Abstract
The paper deals with the instruments the king of the Holy Roman Empire used to settle disputes between the princes and to create a consensus between the parties involved, as well as the king’s efforts to integrate the other princes into the solution. The focus lies on the period between 1150 and 1300, when the rulers were not only concerned with individual conflicts, but by means of the so called ‘Landfrieden’ fundamentally started to limit and sanction the use of violence and to develop court proceedings as the norm in settling disputes. If these proceedings based on consensus gained or lost significance, is the central question of the paper, which is explored by using two case studies. These are Frederick Barbarossa’s efforts to settle the conflict between Henry the Lion and Henry Jasomirgott and Rudolf of Habsburg’s endeavours to resolve the conflicts between the Landgrave of Thuringia and his relatives. On the one hand, the investigation of these case studies shows that the ‘Landfrieden’ moved from the end of the conflict settlement to its beginning and that the kings hardly sought the consensus of the other princes in their search for agreement between the parties involved in the dispute.
Wer von königlicher Friedensstiftung und Konsens spricht, kann Vieles und Verschiedenes in Erwägung ziehen. Hier und im Folgenden meint es zunächst einmal nichts anderes als das Bemühen mittelalterlicher Herrscher, einzelne Fürsten, Bischöfe, Adlige, Klöster oder später auch Städte miteinander auszusöhnen, und zwar im Konsens mit den Kontrahenten. Auch wenn einvernehmlichen Lösungen im Mittelalter stets der Vorrang gebühren sollte, stellten sie für den König nur eine Option zur Beilegung von Konflikten dar. Ebenso gut konnte er ein gerichtliches Urteil anstreben oder einen Streitfall dank seiner königlichen Autorität per Gebot schlichten. Die unterschiedlichen Verfahren standen nicht nur als Alternativen nebeneinander. Vielmehr bedienten sich die Herrscher ihrer auch in ein- und derselben Auseinandersetzung, und nicht immer gehörte dem Gerichtsurteil das letzte Wort [1].
Lange Zeit erschöpften sich die königlichen Friedensbemühungen vornehmlich darin, einzelne Konflikte zwischen den unterschiedlichen Kontrahenten zu lösen. Die Herrscher betrieben Friedensstiftung. Seit dem 12. Jahrhundert erweiterten sie jedoch das Spektrum der Handlungsweisen, mit denen sie ihrer Aufgabe nachkamen, für Frieden zu sorgen. Sie ordneten nunmehr sogenannte Landfrieden an und ließen sie beschwören. Damit stimmten die Fürsten und andere Adlige vielfältigen Regelungen zu, die die Anwendung von Gewalt und namentlich die bewaffnete Selbsthilfe bei Auseinandersetzungen in bestimmten Fällen unter Strafe stellten und den Gang vor Gericht grundsätzlich vorschrieben [2]. Das bedeutete zunächst einmal keinen Rückgang der königlichen Bestrebungen, Konflikte auf einvernehmliche Weise beizulegen [3]. Aber es verschaffte dem König neue Möglichkeiten, auf den Friedensprozess Einfluss zu nehmen. Da der Abschluss dieser Landfrieden das fürstliche Mitwirken ebenso verlangte wie ein Verfahren vor dem Königsgericht [4], stieg damit für den Herrscher die Chance oder Notwendigkeit, im Rahmen der Friedensstiftung den Konsens der Fürsten zu suchen. Damit aber gewinnt die Frage nach dem Verhältnis von Friedensstiftung und Konsens eine zusätzliche Dimension: die Einbindung der Fürsten in den Prozess der Friedensstiftung, der im Folgenden ebenfalls nachgegangen wird.
Diese Weitung des Blickfeldes scheint umso mehr geboten, als gerade das 12. und 13. Jahrhundert in den letzten Jahren als Höhepunkt einer konsensual ausgerichteten Herrschaftsweise apostrophiert wurden, um damit ältere Vorstellungen vom Dualismus zwischen Königtum und Fürstenmacht zurückzuweisen [5]. Und in der Tat wären die Landfrieden selbst ein gutes Beispiel, um das Bestreben der Könige, zunehmend die Zustimmung der Fürsten bei bestimmten Entscheidungen zu suchen, und deren Zusammenwirken mit den Fürsten auf dem Gebiet der Reichspolitik zu unterstreichen. Gefördert wurde die Suche nach einem Konsens mit den Fürsten auch durch deren Bestrebungen, sich als ‚Häupter des Reiches‘ selbst eine Verantwortung für die Geschicke des Reiches zuzuschreiben [6]. Auf der anderen Seite sollte man mit dem Begriff der konsensualen Herrschaft zumindest vorsichtig umgehen, da er allzu leicht die Bedeutung des Konkurrenzkampfes ausblendet, den die geistlichen und weltlichen Magnaten austrugen, um Einfluss auf den König zu gewinnen, der häufig nur einen kleineren Kreis von ihnen in seine Entscheidungen einband [7]. Auch steht weiterhin die Frage im Raum, für welche Entscheidungen und Handlungen der Konsens erforderlich war oder gesucht wurde und wie viele Fürsten überhaupt mitwirken mussten, damit man auch von einer konsensorientierten Herrschaftsform sprechen kann [8]. Und zum Dritten bedeutet der Begriff Konsens selbst Verschiedenes und Vieles, meint hier die Übereinstimmung, in der Entscheidungen getroffen werden, dort aber nur die Zustimmung zu Entscheidungen, die noch zu treffen sind oder getroffen wurden [9]. Vor diesem Hintergrund erscheint es dann durchaus sinnvoll, nicht nur nach der Bedeutung im Konsens gefundener Lösungen bei der königlichen Friedensstiftung zu fragen, sondern ebenso nach der Notwendigkeit für den König, dabei den Konsens der anderen Fürsten zu suchen.
