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Forschungsdatenmanagement im Verbund weiterentwickeln – ein Einblick in das Projekt FDNext

  • Marie Theres Augsten

    Marie Theres Augsten

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    , Patryk Fischer

    Patryk Fischer

    , Janna Kienbaum

    Janna Kienbaum

    , Anna Lehmann

    Anna Lehmann

    , Sven Paßmann

    Sven Paßmann

    und Simon Schmiederer

    Simon Schmiederer

Veröffentlicht/Copyright: 9. September 2022
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Zusammenfassung

Im DFG-Forschungsprojekt FDNext arbeiten sechs Universitäten aus Berlin und Brandenburg zusammen, um im Verbund ein nachhaltiges institutionelles Forschungsdatenmanagement mit der Entwicklung verschiedener Tools für Fachbereiche, Rechtsberatung, Policies und Service Management auszubauen. In der dreijährigen Förderphase werden Werkzeuge und Konzepte für Fachbereiche, Rechtsberatung, Policies und Service-Management im engen Austausch mit Projektpartner*innen aus Fakultäten, Fachbereichen und der Forschung erarbeitet, (weiter-)entwickelt und abschließend mit Akteur*innen der bundesweiten FDM-Community evaluiert. In dem Artikel werden die sechs Arbeitsschwerpunkte und ihre Zwischenergebnisse nach Ablauf der ersten Hälfte der Projektlaufzeit vorgestellt.

Abstract

The DFG-funded research project “FDNext” is a regional network comprising six universities in Berlin and Brandenburg focusing on jointly developing different tools for academic departments, legal advice offices, policies and service areas to ensure sustainable institutional research data management. During the three-year funding phase, tools and concepts to address the special needs of different disciplines, legal advice services, policies and service management will be further advanced in close cooperation with partners from different faculties, disciplines and research groups, followed by an in-depth evaluation by the RDM community across Germany. The article presents the six special focus areas and preliminary results at the end of the first half of the current funding phase.

1 Einleitung

Forschungsdaten und ihre vielfältigen Funktionen sind ein grundlegender Aspekt im gegenwärtigen Digitalisierungsprozess der Wissenschaft. Digitale Forschungsdaten (FD) zum einen und (neue) digitale Methoden zum anderen erfordern eine qualifizierte Herangehensweise. Professionelles Forschungsdatenmanagement (FDM) ist dadurch zu einem wesentlichen Faktor für eine effektive, exzellente und nachhaltige Forschung geworden und ein Grundpfeiler für gute wissenschaftliche Praxis. Die Schaffung und Konsolidierung von Standards sowie der Verzicht auf Insellösungen bei gleichzeitiger Etablierung (über-)institutioneller Infrastrukturen ist essenziell für die Initialisierung eines nachhaltigen FDMs. Von einem erfolgreichen FDM kann gesprochen werden, wenn es integraler Bestandteil von Forschungsprozessen und Selbstverständlichkeit im Arbeitsalltag von Forschenden ist. Die Zuständigkeiten für eine kontinuierliche (Weiter-)Entwicklung und eine nachhaltige, also zeitlich dauerhafte und konsistente Organisation von FDM-Strukturen und -Tools liegen bei den zentralen Bereichen der Universitäten: Fachabteilungen der Servicezentren, Rechtsstellen, Bibliotheken, Medien- und Rechenzentren. Indes findet FDM vor allem institutionsübergreifend statt, in Fächer- und Datenkulturen der jeweils spezifischen Forschungsinteressen. Um diesen Sachverhalt angemessen zu unterstützen, muss FDM gemeinsam gedacht – d. h. organisationsübergreifend und zusammen mit den Fachdisziplinen entwickelt, konzipiert, umgesetzt, evaluiert und verbessert – werden.

Abb. 1: Die sieben Arbeitspakete des DFG-Verbundsprojekts FDNext.
Abb. 1:

Die sieben Arbeitspakete des DFG-Verbundsprojekts FDNext.

2 Die Arbeit des Projektes und Einblicke in die Arbeitsschwerpunkte

Wenn es darum geht, FDM vielfältig im Verbund (weiter) zu entwickeln, ergeben sich folgende Fragen:

  • Wie ist das Verhältnis von generischen Angeboten zu den funktionalen Interessen im Kontext der wissenschaftlichen Praxis?

  • Wie können Serviceeinrichtungen die wissenschaftliche Arbeit kooperativ unterstützen?

