1. Einleitung
[*]In einem auf September 1153 datierten Brief wandte sich Friedrich I., römisch-deutscher König und späterer Kaiser, an Manuel I. Komnenos, den byzantinischen Kaiser. Der Staufer bedankte sich für Schreiben des Kaisers, äußerte den Wunsch, eine Frau aus Manuels Familie zu heiraten und berichtete von einem bevorstehenden Italienzug. Eingangs wird im Brief auch Friedrichs Weg zur Krone angesprochen: Von seinem Onkel, dem verstorbenen Konrad III., sei er zum Nachfolger bestimmt worden [1]. Die historiographischen Quellen aus dem römisch-deutschen Reich berichten gleichermaßen von der besonderen Rolle des Vorgängers [2]. Pointiert kommentierte beispielsweise Burchard von Ursberg, Friedrich habe „mehr aufgrund der Bestimmung seines Onkels als aufgrund der Wahl der Fürsten“ ( magis ex delegatione patrui sui quam ex electione principum ) [3] die Herrschaft angetreten.
Die zentrale Bedeutung einer Empfehlung [4] auf dem Sterbebett durch Konrad III. wird in der Rückschau bestätigt: Es finden sich keine Anzeichen, dass Friedrich III. von Schwaben, der spätere König und Kaiser, im Vorfeld zum Nachfolger im Königtum aufgebaut wurde. Recht unvermittelt soll Konrad III. 1152 kurz vor seinem Tod eingesehen haben, dass sein Sohn Friedrich von Rothenburg geringe Chancen hatte, König zu werden. Daher habe er Friedrich von Schwaben die Insignien zugewiesen und ihn als Nachfolger empfohlen. So berichtet es Otto von Freising, der zwar nicht anwesend war, von der Forschung aber dennoch als Kronzeuge in dieser Angelegenheit behandelt wird [5]. Wenige Wochen später war Friedrich I. gewählter und gekrönter römisch-deutscher König.
Lediglich eine weitere Person profitierte wohl in ähnlichem Ausmaß von den Bamberger Ereignissen im Februar 1152 wie der später als Barbarossa bezeichnete Friedrich – Eberhard von Oettlingen, als Eberhard II. Bischof von Bamberg [6]. In der Herrschaftszeit Konrads III. war es Eberhard zwar gelungen, die Bemühungen um eine päpstliche Kanonisation Heinrichs II. erfolgreich abzuschließen und wichtige Kontakte nach Rom aufzubauen [7], er zählte allerdings keinesfalls zum engsten Kreis der königlichen Ratgeber [8]. Ganz anders hingegen gestaltete sich seine Position unter Friedrich I.: Eberhard vertrat den Herrscher unter anderem als Unterhändler und Gesandter in den wichtigsten Angelegenheiten, formulierte für ihn Schreiben bei hochbrisanten Unterfangen, war Legat bei den italienischen Städten und Vertreter des staufischen Standpunktes gegenüber Papst Hadrian IV. [9] Laut Rahewin schätzte Barbarossa Eberhard als Ratgeber mehr als alle anderen Bischöfe und Geistlichen [10]. Im Rahmen seines Aufstiegs verdrängte und verärgerte der Bischof dabei bewährte und hochverdiente Größen wie Abt Wibald von Stablo und Corvey [11]. Vor dem Tod Konrads III. zeichnete sich dieser Aufstieg in keiner Form ab, er begann allerdings unmittelbar danach.
Gleichermaßen scheinen Eberhard von Bamberg und Friedrich I. vor den Ereignissen im Februar und März 1152 kaum miteinander verbunden gewesen zu sein. Ihre sehr schnell sehr intensiv werdende Kooperation war für beide ungemein vorteilhaft: Eberhard wurde letztlich einflussreicher als selbst der gleichnamige Gründungsbischof seines Bistums [12] und Friedrich Barbarossa wurde König und später Kaiser. Dieser Beitrag möchte über die Grundlage und die konstituierenden Ereignisse dieses gemeinsamen Aufstiegs nachdenken und dabei mit Eberhard II. von Bamberg einen Berater Barbarossas beleuchten, dem bislang von Seiten der Forschung zwar Aufmerksamkeit entgegengebracht, aber nicht die angemessene Bedeutung zugeschrieben wurde. Dabei soll erprobt werden, welche neuen Perspektiven auf altbekannte Quellen und Sachverhalte aufscheinen, wenn ein bislang passiv vermuteter Akteur als aktiv gedacht wird.