Eine zugegeben vorläufige Antwort soll die Betrachtung zweier Fallbeispiele liefern. Das erste führt in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts, in die Zeit Friedrich Barbarossas, dessen gutes Verhältnis zu den Fürsten zuletzt häufig gerühmt wurde und der für die ersten Ansätze einer Landfriedenspolitik steht [10]. Das zweite befasst sich dann mit Rudolf von Habsburg, unter dem im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts die Rücksicht auf die Fürsten und die Zusammenarbeit mit ihnen einen ersten Höhepunkt erlebten, während der König zugleich den Landfrieden viel mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden ließ als seine Vorgänger [11].
I.
Zu den bekanntesten Beispielen königlicher Friedensstiftung im 12. Jahrhundert gehört das erfolgreiche Bemühen Friedrich Barbarossas, die Herzöge Heinrich den Löwen und Heinrich Jasomirgott auszusöhnen, von denen der erste sein Cousin und der zweite sein Onkel war [12]. Den Konflikt hatte der staufische König von seinem Vorgänger Konrad III. geerbt, der dem Vater Heinrichs des Löwen das Herzogtum Bayern entzogen und es seinem Halbbruder, dem Babenberger Leopold, übertragen hatte. Als dieser starb, fiel es wiederum an dessen Bruder Heinrich Jasomirgott. Heinrich der Löwe aber wollte nicht auf den ihm vorenthaltenen Teil seines Erbes verzichten und erhob bereits 1147 auf einem Hoftag Konrads III. Anspruch auf Bayern, eine Forderung, der Konrad III. auch in den nachfolgenden fünf Jahren nicht nachkam. Als sich Friedrich nach dem vorzeitigen Ableben seines Vorgängers zum König wählen ließ, überging er dessen minderjährigen Sohn. Das war nur mit der Unterstützung der einflussreichen Fürsten möglich gewesen, zu denen Heinrich der Löwe zählte. Wahrscheinlich hatte ihm Friedrich bereits vor seiner Wahl zugesagt, sich für dessen Erbansprüche einzusetzen [13]. In jedem Fall wurde der neue König schnell aktiv, um das Problem zu lösen. Dabei setzte er von Anfang an auf eine gütliche Einigung [14].
Schon im Oktober 1152 lud er beide Kontrahenten zu einem Hoftag nach Würzburg ein. Von den Herzögen kam aber nur einer, der aus Bayern blieb trotz mehrfacher Ladung zuhause [15]. Die offene Missachtung der königlichen Autorität zog keine weiterreichenden Konsequenzen nach sich. Noch zweimal folgte Heinrich Jasomirgott einer Ladung nicht, um ein Urteil im Königsgericht zu verhindern, ohne deshalb die Huld des Königs zu verlieren [16]. Erst im Sommer 1154 änderte der König sein Vorgehen. Er forderte beide Kontrahenten schriftlich auf, nach Goslar zu kommen. Das erneute Nichterscheinen Heinrich Jasomirgotts nahm er nun zum Anlass, ihm mit Hilfe eines Fürstenurteils das Herzogtum Bayern abzuerkennen und dem anderen Heinrich zuzusprechen. Barbarossa benötigte die Unterstützung Heinrichs des Löwen für seinen ersten Italienzug, der ihm die Kaiserkrönung bringen sollte. Und der wünschte offenkundig eine Vorentscheidung [17].
Aus Italien zurückgekommen, nahm der König im Herbst 1155 die Verhandlungen wieder auf. Er traf sich in der Nähe von Regensburg mit Heinrich Jasomirgott, um diesen zu einer einvernehmlichen Lösung zu bewegen [18]. Doch das informelle Treffen verlief ebenso ergebnislos wie eine spätere Zusammenkunft, zu der Heinrich Jasomirgott ihm nahestehende Fürsten als Mittelsmänner geschickt hatte [19]. Auf dem angekündigten Hoftag in Regensburg drehte Barbarossa erneut an der Zwangsschraube und setzte Heinrich den Löwen als Herzog in Bayern ein [20]. Doch die Kompromissbereitschaft seines Onkels ließ noch etwas auf sich warten. Es dauerte fast ein Jahr, ehe der Durchbruch gelang. Nach einem Vier-Augen-Gespräch erklärte sich Heinrich Jasomirgott schließlich bereit, auf Bayern zu verzichten, und sollte im Gegenzug die Mark Österreich, die seine Vorfahren besessen hatten, nunmehr aber als Herzog mit einer Reihe von Sonderrechten erhalten [21]. Diese gütliche Regelung wurde ein paar Wochen später im Zuge eines feierlichen Hoftags in Regensburg in rechtlich-rituelle Formen gegossen. Vor den Toren der Stadt gab Heinrich Jasomirgott das Herzogtum Bayern an den Kaiser zurück, der es mit den Fahnen an den Herzog von Sachsen weiterverlieh, der wiederum zwei Fahnen Barbarossa zurückerstattete, mit denen dann Heinrich Jasomirgott zum Herzog von Österreich gemacht wurde [22]. Zuvor war die ehemalige Mark durch ein Fürstenurteil in ein Herzogtum umgewandelt worden [23].