  • Wie skalieren die Serviceleistungen effektiv und gehen als integraler Bestandteil in den wissenschaftlichen Prozess ein?

Diesen Fragen begegnet das durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Verbundprojekt FDNext. Das im November 2020 gestartete Forschungsprojekt setzt an den beschriebenen Herausforderungen an und folgt damit den Empfehlungen der Hochschulrektorenkonferenz von 2015: „Um zu einem guten institutionellen FDM zu kommen, ist es notwendig, die Kompetenzen aller Akteurinnen und Akteure an der Hochschule weiterzuentwickeln“ (HRK 2015, S. 14). Sechs Universitäten aus Berlin und Brandenburg kollaborieren, um Strategien, Werkzeuge und digitale Tools, die ein nachhaltiges institutionelles FDM fördern, in enger Abstimmung mit der Scientific Community (weiter) zu entwickeln. In sieben Arbeitspaketen mit sechs inhaltlichen Schwerpunkten werden die Herausforderungen eines institutionellen FDMs ganzheitlich bearbeitet, indem Forschende, Zentral- und Infrastruktureinrichtungen der Universitäten, Fakultäten, Fachbereiche und Disziplinen sowie andere Forschungsstrukturen gezielt in die Entwicklung der Werkzeuge einbezogen werden.

Die Themenschwerpunkte (siehe Abbildung 1) werden dabei von je einer Partnerinstitution verantwortet. Nachfolgend werden die Zwischenergebnisse des Projekts im Kontext der jeweiligen Arbeitsschwerpunkte vorgestellt. Der Arbeitsschwerpunkt „FD-Communities und Koordination“ stellt die Vernetzung und Kommunikation der FDM-Akteur*innen im Mittelpunkt, verzichtet hier aber auf eine eigene Vorstellung, da es nicht inhaltlich zu den Projektzielen beiträgt.

2.1 Die sechs Arbeitsschwerpunkte des Forschungsprojekts FDNext

2.1.1 Disziplinspezifische FDM-Strategien in den Kognitions- und Bildungswissenschaften

Im Bereich FDM werden zunehmend Empfehlungen entwickelt, die disziplinspezifische Daten und Methoden sowie die damit verbundenen Herausforderungen in den Fokus nehmen – u. a. in den wissenschaftlichen Fachgesellschaften und DFG-Fachkollegien[1], den Konsortien der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI)[2] und der Arbeitsgruppe der Research Data Alliance (RDA) „Discipline-specific Guidance for Data Management Plans“[3]. Diese greift die Universität Potsdam in ihrem Arbeitsschwerpunkt zum disziplingerechten Umgang mit digitalen Forschungsdaten auf. Am Beispiel der Bildungs- und Kognitionswissenschaften ermittelt sie, welche bestehenden Tools, Leitlinien, Repositorien oder Datenformate den Forschenden an den Fachbereichen empfohlen werden können, um die Produktion, Publikation und Nutzung FAIRer[4] Daten zu fördern.[5]

Dazu wurde 2021 eine qualitative Bedarfserhebung in der Humanwissenschaftlichen Fakultät (HuWi) durchgeführt. Diese zeigte, dass der Anspruch, übergeordnete FD-Leitlinien mit deren praktischer Umsetzbarkeit im Forschungsalltag der Wissenschaftler*innen zu verzahnen, herausfordernd ist. Neben Zeit- und Personalmangel für das Management der Daten spielen fachbedingt v. a. datenschutzrechtliche Unsicherheiten bei personenbezogenen und neurophysiologischen Forschungsdaten eine zentrale Rolle. Ferner waren den Forschenden unterstützende domänenspezifische FDM-Dienste (z. B. das Dateiformat „Brain Imaging Data Structure“, der Dokumentationsdienst „DataWiz“ oder der Anonymisierungsdienst „QualiAnon“) bisher kaum bekannt.