2. Von Bamberg ( ? ) nach Frankfurt und nach Aachen [13]
Im Jahr 1152 war König Konrad III. mehr als 50 Jahre alt [14]. Wenige Jahre zuvor war er von einem Kreuzzug heimgekehrt [15]. Die neuere Forschung hat ältere Ansichten stark in Zweifel gezogen, nach denen der König seit dieser Reise an einer Malaria-Erkrankung litt, die ihn immer wieder handlungsunfähig gemacht habe. Tatsächlich stammen die Zuschreibungen dieser Handlungsunfähigkeit von Konrad selbst. Sie wurden gegenüber Verbündeten geäußert – immer dann, wenn der König Versprochenes nicht geleistet hatte, verwies er entschuldigend auf eine Erkrankung [16]. Gemessen an seinen Handlungen im Reich war der Staufer aber keinesfalls inaktiv [17].
Seit der Rückkehr vom Kreuzzug galten die Planungen Konrads verstärkt einem Romzug. Papst Eugen III. war von der römischen Stadtbevölkerung vertrieben worden, erhoffte sich Hilfe und versprach im Gegenzug die Kaiserkrone [18]. Im September 1151 war daher auf einem Hoftag in Würzburg der Zug nach Süden für den Herbst des nächsten Jahres festgelegt worden [19]. Zuvor galt es allerdings noch, die Nachfolge zu regeln. Für Konrad war dies der zweite Anlauf in dieser Angelegenheit. 1147 war es ihm gelungen, seinen Sohn Heinrich zum Mitkönig wählen und krönen zu lassen. Unterstützt von einem Rat hatte der ungefähr Zehnjährige eingeschränkt über das Reich geherrscht, während sein Vater sich auf dem Kreuzzug befand. Noch 1150 hatte Konrad in einem Brief an Kaiserin Irene stolz von den militärischen Erfolgen seines Sohnes, den er mehrfach als seinen Erben und von den Fürsten gewählten sowie gekrönten Nachfolger bezeichnete, berichtet [20]. Der junge Staufer verstarb jedoch kurz darauf und sein Vater musste neu planen [21]. Konrad hatte noch einen weiteren Sohn, jenen eingangs erwähnten Friedrich von Rothenburg. Allerdings war er 1152 weniger als zehn Jahre alt.
Es kann mit einiger Sicherheit vermutet werden, dass Konrad seine Nachfolge auf dem Hoftag regeln wollte, der am 2. Februar 1152 in Bamberg begann. Wenn auch Friedrich Barbarossa ausweislich der Urkunden recht oft im Umfeld seines Onkels anzutreffen war, scheint er ( zunächst ) nicht an diesem Hoftag teilgenommen zu haben [22]. Zuletzt wird er in einer am 12. Januar ausgestellten Urkunde des Königs als Zeuge aufgeführt [23]. Am 1. Februar wird Friedrich in der Zeugenliste einer Urkunde Herzog Heinrichs des Löwen genannt, die in Memmingen, mehrere hundert Kilometer von Bamberg entfernt, ausgestellt wurde [24]. Die Einschätzung, Barbarossa sei wenig später in Bamberg gewesen, beruht auf historiographischen Quellen, die seine Anwesenheit allerdings auch nicht explizit vermerken: Es wird lediglich angegeben, dass er als Nachfolger empfohlen worden sei [25]. Dies heißt nicht zwingend, dass er vor Ort war.
Nach dem Tod Konrads III. ist sein Neffe dann schnell wieder fassbar: Eine Urkunde verortet ihn gemeinsam mit den Bischöfen Eberhard von Bamberg und Gebhard von Würzburg an den Ufern des Mains bei einem Treffen über die „Neuordnung des Reiches“ ( colloquium de reformando et componendo regni statu ). Die Urkunde ist auf den 19. Februar datiert, vier Tage nach dem Tod Konrads III. [26] Am 4. März wurde Barbarossa in Frankfurt von den Fürsten gewählt, am 9. März wurde er in Aachen durch den Kölner Erzbischof Arnold gekrönt [27]. Der Thron war nach dem Tod Konrads III. keine vier Wochen vakant geblieben.