Betrachtet man das Vorgehen Friedrich Barbarossas, so erscheint es zunächst einmal als schönes Beispiel für den hohen Stellenwert, den die mittelalterlichen Herrscher der gütlichen Einigung zubilligten. Denn in der Tat sieht man im römisch-deutschen Reich schon vor dem Staufer immer wieder Könige, die sich bemühten, einen Streit zwischen zwei Fürsten einvernehmlich zu lösen [24]. Zugleich darf man allerdings nicht vergessen, dass Otto von Freising, dem man fast alle Einzelheiten verdankt, die Bemühungen so ausführlich darstellt, um die besondere Befähigung des Königs zur Befriedung des Reiches herauszustellen. Das geschah wohl auch in dem Bestreben, den Kaiser, in dessen Auftrag zu schreiben er gleich zu Beginn des Werkes festhielt, für sich einzunehmen, nachdem er von diesem, seinem Neffen, zunächst eher auf Distanz gehalten worden war [25]. Die Aufmerksamkeit, die der Freisinger Bischof den Geschehnissen widmete, erklärt sich offenbar auch aus dem Umstand, dass Heinrich Jasomirgott sein älterer Bruder war und der von Barbarossa herbeigeführte Ausgleich den Rang der eigenen Familie bestätigte und ihr wieder die kaiserliche Gunst verschaffte, die sie einst unter dessen Vorgänger besessen hatte. In jedem Fall mündet der Teil der Chronik, den Otto selbst verfasste, darin ein, Friedrich als Friedensbringer zu porträtieren und die Versöhnung zwischen den beiden Heinrichen als dessen Meisterwerk zu präsentieren. So beginnt der letzte Abschnitt des von Otto geschriebenen Teils der ‚Gesta Frederici‘ nicht nur mit dem Hinweis auf die Freude, die Friedrich empfand, als er den Streit zwischen den beiden Heinrichen friedlich beigelegt hatte, sondern kulminiert in dem Satz: „Von diesem Tage an bis zur Gegenwart lächelte dem ganzen transalpinischen Reich so heiterer Friede zu, dass man Friedrich nicht nur Kaiser und Augustus, sondern mit Recht auch Vater des Vaterlandes nennt. [26]“ Angestimmt wird dieses Loblied, das zugleich ein Deutungsmuster bildet, bereits mit der Darstellung der Thronerhebung Friedrichs, der nach Otto ja nicht zuletzt gewählt wurde, um die Staufer und Welfen miteinander zu versöhnen, was de facto nur dann friedlich gelingen konnte, wenn Heinrich Jasomirgott für die Restitution Bayerns gewonnen werden konnte [27].
Doch so sehr die Darstellung Ottos von Freising das Vorgehen Friedrichs überzeichnen mag, erscheint das Handeln, das er Barbarossa zuschreibt, keineswegs ungewöhnlich. Das beginnt schon mit der Geduld, die Friedrich Barbarossa gegenüber seinem widerspenstigen Onkel aufbrachte. Sie mag für Friedrich einzigartig gewesen sein. Aber sie entsprang den verwandtschaftlichen Bindungen an beide Herzöge [28]. Und in dieser Hinsicht war dann Friedrich doch nur ein Kind einer Zeit, in der Streit zwischen Familienangehörigen eine der stärksten Antriebsfedern für die Suche nach einer einvernehmlichen Streitbeilegung war [29]. Und auch die einzelnen Schritte, die Otto beschreibt, waren keinesfalls ungewöhnlich. Das gilt insbesondere für die enge Verzahnung von Verhandlung und gerichtlichem Urteil, die man im hohen Mittelalter immer wieder beobachten kann, wenn ein König Frieden zu stiften suchte [30].
Dabei offenbart sich nicht nur in diesem Fall die dienende Funktion der Gerichtsurteile, vor allem wenn man sich vergegenwärtigt, dass bei den rituellen Akten am Ende so getan wurde, als ob Heinrich Jasomirgott noch im Besitz Bayerns gewesen sei, obwohl man ihm das Herzogtum bereits abgesprochen und seinen Nachfolger eingesetzt hatte. Dennoch spielten die beiden Gerichtsurteile eine wichtige Rolle: Das erste, in Goslar gesprochen, sicherte Heinrich dem Löwen den beanspruchten Besitztitel und machte dem Onkel unmissverständlich klar, dass er auch alles verlieren könnte, wenn er sich nicht auf Verhandlungen einließe. Das Urteil schuf Recht, war aber noch nicht das letzte Wort in der Angelegenheit. Dementsprechend kam es dann auch erst zur Umsetzung des Urteils und der Einsetzung Heinrichs des Löwen, nachdem Friedrich Barbarossa nach seiner Rückkehr aus Italien zunächst selbst und dann über Mittelsleute mit seinem Onkel verhandelt hatte [31]. Dabei scheint die Einsetzung Heinrichs des Löwen in Bayern eine ähnliche Funktion wie das Goslarer Urteil eingenommen zu haben. Sie verwirklichte den Rechtsanspruch des sächsischen Herzogs, ohne deshalb aus der Sicht Barbarossas ein fait accompli zu schaffen. Möglicherweise ist es deshalb 1155 auch noch nicht zu einer Belehnung des Herzogs gekommen. Denn indem der Kaiser auf eine Fahnenübergabe verzichtete und es, wie Otto von Freising berichtet, bei einer Eidesleistung der bayerischen Großen gegenüber Heinrich dem Löwen beließ, konnte Friedrich seinem Onkel weiterhin Verhandlungsbereitschaft signalisieren [32].
