Orden bis zum Zweiten Weltkrieg konstruierten.[61]
Diese Frontstellungen belasteten nach 1945 über das Verhältnis Polens zur Bundesrepublik hinaus auch die Beziehungen zur DDR. Versicherungen ihrer ostdeutschen Kollegen, dass sie mit der Aufwertung Preußens keineswegs eine revisionistische Interpretation anstrebten, nahmen führende polnische Historiker in den 1980er-Jahren deshalb zurückhaltend auf, auch angesichts der scharfen Abgrenzung des SED-Regimes von der ‚Solidarność-Bewegung‘. Umgekehrt interpretierten die Ost-Berliner Machthaber Lechs Wałęsas Opposition gegen das kommunistische Regime als fundamentale Bedrohung ihrer Herrschaft, besonders nachdem Gorbatschow in der UdSSR weitreichende Reformen eingeleitet hatte. Vor allem die deutliche Aufwertung der preußisch-russischen Waffenbrüderschaft von 1813 bis 1815 in der DDR-Historiografie weckte Besorgnis, da sie sich auch gegen die Wiedererrichtung eines unabhängigen polnischen Staates gerichtet hatte. Einige polnische Beobachter rückten die ‚Preußen-Renaissance‘ in der DDR sogar in die Nähe der Ausstellung in West-Berlin. Ostdeutsche Historiker und Historikerinnen reagierten auf die Kritik, indem sie ihre Werke überarbeiteten. So revidierte Mittenzwei das Kapitel über die Teilungen Polens in ihrer Biografie Friedrichs II.[62]
5 Fazit: Ambivalenzen und Aporien der Neubewertung Preußens in der DDR
Die Deutungen der preußischen Geschichte im ostdeutschen Staat waren trotz der politischen Lenkung keineswegs einheitlich und statisch. Vielmehr folgten sie der opportunistischen Politik der ostdeutschen Staatspartei, deren Kurs im Einzelnen wechselte. Zudem gelang es Akteuren – darunter auch Historiker und Historikerinnen – wiederholt, Vorgaben zu verändern und für eigene Interessen zu nutzen. Vor allem traf dies auf die Aufwertung Preußens in der Geschichtswissenschaft und historischen Populärkultur seit den späten siebziger Jahren zu. Dieser Prozess war ambivalent und sogar widersprüchlich.
Auch deshalb ist er in der Geschichtsschreibung ab den 1990er-Jahren im Rückblick unterschiedlich bewertet worden. Während einige Historiker und Historikerinnen die ‚Preußen-Renaissance‘ als tiefen Einschnitt interpretiert haben, ist von anderen ein radikaler Wechsel bestritten worden. So hat der niederländische Historiker Jan Herman Brinks argumentiert, dass sich die Interpretationen der preußischen Geschichte um 1980 nicht grundlegend verändert hätten, sondern lediglich eine methodische Öffnung identifiziert werden könne, die mit einer breiteren Einbettung in die neuere Geschichte Deutschlands einhergegangen sei.[63] Ähnlich ist von Alexander Krauß und Peter Meyers hervorgehoben worden, dass die SED-Führung die Geschichte Preußens seit 1978 nicht grundsätzlich aufgewertet, sondern nur differenzierter interpretiert habe. Es habe sich damit eine inhaltliche und semantische Erweiterung vollzogen, die auch das ‚Erbe‘ erschloss.[64] Demgegenüber haben andere Historiker wie André Keil eine scharfe Zäsur in den späten 1970er-Jahren erkannt: „From late 1978, the official image of Prussia in the GDR was systematically revised and modified, first in the official SED publications and academic journals and later in the state controlled mass media.“[65]
Auch wenn das Verhältnis zwischen Kontinuität und Wandel präziser zu bestimmen bleibt, erscheint es inzwischen weiterführender, anhand der ‚Preußen-Renaissance‘ die Beziehungen zwischen ideologisch-politischen Vorgaben der SED-Führung einerseits und der historiografischen und geschichtskulturellen Praxis in der DDR andererseits zu rekonstruieren und zu analysieren. Dabei sollten die Ziele, Interessen und Logiken der Geschichtswissenschaftler und Parteifunktionäre nicht einfach gleichgesetzt werden, obgleich personelle, institutionelle und inhaltliche Überschneidungen ebenso deutlich sind wie die Wirkungsmacht geschichtspolitischer Vorgaben und der Zensur. Vielmehr ist davon auszugehen, dass an der Erforschung und Vermittlung beteiligte Akteure in unterschiedlichem Ausmaß und differenten Formen Spielräume für eigenwillige Interpretationen nutzten, die ihrem professionellen Selbstverständnis entsprachen und die Richtlinien der SED-Führung zumindest partiell und subkutan differenzierten oder unterliefen. Diese Prozesse sind hinsichtlich des Umgangs mit der Geschichte Preußens in der DDR aber noch im Einzelnen zu untersuchen.[66]
© 2025 the author(s), published by Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz.