Jan Paul Niederkorn hat 1995 die These aufgestellt, dass dieses atemberaubende Tempo nur möglich war, da Barbarossa auf Vorarbeiten zurückgreifen konnte. Es habe bereits Wahlvorbereitungen gegeben, nur nicht für die Wahl Barbarossas. Konrad III. habe die Wahl seines Sohnes Friedrich von Rothenburg vorangetrieben und Barbarossa habe diese Planungen übernehmen können [28]. Die These wurde von der Forschung seither im Großen und Ganzen akzeptiert [29]. Wenn es auch eine reine Indizienvermutung ist, lassen sich so doch die sonst kaum zu erklärenden Gegebenheiten stimmig verbinden. Es handelt sich letztlich um ein beeindruckendes Kunststück, denn Barbarossa legte nicht nur eine große Geschwindigkeit an den Tag, er verdrängte auch erstmals in der Geschichte des Reichs einen vorhandenen Königssohn von der Thronfolge [30]. Die Empfehlung seines Onkels auf dem Sterbebett war bei diesem Unterfangen nach außen hin zentral – dies zeigen der eingangs zitierte Brief Barbarossas an Kaiser Manuel, der Kommentar Burchards von Ursberg und auch die allgemeine Präsenz des Motivs in den historiographischen Quellen [31]. Es drängt sich die Frage auf, wie es dem Staufer gelungen sein könnte, diese für ihn so wichtige Sicht auf den Tod seines Onkels nahezu unangefochten zu etablieren.
3. Deutungshoheit, Motive und Zusammenarbeit
Diese Frage führt zurück auf den Bamberger Hoftag. Wenn Barbarossa der Versammlung zunächst – oder vielleicht sogar vollständig – fernblieb, war er damit nicht der einzige bedeutende Reichsfürst. Auf Grundlage der einzigen aus dem Umfeld des Hoftags erhaltenen Urkunde Konrads III. verortet Wolfram Ziegler sechs weniger wichtige Adlige in Bamberg [32]. Von den Großen des Reichs ist nur die Anwesenheit Eberhards II. von Bamberg sicher verbürgt [33]. Verbunden mit dem Heimvorteil hebt dies den Ortsbischof hervor – er dürfte nicht nur das Geschehen an sich, sondern auch die darüber verbreiteten Informationen kontrolliert haben. Die letzten Handlungen Konrads III. oblagen darüber hinaus besonders der Deutungshoheit Eberhards II. Ein öffentliches Sterben ist für einen Herrscher des Reichs im 12. Jahrhundert nicht einfach vorauszusetzen [34]. Vielmehr muss von einem kleinen Kreis von Angehörigen [35], Ärzten [36], engen Getreuen und dem ranghöchsten Geistlichen ausgegangen werden, die anwesend waren. Letzterem kam gerade in den finalen Momenten mit der Sterbebegleitung eine entscheidende Rolle zu [37]. Im Falle Konrads III. war dies Eberhard II. von Bamberg. Alle weiteren Personen, die überhaupt Zugang zum Sterbebett des Herrschers hatten, waren von ihm abhängig. Dem Bischof oblag somit die Deutungshoheit über die letzten Stunden und Worte des verstorbenen Königs. Sollte Barbarossa Friedrich von Rothenburg in der Nachfolge verdrängt haben und sollte es sich bei der Empfehlung Konrads zugunsten seines Neffen statt seines Sohnes um eine erfundene Erzählung handeln, muss Eberhard von Bamberg involviert gewesen sein.