Am Ende der Konfliktbeilegung stand dann erneut ein Gerichtsurteil in Form eines Fürstenspruchs. Allerdings diente dieses iudicium nur dazu, das schon einige Zeit vorab mit Heinrich Jasomirgott ausgehandelte consilium umzusetzen [33], indem es die Schaffung eines neuen Herzogtums rechtlich unanfechtbar machte und dem neuen Herzog von Österreich Sonderrechte zugestand, um den Ehr- und Rangverlust, den er durch die Aufgabe des bayerischen Herzogtums erlitten hätte, auszugleichen [34].
Auch wenn das erste in Goslar erfolgte Urteil, mit dem Heinrich Jasomirgott Bayern aberkannt wurde, einen Einschnitt im Verlauf der Konfliktbeilegung darstellte, verdeutlichte es nur, was ohnehin schon feststand: dass Heinrich der Löwe das Herzogtum Bayern zurückerhalten sollte [35]. Insofern vermittelte der König in diesem Konflikt auch nicht zwischen den Parteien, sondern sah seine Aufgabe darin, die Zustimmung des Onkels zu der schon getroffenen Entscheidung durch eine adäquate Entschädigung zu gewinnen. Auch in dieser Hinsicht agierte Barbarossa nicht untypisch, war dies doch das Geschäft der Personen, die als Friedensstifter oder Vermittler in den Quellen des hohen Mittelalters auftauchen [36].
Das galt auch für die Art und Weise, wie er die Fürsten an der Beilegung des Konfliktes beteiligte. Ins Spiel kamen diese zunächst einmal durch die zweimalige Einschaltung des Gerichts, da im Königsgericht Fürsten das Urteil fällten [37]. Welche Fürsten es im Einzelnen waren, kann man nicht genau sagen. Nach Regensburg waren 1156 vor allem Fürsten aus dem Süden des Reiches gekommen, und zwei Jahre zuvor in Goslar dürften vorwiegend norddeutsche Fürsten dem Gericht beigewohnt haben [38]. Letztlich aber nahmen die Fürsten auf diese Weise kaum Einfluss auf den Fortgang der Ereignisse. Es war Friedrich Barbarossa, der das Verfahren in Gang setzte und in Goslar Klage gegen seinen Onkel erhob, weil dieser seiner Ladung nicht Folge geleistet hatte. Und es war dann auch Friedrich Barbarossa, der sich Zeit ließ, das Urteil umzusetzen, um die Möglichkeit einer Verhandlungslösung über den Italienzug hinweg offenzuhalten. Und am Ende trat das Fürstengericht erst wieder zusammen, nachdem der Kaiser die einvernehmliche Lösung ausgehandelt hatte. Unter diesen Voraussetzungen erweiterten die Gerichtsurteile den Handlungsspielraum des königlichen Friedensstifters, der sie als Mittel zu einem gütlichen Ausgleich nutzte. Gerade weil Barbarossa bis zum Schluss eine gütliche Einigung anstrebte, blieb er Herr des Verfahrens und erreichte die Lösung des Konfliktes nicht von ungefähr bei einem persönlichen Gespräch mit Heinrich Jasomirgott [39].
Zugleich aber ließ der König einige Fürsten auch an seinen Bemühungen um einen Ausgleich teilhaben. So verhandelte er nach seiner Rückkehr aus Italien mit jenen, die seinem Onkel nahestanden, wobei insbesondere dessen Schwager, der böhmische Herzog Vladislav, und Albrecht der Bär zu nennen sind [40]. Es dürften diejenigen gewesen sein, die offen gemurrt hatten, als sie von der Absetzung Heinrich Jasomirgotts in Goslar gehört hatten [41]. Diese Fürsten jedenfalls akzeptierte Barbarossa als Unterhändler, die im Namen Heinrich Jasomirgotts mit ihm eine Lösung suchen sollten [42]. Zwar konnte man sich damals nicht einigen, aber diese Verhandlungen belegen das Ansinnen des Kaisers, die Verbündeten und Verwandten seines Onkels in den Friedensschluss einzubeziehen. Am Ende übertrug er dem Herzog von Böhmen sogar die Aufgabe, das Urteil der Fürsten zu verkünden, mit dem die Markgrafschaft Österreich zum Herzogtum erhoben wurde [43].