Articles in the same Issue
- Titelseiten
- Aufsätze
- Charlotte Vincke / Sierstorpff (1780–1833)
- Hoffinanzierung und preußische Verfassung
- Vom ‚Irrweg‘ zum ‚Erbe‘
- ‚Heimat Brandenburg‘. Eine Tagungsdokumentation
- ‚Heimat Brandenburg‘
- Heimat – ein Begriff von gestern in der Welt von heute?
- Das ‚gute alte Recht‘ als Heimat konstituierender Identifikationsfaktor – auch in der Mark Brandenburg?
- Provinz und Metropole als Parameter für Rückständigkeit und Fortschritt?
- Heimat gestalten?
- […] man hat keine andre Heimath mehr als die Erde
- Brandenburgische Schönheiten
- Die brandenburgischen Kirchenvisitationsabschiede. Eine Buchpräsentation
- Die brandenburgischen Kirchenvisitationsabschiede
- Die brandenburgischen Kirchenvisitationsakten und ihre Edition
- Verhandeln, Verzeichnen, Verabschieden
- Wissen schaffen
- Forschungsbericht
- Wissen schaffen
- Buchbesprechungen
- Register zu den Buchbesprechungen
- A Allgemeine und Preußische Geschichte
- 1 Übergreifendes
- Schlösser. Preussen. Kolonial-Orte. Biografien und Sammlungen, hrsg. von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Dresden: Sandstein Verlag 2023, 168 S., zahlr. Abb. – ISBN: 978-3-95498-737-5 (18,00 Euro).
- 2 Mittelalter
- Enno Bünz/Wolfgang Huschner (Hrsg.), 1050 Jahre Erzbistum Magdeburg (968–2018). Die Errichtung und Etablierung des Erzbistums im europäischen und regionalen Kontext (10.–12. Jahrhundert) – I 1050 anni dell’arcivescovato di Magdeburgo. La fondazione e il consolidamento dell’arcivescovato nel contesto europeo e regionale (secoli X–XII). Wissenschaftliche Redaktion: Maximilian Schwarzkopf (Leitung), Sebastian Gensicke, John Hinderer, Sebastian Roebert (Italia Regia, Bd. 6), Leipzig: Eudora-Verlag 2022, 440 S., 52 Abb., 6 Tabellen, 2 Diagramme, 10 Karten. – ISBN 978-3-938533-81-9. (99,00 Euro).
- Stephan Freund/Gabriele Köster/Matthias Puhle (Hrsg.), Des Kaisers letzte Reise. Höhepunkt und Ende der Herrschaft Ottos des Großen 973 und sein (Weiter-) Leben vom Mittelalter bis zur Gegenwart (Schriftenreihe des Zentrums für Mittelalterausstellungen Magdeburg, Bd. 8), Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 2023, 548 S. – ISBN 978-3-96311-780-0 (50,00 Euro).
