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Zwischen Desinteresse und innenpolitischem Signaling – Die „Friedensstatue“ in Berlin in der japanischen Presse

  • Dorothea Mladenova ORCID logo EMAIL logo
Veröffentlicht/Copyright: 15. Oktober 2025
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Abstract (Deutsch)

Dieser Beitrag beleuchtet die Berichterstattung zur „Friedensstatue“ in Berlin in drei japanischen Tageszeitungen (Asahi Shinbun, Mainichi Shinbun und Sankei Shinbun) sowie auf der News-Aggregator-Seite Yahoo! News. Damit soll untersucht werden, welche Informationen zur Statue in der japanischen Öffentlichkeit verbreitet und welche Interpretationen der Ereignisse nahegelegt werden. Mit Hilfe einer qualitativen Analyse kann so gezeigt werden, dass in der japanischen Öffentlichkeit die Friedensstatue überwiegend als ein binationales, diplomatisches Problem zwischen Japan und Südkorea dargestellt wird. Fragen der Frauen- und Menschenrechte sowie der deutschen Erinnerungskultur im postmigrantischen Kontext finden in den untersuchten Presseartikeln im Zusammenhang mit der Statue keine Beachtung.

Abstract (Englisch)

This paper examines the coverage of the “Statue of Peace” in Berlin in three Japanese newspapers (Asahi Shinbun, Mainichi Shinbun and Sankei Shinbun) and on the news aggregator site Yahoo! News. The aim is to examine what information about the statue is disseminated among the Japanese public and what interpretations of the events are suggested. With the help of a qualitative analysis, it can be shown that in the Japanese public, the Statue of Peace is predominantly presented as a binational, diplomatic problem between Japan and South Korea. Issues of women’s and human rights as well as German memory culture in the post-migrant context are not considered in the examined press articles.

1 Einleitung[1]

Als am 28. September 2020 im Stadtteil Moabit in Berlin-Mitte eine vom südkoreanischen Künstlerduo Kim Seo-Kyung und Kim Eun-sung geschaffene „Mädchenstatue des Friedens“ (kurz: „Friedensstatue“) enthüllt wurde, ahnte in der Bezirksverwaltung wohl kaum jemand, welche internationalen Wellen dies in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren schlagen würde.

Die Bronzestatue in der Form eines sitzenden Mädchens in koreanischer Tracht, neben dem ein leerer Stuhl steht, erinnert an Frauen und Mädchen aus Ost- und Südostasien, die während des Asiatisch-Pazifischen Kriegs sexuelle Zwangsarbeit für das japanische Militär leisteten, und wurde von den Aufstellern – der AG „Trostfrauen“, die vom Korea Verband Berlin e.V. koordiniert wird, sowie einer Allianz aus 30 unterstützenden Bürgervereinen – zudem als Symbol gegen sexuelle Gewalt im Krieg im Allgemeinen intendiert. Das japanische Außenministerium reagierte umgehend auf die Aufstellung und forderte diese zu entfernen. Es verwies auf seine Stellungnahme, in der es die Bemühungen der japanischen Regierung zur Wiedergutmachung gegenüber Südkorea sowie der internationalen Gemeinschaft aufzählt. Dazu zählt es das im Jahr 1965 zwischen Japan und Südkorea abgeschlossene Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit, den 1995 eingerichteten Asia Women’s Fund und zuletzt die Übereinkunft der beiden Außenminister aus dem Jahr 2015, in deren Rahmen die Frage der „Trostfrauen“ als „abschließend und unumkehrbar gelöst“ angesehen wird.[2] Bereits im Jahr 2011 errichteten „Trostfrauen“-Aktivisten[3] erstmals eine „Friedensstatue“ gegenüber der japanischen Botschaft in Seoul, deren Entfernung die japanische Regierung wiederholt forderte. Mit der Übereinkunft von 2015 wurde diese Forderung erneut bekräftigt. Weil bei deren Aushandlung die Opfergruppen nicht miteinbezogen wurden, errichteten Aktivisten aus Protest gegen die Übereinkunft immer mehr Repliken der Statue innerhalb und außerhalb Südkoreas.[4] Die Statue wurde damit zu einem Symbol für den Protest gegen den Umgang der japanischen Regierung mit der „Trostfrauen“-Frage. Dies ist auch der Grund, warum sich die japanische Regierung bei jeder Aufstellung einer Replik direkt angesprochen fühlt und auf allen zur Verfügung stehenden diplomatischen Wegen deren Entfernung fordert. Inzwischen gibt es weit über 100 Repliken der Statue, davon die meisten in Südkorea, aber auch mehrere in den USA, Kanada und Deutschland[5] sowie neuerdings auch in Italien.

In Berlin zog das Bezirksamt Mitte nach der Intervention der japanischen Regierung die für ein Jahr geltende Aufstellungsgenehmigung umgehend wieder zurück, wiederrief diese Entscheidung allerdings in Folge öffentlichen Protests und eines Widerspruchs durch den Korea Verband. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Berlin-Mitte sprach sich in mehreren Beschlüssen Ende 2020 und Anfang 2021 für den dauerhaften Erhalt der Statue im Bezirk aus. Die Sondergenehmigung wurde im Herbst 2021 um ein Jahr und im Herbst 2022 um zwei weitere Jahre verlängert. Der Korea Verband beantragte 2024 eine weitere Verlängerung der Sondergenehmigung bzw. hoffte auf eine Umsetzung der BVV-Beschlüsse, inzwischen hatte es aber einen Regierungswechsel im Land Berlin gegeben. Der Berliner Senat hatte sich unter der Leitung von Franziska Giffey (SPD) nicht in die Belange des Bezirks Mitte eingemischt; der seit 2023 amtierende Regierende Bürgermeister, Kai Wegner (CDU), wurde jedoch auf einer Japan-Reise im Mai 2024, die im Rahmen der 30-jährigen Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Tokyo stattfand, von Außenministerin Kamikawa höchstpersönlich empfangen und u. a. auf die Statue angesprochen. Daraufhin versprach er „eine Lösung für das umstrittene Denkmal der Trostfrauen in Berlin“ zu finden.[6] Der Korea Verband fasste dies als einen Entschluss zur Entfernung der Statue auf,[7] wiederholte seinen Antrag auf Verlängerung der Sondergenehmigung und initiierte einen Einwohnerantrag (§ 44 BezVG), um die Statuenfrage erneut auf die Agenda der BVV Berlin-Mitte zu bringen. Daneben erfolgten noch weitere Aktionen wie eine Online-Petition und Kundgebungen an der Statue sowie vor dem Rathaus Mitte. Am 19. September 2024 wurde der Verbleib der Statue von der BVV Mitte debattiert und deren dauerhafter Verbleib im Bezirk zwar mehrheitlich beschlossen. Jedoch sind die BVV-Beschlüsse für das Bezirksamt nicht bindend. Am 30. September 2024 ging dem Korea Verband vom Bezirksamt die Aufforderung zu, die Statue bis zum 31. Oktober 2024 zu entfernen. Gegen den Bescheid legte der Korea Verband Widerspruch ein, sodass die Statue mit Stand März 2024 noch immer steht.