Schließlich spielten auch die bayerischen Großen für die Implementierung und Anerkennung der gefundenen Lösung eine wichtige Rolle. Denn einen Tag nach der Ernennung Heinrichs zum Herzog von Österreich ließ der Kaiser die anwesenden bayerischen Großen einen einjährigen Landfrieden schwören [44]. Nach den Worten Ottos von Freising sollte dieser Frieden ab Pfingsten des folgenden Jahres gelten; wahrscheinlicher ist, dass dem Chronisten hier eine Verwechselung unterlaufen ist und der Friede bis Pfingsten dauern sollte [45]. In jedem Fall stellte der in Regensburg beschworene Frieden den krönenden Erfolg der kaiserlichen Friedensbemühungen dar, hatte Barbarossa doch schon auf dem Rückweg aus Italien den Großen angekündigt, den Frieden in Bayern wiederherstellen zu wollen [46]. Praktisch gesehen dürfte der Frieden vor allem die Aufgabe besessen haben, Gewalt bei der Umsetzung des erzielten Ausgleichs zu vermeiden. Damit stand er in der Tradition jener Frieden, durch die die Herrscher schon seit der Jahrtausendwende immer wieder die Anwesenden zu einem zeitlich begrenzten Gewaltverzicht bewegt hatten [47]. Inwieweit der Friedenseid der Fürsten auch dazu dienen sollte, jenen allgemeinen, auf die Einschränkung bewaffneter Selbsthilfe zielenden Frieden, den Barbarossa bald nach seiner Erhebung in Ulm hatte beschließen lassen, für Bayern zu erneuern, lässt sich nicht sagen, da sich konkrete Bestimmungen nicht erhalten haben [48]. Wie dem auch sei, in jedem Fall war für die Absicherung des erzielten Ausgleichs die Mitwirkung der Großen vor Ort unverzichtbar.
Selbst wenn Barbarossa somit an den Eckpunkten der Konfliktbeilegung die Zustimmung einiger Fürsten suchte und erhielt, bestimmte er weithin das Procedere. Und das lässt sich auch für andere Streitfälle sagen, die er ebenso gütlich zu schlichten suchte. Ähnlich verfuhr er im Streit zwischen Heinrich dem Löwen und Albrecht dem Bären um das Winzenburger und das Plötzkauer Erbe, indem er das eine dem einen und das andere dem anderen zuwies [49]. Nicht anders söhnte er Otto von Freising mit dessen Bruder Heinrich Jasomirgott 1158 aus, und ebenso verfügte er eine gütliche Einigung zwischen seinem Onkel, dem Freisinger Bischof, und Heinrich dem Löwen im Konflikt um Zollrechte an der Isar zwar im Beisein einer Reihe von Fürsten, aber ohne deren Rat und Mitwirken [50]. Und in gleicher Weise löste Barbarossa im Jahre 1189 einen Streit zwischen dem Grafen Adolf von Schauenburg und der Stadt Lübeck. Er selbst grenzte ohne Mitwirkung der Fürsten die Rechte der Kontrahenten kraft königlicher Autorität voneinander ab, auch wenn er dann einige Fürsten aufbot, um das Rechtsgeschäft zu bezeugen [51].
Allerdings wäre es falsch, nun in Friedrich den freischwebenden Friedensstifter zu sehen, der nach politischer Opportunität die Fürsten an der Friedensstiftung beteiligte oder eben nicht. Zum einen bleibt festzuhalten, dass bestimmte Fürsten, vor allem die Verbündeten desjenigen, der eher mehr zu verlieren hatte, die Konfliktbeilegung torpedieren konnten, weshalb Barbarossa eben gerade mit den Parteigängern Heinrich Jasomirgotts verhandelte. Im Falle der Auseinandersetzung zwischen Albrecht dem Bären und Heinrich dem Löwen scheiterte der König bei seinem ersten Einigungsversuch, weil einige Fürsten Widerstand leisteten [52]. Darüber hinaus zeigte Barbarossa in anderen Fällen weniger Nachsicht als gegenüber Heinrich Jasomirgott und sah sich schneller in seiner königlichen Autorität herausgefordert, vor allem wenn es zur Anwendung von Gewalt gekommen war und damit einhergehend Klagen erhoben wurden. Dann mündete die Friedensstiftung schnell in der Verurteilung der Kontrahenten ohne den Versuch einer gütlichen Einigung, wie es der Pfalzgraf bei Rhein und der Kölner Erzbischof Weihnachten 1155 erfahren durften [53]. Und die Erfahrung machte auch Heinrich der Löwe, als er mit dem Kölner Erzbischof aneinandergeriet, mehrmals nicht vor Gericht erschien, der Kaiser ihn fallen ließ und ihm durch ein Fürstenurteil die Lehen aberkennen ließ [54]. In solchen Fällen sah sich auch Barbarossa genötigt, die Zustimmung vieler Fürsten zu suchen und herauszustellen, vor allem wenn er, wie im letzten Fall, Urteile dann militärisch umsetzen musste [55].
Kam es aber nicht zu Klagen und sah der König seine Majestät nicht missachtet, suchte er eine gütliche Einigung. Dabei benötigte er allein die Zustimmung einiger Fürsten, um Veränderungen in der Rechts- und Rangordnung herbeizuführen oder eben einen Landfrieden zu erlassen. Ansonsten konnte er in solchen Fällen weithin eigenständig agieren und entscheiden, ob und welche Fürsten er noch meinte einbinden zu müssen.
II.