Diesen Problemen wird von der HuWi durch Workshops und individuelle Beratungsgespräche begegnet. Mit einer Fokusgruppe primär aus Promovierenden[6] wird seit Beginn 2022 ein FDM-Serviceportfolio als angestrebtes Ergebnis des Arbeitsschwerpunkts zusammengestellt. Es umfasst folgende FDM-Hilfestellungen, an denen aktuell gearbeitet wird:

  • Einen domänenspezifischen Datenmanagementplan (DMP) für Forschende der Bildungs- und Kognitionswissenschaften im Research Data Management Organiser (RDMO)[7],

  • eine kuratierte Sammlung mit disziplinspezifischen FDM-Diensten und -Handreichungen,

  • Use Case-orientierte Dienst-Empfehlungen und Handreichungen zur Datendokumentation in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Psychologie, dem Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation sowie dem Verbund Forschungsdaten Bildung,

  • eine Sammlung von Empfehlungen zur Informierten Einwilligung und domänenspezifischen Ethikvorgaben,

  • Verweise auf disziplinspezifische FDM-Netzwerke und Portfolios wie dem Projekt DDP-Bildung[8] und dem QualidataNetwork.[9]

Das Portfolio dient als nachnutzbare FDM-Materialsammlung und ist als erweiterbares „living document“ zu verstehen. Es dient perspektivisch als ein Werkzeug, um mit Fachbereichen wie der HuWi zum Thema FDM und Open Science zu kooperieren. Das FDM-Serviceportfolio soll in der zweiten Projekthälfte gegen Anforderungskriterien geprüft und durch eine geeignete Kommunikationsstrategie in der Fakultät veröffentlicht werden. Anschließend wird ein Methodenkoffer zusammengestellt, der die Durchführung des ganzen Prozesses für andere Disziplinen und Hochschulen nachnutzbar macht.

2.1.2 Forschungsdaten-Policies für Forschungsprojekte

Ablesbar an der steigenden Zahl öffentlich zugänglicher Projekt-FD-Policies gewinnen Forschungsdaten-Policies für Forschungsprojekte derzeit an Bedeutung und finden zunehmend Verbreitung.[10] Auch Fachgesellschaften fordern, dass Verbundprojekte sich „eine spezifische Datenleitlinie geben, die die projektinterne Bereitstellung, Weitergabe und Nachnutzung von Daten sowie das Vorgehen bzw. die Konsequenzen bei Nichteinhaltung regelt.“[11]

Die Forschenden, die eine FD-Policy für ihr Projekt erstellen wollen, finden derzeit allerdings wenig Orientierung. Die veröffentlichten Beispiele sind in der Regel zu unterschiedlich, um als Vorlage für das eigene Projekt fungieren zu können, und es gibt bislang keinen ausführlichen Leitfaden zur Erstellung einer FD-Policy speziell im Projektkontext.

Der damit verbundenen Handlungsunsicherheit will die Technische Universität Berlin in ihrem Arbeitsschwerpunkt „Forschungsdaten-Policies für Forschungsprojekte“ begegnen, indem

  1. ein modularer FD-Policy-Leitfaden erstellt wird, mit dessen Hilfe Forschende eine FD-Policy für ihr Projekt erstellen können,

  2. die Inhalte des FD-Policy-Leitfadens in einen Online-Generator überführt werden, mit dem sich einfach und schnell eine FD-Policy für das eigene Forschungsprojekt erzeugen lässt.

Unsicherheiten bei der Erstellung einer FD-Policy für Forschungsprojekte gibt es auch dadurch, dass oftmals die Unterschiede zwischen zentralen Dokumenten in Forschungsvorhaben – Kooperationsverträgen, DMPs und Projekt-FD-Policies – nicht klar sind. Um dem entgegenzuwirken, wurden in einem ersten Arbeitsschritt die drei Dokumentarten analysiert, Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausgearbeitet und die Dokumente gegeneinander abgegrenzt.[12]

Der modulare FD-Policy-Leitfaden wird auf unterschiedlichen Quellen basieren. Mit Pilotpartner*innen aus Forschungsprojekten wurden Interviews zu ihren Bedarfen an Regelungsinhalten einer FD-Policy geführt. Ferner wurden veröffentlichte FD-Policies vergleichend ausgewertet. Darüber hinaus wurden die im Vorgängerprojekt FDMentor generierten Leitfäden und Schemata für institutionelle FD-Policies auf ihre Übertragbarkeit auf Projekt-FD-Policies untersucht. Auf dem FDNext-Workshop im April 2022 wurden die bisherigen Erkenntnisse zu den Inhalten einer FD-Policy für Forschungsprojekte mit Akteur*innen aus der FDM-Community diskutiert. Der FD-Policy-Leitfaden für Forschungsprojekte soll im Spätsommer 2022 veröffentlicht werden.

Im weiteren Projektverlauf wird der Online-Generator entwickelt und in einer Beta-Version Ende 2022 fertiggestellt. Diese soll Anfang 2023 durch die Pilotpartner*innen einem Usability-Test unterzogen werden. Die finale Version des Online-Generators wird publiziert, dokumentiert und zur Nachnutzung zur Verfügung gestellt.