Neben der Bedeutung für die internationalen Beziehungen zwischen Japan und Südkorea nimmt die Statue, vor allem im Ausland, noch weitere lokale Bedeutungen an. So verfolgt der diasporische „Trostfrauen“-Aktivismus in Nordamerika nicht zuletzt das Ziel, über die Erinnerungsarbeit an der „Trostfrauen“-Frage eine Anerkennung als vollwertige ethnische Gemeinschaft gegenüber der Mehrheitsgesellschaft zu erzielen.[8] Auch in Deutschland spielt im Kontext der postmigrantischen erinnerungskulturellen Wende der Kampf um Zugehörigkeit zur deutschen Erinnerungsgemeinschaft eine Rolle.[9] Gemeint ist damit die Erweiterung der Erinnerungskultur um die Geschichte und Perspektiven von Zugewanderten. Diese Bedeutungserweiterungen sind keine Kleinigkeit, haben sie doch Folgen für die Definition des Konflikts und der daran beteiligten Akteure. Wird die „Trostfrauen“-Frage im nationalen und diplomatischen Rahmen verstanden, stehen sich Staaten – hier: Japan und Südkorea, dazu die jeweiligen Drittstaaten, in denen die Statuen aufgestellt werden – gegenüber. Staatliche Akteure wiederum stehen den zivilgesellschaftlichen gegenüber, aus deren Reihen sich zum offiziellen Standpunkt kritische aktivistische Bewegungen formieren können. So kann die südkoreanische Regierung sich je nach (außen-)politischer Orientierung mal für, mal gegen die dortige „Trostfrauen“-Bewegung einsetzen, wie etwa die Geschichte um die Übereinkunft von 2015 und deren Aufkündigung wenige Jahre später durch ein anderes Kabinett verdeutlicht. Im diasporischen und postmigrantischen Kontext stehen ethnische Minderheiten aus Zugewanderten und deren Nachkommen einer über viele Generationen „eingeborenen“ Mehrheit gegenüber, von der eine (bislang verweigerte) Aufnahme als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft eingefordert wird. In diesem Fall ist der Adressat nicht die japanische Regierung, sondern die hiesige Mehrheitsgesellschaft.

Es bestehen daher mindestens vier Bedeutungsschichten, die durch die Friedensstatue und andere „Trostfrauen“-Denkmäler symbolisiert werden: (i) die partikulare Geschichte der „Trostfrauen“, (ii) die universelle Dimension von sexueller Gewalt im Krieg als Frage von Frauen- und Menschenrechten, (iii) die „Trostfrauen“ als diplomatischer Konfliktpunkt zwischen Japan und Südkorea[10] und (iv) die lokalen Bedeutungen der Denkmäler an den jeweiligen Aufstellungsorten. Welche Bedeutungsschichten überhaupt öffentlich debattiert werden, hat einen Einfluss auf die allgemeine Bewertung und Beurteilung der Denkmäler und wirkt auf die Bewertung der „Trostfrauen“-Erinnerung im Allgemeinen zurück. Es stellt sich daher die Frage, inwiefern in Japan die lokalen Bedeutungen überhaupt bekannt sind und diskutiert werden.

Um sich der Beantwortung dieser Frage anzunähern, wird in diesem Beitrag die Berichterstattung in der japanischen Presse zur Friedensstatue in Berlin vorwiegend in drei überregionalen Zeitungen (Asahi, Sankei, Mainichi) untersucht. Damit soll überprüft werden, welche Informationen zur Statue in der japanischen Öffentlichkeit verbreitet und welche Interpretationen der Ereignisse nahegelegt werden. Im Ergebnis zeigt sich, dass die geschichtsrevisionistische Diskursverschiebung nach rechts in der Berichterstattung um die Statue deutlich sichtbar wird und die „Trostfrauen“-Erinnerung ein Terrain ist, auf dem ultrarechte Positionen stark gemacht werden und progressive Positionen ins Hintertreffen geraten. Die Statue wird überwiegend als diplomatisches Problem zwischen Japan und Südkorea gerahmt, der innerdeutsche Kontext wird hingegen kaum besprochen.

2 Ausgangslage: „Trostfrauen“ und Geschichtsrevisionismus

Um die Berichterstattung einordnen zu können, wird zunächst die „Trostfrauen“-Erinnerung in der japanischen Politik und Gesellschaft kontextualisiert. Nachdem die Erfahrungen von „Trostfrauen“ aus deren eigener Perspektive über viele Jahrzehnte aus dem allgemeinen Erinnerungsraum verdrängt worden waren, traten im inzwischen hohen Alter ab 1991 zahlreiche ehemalige Opfer des „Troststationen“-Systems an die Öffentlichkeit und forderten von der japanischen Regierung eine Entschuldigung und Entschädigung sowie von der japanischen Gesellschaft eine Aufnahme in das kollektive Gedächtnis.[11] Die transnationale „Trostfrauen“-Bewegung nahm ihren Anfang in einer japanisch-südkoreanischen Kooperation und weitete sie danach auf weitere asiatische Länder aus. Die erste Hälfte der 1990er Jahre war von Zugeständnissen der japanischen Regierung an die Betroffenen geprägt: die Kōno-Erklärung von 1993 und die Murayama-Erklärung von 1995 erkannten die Involvierung des japanischen Staats beim Aufbau des „Troststationen“-Systems an und formulierten Entschuldigungen. Mit dem Asia Women’s Fund von 1995 wurden Entschädigungszahlungen – keine Reparationen – an Betroffene getätigt und vom Premierminister unterzeichnete Entschuldigungsbriefe versandt.[12] Parallel dazu formierte sich jedoch eine neonationalistische Gegenbewegung, die Geschichtsrevisionismus in Politik und Gesellschaft nicht nur salonfähig machte, sondern auch zum dominanten Diskurs erhob, der sich bis heute hält.[13]

Während in Deutschland Geschichtsrevisionismus vor allem auf Holocaust-Leugnung rekurriert, äußert er sich in Japan als Versuch seitens rechtskonservativer und neonationalistischer Politiker, Intellektueller und Vereinigungen, die im Zuge von Kolonialismus und Imperialismus in den Kolonien und besetzten Gebieten umgesetzten Politiken sowie die durch das japanische Militär verübten Kriegsgräuel zu bestreiten, kleinzureden, zu entschuldigen oder gar zu glorifizieren. Damit soll einer aus ihrer Sicht „masochistischen Geschichtsauffassung“ ein patriotisches Geschichtsbild – auch im Schulunterricht – entgegengesetzt werden, das die Schüler zu (einer chauvinistischen Version von) Nationalstolz erzieht.[14] Zu diesem Zweck werden insbesondere Medien bedient (z. B. Fernsehen, Zeitung, Manga, YouTube, Twitter/X), aber die Rechte hat es in Japan auch geschafft, direkt und indirekt auf Schulbücher einzuwirken. Da in Japan jedes Schulbuch vom Bildungsministerium überprüft und gegebenenfalls zur Revision an den Verlag zurückgeschickt wird, bevor es zum freien Verkauf genehmigt wird, konnten neonationalistische Kräfte über dieses Instrument effektiv bewirken, dass bestimmte Themen aus den Schulbüchern entfernt werden.[15] Dies geschieht nicht immer über direkte Einflussnahme, sondern immer häufiger über Selbstzensur (jishuku), da Verlage nicht das Risiko eingehen möchten, dass ihr Schulbuch nicht zum Verkauf freigegeben wird und sie auf den Erstellungskosten sitzenbleiben. Auf diese Weise ist das Thema „Trostfrauen“ aus den Schulbüchern der Mittelstufe (7.–9. Klasse) verschwunden, nachdem es Mitte der 1990er Jahre erst flächendeckend aufgenommen worden war.

Das Thema „Trostfrauen“ ist für Geschichtsrevisionisten zentral. Sie streben eine Revision des Geschichtsbilds an, das durch historische Forschung im In- und Ausland sowie durch die Kōno-Erklärung (1993) und die Murayama-Erklärung (1995) etabliert wurde. Konkret wenden sie sich gegen die Feststellung, dass der japanische Staat in den Aufbau und die Organisation der „Troststationen“ involviert war und daher eine Mit-Verantwortung für darin stattgefundene Gräueltaten trägt. Verschleppungen unter Zwang und falschen Vorwänden werden entweder geleugnet oder auf koreanische Zwischenhändler geschoben, für deren Handlungen der japanische Staat keine Verantwortung übernehmen könne. Weitere, nicht von der historischen Forschung bestätigte Behauptungen, sind, dass die Frauen und Mädchen freiwillig und in dem genauem Wissen, was sie dort erwarten würde, in die Stationen gegangen und üppig entlohnt worden seien sowie jederzeit die Freiheit besessen hätten, zu gehen.