Gut 80 Jahre nach dem Tod Friedrich Barbarossas wurde Rudolf von Habsburg zum König gewählt. Einiges hatte sich seither im Reich gewandelt. Mit Blick auf die königliche Friedensstiftung sind vor allem zwei Veränderungen von Belang, die sich bereits in der Zeit des Staufers angekündigt hatten, nun aber den Umgang mit Konflikten prägten. Zum einen erlebte das 13. Jahrhundert den Aufstieg der Schiedsgerichtsbarkeit, die sich neben dem Gang vor Gericht und der Vermittlung als ein eigenständiges, wenn auch mit diesen immer wieder verknüpftes außergerichtliches Verfahren zur Beilegung unterschiedlichster Konflikte etablierte [56]. Zugleich erfuhren die Landfrieden eine deutliche Aufwertung und Institutionalisierung. Der große Reichslandfrieden, den der Enkel Friedrich Barbarossas, Friedrich II., 1235 in Mainz verkünden ließ, wurde von den späteren Königen zu Beginn ihrer Regierung wiederholt verkündet und erneuert, wobei sie stets die Zustimmung der Fürsten akzentuierten [57].
Schon deshalb agierte Rudolf von Habsburg als Friedensstifter in einem anderen Umfeld als Friedrich I. Dennoch sind gewisse Parallelen und Kontinuitäten nicht zu übersehen. Rudolf verhielt sich nämlich bei einzelnen Konflikten, in die ihm sehr nahestehende Personen verwickelt waren, ähnlich geduldig wie der Staufer in der bayerischen Frage. Wiederholt versuchte er den heftigen Streit zwischen Meinhard II. von Tirol und dem Bischof Heinrich von Trient um Einkünfte, Gerichtsrechte und Burgen in Südtirol einvernehmlich beilzulegen. Immer wieder bemühte er sich um einen Ausgleich, wobei er den neuen Usancen gemäß am Ende auch als Schiedsrichter zwischen dem Grafen, dessen Tochter seinen Sohn Albrecht heiratete, und seinem einstigen Protonotar und späteren Gesandten an der Kurie tätig wurde [58]. Erst als der Bischof seinen Schiedsspruch nicht umsetzte, übertrug der König dessen Gegenspieler per Gerichtsbeschluss strittige Gebiete, deren Wert der für den Fall stipulierten Strafe entsprach [59]. Darüber hinaus trat Rudolf auch in anderen Konflikten gern als Schlichter auf und vermittelte etwa nach 1276 mehrmals in der Auseinandersetzung zwischen Herzog Heinrich von Bayern und dessen Bruder, dem Pfalzgrafen Ludwig II. [60] Dass er 1282 den Streit zwischen dem Mainzer Erzbischof und dem Landgrafen von Hessen als erwählter Schiedsrichter zu lösen suchte [61], weist dann aber schon wieder auf die inzwischen eingetretenen Veränderungen hin. Sie zeigten sich vor allem in der neuen und anderen Rolle, die nunmehr die Landfrieden für die königliche Friedensstiftung spielten [62].
Wie sich dieser Wandel auf die königliche Friedensstiftung auswirkte, sei hier beispielhaft an Rudolfs Bestrebungen vorgeführt, in den Jahren nach 1286 die gewalttätigen Auseinandersetzungen in Thüringen einzudämmen, die zu einem Gutteil durch die Konflikte zwischen dem Landgrafen Albrecht und dessen Söhnen und Neffen entfacht worden waren. Diese drehten sich vereinfacht gesagt um die angemessene Berücksichtigung der Söhne an der Herrschaft des Landgrafen und an seinem väterlichen Erbe, das ihm 1288 zufiel [63]. Die Kinder warfen dem Vater vor, ihr späteres Erbe zu verschleudern, vor allem als Albrecht seinen Anteil an der Markgrafschaft Meißen an seinen Neffen verkaufen wollte. Schließlich setzte der älteste Sohn Friedrich, seines Zeichens Pfalzgraf von Sachsen, den Vater einfach gefangen und zwang ihn zu einem Vertrag, in dem dieser ihm einen größeren Anteil an der Herrschaft in Thüringen zusagte [64].
Mit diesem Überfall auf den eigenen Vater hatte der Pfalzgraf deutlich gemacht, dass die von König Rudolf 1287 wieder aufgenommene Landfriedenspolitik an ihre Grenzen gekommen war [65]. Damals hatte der König den neu erhobenen Erzbischof von Mainz, Heinrich von Isny, nach Thüringen geschickt, um die vielen gewalttätigen Auseinandersetzungen einzudämmen. Und es war diesem immerhin gelungen, peu à peu die Zustimmung der Wettiner für den im Januar 1287 errichteten sechsjährigen Landfrieden zu erhalten, der auch von den Bischöfen von Naumburg, Merseburg und Meißen mitgetragen wurde [66]. Für die Umsetzung des allgemeinen Friedens sollte der Erzbischof anstelle des Königs sorgen. Doch dessen Ableben und der Tod von Albrechts Vater 1288 setzten den Bemühungen früh ein Ende, das spätestens mit dem erzwungenen Aufenthalt des Vaters auf der Burg des Sohnes offenkundig wurde. Vor diesem Hintergrund entschied sich Rudolf, selbst nach Thüringen zu ziehen und dort ein Jahr zu bleiben, um den Frieden wiederherzustellen. Dass er dabei eigene Interessen verfolgte und die Ansprüche des Reiches auf einen Teil des umkämpften Besitzes durchsetzen wollte, sei nicht verschwiegen [67], aber hier nicht weiterverfolgt.