2.1.3 Service-Management im FDM mit der Konzeption eines Referenzmodells

Die massiven Änderungen des Wissenschaftsbetriebs, ausgelöst durch Digitalisierung und verstärkte Nutzung digitaler Services und Dienste, äußern sich auch in einer geänderten Arbeitsweise von Infrastruktureinrichtungen wie Rechenzentren, Bibliotheken und anderen (FDM-)Serviceeinrichtungen.[13] Um ihre Forschenden optimal bei Forschungsprozessen zu unterstützen, müssen diese Einrichtungen das eigene institutionelle FDM regelmäßig evaluieren, sodass Services und Dienste auf Grundlage dessen kontinuierlich weiterentwickelt werden können. Besonders für Rechenzentren, aber auch für andere Einrichtungen, die digitale Dienste für Forschende bereitstellen, empfiehlt sich die Nutzung eines Referenzmodells zur Bewertung des eigenen FDM-Serviceangebots.[14]

Die Humboldt-Universität zu Berlin befasst sich in ihrem Arbeitsschwerpunkt „FD-Serviceportfolios für Dienstleister“ mit der Konzeption eines Referenzmodells aus der Perspektive dieser dienstleistenden Einrichtungen. In einem ersten Schritt wurden ausgewählte bestehende Referenzmodelle vergleichend analysiert mit dem Ergebnis, dass keines der analysierten Modelle eine vollständige Bewertung des institutionellen FDMs in universitären Forschungseinrichtungen ermöglicht.[15]

In einem zweiten Schritt wurde mit Hilfe einer Onlinebefragung, die sich gezielt an Mitarbeitende der Infrastruktureinrichtungen richtete, erhoben, wie diese Einrichtungen arbeiten, was ihre Bedarfe sind und welche FDM-Prozesse mit digitalen Tools unterstützt werden. Obwohl einige Einrichtungen dem Thema FDM bereits seit zehn Jahren begegnen, ließ sich feststellen, dass die Diskrepanz zwischen den Angeboten der Einrichtungen und den Bedarfen der Wissenschaft noch nicht aufgelöst werden konnte. Beide Teilergebnisse – die Analyse von Referenzmodellen und die Onlinebefragung – bilden die Basis zur Entwicklung einer übergreifenden Betrachtung für das im Projekt FDNext zu entwickelnde Referenzmodell.

Bereits jetzt ist deutlich geworden, dass es – je nach Schwerpunktsetzung der Infrastruktureinrichtungen – zahlreiche FDM-Handlungsfelder gibt, die in dem Referenzmodell abgebildet werden sollen. In einem dritten Schritt sollen diese Handlungsfelder identifiziert und systematisiert werden. Als Ergebnis entsteht anschließend eine Template-Sammlung, die flexibel von dienstleistenden Einrichtungen genutzt werden kann.

Der finale Schritt in der Entwicklung eines Referenzmodells für das institutionelle FDM an universitären Infrastruktureinrichtungen ist die Evaluation des entwickelten Modells sowie aller vorläufiger Ergebnisse in enger Zusammenarbeit mit den Verbund- sowie Projektpartner*innen.

2.1.4 Konzepte und Kompetenzen für Forschungsdaten-Rechtsberatung

Die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) erarbeitet in ihrem Arbeitsschwerpunkt „Konzepte und Kompetenzen für FD-Rechtsberatung“ das Konzept für einen rechtlichen First-Level-Support durch FDM-Personal aus Bibliotheken, Rechenzentren und aus dem Bereich Forschungsförderung (u. a. Forschungsdatenmanagement) als erste Beratungsstelle für Forschende zu rechtlichen Fragen. Hierfür werden Handreichungen und Empfehlungen zu den strukturellen, professionellen und organisatorischen Voraussetzungen für einen rechtlichen First-Level-Support erstellt sowie, in enger Zusammenarbeit mit anderen Projektmitarbeitern*innen, Leitlinien zum Aufbau von Rechtskompetenz beim FDM-Personal entwickelt.