Der Geschichtsrevisionismus wird in Japan seit dem Amtsantritt von Abe Shinzō als Premierminister (2006–2007), insbesondere seit dessen zweiter Amtszeit (2012–2020) von höchster politischer Stelle gefördert. Hierzu schreibt Saaler:

However […] in 1993 the right wing of the LDP set up a ‘Committee to Re-evaluate History’ (Rekishi kentō iinkai, hereafter RKI). The committee’s name insinuated that the conclusions reached by the country’s professional historians were wrong and that the committee had a duty to ‘correct’ the allegedly distorted views prevalent in academia and society. […] the politicans, activists, and academics involved in the RKI took the helm of the movement that continues to be active. One of them was Abe Shinzō, whose policies as prime minister in 2006–2007 and from 2012 to 2020 would lead to a wider dissemination of revisionist views in Japanese society.[16]

Japanische Geschichtsrevisionisten sind auch im Ausland tätig und führen einen regelrechten „Geschichtskrieg“ (rekishisen) gegen alle diejenigen, die an japanische Kriegsgräuel erinnern.[17] Der Begriff „Geschichtskrieg“ wurde von der Zeitung Sankei Shinbun im Jahr 2014 in einer bis heute laufenden Artikelserie geprägt. Die Zeitung ist dabei selbst ein zentraler Akteur in diesem Geschichtskrieg. Sie betreibt seit einigen Jahren die englischsprachige Plattform Japan Forward, durch die sie ihre geschichtsrevisionistischen Positionen im Ausland verbreitet. Hierzu erhalten die Geschichtsrevisionisten auch Unterstützung von ausländischen Wissenschaftlern, wie dem US-amerikanischen Jura-Professor Mark Ramseyer. Am Beispiel von Ramseyer lässt sich gut nachvollziehen, mit welchen Mitteln Wissenschaft für Revisionismus instrumentalisiert wird: obwohl selbst ein Wissenschaftler (sein Fachgebiet ist japanisches Recht), hat Ramseyer in seiner Argumentation methodisch nicht sauber gearbeitet und legt keine Quellen für seine Behauptungen vor, wie verschiedene Historiker*innen ausführlich dargelegt haben.[18]

Die Berichterstattung in den Medien spiegelt diesen allgemeinen Rechtsruck in der japanischen Politik und Gesellschaft wider bzw. werden Medien aktiv eingesetzt, um diesen Rechtsruck voranzutreiben. Hierbei spielt neben traditionellen Medien wie Zeitungen gerade in den letzten zwei Jahrzehnten auch das Internet eine entscheidende Rolle, in dem die „Internet-Rechte“ (netto uyo) Korea-Hass (ken-kan) verbreitet.[19] Obwohl die „Trostfrauen“ aus vielen verschiedenen Ländern kamen, werden sie von der japanischen extremen Rechten häufig auf eine vermeintlich koreanische Herkunft reduziert; und oft geht es dabei gar nicht einmal um die historische Sache und ihre Aufarbeitung an sich, sondern die „Trostfrauen“-Frage dient diskursiv als Projektionsfläche für Korea-Hass und Misogynie.

Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass es in Japan selbst durchaus eine Bewegung gibt, die sich für die korrekte und opferorientierte Weitergabe der „Trostfrauen“-Geschichte an die folgenden Generationen einsetzt. Zahlreiche Wissenschaftler*innen in Japan sowie solche im Ausland, die sich mit Japan beschäftigen, publizieren regelmäßig dazu und bemühen sich Falschinformationen zu widerlegen. Aktivist*innen und Künstler*innen setzen sich ebenfalls für die Aufarbeitung der Geschichte ein. Sie bilden jedoch derzeit eher eine Opposition zum allgemeinen Anti-„Trostfrauen“-Klima. Auch können sie der extremen Rechten, die das Internet erfolgreich als Raum für Falschinformationen und Hetze gegen Frauen und Menschen aus China und Korea besetzt hat, nur schwer beikommen.[20] Zwei positive Beispiele sind das 2005 gegründete „Women’s Active Museum“ (WAM), ein Dokumentationszentrum in Tokyo, das auf seiner Online-Präsenz ein umfangreiches Archiv zum „Trostfrauen“-System, darunter auch zum Internationalen Frauen-Tribunal in Tokyo im Jahr 2000 (https://archives.wam-peace.org/wt/en/), in japanischer und englischer Sprache bereitstellt (https://wam-peace.org/en/), sowie die 2013 gegründete Informationsplattform „Fight for Justice“ mit Informationen auf Japanisch, Englisch, Koreanisch und Chinesisch (https://fightforjustice.info). Letztere organisiert regelmäßig Vorträge mit Wissenschaftler*innen und produziert neuerdings auch kurze Informationsvideos, um Inhalte für die Generation TikTok bereitzustellen („Next Generation Video Project“, https://fightforjustice.info/?cat=249).

3 Untersuchungsmaterial

Für die Zwecke dieses Beitrags werden zunächst diejenigen Zeitungen mit dem größten politischen Kontrast verglichen: die liberale Asahi Shinbun und die rechtsgerichtete Sankei Shinbun. Die Asahi hatte zu Beginn der 1990er Jahre noch rege und opferorientiert zur Frage der „Militär-Trostfrauen“ publiziert. In ihren Artikeln wurde zu jener Zeit die Verantwortung des japanischen Staates für die Kriegsgräuel im Vergleich mit anderen Zeitungen recht deutlich anerkannt. Allerdings zog sie damit den Groll der extremen Neuen Rechten auf sich.[21] LDP-Politikern war die Asahi ein Dorn im Auge, da sie wesentlich dazu beigetragen hatte, das erste Abe-Kabinett zu stürzen.[22] Ab dem Jahr 2014 wurde die Integrität der Asahi von konservativen Intellektuellen, Staatsvertretern und Internet-Rechten konzertiert angegriffen, was ihren Ruf nachhaltig schädigte und dazu führte, dass ihre Auflage einbrach und ihre Glaubwürdigkeit litt.[23] Die Asahi hatte einige Artikel aus den frühen 1990er Jahren zu „Trostfrauen“ zurückgezogen, weil eine Quelle sich als fehlerhaft erwiesen hatte. Geschichtsrevisionisten nutzten dies aus, um die Glaubwürdigkeit der Asahi insgesamt in Frage zu stellen und sie als „anti-japanisch“ (han-nichi)[24] darzustellen. Sie warfen der Zeitung vor, eine falsche Geschichtsversion über die „Trostfrauen“ als Opfer militärischer sexueller Sklaverei verbreitet und damit dem Ansehen Japans in der Welt geschadet zu haben. Einige weitere Zwischenfälle sowie Gerichtsverfahren, davon viele zum Thema „Trostfrauen“, schwächten die Zeitung endgültig.[25] Als Reaktion darauf wurde die Führungsriege ausgetauscht und die Berichterstattung zur „Trostfrauen“-Frage auf ein Minimum heruntergefahren. Da sich aus diesem Grund nur wenige Artikel in der Asahi zur Berliner Friedensstatue finden, wurde die ebenfalls liberale Mainichi Shinbun in die Untersuchung einbezogen.

Die Sankei Shinbun ist klar gegen die Friedensstatue und Gerechtigkeit für „Trostfrauen“. Sie widmet dem Thema dennoch, oder gerade deswegen, die meisten Artikel. Zwar hat sie eine geringere Auflage als andere Tageszeitungen, aber sie stellt ihre Inhalte online fast vollständig ohne Bezahlschranke zur Verfügung, sodass man schnell auf ihrer Online-Präsenz landet, wenn man online auf Japanisch Informationen zur Friedensstatue sucht.

Es wurden alle Artikel aus diesen drei Zeitungen gesammelt, in denen die Berliner Friedensstatue vorkommt.[26] Zudem wurden Artikel über die News-Aggregator-Seite Yahoo! News gesucht, um weitere, vor allem frei zugängliche Beiträge zu finden. Somit besteht der Gesamtkorpus aus den Teilkorpora der jeweiligen Zeitungen. Der erste Artikel erschien bereits am 28. September 2020, dem Tag der Aufstellung, und der letzte hier betrachtete Artikel stammt vom 11. Juli 2024.