Rudolf lud jedenfalls als erstes zu einem Hoftag nach Thüringen, zu dem sich eine Menge kirchlicher, aber auch weltlicher Fürsten einstellte. Selten war ein Hoftag so gut besucht worden [68]. Gleich zu Beginn ließ der König die Würzburger pax generalis, den allgemeinen Landfrieden von 1287, bekräftigen und übernahm selbst den Vorsitz im zu dessen Durchsetzung geschaffenen Friedensgericht, für das mehrere Beisitzer bestellt wurden [69]. Eine eigene Steuer wurde zudem für dessen Unterhalt erhoben [70]. Spätestens daran erkennt man, dass der Landfrieden nicht mehr wie zu Zeiten Barbarossas eine proklamierte Selbstverpflichtung des Königs und der Fürsten war, auf den gewaltsamen Austrag von Konflikten weithin zu verzichten, sondern eine neue, zusätzliche Form königlicher Gerichtsbarkeit mit sich brachte. Dabei konnten die Fürsten zum einen stellvertretend für den König aktiv werden, wie am Beispiel des Mainzer Erzbischofs gesehen, oder als Beisitzer eine Rolle spielen. Grundsätzlich agierte der König als oberster Richter und war für die Exekution der Urteile zuständig. Er konnte die damit verbundenen Aufgaben allerdings auch Landvögten respektive Ministerialen übertragen, wie bei der Abreise Rudolfs aus Thüringen geschehen [71].
Dabei richtete sich die Strafgewalt, die der König auf diese Weise ausüben konnte, allerdings kaum gegen die Fürsten. Die Zielscheibe waren vielmehr die kleineren Adligen und Burgherren, wie Rudolf kurz nach seiner Ankunft in Erfurt deutlich machte, als er in der Umgebung von Erfurt 29 sogenannte Räuber ergreifen, vor Gericht stellen und anschließend hinrichten ließ [72]. Ganz ähnlich ging der König drei Monate später vor und schickte eine Schar Ritter aus, um 66 Burgen zu zerstören, von denen aus Landfriedensbrecher ihr Unwesen getrieben haben sollen [73]. Indirekt wurde allerdings der Landfrieden auch gegen einzelne Fürsten eingesetzt. Erfahren musste dies der welfische Herzog Heinrich von Grubenhagen 1290, als sich der Erzbischof von Magdeburg, der Markgraf von Brandenburg und andere Fürsten, die ihn im Zuge seiner Auseinandersetzung mit der Hildesheimer Kirche belagerten, auf den in Erfurt verkündeten und auf Sachsen ausgeweiteten königlichen Landfrieden beriefen [74].
Vorwiegend aber nutzte Rudolf den Landfrieden gegenüber den Fürsten eher wie eine Drohgebärde, um sie zu animieren, ihre Konflikte gütlich mit und ohne seine Hilfe beizulegen. Dabei nahm er sich in vielen Fällen offenbar stark zurück und beschränkte sich darauf, die Konfliktparteien zu zweiseitigen Vereinbarungen zu bewegen, die sie dann vor ihm mündlich einzuhalten gelobten, was sie wiederum in Urkunden niederschreiben ließen, die er dann auch besiegelte. Zwischen dem Landgrafen Albrecht und seinem Neffen hat sich eine solche Abmachung denn auch erhalten [75]. Während in diesem Fall allein die Bestätigung der gütlichen Vereinbarung durch den König vorliegt, fehlt genau diese bei der Abmachung, die Albrecht mit seinem Sohn Friedrich traf, in der er ihm unter anderem versprach, ihm sein Fürstentum als Erbe zu erhalten. Hier ist nicht vom König die Rede, sondern allein von den getreuen Leuten, die zu der Vereinbarung geraten hatten [76]. Möglicherweise ist die entsprechende königliche Bestätigung verloren gegangen. In jedem Fall scheint Rudolf mit der Errichtung des Landfriedens und der Übernahme des Richteramtes vor Ort den Druck auf die Fürsten, Grafen und sonstige Getreue deutlich erhöht zu haben, gütliche Vereinbarungen zu schließen oder anzunehmen, wie weitere Vergleiche zeigen, die er damals etwa zwischen geistlichen und weltlichen Fürsten, aber auch zwischen Städten und Rittern auf den Weg brachte [77]. Dabei suchte und fand er hier und da auch die Unterstützung des Landgrafen, der zum einen einzelne gütliche Vereinbarungen selbst bezeugte [78] und zum anderen dem König bei der Zerstörung der 66 Burgen ein Aufgebot zur Verfügung stellte [79]. So gesehen war der König in Erfurt auch auf die Zusammenarbeit mit dem Landesherrn angewiesen, wie schon der Mainzer Erzbischof allein im engen Schulterschluss mit den Wettinern sein Friedenswerk meinte realisieren zu können [80].