Zunächst erfolgte die Erhebung vorhandener rechtlicher Beratungsangebote und -strukturen im universitären FDM. Dafür wurde eine Umfrage unter Mitarbeitenden der Projektpartner-Universitäten durchgeführt. Im Ergebnis[16] ließ sich, ausgehend von den Antworten der Mehrheit der Teilnehmenden, u. a. festhalten, dass an den Universitäten eine rechtliche Beratung im Bereich FDM hauptsächlich durch die/den Datenschutzbeauftragte/-n, dicht gefolgt vom Bereich Forschungsförderung, erfolgt. Die zentralen Gebiete der rechtlichen Fragen betreffen insbesondere die Themenbereiche Lizenzierung, Datenschutz, Urheberrecht und Persönlichkeitsrecht sowie die Bereiche Förderbedingungen, Langzeitarchivierung und Repositorien.

In einem weiteren Schritt wurde, zunächst im Rahmen einer Pilotstudie, das juristische Qualifikationsprofil des in der rechtlichen Beratung an Bibliotheken, Rechenzentren und dem Bereich Forschungsförderung in Universitäten tätigen FDM-Personals erhoben. Hierfür wurde eine Befragung von FDM-Personal an zwölf Universitäten in Deutschland durchgeführt.

Als Ergebnis der Befragung konnte u. a. festgehalten werden, dass alle in der rechtlichen Beratung tätigen Personen ein abgeschlossenes Hochschulstudium haben. Davon haben 20,93 Prozent der Berater*innen promoviert, und 2,32 Prozent der Personen führten einen Titel als Professor*in. Die Mehrheit des in der rechtlichen Beratung tätigen FDM-Personals hatten keine juristische Ausbildung. Die Qualifikationsprofile des FDM-Personals gestalteten sich sehr unterschiedlich, insgesamt umfassten sie sechzehn verschiedene Fachrichtungen.

Aktuell wird eine umfassende Untersuchung zum juristischen Qualifikationsprofil des in der rechtlichen Beratung an Bibliotheken, Rechenzentren und dem Bereich Forschungsförderung in deutschen Universitäten tätigen Personals durchgeführt. Sie wird durch eine Analyse von Stellenausschreibungen für rechtlich beratendes FDM-Personal ergänzt. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend Aufgabenfelder eines rechtlichen First-Level-Supports im FDM entwickelt und Vorschläge für seine Anbindung an universitäre Zentralstellen erarbeitet.

2.1.5 Konzeption eines Multiplikator*innen-Trainings für den Fachbereich Psychologie

An den (außer-)universitären Forschungseinrichtungen zeichnete sich in den letzten Jahren ein deutlich wachsender Bedarf an Trainings-Angeboten für nachhaltiges FDM mit entsprechender Didaktik ab. Die Erarbeitung solcher Kompetenzentwicklungsangebote generischen Zuschnitts konnte u. a. 2019 im abgeschlossenen Vorhaben FDMentor erbracht und seither mit einer Vielzahl von Train-the-Trainer-Workshops[17] umgesetzt werden. Gleichzeitig ließ sich ein zunehmender Bedarf an fachspezifischer Ausdifferenzierung solcher Angebote beobachten, dem mit der exemplarischen Weiterentwicklung des Train-the-Trainer-Konzepts für eine Fachdisziplin entsprochen werden soll.

Als modellhaft geeignet erschien in diesem Zusammenhang die Psychologie, deren Fachgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs), seit 2016 Empfehlungen für den Umgang mit Forschungsdaten formulierte, und diese zuletzt 2020[18] noch einmal überarbeitete. In den Curricula noch kaum verankert, kann jedoch die Entwicklung und Umsetzung sogenannter Multiplikator*innen-Trainings zum Umgang mit Forschungsdaten dem Bedarf der Fachdisziplin Rechnung tragen (allein über 100 Forschungseinrichtungen beschäftigen sich mit psychologisch relevanten Fragestellungen).

Eine 2021 innerhalb des Arbeitsschwerpunkts der Freien Universität Berlin deutschlandweit unter 106 Psycholog*innen erhobene Bedarfsanalyse[19] ergab vor allem in den Bereichen Datenschutz und Umgang mit (personenbezogenen) Daten (z. B. Anonymisierung, Zugriffsklassen, Codebooks) eine verstärkte Nachfrage nach spezifischen Trainingsangeboten. Des Weiteren formulierten die Befragten die sehr uneinheitlichen Dokumentationsvorgaben seitens der Institute und Arbeitsgruppen, heterogene Datenformate in vielen Forschungsprojekten und mangelnde Kenntnisse über adäquates FDM (z. B. Publikationen, Datenmanagementplan, Leitlinien, Didaktik) als größte Herausforderungen. Ein entsprechendes Trainingsangebot muss zudem der Bandbreite psychologischer Forschung, wie bspw. quantitative vs. qualitative Daten, klinischer Kontext vs. Grundlagenforschung, oder der Bandbreite (neuro-)physiologischer Datenformate Rechnung tragen.