4 Anzahl und Umfang der Artikel über die Friedensstatue in Berlin

Zunächst fallen eklatante Unterschiede in der Anzahl der Artikel über die Berliner Friedensstatue auf. In der Asahi Shinbun wurde sie im Untersuchungszeitraum lediglich in drei Artikeln erwähnt, wohingegen ihr die Sankei Shinbun ganze 46 Beiträge widmet. In der Mainichi Shinbun finden sich 15 Artikel. Bei der Asahi und der Mainichi endet die Berichterstattung im Jahr 2022, es erfolgen danach keine Updates zum weiteren Verlauf.

Die Artikel in der Asahi beschränken sich auf die Ereignisse im Oktober 2020 (einmal die Meldung am 10.10.2020 über die Rücknahme der Aufstellungsgenehmigung durch das Bezirksamt Berlin-Mitte und dann am 15.10.2020 die Meldung über die Aufhebung dieser Forderung und das temporäre Verbleiben der Statue) und auf den Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Japan im Frühjahr 2022, bei dem Premierminister Kishida Fumio die Entfernung der Statue direkt bei diesem einforderte. Damit erschöpft sich in der Asahi Shinbun auch schon die Berichterstattung zur Berliner Friedensstatue. Es erfolgen keinerlei Updates zu weiteren einschneidenden Ereignissen, weder zur Verlängerung des Aufstellungszeitraums um zwei Jahre im September 2022, noch zum Besuch des Berliner Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner in Tokyo, dem eine Aufforderung zur Entfernung folgte. Mit durchschnittlich 420 Schriftzeichen fallen die Artikel hier eher knapp aus. Unter dem Suchbegriff „Mädchenstatue“ (shōjozō) finden sich in der Asahi ansonsten ausschließlich Artikel in Bezug auf die Aichi Triennale 2019 und deren politisches sowie juristisches Nachspiel.[27]

In der Mainichi, die 15 Artikel zum Thema publiziert hat, ist die durchschnittliche Artikellänge mit 550 Zeichen etwas länger als in der Asahi, und es wird über einen längeren Zeitraum hinweg über die Statue berichtet. Auch gibt es einen längeren Beitrag mit 1.800 Zeichen zur Berliner Statue, in der auch zwei Wissenschaftler aus Deutschland zu Wort kommen.

Auch in Bezug auf die Zeitlichkeit lassen sich gravierende Unterschiede erkennen. Während in der Sankei bereits am 28.09.2020 über die Aufstellung berichtet wird, findet sich der erste Beitrag in der Asahi erst am 10.10.2020. Im Zeitraum bis zum 15.10. finden sich in der Asahi lediglich zwei Artikel, in der Sankei hingegen ganze 13, davon bis zu vier an einem Tag (09.10.2020). Im Gegensatz zur Asahi und zur Mainichi berichtet die Sankei kontinuierlich bis ins Jahr 2024 über den aktuellen Stand der Statue in Berlin sowie Aufstellungen weiterer Statuen in anderen deutschen Städten. Die Mainichi berichtet auch von Beginn an (ab dem 29.09.2020), aber der letzte Bericht erfolgte im Mai 2022 über das Treffen zwischen Kishida und Scholz.

5 „Mädchenstatue“ versus „Trostfrauenstatue“

Die untersuchten Quellen unterscheiden sich zunächst in der Bezeichnung der Statue. Der offizielle Titel des Kunstwerks von Kim Seo-kyung und Kim Eun-sung ist „Mädchenstatue des Friedens“ (koreanisch: Pyeonghwaui sonyeosang). Im Englischen und Deutschen hat sich dafür die Kurzbezeichnung „Statue of Peace“ bzw. „Friedensstatue“ durchgesetzt. Im Japanischen lautet die Bezeichnung heiwa no shōjozō, was meistens verkürzt mit shōjozō („Mädchenstatue“) wiedergegeben wird. In konservativen Medien wird allerdings der Begriff ianfuzō („Trostfrauenstatue“) deutlich häufiger genutzt. Diese Begriffe haben jeweils eine politische Konnotation:

Suga Yoshihide hat in seiner damaligen Funktion als Chefkabinettssekretär (2012–2020) im zweiten Abe-Kabinett im Jahr 2017 offiziell erklärt, dass die Regierung ab sofort die Friedensstatue als „Trostfrauenstatue“ und nicht mehr als „Mädchenstatue“ bezeichnen werde.[28] Dies sei ihm zufolge einfacher. Tatsächlich hängt es aber sicherlich auch damit zusammen, dass die Darstellung von „Trostfrauen“ als Mädchen (shōjo) abgelehnt wird.[29] Revisionistische Medien nutzen daher häufiger den Begriff „Trostfrauenstatue“. Die Sankei Shinbun beispielsweise verwendet weitgehend den Begriff „Trostfrauenstatue“ (176 Mal im Sankei-Teilkorpus) und äußerst selten den Begriff „Mädchenstatue“ (23 Mal, überwiegend in Beschriftungen von Fotos oder Direktzitaten). In der Mainichi hingegen taucht der Begriff „Mädchenstatue“ wesentlich häufiger auf (43 Mal) als der Begriff „Trostfrauenstatue“ (10 Mal).

Eine Zeit lang übernahmen auch nicht-konservative Medien den Begriff „Trostfrauenstatue“, doch mit der Aichi Triennale 2019 wurde die Bezeichnung „Mädchenstatue“ in nicht-revisionistischen Kreisen wieder allgemein gebräuchlich – nicht zuletzt, weil es sich dabei um ein Kunstwerk handelt, das mit seinem korrekten Titel bezeichnet werden soll. Auf der japanischen Wikipedia wird man von „Mädchenstatue des Friedens“ (heiwa no shōjozō) zu einem Artikel weitergeleitet, der den Titel „Trostfrauenstatue“ trägt. Der Wikipedia-Artikel entspricht der Regierungslinie und ist der Statue und deren Aufstellern gegenüber missbilligend.[30] Abgesehen davon gibt es neben der Friedensstatue noch zahlreiche weitere „Trostfrauen“-Statuen, z. B. die in San Francisco oder die (abgerissene) Statue in Manila.

Ein weiterer Schauplatz von Sprachpolitik betrifft die Bezeichnung der Opfer. In aktivistischen Kreisen in Japan wird heute dezidiert von „Trostfrauen des japanischen Militärs“ (nihongun ianfu) gesprochen. Revisionistische Kreise leugnen aber die Involvierung des japanischen Staates und haben daher, auch in Geschichtsbüchern, das japanische Militär im Namen gestrichen.[31]

6 Knapp und neutral, aber unterschwellig gegen die entfernung – Asahi Shinbun

Die Asahi Shinbun hält seit den rechtskonservativen Angriffen ihre Berichterstattung zum Thema „Trostfrauen“ so knapp und neutral wie möglich, augenscheinlich um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. In den kurzen Artikeln werden vor allem Fakten und Ereignisse genannt und Direktzitate verschiedener Parteien aneinandergereiht. Ein eigener Kommentar oder eine Einordnung erfolgt nicht. Durch die Auswahl der Direktzitate allerdings setzt sich die Asahi deutlich von der Sankei ab. Im ersten Beitrag zur Berliner Statue vom 10. Oktober 2020 werden etwa die Aussagen des Bezirks Mitte sowie die Reaktion des Korea Verbands zitiert. Im zweiten Beitrag vom 15. Oktober 2020 werden neben dem Bezirk Mitte bzw. dem Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (zwei Zitate) noch der japanische Chefkabinettssekretär Katō Katsunobu und das südkoreanische Außenministerium zitiert (Katō: „In Deutschland läuft ein Gerichtsverfahren [gegen den Widerruf der Aufstellungsgenehmigung] und wir werden die Entwicklungen weiterhin beobachten“; südkoreanisches Außenministerium auf einer Pressekonferenz in Seoul: „Die Regierung sollte sich nicht in zivilgesellschaftliche Angelegenheiten einmischen.“). Bemerkenswert ist es, dass in diesem Beitrag auch eine Überlebende des „Troststationen“-Systems zu Wort kommt: „Unterdessen hielt Lee Yong-soo (91), eine ehemalige Trostfrau, am 14. eine Pressekonferenz in Seoul ab und sagte: ‚Es ist falsch, auf der Entfernung der Mädchenstatue zu beharren, die ein historisches Zeugnis ist. Das ist inakzeptabel.“[32]