Der Bischof hatte durchaus ein Motiv für die Zusammenarbeit mit Barbarossa: Angst vor einem Machtzuwachs des Mainzer Erzbischofs. Dies liegt in der Situation des Bamberger Bistums begründet, denn eigentlich unterstand die noch recht junge Gründung dem mächtigen Mainzer Erzbischof. Heinrich II. hatte das Suffraganbistum zwar formell Rom übertragen, dem Erzbistum aber nicht entzogen. Bamberg konnte nicht nur von der Förderung seines Gründers profitieren, auch das Pontifikat des Bamberger Bischofs Suidger als Clemens II. und seine Bestattung in der Stadt an der Regnitz führten zu weiteren Erhöhungen. Mit Verweis auf die zu leistenden Memorialhandlungen für den verstorbenen Papst hatten die Bamberger erfolgreich Sonderrechte von Rom erbeten [38]. Der Einfluss des Mainzer Erzbischofs wurde somit immer weiter zurückgedrängt. Eine solche Sonderstellung konnte dieser nicht tolerieren.
Als Konrad III. erfolgreich seinen minderjährigen Sohn Heinrich zum Mitkönig bestimmt hatte, war Erzbischof Heinrich von Mainz als Regent eingesetzt worden [39]. Umgehend hatte er versucht, diese neue Stellung zu nutzen, um die Sonderrechte Bambergs zu beseitigen [40]. Die wohl von Konrad III. geplante Nachfolge seines unmündigen Sohnes Friedrich konnte daher nicht im Sinne Eberhards von Bamberg sein. Es stand zu befürchten, dass wieder der Mainzer Erzbischof als Regent eingesetzt würde. Friedrich von Rothenburg war noch jünger als es Heinrich ( VI. ) gewesen war und Konrad wäre in diesem Fall nicht nur für einige Zeit nicht im Reich anwesend gewesen – er war tot.
Da beim Nachdenken über eine Empfehlung Konrads III. auf dem Sterbebett mit vielen Indizien und Vermutungen gearbeitet werden muss, sollte festgehalten werden, dass mit Eberhard II. von Bamberg der einzige 1152 in Bamberg sicher anwesende einflussreiche Reichsfürst einer Thronfolge Friedrichs von Rothenburg sehr ablehnend gegenübergestanden haben dürfte. Daraus ergibt sich ein Motiv für die Zusammenarbeit mit Friedrich Barbarossa. Neben seinem Status konnte Eberhard von Bamberg dabei auf seinen Heimvorteil und seine Rolle als Sterbebeistand zählen, so dass ihm die Deutungshoheit über den Tod Konrads III. sicher war.
Wenn Eberhard II. als aktiv Handelnder gedacht wird, muss davon ausgegangen werden, dass ihm die für ihn und sein Bistum negativen möglichen Auswirkungen einer Thronfolge Friedrichs von Rothenburg spätestens kurz vor oder kurz nach dem Tod Konrads III. bewusst geworden sein dürften. Es ist wohl nicht zu weit hergeholt zu unterstellen, dass ihm in dieser Situation auch seine Deutungshoheit über die letzten Handlungen des Königs in den Sinn kam. Vielleicht hat Konrad III. 1152 tatsächlich auf dem Sterbebett eine Empfehlung für Friedrich Barbarossa als Nachfolger ausgesprochen, und der Bischof hat diese weitergetragen. Vielleicht hat Eberhard II. aber auch seine Deutungshoheit genutzt und in für ihn selbst und sein Bistum vorteilhaften Worten vom Tod des Königs berichtet.