Basierend auf den Ergebnissen der Bedarfsanalyse werden 2022 Lernziele und -inhalte für ein Psychologie-spezifisches Train-the-Trainer-Programm ausgearbeitet und – sowohl in Online- als auch in Präsenzformaten – umgesetzt. Dies geschieht aufgrund der thematischen Überschneidungen in Kooperation mit den Arbeitspaketen eins und sechs. Die aufeinander abgestimmten Strategien, Methoden, Tools und Best/Worst Practice-Beispiele werden sowohl in frei zugänglichen Repositorien als auch in der Zenodo-Community von FDNext zur Verfügung gestellt. Auf dieser Basis können im Anschluss Empfehlungen für weitere fachspezifische Programme ausgearbeitet und publiziert werden.

2.1.6 Selbstgesteuertes Lernen: Inverted Classroom in FD-Trainings

In Zeiten rasanten Wandels durch Digitalisierung und Globalisierung wird das lebenslange Lernen immer relevanter. Nicht mehr nur das Wissen und die Informationen an sich sind es, die angeeignet werden wollen, sondern auch das Lernen selbst. Eigeninitiative, Selbststeuerung und Individualisierung werden auch in der Aus- und Weiterbildung von FDM-Personal hohe Stellenwerte beigemessen. Die Entwicklung von Zukunftskompetenzen implementiert die Eigenverantwortung für den Lernprozess ebenso wie die Möglichkeiten, (selbst-)reflexiv zu denken und sich agilen Strukturen individuell anpassen zu können[20].

Diesen Ansprüchen an Lernende von heute und „Arbeitnehmende der Zukunft“ möchte die Brandenburgisch-Technische Universität Cottbus-Senftenberg in ihrem Arbeitsschwerpunkt „Blended Learning für FD-Trainings“ gerecht werden, um dem wachsenden Bedarf an qualifiziertem FDM-Personal in Institutionen, Forschungsprojekten und im Rahmen der NFDI Rechnung zu tragen. Ziel ist die Weiterentwicklung des Train-the-Trainer-Lernangebotes zum FDM[21] in Form eines Blended Learnings (Inverted Classrooms), das selbstgesteuertes Lernen[22] ermöglicht. Das Programm orientiert sich an sechs Lehrzielen und gibt (zukünftigen) FDM-Trainer*innen die Möglichkeit, eigene fachdidaktische Weiterbildungskonzepte zu erarbeiten und mit der Community zu reflektieren.

Zur Gestaltung eines selbstgesteuerten Lernangebotes werden bestehende und selbst entwickelte Lerninhalte für FD-Trainings zusammengetragen und in Form des Inverted Classrooms[23] zur Verfügung gestellt. Durch die Überführung in ein Blended Learning-Format kommen die Vorteile beider Lernformate (Präsenz- und Online-Lehre) zum Tragen[24]. Durch onlinebasierte, modularisierte Lerneinheiten werden Orts- und Zeitunabhängigkeit geschaffen und die Vielfalt von Lerntypen und Vorwissen berücksichtigt. Veranstaltungen in Präsenz dienen der Etablierung einer sozialen Community sowie dem Austausch, der Diskussion und Reflexion.

In der ersten Projektphase wurden zunächst verfügbare Inhalte und Materialien, etwa das Train-the-Trainer-Konzept zum FDM, Online-Lernangebote wie die HeFDI Data Learning Materials[25], der MANTRA Online Course sowie weitere frei verfügbare und nachnutzbare Trainingsmaterialien aus dem deutschsprachigen Raum analysiert. Im Anschluss daran wurde die didaktische Grob-[26] und Feinkonzeption vorgenommen und im engen Austausch mit der FDM-Community evaluiert[27].