Indem die Asahi auch den Korea Verband und sogar eine ehemalige „Trostfrau“ zu Wort kommen lässt, wird deren Perspektive auf das Statuen-Projekt gleichrangig mit der Sicht der anderen Parteien behandelt – in der Sankei hingegen werden diese nicht direkt zitiert. Auch hat die Auswahl der übrigen Zitate in der Asahi den Effekt, dass den Gegnern der Statue nicht die Deutungshoheit überlassen wird. Wollte man eine eigene Positionierung der Asahi allein aus ihrer Auswahl der Direktzitate ableiten, so könnte man eine indirekte Kritik an der Einmischung der japanischen Regierung hineinlesen: So etwa wird das südkoreanische Außenministerium zitiert, Staaten hätten sich nicht in zivilgesellschaftliche Angelegenheiten einzumischen, aber auch die Aussage des Regierungssprechers Katō über das Gerichtsverfahren ließe sich dahingehend lesen, dass der Disput um die Statue als ein innerdeutsches Problem verstanden wird, in das sich die japanische Regierung nicht einzumischen habe.

Insgesamt ist jedoch die Berichterstattung der Asahi auffallend reduziert, was in Anbetracht der vielen nachrichtenwürdigen Ereignisse überrascht. Das Schweigen der Asahi zur Berliner Friedensstatue im Vergleich mit anderen Zeitungen ist insofern auffällig, als es gerade diese Zeitung war, welche in den 1990er und frühen 2000er Jahren neue Erkenntnisse über die „Trostfrauen“-Geschichte zumeist zu Tage förderte. Das Diskursfeld wird auf diese Weise heutzutage fast vollständig den anderen Zeitungen überlassen; es wird nun vor allem von der geschichtsrevisionistisch orientierten Sankei Shinbun besetzt.

7 Die Berichterstattung der Sankei Shinbun

Die Zeitung in Japan, die mit 46 Beiträgen am häufigsten über die Friedensstatue und die „Trostfrauen“-Frage allgemein berichtet, ist die Sankei Shinbun. Das sog. „Trostfrauen“-Problem ist wie bereits erwähnt für Geschichtsrevisionisten im Allgemeinen eines der zentralen Themen, über die die eigene Geschichtssicht behauptet wird. Auch in der Sankei im Speziellen ist das Thema „Trostfrauen“ eines der Hauptthemen, über die Geschichtskriege geführt werden. Allein in den zwei Wochen zwischen der Aufstellung, der Entfernungsanordnung und der Aufhebung der Anordnung (28. September – 14. Oktober 2020) erschienen in der Sankei 13 Artikel. Bis Ende des Jahres 2020 erschienen weitere 14 Artikel. Danach war die Statue erneut Thema in den folgenden Monaten:

  1. April 2021: ein Artikel über die Statue in Dresden und ein weiterer über ein deutsch-japanisches Gipfeltreffen, das nichts mit der Statue zu tun hat

  2. September 2021: zwei Artikel über die Verlängerung der Aufstellungsgenehmigung in Berlin-Mitte, einer über Mark Ramseyer

  3. Mai 2022: 3 Artikel über das Treffen von Scholz und Kishida

  4. Juni 2022: 4 Artikel über den Protest einer südkoreanischen ultrarechten Bürgerinitiative, die nach Berlin fuhr, um gegen die Statue zu protestieren

  5. Oktober 2022: ein genereller Artikel über verschiedene neue Statuen weltweit, darunter Philadelphia

  6. Februar 2023: ein Artikel, in dem behauptet wird, dass Mark Ramseyers Forschung nun bestätigt worden sei

  7. März 2023: ein Artikel über die Entfernung der Statue in Kassel

  8. August 2023: Interview mit Ramseyer in dessen Sommerresidenz in Nagano

  9. März 2024: Diskussion, ob der Bezirksrat von Shinjuku das Geld für eine Reise nach Berlin tatsächlich ausgeben soll, wenn da die Statue steht

  10. Juni 2024: Beschluss, dass die Bezirksratsmitglieder im August 2024 doch fahren werden

  11. Juli 2024: Besuch Kai Wegners in Tokyo, Entfernung soll angeordnet werden

Die Berichterstattung der Sankei Shinbun ist damit recht umfassend und geht auch über die Statue selbst hinaus. Dies zeigt, dass die Zeitung die im Ausland aufgestellten Statuen sehr aufmerksam verfolgt und sie als gewichtiges Thema auf ihre Agenda setzt. Mit vermeintlich „aktueller Forschung“ zur „Trostfrauen“-Geschichte (Ramseyer) versucht die Zeitung, die inhaltlichen Grundlagen der Friedensstatue zu widerlegen. Aus der Sicht der Sankei stehe die Statue den diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan im Weg und müsse unbedingt entfernt werden.

Im Folgenden werden auf der Grundlage einzelner Artikel die Kernargumente der Sankei-Sicht auf die Friedensstatue nachgezeichnet.

7.1 Die Berliner Statue als japanisch-koreanisches Problem

Aufschlussreich sind zunächst die Rubriken, mit denen die Artikel versehen sind. Gleich der erste Artikel vom 28. September 2020 ist als „Internationales | Koreanische Halbinsel“ (kokusai | chōsenhantō) und als „Politik | politische Maßnahmen“ (seiji | seisaku) gekennzeichnet. Daraus ergibt sich ein Framing als politisches Problem sowie als diplomatisches Problem zwischen Japan und der koreanischen Halbinsel – und kein deutsches oder zivilgesellschaftliches. Erstmals in einem Artikel vom 8. Oktober kommt auch die Rubrik „Europa“ (ōshū) hinzu. Auch die Rubrik „politische Lage“ (seikyoku) kommt später hinzu.

Betrachtet man die häufigsten Begriffe, so bestätigt sich der Eindruck, dass die Aufstellung der Berliner Statue vorrangig als Problem der japanisch-koreanischen Beziehungen verstanden wird. Der Begriff „japanisch-koreanisch“ (nikkan), findet sich im Korpus der 46 Artikel ganze 30 Mal. Direkt zitiert werden ausschließlich Staatsvertreter, darunter überwiegend japanische und seltener südkoreanische. In den Tagen und Wochen nach der Aufstellung werden vor allem die Aussagen von Chefkabinettssekretär Katō (de facto Regierungssprecher), von Außenminister Motegi und die Stellungnahme des südkoreanischen Außenministeriums zitiert. Auch im Ausland weniger bekannte politische Figuren wie der Generalsekretär im Oberhaus, Sekō Hiroshige, oder der Bürgermeister von Nagoya, Kawamura Takashi, kommen zu Wort. Alle zitierten japanischen Politiker zeigen sich besorgt bis bestürzt über die Aufstellung der Statue und wollen darauf hinwirken, dass diese entfernt wird. Das südkoreanische Außenministerium wird als kritisch gegenüber der Einmischung Japans gezeigt. Von deutscher Seite wird mit Bezirksbürgermeister von Dassel erstmals am 9. Oktober 2020 ein Politiker zitiert, und zwar mit dem Widerruf der Genehmigung der Statue, d. h. mit ablehnender Haltung. Am 14. Oktober wird von Dassel erneut zitiert, nachdem der Widerruf vorerst zurückgenommen wurde und er eine faire Lösung für beide Parteien („die japanische Seite“ und den zivilgesellschaftlichen Verein) ankündigt. Die zivilgesellschaftliche Ebene kommt nicht selbst zu Wort.