Die Erzählung von der Empfehlung auf dem Sterbebett, die uns heute geschlossen in den zeitgenössischen Quellen entgegentritt und sich für Eberhard als günstig erwies, erinnert dabei an frühmittelalterliche Schilderungen, die Carlrichard Brühl einst polemisch als „Sterbebettlyrik“ bezeichnete [41]: Die Empfehlungen Konrads I. für Heinrich I. 918 sowie Heinrichs I. für Otto I. 936, von zeitgenössischen Quellen jeweils kurz vor dem Tod verortet [42]. In der Tat bestehen Ähnlichkeiten, denn sowohl die frühmittelalterlichen Quellen als auch die vielzitierte Passage Ottos von Freising zu 1152 weisen Erzählelemente wie die Einsicht in die Unmöglichkeit einer Nachfolge enger Angehöriger, Lob des stattdessen Ausgewählten sowie Angaben zu den Herrschaftsinsignien auf [43]. Wird der Wissenshorizont des 12. Jahrhunderts berücksichtigt, werden diese Ähnlichkeiten zum Indiz. Bereits Thietmar von Merseburg verkürzte die ursprünglichen ottonischen Schilderungen in der Rezeption und startete damit eine Entwicklung, die sich in den folgenden Jahrzehnten weiter fortsetzte [44]. Im 12. Jahrhundert finden sich kaum noch Quellen, die von den Sterbebettempfehlungen des 10. Jahrhunderts berichten – außer in Bamberg. In dem zwischen 1050 und 1125 entstanden Chronikenkomplex, der früher als Fortsetzungen Ekkehards von Aura zur Chronik Frutolfs vom Michelsberg betrachtet wurde [45], werden konkrete Angaben gemacht. So sei Heinrich I. 919 auf Rat und Gebot ( consilium et preceptum ) Konrads I. hin gewählt worden, und Otto I. sei 936 von seinem Vater designiert ( designavit ) worden [46]. Deutlicher wird der Annalista Saxo, der die ottonische Sterbebettlyrik zum Tod Konrads I. mit Empfehlung für Heinrich I. wörtlich übernimmt und Otto I. immerhin als vom Vater designiert bezeichnet [47]. Der sächsische Annalist weist wiederum Verbindungen nach Bamberg auf [48]. In der Stadt an der Regnitz war somit 1152 wahrscheinlich das passende Wissen verfügbar, das Eberhard II. brauchte, um seine Deutungshoheit über den Tod Konrads III. zu nutzen und die Erzählung von der Empfehlung für Friedrich von Schwaben zu formen.
Der Bamberger Bischof war 1152 darüber hinaus durchaus in der Lage, seine Vorteile auszuspielen: Seit seiner Wahl zum Bischof 1146 hatte der aus einer edelfreien Familie stammende Eberhard hauptsächlich innerdiözesane Angelegenheiten geregelt, dabei allerdings mit dem Abschluss der Kanonisation Heinrichs II. auch für das Königtum wichtige Bezugspunkte geschaffen [49]. Im Vergleich zu seinem Vorgänger Egilbert erhöhte Eberhard zwar seine Präsenz am Hof Konrads III., konnte aber keinesfalls mit dem einflussreichen Embricho von Würzburg gleichziehen [50]. Als dieser jedoch 1146 auf der Heimreise von Konstantinopel starb, waren Eberhard von Bamberg und schließlich Gebhard von Würzburg immerhin die einflussreichsten Bischöfe Frankens [51]. Mit dem mächtigen Erzbischof Eberhard von Salzburg verband den Bamberger eine lange zurückreichende Bekanntschaft aus gemeinsamen Tagen in der Bamberger Domschule [52]. Ein weiteres Detail ist mit Blick auf die spätere Entwicklung ebenfalls zu nennen: Eberhard von Bamberg kannte den Freisinger Bischof Otto, der als Chronist später die wichtigsten Zeugnisse zu den Ereignissen von 1152 verfassen sollte, spätestens seit 1147. Nach 1152 sind weitere Kontakte ebenfalls sicher bezeugt [53]. Eberhard von Bamberg hatte somit nicht nur die Deutungshoheit über die letzten Handlungen und Worte Konrads III. inne sowie ein Motiv zur Zusammenarbeit mit Barbarossa und verfügte über das Wissen, dass ‚Sterbebettlyrik‘ erfolgreich sein konnte, er konnte seine Sicht der Dinge auch gut verbreiten.
Zu Motiv und Möglichkeit kommen noch Belege für die enge Zusammenarbeit Eberhards mit Barbarossa unmittelbar nach dem Tod Konrads III. hinzu. So berichtet Otto von Freising zur Bestattung des Staufers, der König habe eigentlich in Lorch bei seinem Vater bestattet werden wollen, die Bamberger Geistlichkeit habe allerdings darauf bestanden, dass er in Bamberg seine letzte Ruhestätte finden sollte [54]. Die Beisetzung erfolgte am 18. Februar in Bamberg [55]. Eine zügige Wahl und Krönung eines Nachfolgers wäre sicherlich nicht möglich gewesen, wenn zunächst der Leichnam des verstorbenen Staufers nach Lorch hätte überführt werden müssen [56]. Das Beharren der Bamberger Geistlichkeit auf die Bestattung vor Ort, hinter der mit Sicherheit der örtliche Bischof stand, kam Barbarossa somit immens entgegen.