- 3 Frühe Neuzeit
- Tinca Prunea-Bretonnet/Peter R. Anstey (Hrsg.), The Berlin Academy in the Reign of Frederick the Great. Philosophy and Science (Oxford Studies in the Enlightenment), Liverpool: Liverpool University Press 2022, XII, 275 S. – ISBN 978-1-80207-025-5 (29,25 ₤).
- 4 19. und 20. Jahrhundert
- Bärbel Holtz/Wolfgang Neugebauer/Monika Wienfort (Hrsg.), Der preußische Hof und die Monarchien in Europa. Akteure, Modelle, Wahrnehmungen (1786–1918), Paderborn: Brill Schöningh 2023, 402 S. – ISBN 978-3-506-79141-2 (89,– Euro).
- Anna Joisten, ‚Vor den Richterstuhl der Zeitgenossen und der öffentlichen Meynung‘. Der Fall des preußischen Staatsdieners und Spätaufklärers Hans von Held (Neue Forschungen zur schlesischen Geschichte, Bd. 32), Wien/Köln: Böhlau 2023, 557 S., Abb. – ISBN: 978-3-412-52742-6 (80,– Euro).
- Heinz-Dieter Heimann, Schinkels Brunnen und das Königsgrab an der Saar. Eine Gedächtnisgeschichte und politische Affäre Preußens (Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 56), Berlin: Duncker & Humblot 2022, 187 S., 23 Abb. (darunter 14 farbige). – ISBN 978-3-428-18385-2 (39,90 Euro).
- Heinz Duchhardt, Der alte Ranke. Politische Geschichtsschreibung im Kaiserreich, Berlin: Vergangenheitsverlag 2023, 399 S., 9 s/w Abb. – ISBN 978-3-86408-297-9 (28,00 Euro).
- Nikola Böcker/Luisa Karlinger/Laura Menge, Schule, Kriegerverein, Wallfahrt. Die bürgerliche Gesellschaft im Kaiserreich (Kleine Schriften aus dem Kreisarchiv Warendorf, Bd. 5), Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2022, 143 S., 11 Abb. und 6 Tabellen. – ISBN 978-3-7395-1335-5 (14,90 Euro).
- Robert L. Nelson, Frontiers of Empire. Max Sering, Inner Colonization, and the German East, 1871–1945, Cambridge: Cambridge University Press 2024, X, 320 S. – ISBN: 978-1-009-23536-5 (85,00 £).
- Heinrich Claß, Politische Erinnerungen des Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes 1915–1933/36, hrsg. von Björn Hofmeister (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 79), Berlin: Duncker & Humblot 2022, X, 1.062 S. – ISBN 978-3-428-18671-6 (139,90 Euro).
- Martin Finkenberger, Johann von Leers. Propagandist im Dienste von Hitler, Perón und Nasser, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2023, 897 S. – ISBN 978-3-525-30612-3 (85,00 Euro).
- B Einzelne Gebiete
- 1 Berlin
- Oumar Diallo/Joachim Zeller, Berlin – eine postkoloniale Metropole. Ein historisch-kritischer Stadtrundgang im Bezirk Mitte, hrsg. von Farafina e.V. Berlin-Moabit. 2., überarb. und erw. Auflage, Berlin: Metropol Verlag 2024, 271 S., Abb. – ISBN 9 78-3-86331-710-2 (22,00 Euro).
- Richard Abel, Im Interesse der Kultur. Aus meinem Leben als Lehrer und Kantor in Prenzlauer Berg. Mit einem Vorwort von Christoph Rauhut, hrsg. von Mark Pockrandt. Berlin: BeBra Wissenschaft Verlag 2022, 128 S., 19 Abb. – ISBN 978-3-95410-300-3 (16,00 Euro).
- Matthias Grünzig, Der Fernsehturm und sein Freiraum. Geschichte und Gegenwart im Zentrum Berlins, Berlin: Lukas Verlag 2022, 265 S., 150 teils farbige Abb. – ISBN 978-3-86732-381-9 (29,80 Euro).