Als verantwortlich für die Aufstellung der Statue wird zwar eine „koreanischstämmige Bürgerinitiative“ (kankokukei shimin dantai) als zentral (chūshin ni) genannt, aber es wird hervorgehoben, dass der Korean Council[33] das Projekt finanziert habe. Damit wird der Eindruck einer südkoreanischen Offensive erweckt. Die Zeitung unterscheidet dabei nicht zwischen dem (südkoreanischen) Staat und der (deutschen, transnational vernetzten) Zivilgesellschaft. Einer von vier Beiträgen am 9. Oktober 2020, die die Aufforderung zur Entfernung der Statue seitens des Bezirksamts Mitte begrüßen, titelt etwa: „Die koreanische Methode wird in der internationalen Gemeinschaft nicht mehr verstanden. Aufforderung zur Entfernung der Trostfrauenstatue in Deutschland“. Der Artikel beginnt folgendermaßen:

(Seoul = Takahiro Namura) Die Tatsache, dass die örtlichen Behörden die Entfernung einer Trostfrauenstatue angeordnet haben, die im Zentrum von Berlin, der Hauptstadt Deutschlands, aufgestellt wurde, zeigt, dass die Methode der südkoreanischen Seite, im Namen der Verurteilung sexueller Gewalt gegen Frauen während des Krieges und des Appells für die Menschenrechte von Frauen weiterhin Trostfrauenstatuen aufzustellen, in der internationalen Gemeinschaft nicht mehr aufgeht.[34]

Nicht nur wurde der Artikel vom Auslandskorrespondenten in Seoul verfasst, sondern es ist auch von einer „südkoreanischen Seite“ die Rede, womit die Grenzen zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren verwischt werden. Diese auf den Nationalstaat fixierte Perspektive, welche sowohl die Ebenen zwischen Staat und Bürgerinitiativen (die wiederum mitunter ganz entgegengesetzte Interessen haben können) als auch die Komplexität transnationaler Netzwerke und der Einwanderungsgesellschaft verkennt, habe ich bereits an anderer Stelle kritisiert.[35] Kritisieren lässt sich an dieser Berichterstattung außerdem eine Unkenntnis des deutschen Kontexts (etwa der Erinnerungskultur und deren postmigrantischer Wende, des Aufstellungsorts, der Zuständigkeiten, der konkreten Zusammensetzung der aufstellenden Akteure etc.). Weiterhin wird in dem Zitat der Einsatz gegen sexuelle Gewalt im Krieg und für Menschenrechte von Frauen als Vorwand bezeichnet („im Namen der“), wenn es doch eigentlich, so das Argument der Revisionisten, darum gehe, Japan international bloßzustellen. So heißt es im Artikel weiter, die Statue sei einem Bericht der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap zufolge von der lokalen Bevölkerung in Deutschland sehr gut aufgenommen worden. Sie sei jedoch von einem koreanischstämmigen Verein aufgestellt und vom Korean Council finanziert worden, was die positive Aufnahme in der deutschen Gesellschaft implizit in Frage stellt.[36]

Wie schon bei den Trostfrauenstatuen, die an verschiedenen Orten in den USA aufgestellt wurden, hat Südkorea in Wirklichkeit die Aufstellung der Statue den lokalen Behörden und den Bürgern aufgezwungen, indem sie sie in ein bilaterales Problem mit hineingezogen hat.[37]

Zum Abschluss bemängelt der Autor des Artikels noch, dass die Medien in Südkorea über kein ausreichend ausgeprägtes Krisenbewusstsein angesichts eines möglichen Imageschadens verfügten, den die Aufstellung von Statuen in Drittländern verursachen könnten:

Während die [südkoreanischen] Medien die Standpunkte der Bürgergruppen herausstellen, die versuchen, die Aufstellung fortzusetzen, gibt es keine Anzeichen für Besorgnis über den Imageschaden für Südkorea, der durch die gewaltsame Verbreitung anti-japanischer Stimmung in der Welt verursacht wird.[38]

Die Aufstellung der Friedensstatuen, die für sexuelle Gewalt im Krieg stehen, wird in diesem Beitrag als „gewaltsame Verbreitung anti-japanischer Stimmung“ (han-nichi ishiki wo gōin ni sekai de hiromeru) bezeichnet, was eine eindeutige Täter-Opfer-Umkehr darstellt.

7.2 Die Friedensstatuen als Verbreiter einer „erlogenen, anti-japanischen“ Geschichtsauffassung

Damit wären wir bei einem weiteren Schlüsselbegriff, nämlich „anti-japanisch“ (han-nichi). Dieser taucht im Korpus 20 Mal auf: im Zusammenhang mit der Statue, die als „anti-japanische Trostfrauenstatue“ (27.09.2021) bezeichnet wird; im Zusammenhang mit den Mittwochsdemonstrationen, die als „Anti-Japan Demos“ (han-nichi demo) bezeichnet werden (10.10.2022); als Titel des geschichtsrevisionistischen Buchs „Anti-Japan Tribalism“ (han-nichi shuzoku shugi), das von Vertretern der Neuen Rechten in Südkorea geschrieben wurde und 2019 auf Koreanisch und Japanisch erschien. Die transnationale „Trostfrauen“-Bewegung als Ganze wird als „anti-japanische Bewegung“ (han-nichi undō) bezeichnet (10.03.2024).

Ein weiterer Schlüsselbegriff ist „Erfindung/Lüge/Fälschung“ (netsuzō). Er wird benutzt, um die von Historikern und der internationalen Gemeinschaft anerkannte Geschichtsauffassung als Lüge bzw. Erfindung der Asahi Shinbun zu diskreditieren. Diese erfundene Geschichte bzw. Geschichtsfälschung (rekishi no netsuzō) werde von der Friedensstatue in Drittländern (daisangoku) verbreitet. In einem Beitrag vom 10.05.2022 heißt es zum Beispiel:

Wenn [die Trostfrauenstatue] in Deutschland, einem der wichtigsten europäischen Länder, verbleiben darf, könnte die gefälschte Geschichte (netsuzō sareta rekishi) in der internationalen Gemeinschaft Wurzeln schlagen.[39]

In einem Beitrag vom 11. Oktober 2020 wird noch mehr an Emotion und Krisengefühl appelliert:

Wenn man die Statue stehen lassen würde, könnte dies zu einer Ausbreitung historischer Fälschungen führen (rekishi no netsuzō ga hiromari kanenai), wie etwa der Behauptung, die Trostfrauen seien ‚Sexsklavinnen‘ gewesen, die gewaltsam verschleppt wurden. Diese Saat böswilliger anti-japanischer Handlungen muss im Keim erstickt werden.