Der Kurs setzt sich aus synchronen und asynchronen Lern- und Arbeitsphasen über einen Zeitraum von vier Wochen zusammen (siehe Abbildung 2). Als primäre Zielgruppe werden Personen betrachtet, die in ihrem Arbeitsbereich Grundlagen zum FDM vermitteln wollen, wie bspw. Forschende unterschiedlicher Fachdisziplinen und Third-Space[28]-Mitarbeitende. Hauptziel des Kurses ist es, neben dem Erwerb generischen FDM-Wissens ein eigenes Konzept zum FD-Training je Teilnehmer*in zu erstellen, dies gemeinsam mit den Coaches und der Lern-Community zu diskutieren und in Teilen zu erproben. Ergänzend werden der Lernprozess und Methoden kontinuierlich reflektiert. Die Lehrinhalte stehen als Angebote modular zur Verfügung und setzen sich aus Grundlagen des FDM inkl. rechtliche und ethische Implikationen, Didaktik und fachspezifischen Vertiefungen zusammen. Der gesamte Kurs wird als interaktives Lern-Angebot begriffen und im Rahmen der Selbstlern- und Arbeitsphasen (siehe Abbildung 2) entsprechend der individuellen Bedürfnisse genutzt.

Abb. 2: Struktur des Train-the-Trainer Lernangebotes im Blended Learning-Format.
Abb. 2:

Struktur des Train-the-Trainer Lernangebotes im Blended Learning-Format.

Eine weitere Besonderheit stellt die eingesetzte Methode des digitalen Geschichtenerzählens (Storytelling)[29] dar. Im Rahmen des Train-the-Trainer-Lernangebotes werden virtuelle Teammitglieder eines interdisziplinären Projektes interaktive Lernbegleitende. Sie berichten von ihren Erfahrungen und Herausforderungen und stellen (fachspezifische) Lösungsansätze vor.

In der aktuellen Projektphase wird an der Umsetzung der Lernmaterialien zur Implementierung im Lernmanagementsystem Moodle(TM) gearbeitet[30]. Die Fertigstellung des Pilotkurses ist zum Jahresende 2022 geplant und wird durch einen iterativen Evaluationsprozess begleitet.

3 Ein erster Workshop: Nachhaltiges Forschungsdatenmanagement gemeinsam denken

Die in FDNext zu entwickelnden Werkzeuge können nur dann zu einem nachhaltigen FDM beitragen, wenn ihre Entwicklung in einem intensiven Austausch mit der Scientific Community erfolgt. Was aber bedeutet es, gemeinsam an nachhaltigen FDM-Strukturen zu arbeiten? Der regelmäßige Austausch im Projektverbund und darüber hinaus mit Forschenden ist hierfür obligatorisch. Deswegen organisierten die FDNext-Projektmitarbeitenden am 5. April 2022 einen Workshop mit Akteur*innen der FDM-Community unter dem Leitmotiv: Nachhaltiges Forschungsdatenmanagement gemeinsam denken[31].

Der Workshop belegte mit über 100 Teilnehmenden das breite Interesse aus der Community u. a. an den eingangs formulierten Fragestellungen, die ausführlich in den Diskussionen und Arbeitssessions adressiert wurden. Eine große und erstgenannte Hürde bei der gemeinsamen Erarbeitung nachhaltiger FDM-Strukturen ist die Kommunikation zwischen den heterogenen Akteur*innen. Aktuell findet dieser Austausch vor allem innerhalb einer Institution oder aber in regionalen FDM-Verbänden und damit nur partiell statt. Dabei ist eine Kommunikation und somit auch Zusammenarbeit von Zentraleinrichtungen auf überinstitutioneller Ebene essenziell für den Aufbau eines nachhaltigen FDMs. Hier kommt es weniger auf die Wahl oder gar Neuentwicklung digitaler Tools an, sondern auf einen offenen Austausch vorhandener Expertise. Wesentlich für ein erfolgreiches FDM ist eine proaktive, persönliche Kommunikation zwischen den FDM-Akteur*innen und den Forschenden. Bedarfserhebungen etwa, wie sie an einigen Institutionen durchgeführt werden, können um individuelle Unterstützungsangebote erweitert werden. Um die Praktiken des FDMs als Selbstverständlichkeit im Forschungsalltag zu verankern, sollten „Top-Down“-Strategien (wie FD-Richtlinien) an der konkreten (disziplinspezifischen) Praxis der Forschenden orientiert werden. Serviceeinrichtungen nehmen eine Schlüsselrolle ein, wenn es darum geht, Forschende für das Thema zu sensibilisieren und Grundlagen zu vermitteln. Eine weitere Möglichkeit ist, gemeinsam mit den Verantwortlichen das FDM zum Gegenstand der Lehre zu machen, indem es im Curriculum, in Studienkommissionen und Promotionsordnungen fest verankert wird.