- 2 Brandenburg
- Rolf Straubel, Biographisches Handbuch neumärkischer Offiziere (1715–1806). Familie – Laufbahn – Grundbesitz. Mit einem Geleitwort von Klaus Neitmann (Einzelveröffentlichungen der Brandenburgischen Historischen Kommission e.V., Bd. XXVII), Berlin/Boston: De Gruyter Oldenbourg 2024, XIV, 665 S. – ISBN (Druckausgabe) 978-3-11-131995-7 (149,95 Euro), ISBN (eBook) 9783111320465 (149,95 Euro).
- Gerd-Christian Th. Treutler, Zu Seiner Majestät allhöchstem Interesse. Die Domänenpolitik Friedrich Wilhelms I., König in Preußen, am Beispiel der Kurmark (Genealogisch-Historische Studien Brandenburgs, Bd. 10), Falkensee: BGG-Verlag 2022, 460 S., Abb. – ISBN 978-3-945402-22-1 (59,00 Euro).
- Sabine von Wangenheim, Wassertürme im Land Brandenburg als Repräsentanten historischer Behälterformen (Forschungen und Beiträge zur Denkmalpflege im Land Brandenburg, Bd. 20), Worms: Wernersche Verlagsgesellschaft 2023, VII, 380 S., zahlr. Farb- und S/W-Abb., Kt. – ISBN 978-3-88642-417-3 (78,00 Euro).
- Michael C. Bienert/Hermann Wentker (Hrsg.), Land zwischen den Zeiten. Brandenburg in der SBZ und frühen DDR (1945–1952) (Brandenburgische Geschichte in Einzeldarstellungen, Bd. 7/Bibliothek der Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 18), Berlin: BWV Berliner Wissenschafts-Verlag 2022, 589 S. – ISBN (Druckausgabe) 978-3-8305-3694-9 (75,00 Euro), ISBN (eBook) 978-3-8305-4319-0 (Open Access).
- 3 Sachsen-Anhalt
- Christian Marlow (Hrsg.), Flößerei in Sachsen-Anhalt. Ein wiederbelebtes Handwerk auf dem Weg zur UNESCO-Anerkennung als immaterielles Kulturerbe der Menschheit (Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts, Bd. 73), Halle (Saale): Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e.V. 2021, 127 S., Abb., Kt. – ISBN 978-3-949093-03-6 (10,00 Euro).
- Regina Randhofer/Carsten Lange/Kathrin Eberl-Ruf (Hrsg.), Jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt. Kultur – Musik – Gelehrsamkeit (Quellen und Forschungen zur Geschichte Sachsen-Anhalts, Bd. 26), Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 2023, 375 S., Abb. – ISBN 978-3-96311-698-8 (54,00 Euro).
- Paul Beckus, Der Fürst im Kabinett. Supplikations- und Herrschaftspraxis unter Franz von Anhalt-Dessau (1758–1817) (Quellen und Forschungen zur Geschichte Sachsen-Anhalts, Bd. 24), Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 2021, 560 S., Abb. – ISBN 978-3-96311-361-1 (64,00 Euro).
- 4 Ost- und Westpreußen
- Bernhart Jähnig, Zum Innenleben des Deutschen Ordens in Preußen. Ergänzte Beiträge zum 80. Geburtstag in Auswahl (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Westpreußens, Bd. 43), Münster/Westfalen: Nicolaus-Copernicus-Verlag 2021 [recte 2023], 412 S., 30 Abb., teilweise in Farbe. – ISBN 978-3-924238-60-5 (18,00 Euro).
- Wulf D. Wagner, Die Königstraße in Königsberg i. Pr. Aus der Geschichte einzelner Grundstücke und ihrer Eigentümer vom später 17. bis ins frühe 19. Jahrhundert (Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung, Bd. 33), Osnabrück: fibre Verlag 2023, VIII, 192 S., 46 Abb. – ISBN 978-3-944870-86-1 (48,00 Euro).