In einer Kolumne vom 06.12.2020 fordert ein anonymer Autor die Rücknahme der Kōno-Erklärung als Wurzel einer aus seiner Sicht falschen Geschichtssicht:

Die von Südkorea initiierte anti-japanische Bewegung zur Errichtung von Trostfrauenstatuen hat sich auf die deutsche Hauptstadt Berlin ausgeweitet, und es besteht die Gefahr, dass sie die Freundschaft zwischen Japan und Deutschland beschädigt. Wir fordern daher, dass die japanische und die deutsche Regierung Maßnahmen ergreifen, um die Trostfrauenstatue, die darauf abzielt, Japan durch Geschichtsfälschung zu diffamieren (rekishi wo netsuzō shite Nihon wo otoshimeru), zu entfernen.[40]

Ganz offen wird in einem Beitrag vom 05.12.2020 der Korea Verband der absichtlichen Täuschung bezichtigt:

Man kann sagen, dass die Statue eine ungerechtfertigte Kritik an Japan symbolisiert. Die südkoreanische Bürgerinitiative verbarg jedoch geschickt ihre wahren Absichten und erklärte, dass die Statue ‚gegen Gewalt gegen Frauen in Kriegszeiten‘ sei.[41]

Diese Redeweise kennt man sonst nur von rechtsextremen Blogs wie Nadeshiko Action, die in einem mehr schlecht als recht ins Deutsche übersetzten Offenen Brief an den Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte den Korea Verband als „Scherge betrügerischer Gruppen“ diffamiert.[42] In dem o.g. Beitrag wird erstmals erwähnt, dass auch japanische Frauen in Berlin die Aufstellung der Statue unterstützt hatten. Dies wird jedoch in erster Linie als Behinderung der Arbeit der japanischen Botschaft dargestellt, die Aufstellung der Statue bereits im Vorfeld zu verhindern, statt als ein Beitrag zur Versöhnung zwischen Menschen mit japanischen und koreanischen Wurzeln:

Das Außenministerium hatte von den Bestrebungen, die Statue in Berlin aufzustellen, im Voraus erfahren. Die Bürgerinitiative aus Südkorea ging jedoch ‚heimlich‘ vor (so ein Beamter des Außenministeriums), sodass das Ministerium die Einzelheiten nicht erfassen und die Initiative nicht stoppen konnte. Zusätzlich zu der Tatsache, dass eine Gruppe japanischer Frauen, die in der Gegend leben, die Installation unterstützte, erschwerte die Auswirkung des Coronavirus es der Botschaft auch, Informationen zu sammeln und die relevanten Personen zu kontaktieren, was ein weiterer Rückschlag war.[43]

7.3 Innenpolitisches Signaling: Beteuerung der Regierung, nicht untätig zu sein

Grundsätzlich entsteht beim Lesen der Sankei-Artikel der Eindruck, wie auch beim obigen Zitat anklingt, dass es bei der Berichterstattung vor allem darum geht, die Leser davon zu überzeugen, dass das Außenministerium und die Regierung sich um die Entfernung der Statuen und damit gegen die Verbreitung eines „falschen, anti-japanischen Geschichtsbilds“ in der Welt bemühen. Jedem Rückschlag in ihrem Kampf wird mit Artikeln begegnet, die beteuern, wie engagiert sich die politischen Akteure für die Entfernung einsetzen. Es geht hier also vor allem auch um eine innenpolitische Demonstration von Handlungsfähigkeit in Richtung der LDP-Wählerschaft.

Wie in einem Artikel vom 16.12.2020 erklärt wird, wird das japanische Außenministerium innenpolitisch zur Rechenschaft gezogen, wenn es die Aufstellung der Statuen nicht von vornherein verhindern kann. Der Artikel zitiert mehrere Parlamentsmitglieder der LDP, die auf einer Sondersitzung das Statuen-Problem in Berlin besprachen:

‚Die Statuen werden wie bei einem Maulwurf-Spiel aufgestellt und ihr fordert dann die Entfernung…‘ Der frühere Außenminister Nakasone Hirofumi, der den Vorsitz des Sonderausschusses der LDP für die Wiederherstellung der Ehre und Glaubwürdigkeit Japans innehat, machte diese Bemerkung zu Beginn der Sitzung und wies darauf hin, wie wichtig es sei, Maßnahmen zu ergreifen, um die Aufstellung schon im Voraus zu verhindern. Andere Mitglieder des Parlaments, die an der Sitzung teilnahmen, äußerten ebenfalls ihre deutliche Meinung über das Außenministerium und sagten Dinge wie: ‚Es handelt sich um einen ‚Geschichtskrieg‘‘. ‚Wir können nicht nur schöne Schlachten führen‘ und ‚Anstatt Ausreden zu suchen, sollten wir darüber nachdenken, wie wir die Statuen loswerden können‘.[44]

Die Berichterstattung dient hier auch der Diskussion politischer Strategien und Verfahrensweisen gegen die Statuen-Projekte. Die Statuen-Projekte werden nicht nur in diesem, sondern auch an in anderen Artikeln als „Mogura Tataki“ („ein Spielsalonspiel, bei dem man versucht, mechanische Maulwürfe, die aus ihren Löchern herausschauen, mit einem Hammer in diese zurückzuschlagen, bevor sie von alleine wieder verschwinden“, wadoku.de) bezeichnet.

8 Den deutschen Kontext verstehen und Protest aus Japan ebenfalls darstellen – Mainichi Shinbun

Die Berichte in der Mainichi über die Berliner Statue sind so überschaubar, dass sie einzeln betrachtet werden können. Die Mainichi begann schon am 29. September, also einen Tag nach der Aufstellung und damit einen Tag nach der Sankei Shinbun, über die Statue zu berichten. Gleich ihr erster Bericht unterscheidet sich von denen der anderen Zeitungen, denn das einzige Direktzitat kommt aus dem Mund einer ehemaligen „Trostfrau“, die zudem eine geradezu provokante Aussage macht:

An der Enthüllungszeremonie nahmen etwa 100 Personen teil, darunter Koreaner und lokale Beamte. Als das Tuch, das die Statue bedeckte, entfernt wurde, gab es Applaus. Die ehemalige Trostfrau Lee Yong-soo sagte in einer Videobotschaft: ‚Ich hoffe, dass an verschiedenen Orten auf der ganzen Welt Statuen errichtet werden. Zuletzt sollten sie im Zentrum von Tokyo aufgestellt werden.‘[45]

Auch der Korea Verband wird indirekt mit Hintergründen zur Aufstellungsgenehmigung zitiert. Im Beitrag wird keinerlei Bedauern über die Aufstellung geäußert. In der Morgenausgabe des nächsten Tages wird fast derselbe Wortlaut erneut verwendet, nur dass im letzten Absatz hinzugefügt wird, dass bereits im August des Vorjahres (2019) am Brandenburger Tor vorübergehend eine Mädchenstatue aufgestellt worden war. Auffallend ist auch, dass die Berichterstattung mit „Seoul, Berlin“ angegeben wird (und nicht lediglich mit „Seoul“ wie im Fall der Sankei). Die Mainichi hat mit Nembutsu Haruna eine Korrespondentin vor Ort, die in den folgenden Monaten mit Klarnamen Informationen, Bilder und Interviews liefert. Über den Widerruf der Genehmigung wird nicht sofort, sondern erst am 14. Oktober berichtet, als der Widerruf zurückgenommen wurde. Darin schreibt Nembutsu über die Aussagen des Bezirksbürgermeisters von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel, er wolle einen Kompromiss finden, mit dem alle Seiten leben können, und von einer Demonstration zur Verteidigung der Statue in Berlin, an der 200 Personen teilgenommen hätten. Am 3. November erscheint ein Artikel, diesmal ohne Angabe eines Autors, in dem berichtet wird, dass das japanische Außenministerium seine Erklärung zur „Trostfrauen“-Frage ins Deutsche übersetzt und am 2. November hochgeladen habe. (In der Sankei war der entsprechende Bericht bereits am 2. November erschienen). In der Erklärung werde der Begriff „sexuelle Sklaverei“ abgelehnt, wie die Zeitung schreibt. Das Ziel bestehe darin,

der deutschen Öffentlichkeit die historische Perspektive der japanischen Regierung direkt zu vermitteln und ihr Verständnis dafür zu fördern. Diese Reaktion erfolgte auch in Anbetracht des ‚Krieges der öffentlichen Meinung‘ (yoronsen) mit Südkorea über historische Themen. Die Regierung Suga ist verärgert über die Versuche der südkoreanischen Seite (kankokugawa), Japan durch die Aufstellung von Mädchenstatuen in verschiedenen Ländern unter Druck zu setzen, sich mit dem Thema der Trostfrauen auseinanderzusetzen. Die Regierung plant, ihre Ansichten bei Bedarf weiterhin in andere Sprachen zu übersetzen und zu verbreiten.[46]

Interessant ist, dass hier nicht von einem „Geschichtskrieg“ gesprochen wird, wie es die Sankei tut, sondern von einem „Krieg der öffentlichen Meinung“. Die Akteure, die einen selbst ausgerufenen „Geschichtskrieg“ führen, argumentieren mit historischen „Tatsachen“[47] und einer „korrekten“ Geschichte, sie beschuldigen die Gegenseite der Verbreitung von Lügen und falschen Tatsachen; ein „Krieg der öffentlichen Meinung“ bezieht sich hingegen eher auf die unterschiedlichen Deutungen dieser Tatsachen. Das ist ein wichtiger Unterschied.