Aufs Ganze gesehen aber gilt auch für Rudolf, was schon für Friedrich Barbarossa gesagt wurde. Die Suche nach gütlichen Vereinbarungen, das Bemühen um einen Ausgleich gewann seine Attraktivität gerade auch dadurch, dass die Fürsten nicht gebraucht wurden. Betrachtet man die Zeugenlisten der Urkunden, die aus den Schlichtungsbemühungen Rudolfs hervorgegangen sind, so finden sich dort eben seine engsten Vertrauten vom Burggrafen von Nürnberg über die Grafen Eberhard von Katzenellenbogen, Ludwig von Oettingen und Günther von Schwarzburg bis zu Gerlach von Breuberg [81]. Fürsten indes treten selten als Zeugen auf, mal zwei, dann wieder nur einer [82]. Selbstverständlich band der König den Landgrafen mit ein, nachdem er dazu beigetragen hatte, ihn mit dessen Sohn und dessen Neffen zu versöhnen. Und gerade bei besonders heiklen Konflikten, wie dem zwischen seinem Sohn Albrecht, dem späteren König, und dem Erzbischof von Salzburg, in dem er sich nach dem Scheitern der gewählten Schiedsleute als Obmann zu einer Entscheidung gezwungen sah, sicherte er sich dadurch ab, dass er sein Urteil mit einer Reihe von Fürsten, die mit dem Sohn zusammen nach Erfurt gekommen waren, abstimmte [83].
Aber letztlich spielten auch für Rudolf die Fürsten im Rahmen der königlichen Friedensstiftung nur eine untergeordnete Rolle, zum einen, weil die gerichtliche Klärung eher eine ultima ratio im Umgang mit den streitenden Fürsten darstellte und das Landfriedensgericht sich primär mit dem niederen Adel beschäftigte. Und zum zweiten stellten sich die Fürsten nur noch sporadisch bei Hofe ein [84]. Des Weiteren waren die Fürsten in der Zeit zwischen 1254 und 1272, als kein König im Reich regiert hatte, dazu übergegangen, die Konflikte miteinander durch Schiedsgerichte zu lösen [85]. Diese Praxis stellten sie auch mit dem Ende des Interregnums nicht ein und wurden von Rudolf sogar dazu ermuntert [86]. Insofern verzichtete nicht nur Rudolf auf die Fürsten, sondern die Fürsten auch auf Rudolf. Dass er aber auch selbst als Schiedsrichter auftrat, offenbart dann doch sein Bestreben, eigenständig die Konflikte lösen zu wollen. Denn in solchen Fällen ließ er sich fast immer allein zum Schiedsrichter berufen [87].
Scheint es auch vermessen, aus zwei Fallbeispielen Aussagen über die königliche Friedensstiftung in der Zeit zwischen 1150 und 1300 treffen zu wollen, so kann man doch mit der gebotenen Vorsicht ein paar Schlussfolgerungen ziehen. Zunächst einmal offenbart sich die gütliche Einigung über die Zeit hinweg als ein vom Herrscher gern genutztes Instrument der Friedensstiftung, dessen Einsatz den Rekurs auf Gerichtsurteile nicht ausschloss, die aber vornehmlich ihrer Durchsetzung oder Absicherung dienten. Der Gang vor Gericht zwang den König, andere Fürsten hinzuzuziehen, wobei er allerdings in der Wahl der Fürsten frei war. Insofern änderte der verfahrensrechtliche Zwang zur Zusammenarbeit nichts daran, dass politische oder friedenspolitische Motive über die Reichweite der Einbeziehung der Fürsten bestimmten, so wenn Friedrich Barbarossa die Verbündeten seines Onkels als Verhandlungsführer akzeptierte und beim Friedensschluss einen von ihnen besonders auszeichnete.
Auch wenn der Staufer bald nach seinem Regierungsbeginn einen allgemeinen Landfrieden verkündete und in Bayern nach der Beilegung des Streites zwischen den beiden Heinrichen einen einjährigen Landfrieden beschwören ließ, spielten dieser wie auch andere Landfrieden in seiner Zeit für die akute Beilegung der einzelnen Konflikte so gut wie keine Rolle [88]. Das war offenkundig anders bei Rudolf von Habsburg, der zu Beginn seiner Erfurter Friedensmission erst einmal mit den anwesenden Großen einen allgemeinen Landfrieden verkünden ließ, um besser Frieden stiften zu können, ein Vorgehen, das er im Übrigen auch schon 1281 in Franken an den Tag gelegt hatte [89]. Damit versetzte sich der König theoretisch in die Lage, die Fürsten, Grafen, Städte und adligen Herren für ihre Gewalttaten zu bestrafen, und baute so eine Drohkulisse auf, die die Neigung erhöhte, zu einer einvernehmlichen Lösung der Konflikte zu kommen. In gewisser Weise wanderte der Landfrieden vom Ende der Konfliktbeilegung an deren Anfang und brachte es mit sich, dass der König erst einmal die Fürsten vor Ort gewinnen musste. Rudolf brauchte also die Zustimmung der regionalen Fürsten und bekam sie auch in Erfurt, ja schon vorher, als er den Mainzer Erzbischof nach Thüringen entsandt hatte. Allerdings gilt auch hier wie bei den Gerichtsurteilen, die Barbarossa erbat: es ging darum, Zustimmung für eine Entscheidung zu gewinnen, die vorab getroffen war. Die Suche nach Übereinstimmung ( unanimitas ) blieb auf die Friedensstiftung begrenzt. In jedem Fall aber gilt für Rudolf von Habsburg wie für Friedrich Barbarossa, dass sie bei dieser Suche nach dem Konsens zwischen den Parteien am wenigsten den Konsens der übrigen Fürsten suchen mussten.
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