- 5 Benachbarte Gebiete
- Wolfgang Voss, Die Mainzer Erzbischöfe von 1396 bis 1484 (Germania Sacra. Dritte Folge, Bd. 21: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Erzbistum Mainz, Bd. 2), Berlin/Boston: De Gruyter 2023, 277 S., 13 Farbabb. – ISBN 978-3-11-108647-7 (99,95 Euro).
- Andreas Röpcke (Bearb.), Dignitäre und Domherren des Domstifts Schwerin ab 1400 (Germania Sacra. Die Kirche des Alten Reiches und ihre Institutionen. Supplementbd. 4), Göttingen: Niedersächsische Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 2023, XI, 110 S., 8 farbige und 2 SW-Abb. – ISBN 978-3-946048-17-6 (13,54 Euro); URL: https://doi.org/10.26015/adwdocs-4437.
- Werner Pöllmann, Verstreut unter allen Völkern. Rekonstruktion der Lebenswege der Familie Brandt und anderer Juden im vogtländisch-egerländischen Grenzgebiet zwischen 1790 und 1950. Ergebnisse der Spurensuche nach Juden aus Markneukirchen, Adorf, Bad Brambach, Steingrub, Franzensbad, Haslau, Asch, Bad Elster, Oelsnitz, Schöneck, Klingenthal, Graslitz, Treuen, Aue und Meerane, sowie ihren Verwandten aus Falkenstein, Plauen, Reichenbach, Greiz, Zwickau, Chemnitz, Dresden, Pirna, Sebnitz, Leipzig, Apolda, Zerbst, Berlin, Birnbaum, Lissa, Czempin, Schlawa, Breslau, München, Wien, Prag, Karlsbad, Marienbad, Taucha, Neustadtl, Neuzedlisch, Eger und Übersee, Markneukirchen: Heimatverein Markneukirchen e.V. 2012, 251 S., zahlr. Abb., Kt. und einige Stammtafeln. – ISBN 978-3-9813458-3-4 (14,00 Euro; vergriffen).
- Katharina Thielen, Politische Partizipation in der preußischen Rheinprovinz 1815–1845. Eine Verflechtungsgeschichte (Stadt und Gesellschaft, Bd. 10), Wien/Köln: Böhlau 2023, 737 S., Abb. – ISBN 978-3-412-52831-7 (80,00 Euro).
- Zeitschriftenumschau für 2022
- Zeitschriftenumschau für 2022
Articles in the same Issue
- Titelseiten
- Aufsätze
- Charlotte Vincke / Sierstorpff (1780–1833)
- Hoffinanzierung und preußische Verfassung
- Vom ‚Irrweg‘ zum ‚Erbe‘
- ‚Heimat Brandenburg‘. Eine Tagungsdokumentation
- ‚Heimat Brandenburg‘
- Heimat – ein Begriff von gestern in der Welt von heute?
- Das ‚gute alte Recht‘ als Heimat konstituierender Identifikationsfaktor – auch in der Mark Brandenburg?
- Provinz und Metropole als Parameter für Rückständigkeit und Fortschritt?
- Heimat gestalten?
- […] man hat keine andre Heimath mehr als die Erde
- Brandenburgische Schönheiten
- Die brandenburgischen Kirchenvisitationsabschiede. Eine Buchpräsentation
- Die brandenburgischen Kirchenvisitationsabschiede
- Die brandenburgischen Kirchenvisitationsakten und ihre Edition
- Verhandeln, Verzeichnen, Verabschieden
- Wissen schaffen
- Forschungsbericht
- Wissen schaffen
- Buchbesprechungen
- Register zu den Buchbesprechungen
- A Allgemeine und Preußische Geschichte
- 1 Übergreifendes
- Schlösser. Preussen. Kolonial-Orte. Biografien und Sammlungen, hrsg. von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Dresden: Sandstein Verlag 2023, 168 S., zahlr. Abb. – ISBN: 978-3-95498-737-5 (18,00 Euro).
