Die Letze Generation: Eine kritische Zwischenbilanz
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Dieter Rucht
Prof. Dr. Dieter Rucht ist ein emeritierter Soziologe, der mit dem Institut für Protest- und Bewegungsforschung und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung verbunden ist.
Zusammenfassung
Die Klimaaktivist*innen der „Letzten Generation“ polarisieren. Ein Teil der Bevölkerung befürwortet die provokanten Proteste, die vor allem auf die Maximierung medialer Aufmerksamkeit abzielen. Der andere Teil hält die Protestierenden für Fanatiker, die rücksichtlos und unter Missachtung geltender Gesetze ihre politischen Ziele durchsetzen wollen. Wie und warum ist die Letzte Generation (LG) entstanden und wie hat sie sich bis heute verändert? Sind ihre Forderungen und ihre Aktionsformen, die ganz auf zivilen Ungehorsam ausgerichtet sind, klug gewählt und politisch wirksam? Der Beitrag bietet eine kritische Zwischenbilanz. Die Leitthese lautet, dass die LG zwar dank ihrer Aktionen eine enorme mediale Beachtung gefunden hat, jedoch aufgrund des Zuschnitts ihrer Forderungen und Handlungen weiterreichende Wirkungschancen vergibt.
Abstract
The activities of the group „Last Generation” have polarized public opinion. As one segment of the society welcomes the provocative protest actions, which are tailored to maximize media attention, another has come to perceive the protesters as ruthless fanatics who seek to enforce their political goals by disobeying the law. How and why has the Last Generation emerged as such a controversial actor, and what transformations has it undergone since then? Are their claims and tactics well-chosen and politically effective? This essay provides a critical review of the Last Generation and its activities to date. It argues that the group has succeeded in creating significant media resonance with its actions. At the same time, the faulty design of demands and tactics has prevented the Last Generation from realizing its potential to make a difference.
About the author
Prof. Dr. Dieter Rucht ist ein emeritierter Soziologe, der mit dem Institut für Protest- und Bewegungsforschung und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung verbunden ist.
Literatur
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© 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Articles in the same Issue
- Frontmatter
- Editorial
- Neue Radikalität? Protest, Gewalt und ziviler Ungehorsam – Versuche einer Grenzziehung
- Aktuelle Analyse
- Die Letze Generation: Eine kritische Zwischenbilanz
- Themenschwerpunkt
- Vorschläge für eine situierte Forschungsperspektive auf Gewalt(freiheit) im Kontext sozialer Mobilisierung
- Paradigmatische Gräben: Zum Verhältnis von Protest- und Gewaltforschung
- (Il-)Legitime Proteste, (Il-)Legitime Polizeigewalt
- Die sogenannten Krawallnächte als Conjuncture: Wie gewaltvolle Ausschreitungen diskursiv ent- und repolitisiert werden
- Entgrenzung von Gewalt in autoritärer Herrschaft
- Pulsschlag
- „Wir haben keine Chance, aber wir nutzen sie“: Versammlungsfreiheit, Polizeigewalt und der umkämpfte Rechtsstaat in der juristischen Aufarbeitung von G20
- Über den demokratischen Gestus von Aktionen des zivilen Ungehorsams im Regime der Unruhe
- IPB beobachtet
- Ziviler Ungehorsam: Straftat oder legitimer Protest?
- Literatur
- Radikalisierung, relational gelesen
- Auf den Spuren des libertären Autoritarismus
- Umkämpfte Schuldenpolitik: Bewegungsforschung an der Schnittelle zwischen politischer Ökonomie und Kapitalismuskritik
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