Einen Tag nach der Beisetzung fand das oben bereits angesprochene Treffen zwischen Eberhard von Bamberg, Gebhard von Würzburg und Barbarossa an den Ufern des Mains statt [57]. Knapp zwei Wochen später wurde Friedrich in Frankfurt gewählt, wenige Tage darauf in Aachen gekrönt [58]. Drei Tage nach seiner Krönung übertrug Friedrich I. dem Bamberger Bistum die Reichsabtei Niederaltaich [59]. Es kann vermutet werden, dass Eberhard von Bamberg dem neuen König seit dem Treffen am Main nicht von der Seite gewichen war. In einem Schreiben an Wibald von Stablo wird später mit Blick auf Niederaltaich süffisant angemerkt, der Bischof habe für seine Mühe einen ziemlich großen Lohn verlangt [60]. Ob solcher Spott den Bamberger Bischof allerdings noch schmerzte, ist fraglich. Gemeinsam mit dem frisch gewählten Trierer Erzbischof Hilin und Abt Adam von Ebrach [61] war Eberhard von Friedrich I. direkt von Aachen nach Rom geschickt worden, um Papst Eugen III. die Wahl anzuzeigen. Wie auch Barbarossa war Eberhard bereits aufgestiegen.
4. Schlussfolgerungen
Die vorgestellten Überlegungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1152 dürfte Konrad III. Vorbereitungen für die Wahl seines Sohnes Friedrich von Rothenburg getroffen haben, als er bei einem Hoftag in Bamberg verstarb. Der dortige Bischof Eberhard II. ist der einzige einflussreiche Reichsfürst, der 1152 sicher in Bamberg belegt ist. Die Anwesenheit Friedrich Barbarossas wird in der historiographischen Überlieferung zum Teil suggeriert, sicher belegt ist er in Bamberg allerdings nicht. Zuletzt ist er in Memmingen urkundlich erwähnt. Als Gastgeber, ranghöchster Fürst und Sterbebeistand hatte der Bamberger Bischof die Deutungshoheit über die letzten Worte und Handlungen Konrads III. Eine Nachfolge Friedrichs von Rothenburg konnte nicht im Sinne Eberhards II. sein, stand es doch zu befürchten, dass der Mainzer Erzbischof wieder als Regent für den minderjährigen Königssohn eingesetzt und damit das Bistum Bamberg in Gefahr geraten würde. Eine Allianz mit dem Herzog von Schwaben, der sich in Königsnähe hervorgetan hatte, aber nicht zum Nachfolger aufgebaut worden war, kann für Eberhard einen Ausweg bedeutet haben. In dieser Situation entstand die Erzählung von Konrads Empfehlung für Friedrich Barbarossa auf dem Sterbebett. Die Vermutung liegt nahe, dass Eberhard von Bamberg seine Deutungshoheit und das in Bamberg verfügbare Wissen nutzte, um eine für ihn vorteilhafte Schilderung vom Tod Konrads III. in Umlauf zu bringen.
Die Erzählung, Konrad III. habe ihn und nicht seinen eigenen Sohn als Nachfolger empfohlen, brachte Friedrich Barbarossa erst ins Rennen um den Thron. Sicher ist sein Erfolg bei diesem Unterfangen nicht allein auf die Bamberger Ereignisse zurückzuführen, aber sie stehen am Beginn seines eindrucksvollen Sprints zur Krone. Dass er dabei intensiv mit Eberhard II. zusammenarbeitete, belegt die Beisetzung Konrads III. in Bamberg. Diese laut Otto von Freising gegen den Wunsch der familiares Konrads durchgesetzte Bestattung verschaffte Barbarossa die Möglichkeit, auf die Vorbereitungen zur Wahl Friedrichs von Rothenburg aufzubauen, die schlussendlich in seiner eigenen Krönung in Aachen mündeten. Ein weiterer Beleg ist das Treffen vier Tage nach Konrads Tod. Mit Gebhard von Würzburg erscheint bei dieser Gelegenheit ein weiterer Verbündeter. Es ist nicht auszuschließen, dass Eberhard von Bamberg auch weitere Verbindungen, etwa zu Eberhard von Salzburg, nutzte, um der Empfehlung für Friedrich weiteres Gewicht zu verleihen. Die Zusammenarbeit, die vom Sterbebett Konrads III. ausgehend zwischen Eberhard und Barbarossa entstand, war dabei für beide äußerst gewinnbringend: Barbarossa wurde Herrscher und Eberhard einer seiner wichtigsten und privilegiertesten Ratgeber. Mit der Abtei Niederaltaich wurde der Bischof sogar postwendend nach der Krönung des Königs belohnt.