- 2 Mittelalter
- Enno Bünz/Wolfgang Huschner (Hrsg.), 1050 Jahre Erzbistum Magdeburg (968–2018). Die Errichtung und Etablierung des Erzbistums im europäischen und regionalen Kontext (10.–12. Jahrhundert) – I 1050 anni dell’arcivescovato di Magdeburgo. La fondazione e il consolidamento dell’arcivescovato nel contesto europeo e regionale (secoli X–XII). Wissenschaftliche Redaktion: Maximilian Schwarzkopf (Leitung), Sebastian Gensicke, John Hinderer, Sebastian Roebert (Italia Regia, Bd. 6), Leipzig: Eudora-Verlag 2022, 440 S., 52 Abb., 6 Tabellen, 2 Diagramme, 10 Karten. – ISBN 978-3-938533-81-9. (99,00 Euro).
- Stephan Freund/Gabriele Köster/Matthias Puhle (Hrsg.), Des Kaisers letzte Reise. Höhepunkt und Ende der Herrschaft Ottos des Großen 973 und sein (Weiter-) Leben vom Mittelalter bis zur Gegenwart (Schriftenreihe des Zentrums für Mittelalterausstellungen Magdeburg, Bd. 8), Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 2023, 548 S. – ISBN 978-3-96311-780-0 (50,00 Euro).
- 3 Frühe Neuzeit
- Tinca Prunea-Bretonnet/Peter R. Anstey (Hrsg.), The Berlin Academy in the Reign of Frederick the Great. Philosophy and Science (Oxford Studies in the Enlightenment), Liverpool: Liverpool University Press 2022, XII, 275 S. – ISBN 978-1-80207-025-5 (29,25 ₤).
- 4 19. und 20. Jahrhundert
- Bärbel Holtz/Wolfgang Neugebauer/Monika Wienfort (Hrsg.), Der preußische Hof und die Monarchien in Europa. Akteure, Modelle, Wahrnehmungen (1786–1918), Paderborn: Brill Schöningh 2023, 402 S. – ISBN 978-3-506-79141-2 (89,– Euro).
- Anna Joisten, ‚Vor den Richterstuhl der Zeitgenossen und der öffentlichen Meynung‘. Der Fall des preußischen Staatsdieners und Spätaufklärers Hans von Held (Neue Forschungen zur schlesischen Geschichte, Bd. 32), Wien/Köln: Böhlau 2023, 557 S., Abb. – ISBN: 978-3-412-52742-6 (80,– Euro).
- Heinz-Dieter Heimann, Schinkels Brunnen und das Königsgrab an der Saar. Eine Gedächtnisgeschichte und politische Affäre Preußens (Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 56), Berlin: Duncker & Humblot 2022, 187 S., 23 Abb. (darunter 14 farbige). – ISBN 978-3-428-18385-2 (39,90 Euro).
- Heinz Duchhardt, Der alte Ranke. Politische Geschichtsschreibung im Kaiserreich, Berlin: Vergangenheitsverlag 2023, 399 S., 9 s/w Abb. – ISBN 978-3-86408-297-9 (28,00 Euro).
- Nikola Böcker/Luisa Karlinger/Laura Menge, Schule, Kriegerverein, Wallfahrt. Die bürgerliche Gesellschaft im Kaiserreich (Kleine Schriften aus dem Kreisarchiv Warendorf, Bd. 5), Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2022, 143 S., 11 Abb. und 6 Tabellen. – ISBN 978-3-7395-1335-5 (14,90 Euro).
- Robert L. Nelson, Frontiers of Empire. Max Sering, Inner Colonization, and the German East, 1871–1945, Cambridge: Cambridge University Press 2024, X, 320 S. – ISBN: 978-1-009-23536-5 (85,00 £).