Ein holistischer FDM-Support ist und bleibt Mittelpunkt nachhaltiger FDM-Strukturen, lautet ein weiterer gemeinsamer Konsens des Workshops. Dieser Support könnte stufenweise (z. B. auf Ebene der IT, FD-Dienste oder Beratung) erfolgen, um sich so an die sehr heterogene Zielgruppe, die je nach Kontext differenziert werden muss, auch langfristig anzupassen. Für einige Themen ist es zudem sinnvoll, einen eigenen First-Level-Support als zentrale Anlaufstelle für Forschende einzurichten, bspw. wenn es um rechtliche Fragestellungen geht. Um diesen vielfältigen Ansprüchen gerecht zu werden, ist eine Konzeptionierung entlang von Fallbeispielen vielversprechend. Mit Hilfe von anwendungsbezogenen Beispielen lassen sich die diversen Divergenzen des FDMs in Leitlinien festschreiben.

Weiterhin wurde im Rahmen des Workshops deutlich und von allen Akteur*innen der Community bestätigt, dass das FDM eine direkte Folge der Digitalisierung der Wissenschaft ist und die Fülle an digitalen Tools, Werkzeugen, Services und Diensten daher gleichermaßen nachvollziehbar wie herausfordernd sei. Universitäre Zentraleinrichtungen stehen zunehmend vor der Aufgabe, gezielt disziplinspezifische Dienste (neu) anzubieten, ohne ihre Forschenden mit digitalen Werkzeugen zu überfluten. Die oben beschriebene überinstitutionelle Zusammenarbeit der Einrichtungen ist dabei ein entscheidender erster Schritt, um diesem Anspruch zu begegnen. Zusätzlich können vorhandene Angebote, Handreichungen und Werkzeuge analysiert, nachgenutzt und für eine breite Verwendung aufbereitet werden. Für eine für die Serviceeinrichtungen ressourcensparende Arbeitsweise empfiehlt sich die Modularisierung von Diensten, Formulierungen sowie Lerneinheiten durch ein übergreifend etabliertes Service-Management.

Auch wenn der FDNext-Workshop nur Teilaspekte beleuchten konnte, zeigten sich die besonders diskussionswürdigen Desiderate des institutionellen, nachhaltigen FDMs sehr deutlich. Das Wissen über diese Herausforderungen ist der erste Schritt zu deren Bewältigung.

4 Ausblick

In der aktuellen, ersten Projektphase sollen die zu erarbeitenden Werkzeuge und Konzepte bis Jahresende 2022 umgesetzt, auf Konferenzen vorgestellt sowie in Workshops[32] evaluiert werden. Anschließend werden die Ergebnisse auf weitere Fächer und Disziplinen adaptiert und in bundesweiten Kooperationen[33] erprobt. Zusätzlich soll in der zweiten Phase durch die Verbundarbeit ein FDM-Kompetenzzentrum für Serviceeinrichtungen gebildet werden.

Ein Projektziel für ein gemeinsames, nachhaltiges FDM besteht darin, dass sich die entwickelten Konzepte durch eine Anschlussfähigkeit an künftige Strukturen wie die NFDI auszeichnen. Auch andere nationale Kooperationen, etwa mit der RDA Deutschland, sind essenziell für die Beantwortung der Forschungsfragen. Darüber hinaus wird eine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene, bspw. mit FOSTER, GO FAIR oder OpenAIRE, aktiv gefördert und ist zentraler Bestandteil von FDNext.

Der Projekt-Policy[34] folgend werden die genutzten und generierten Forschungsdaten sowie die gewonnenen Ergebnisse frei und für alle offen zugänglich unter einer CC BY-Lizenz veröffentlicht. Die Publikationen sind zum Projektende vollständig über Zenodo in der FDNext-Community[35] abrufbar.

5 Abkürzungsverzeichnis

DMP – Datenmanagementplan

FDM – Forschungsdatenmanagement

FD – Forschungsdaten

NFDI – Nationale Forschungsdateninfrastruktur

RDA-DE – Research Data Alliance Deutschland

RDMO – Research Data Management Organiser

SFB – Sonderforschungsbereich

About the authors

Marie Theres Augsten

Marie Theres Augsten

Patryk Fischer

Patryk Fischer

Janna Kienbaum

Janna Kienbaum

Anna Lehmann

Anna Lehmann

Sven Paßmann

Sven Paßmann

Simon Schmiederer

Simon Schmiederer

Published Online: 2022-09-09
Published in Print: 2022-09-06

© 2022 Marie Theres Augsten et al., publiziert von De Gruyter.

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