Bei diesen Überlegungen handelt es sich letztlich um einen Vorschlag, der auf Indizien beruht. Gesichert ist auf jeden Fall die zentrale Bedeutung Eberhards II. von Bamberg. Alles, was die Quellen uns heute über den Tod Konrads III. in Bamberg berichten, ist von seiner Deutungshoheit beeinflusst [62]. Sicherlich war er nicht in der Position, haltlose Erfindungen zu verbreiten; so ist doch anzunehmen, dass bereits Informationen zirkulierten, was die Wahlvorbereitungen für Friedrich von Rothenburg oder den Plan, in Lorch bestattet zu werden, betrifft [63]. Wie ausgeführt, hatte Eberhard II. allerdings bessere Gründe, eine Empfehlung für Barbarossa weiterzutragen, als eine für Friedrich von Rothenburg. Ob also Konrad III. tatsächlich seinen Neffen auf dem Sterbebett dem eigenen Sohn vorzog, die Erzählung eine anderslautende Empfehlung Konrads kaschieren sollte und/oder Friedrich Barbarossa gar dem jungen Friedrich von Rothenburg den Thron gestohlen hat, wird zwar nie mit Sicherheit bestimmt werden können. Bei allen Varianten kommt aber Bischof Eberhard II. von Bamberg die entscheidende, bislang nicht in dieser Form gewürdigte, Rolle zu. Damit wird klar, worin der „kometenhafte Aufstieg des ‚Emporkömmlings‘“ [64] begründet war: Friedrich I. hatte Eberhard II. von Bamberg sein Königtum zu verdanken [65]. Seine Deutungshoheit über die letzten Stunden und Worte Konrads III. schuf erst die Voraussetzungen für alles Folgende und machte damit den gemeinsamen Aufstieg möglich.
Wird Eberhard II. von Bamberg als aktiv aus Sorge um sein Bistum Handelnder gedacht, ergeben sich für die Situation im Frühjahr 1152 mehrere neue Perspektivierungen: Zunächst wird der Aufstieg des Bamberger Bischofs in den Diensten Barbarossas besser erklärbar. Die bisher vorherrschende Sicht besagt, Barbarossa habe Eberhard spätestens beim Treffen an den Ufern des Mains von seinen Thronabsichten überzeugt und den im Königsdienst absolut Unerfahrenen dann direkt mit der Reise zum Papst zur Anzeige der Wahl betraut [66]. Im selben Zeitfenster wurde ihm die Abtei Niederaltaich übertragen – sollte es sich hierbei um die Gegenleistung für die Barbarossa genehme Bestattung Konrads III. in Bamberg handeln, muss der Aussage in Wibalds Briefwechsel zugestimmt werden, denn in diesem Falle hätte Eberhard sicherlich einen üppigen Lohn erhalten [67]. Wird Eberhard aktiv handelnd und mit der Deutungshoheit über den Tod Konrads III. vorgestellt, kann er sowohl die prestigeträchtige Reise nach Rom als auch die Schenkung ohne Weiteres gefordert haben, denn er hatte ein wertvolles Faustpfand.