- Heinrich Claß, Politische Erinnerungen des Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes 1915–1933/36, hrsg. von Björn Hofmeister (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 79), Berlin: Duncker & Humblot 2022, X, 1.062 S. – ISBN 978-3-428-18671-6 (139,90 Euro).
- Martin Finkenberger, Johann von Leers. Propagandist im Dienste von Hitler, Perón und Nasser, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2023, 897 S. – ISBN 978-3-525-30612-3 (85,00 Euro).
- B Einzelne Gebiete
- 1 Berlin
- Oumar Diallo/Joachim Zeller, Berlin – eine postkoloniale Metropole. Ein historisch-kritischer Stadtrundgang im Bezirk Mitte, hrsg. von Farafina e.V. Berlin-Moabit. 2., überarb. und erw. Auflage, Berlin: Metropol Verlag 2024, 271 S., Abb. – ISBN 9 78-3-86331-710-2 (22,00 Euro).
- Richard Abel, Im Interesse der Kultur. Aus meinem Leben als Lehrer und Kantor in Prenzlauer Berg. Mit einem Vorwort von Christoph Rauhut, hrsg. von Mark Pockrandt. Berlin: BeBra Wissenschaft Verlag 2022, 128 S., 19 Abb. – ISBN 978-3-95410-300-3 (16,00 Euro).
- Matthias Grünzig, Der Fernsehturm und sein Freiraum. Geschichte und Gegenwart im Zentrum Berlins, Berlin: Lukas Verlag 2022, 265 S., 150 teils farbige Abb. – ISBN 978-3-86732-381-9 (29,80 Euro).
- 2 Brandenburg
- Rolf Straubel, Biographisches Handbuch neumärkischer Offiziere (1715–1806). Familie – Laufbahn – Grundbesitz. Mit einem Geleitwort von Klaus Neitmann (Einzelveröffentlichungen der Brandenburgischen Historischen Kommission e.V., Bd. XXVII), Berlin/Boston: De Gruyter Oldenbourg 2024, XIV, 665 S. – ISBN (Druckausgabe) 978-3-11-131995-7 (149,95 Euro), ISBN (eBook) 9783111320465 (149,95 Euro).
- Gerd-Christian Th. Treutler, Zu Seiner Majestät allhöchstem Interesse. Die Domänenpolitik Friedrich Wilhelms I., König in Preußen, am Beispiel der Kurmark (Genealogisch-Historische Studien Brandenburgs, Bd. 10), Falkensee: BGG-Verlag 2022, 460 S., Abb. – ISBN 978-3-945402-22-1 (59,00 Euro).
- Sabine von Wangenheim, Wassertürme im Land Brandenburg als Repräsentanten historischer Behälterformen (Forschungen und Beiträge zur Denkmalpflege im Land Brandenburg, Bd. 20), Worms: Wernersche Verlagsgesellschaft 2023, VII, 380 S., zahlr. Farb- und S/W-Abb., Kt. – ISBN 978-3-88642-417-3 (78,00 Euro).
- Michael C. Bienert/Hermann Wentker (Hrsg.), Land zwischen den Zeiten. Brandenburg in der SBZ und frühen DDR (1945–1952) (Brandenburgische Geschichte in Einzeldarstellungen, Bd. 7/Bibliothek der Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 18), Berlin: BWV Berliner Wissenschafts-Verlag 2022, 589 S. – ISBN (Druckausgabe) 978-3-8305-3694-9 (75,00 Euro), ISBN (eBook) 978-3-8305-4319-0 (Open Access).
- 3 Sachsen-Anhalt
- Christian Marlow (Hrsg.), Flößerei in Sachsen-Anhalt. Ein wiederbelebtes Handwerk auf dem Weg zur UNESCO-Anerkennung als immaterielles Kulturerbe der Menschheit (Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts, Bd. 73), Halle (Saale): Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e.V. 2021, 127 S., Abb., Kt. – ISBN 978-3-949093-03-6 (10,00 Euro).
- Regina Randhofer/Carsten Lange/Kathrin Eberl-Ruf (Hrsg.), Jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt. Kultur – Musik – Gelehrsamkeit (Quellen und Forschungen zur Geschichte Sachsen-Anhalts, Bd. 26), Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 2023, 375 S., Abb. – ISBN 978-3-96311-698-8 (54,00 Euro).
- Paul Beckus, Der Fürst im Kabinett. Supplikations- und Herrschaftspraxis unter Franz von Anhalt-Dessau (1758–1817) (Quellen und Forschungen zur Geschichte Sachsen-Anhalts, Bd. 24), Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 2021, 560 S., Abb. – ISBN 978-3-96311-361-1 (64,00 Euro).
- 4 Ost- und Westpreußen
- Bernhart Jähnig, Zum Innenleben des Deutschen Ordens in Preußen. Ergänzte Beiträge zum 80. Geburtstag in Auswahl (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Westpreußens, Bd. 43), Münster/Westfalen: Nicolaus-Copernicus-Verlag 2021 [recte 2023], 412 S., 30 Abb., teilweise in Farbe. – ISBN 978-3-924238-60-5 (18,00 Euro).
- Wulf D. Wagner, Die Königstraße in Königsberg i. Pr. Aus der Geschichte einzelner Grundstücke und ihrer Eigentümer vom später 17. bis ins frühe 19. Jahrhundert (Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung, Bd. 33), Osnabrück: fibre Verlag 2023, VIII, 192 S., 46 Abb. – ISBN 978-3-944870-86-1 (48,00 Euro).
- 5 Benachbarte Gebiete
- Wolfgang Voss, Die Mainzer Erzbischöfe von 1396 bis 1484 (Germania Sacra. Dritte Folge, Bd. 21: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Erzbistum Mainz, Bd. 2), Berlin/Boston: De Gruyter 2023, 277 S., 13 Farbabb. – ISBN 978-3-11-108647-7 (99,95 Euro).
- Andreas Röpcke (Bearb.), Dignitäre und Domherren des Domstifts Schwerin ab 1400 (Germania Sacra. Die Kirche des Alten Reiches und ihre Institutionen. Supplementbd. 4), Göttingen: Niedersächsische Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 2023, XI, 110 S., 8 farbige und 2 SW-Abb. – ISBN 978-3-946048-17-6 (13,54 Euro); URL: https://doi.org/10.26015/adwdocs-4437.
- Werner Pöllmann, Verstreut unter allen Völkern. Rekonstruktion der Lebenswege der Familie Brandt und anderer Juden im vogtländisch-egerländischen Grenzgebiet zwischen 1790 und 1950. Ergebnisse der Spurensuche nach Juden aus Markneukirchen, Adorf, Bad Brambach, Steingrub, Franzensbad, Haslau, Asch, Bad Elster, Oelsnitz, Schöneck, Klingenthal, Graslitz, Treuen, Aue und Meerane, sowie ihren Verwandten aus Falkenstein, Plauen, Reichenbach, Greiz, Zwickau, Chemnitz, Dresden, Pirna, Sebnitz, Leipzig, Apolda, Zerbst, Berlin, Birnbaum, Lissa, Czempin, Schlawa, Breslau, München, Wien, Prag, Karlsbad, Marienbad, Taucha, Neustadtl, Neuzedlisch, Eger und Übersee, Markneukirchen: Heimatverein Markneukirchen e.V. 2012, 251 S., zahlr. Abb., Kt. und einige Stammtafeln. – ISBN 978-3-9813458-3-4 (14,00 Euro; vergriffen).
- Katharina Thielen, Politische Partizipation in der preußischen Rheinprovinz 1815–1845. Eine Verflechtungsgeschichte (Stadt und Gesellschaft, Bd. 10), Wien/Köln: Böhlau 2023, 737 S., Abb. – ISBN 978-3-412-52831-7 (80,00 Euro).
- Zeitschriftenumschau für 2022
- Zeitschriftenumschau für 2022