Der dichtgedrängte Zeitplan Barbarossas wird darüber hinaus durch die vorgestellten Überlegungen möglicherweise etwas entzerrt. Eberhard könnte Barbarossa von Bamberg aus lediglich informiert und nicht ans Sterbebett gerufen haben. Ohne den Zwischenstopp in Bamberg ist nach dem Aufenthalt in Memmingen am 1. Februar der nächste Halt im Itinerar Friedrichs das Treffen an den Ufern des Mains am 19. Februar. Wenn die dazwischenliegenden Tage nicht mit einer Reise nach Bamberg und der Teilnahme an der Beisetzung Konrads III. verbracht wurden, bleibt mehr Zeit für die vorbereitenden Verhandlungen zur Wahl am 4. März. Darüber hinaus wird Barbarossas Abwesenheit in den Quellen zum Bamberger Hoftag leichter erklärbar, wenn man tatsächlich eine Abwesenheit attestiert.
Es müssen auch mögliche Auswirkungen auf eine nicht zu unterschätzende Detailfrage angesprochen werden: Jan Paul Niederkorn hatte auf die Möglichkeit verwiesen, Konrad habe im Angesicht des eigenen Todes tatsächlich wie bei Otto von Freising beschrieben seine Meinung über die Wahlchancen seines Sohnes Friedrich von Rothenburg ändern können. Es sei schließlich ein Unterschied darin zu sehen, ob ein Minderjähriger zu Lebzeiten seines Vaters zum Mitkönig oder kurz vor dem Tod zum Nachfolger erhoben wurde. Auf einer Grundsatzebene betrachtet und mit weiteren Fällen in Verbindung gebracht, ergeben sich hieraus wichtige Fragen und Folgerungen [68]. Von den hier vorgestellten Überlegungen ausgehend könnte es sich bei der von Otto von Freising Konrad III. in den Mund gelegten Begründung allerdings um den Versuch Eberhards II. handeln, einen für ihn nachteiligen Kandidaten aus dem Rennen zu nehmen. Dass die Aussage, verknüpft mit der Empfehlung für Barbarossa, so oder so erfolgreich war und damit Rückschlüsse erlaubt, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem Ausspruch eines Königs oder den Einschätzungen eines Bischofs.
Wird akzeptiert, dass Eberhard II. die Deutungshoheit über den Tod Konrads III. hatte und diese innerhalb gewisser Grenzen zu seinem eigenen und dem Vorteil seines Bistums nutzen konnte, lässt sich auch die Beschaffenheit der Überlieferung im Allgemeinen wie im Speziellen besser erklären: Die nahezu geschlossene Betonung der Empfehlung durch die zeitgenössischen Quellen steht hier dem Aufkommen kritischer Äußerungen im 13. Jahrhundert gegenüber [69]. Überspitzt könnte von einer Halbwertszeit der Deutungshoheit gesprochen werden. Auch die Darstellung bei Otto von Freising lässt sich in ihren Widersprüchen besser fassen, wenn dieser nicht als aktiv einen unüblichen Vorgang kaschierend [70], sondern als Empfänger und Weiterträger von Informationen vorgestellt wird. Schließlich war er weder in Bamberg anwesend, noch kann er widerspruchsfrei zum engsten Kreis Barbarossas gezählt werden. Allgemein zeigen die vorgestellten Überlegungen, wie sich die Kunde vom Tod des Herrschers im Hochmittelalter verbreitete und welche Handlungsspielräume und Gestaltungsmöglichkeiten sie eröffnen konnte. Schließlich ermöglichte die Deutungshoheit über einen Königstod im vorgestellten Fall sowohl den Aufstieg eines Herzogs zum König als auch den eines Bischofs zum einflussreichen Ratgeber.
© 2024 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Ökumenisches Kirchenrecht im Zerrbild historiographischer Erzählung
- Merovingian or Vendel Period?
- Alcuin als planender Architekt in York und Aachen *
- The Silent Succession of Riculf of Mainz ( d. 813 )
- Ego enim iter illud nec approbo nec inprobo
- Spin and Silence
- The Semantic Constellation of Byzantine asteiotēs
- Gebet als Kapital?
- Der gut strukturierte Tod
- Meinhard of Bamberg and Early Medieval Humanism
- Aufstieg durch Deutungshoheit
- The So-Called Ansbert, his ‘Historia de expeditione’ and Related Sources as a Research Problem *
- Königliche Friedensstiftung und Konsens
- Antizipation von Zukunft?
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