Am 4. und 6. November wird in gleich zwei Beiträgen der ultrakonservative Bürgermeister von Nagoya zitiert, der einen offenen Brief nach Berlin schicken wollte. Interessant ist jedoch, dass am 7. November eine Bürgerinitiative aus Nagoya ebenfalls zu Wort kommt, die den Bürgermeister dazu auffordert, seinen offenen Brief zurückzuziehen und nicht gegen die Statue zu protestieren. Hier zunächst der vollständige Bericht vom 4. November:

Auf einer regulären Pressekonferenz am 2. November kündigte der Bürgermeister von Nagoya, Kawamura Takashi, an, dass er einen Brief an den derzeitigen Bezirksbürgermeister [von Berlin-Mitte] senden werde, in dem er die Entfernung der Mädchenstatue fordert, die die Militär-Trostfrauen (jūgun ianfu) symbolisiert und auf öffentlichem Grund im Zentrum Berlins aufgestellt wurde. Bürgermeister Kawamura wies darauf hin, dass die Statue von denselben Künstlern stamme wie die, die auf dem internationalen Kunstfestival ‚Aichi Triennale 2019‘ ausgestellt wurde. Er sagte: ‚Diese Statue bringt Schande über Japan. Die Triennale war der Anlass [für ihre Aufstellung].‘ Die Statue wurde von einer koreanischstämmigen Bürgerinitiative aufgestellt. Nachdem der Bürgermeister des Berliner Bezirks Mitte ihre Entfernung angeordnet hatte, deutete er später an, dass er sie vorerst dulden würde. Die japanische Regierung hat ihre Entfernung gefordert, aber Bürgermeister Kawamura betonte, dass ‚die Stadt [ebenfalls] ihren Willen zum Ausdruck bringen muss.‘ [Masakatsu Oka][48]

Und hier Ausschnitte aus dem Bericht über den Protest der Bürgerinitiative gegen Kawamuras Brief:

Die Bürgerinitiative ‚Aichi-Vereinigung zur Vernetzung über die Ausstellung „Nach der Meinungs(un)freiheit“‘ hat die Stadt Nagoya aufgefordert, ihre Forderung nach Entfernung einer Mädchenstatue, die die Militär-Trostfrauen symbolisiert und auf öffentlichem Grund im Berliner Bezirk-Mitte aufgestellt wurde, zurückzuziehen. Die Gruppe plant, dem derzeitigen Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte einen Brief zu schicken, in dem sie darlegt, dass die Forderung nach Entfernung der Statue nicht die Meinung der gesamten Bürgerschaft widerspiegelt.

Auf einer Pressekonferenz im Rathaus kritisierte Kuno Aya, Co-Vertreterin der Gruppe, den Offenen Brief von Bürgermeister Kawamura als dessen ‚persönliche Meinung (dokudan)‘. Die Gruppe drückte ihren Unmut aus und sagte: ‚Als Bürger [von Nagoya] schämen wir uns [für unseren Bürgermeister]‘. […] [Masakatsu Oka][49]

Im Gegensatz zur Sankei berichtet die Mainichi also auch von Protest aus Japan selbst gegen die Einmischung der japanischen Politik in Berlin. Der innerjapanische Protest kommt nur äußerst selten in der Presse zur Sprache.

Im April 2021 berichtet die Mainichi von der Ausstellung am Dresdner Museum für Völkerkunde, bei der zwei Friedensstatuen (eine in Bronze, eine aus Hartplastik) zu sehen waren. Am 21. Mai 2021 erschien ein längerer Beitrag von Nembutsu Haruna, in dem sie zwei Japanologen aus Deutschland interviewt. In diesem Beitrag versucht die Autorin den Gründen dafür nachzugehen, warum die Statue in Berlin im Allgemeinen positiv aufgenommen wurde. Dies ist ein seltener Beitrag, der den spezifischen deutschen Kontext, in dem die Statue aufgestellt wurde, tiefgehender zu ergründen versucht. Damit sticht er gegenüber den anderen Artikeln aus dem betrachteten Korpus heraus.

Im Juli 2021 notiert die Berliner Korrespondentin die temporäre Ausstellung einer Friedensstatue in München. Im September berichtet die Mainichi von einer Pressekonferenz, auf der Chefkabinettssekretär Katō Katsunobu gesagt habe, dass er die Verlängerung der Aufstellungsgenehmigung in Berlin missbillige und sich in Berlin darüber beschwert habe.

Am 18. Dezember 2021 erscheint ein interessanter Bericht über ein Theaterstück, das in Osaka aufgeführt wurde und sich mit der Berliner Friedensstatue auseinandersetzt. Das Ein-Personen-Theaterstück trägt den Titel Frau Kimura vom Büro des Bürgermeisters (Shichō kōshitsu no Kimura-san ga) und stammt aus der Feder des Dramatikers und Psychiaters Kurumizawa Shin. Zum Inhalt schreibt die Zeitung:

Frau Kimura ist die erste Frau, die in einem von Männern dominierten Arbeitsumfeld im Büro des Bürgermeisters angestellt wird. Sie behauptet stolz über sich, eine Frau zu sein, die ‚niemals eine Einladung zu einem Getränk mit Kollegen (nomikai) ablehnt‘. Außerdem kann sie gut Deutsch. Eines Tages schreibt der Bürgermeister einen Protestbrief an die deutsche Partnerstadt, die eine ‚Mädchenstatue für den Frieden‘ aufstellt, und beauftragt sie, diesen zu übersetzen. Wie soll sie den Brief übersetzen, in dem die grammatischen Subjekte nur vage sind? Während Kimura sich den Kopf zerbricht, zeichnet sich eine Veränderung ab.

Es gibt diejenigen, die in der Statue eine ‚Mädchenstatue des Friedens, die für sexuelle Gewalt im Krieg steht‘ sehen, und dann aber auch diejenigen, die in ihr die ‚Trostfrauenstatue, die den Aufbau konstruktiver Beziehungen zwischen Japan und Korea behindert‘ sehen. Selbst Frau Kimura, eine Frau, die es versteht, sich der männlichen Gesellschaft anzupassen und aufzusteigen, wird beneidet und heruntergezogen, wenn sie sich einmal nicht den Wünschen der Männer anpasst. Das Stück zeigt Schicht für Schicht die Spaltung, wobei es sich von realen Problemen inspirieren lässt. Kurumizawa sagt: ‚Ich habe meine Gefühle in das Stück einfließen lassen und lade das Publikum ein, sich vorzustellen, wie es wäre, mit den Schwierigkeiten fertig werden zu müssen, mit denen Frau Kimura konfrontiert ist, wenn sie neben der Statue des Mädchens steht.‘ Minamisawa [die Darstellerin von Frau Kimura] sagt: ‚Ich möchte die Realität der Situation, in der sich Frauen befinden, durch die Traurigkeit von Frau Kimura zum Ausdruck bringen.‘[50]

Kurumizawa hat, inspiriert von der Aichi Triennale 2019, inzwischen mehrere Ein-Personen-Theaterstücke zum Thema „Trostfrauen“ und sexuelle Gewalt im Krieg geschrieben, darunter das Stück Neben jenem Mädchen (Ano shōjo no tonari ni, 2021) und Hymne an Maria – Schrei des Steins (Mariya no sanka – ishi no sakebi, 2022). Diese sind ein Nachweis dafür, dass jenseits der Tagespresse in Kunst und Publizistik durchaus eine Auseinandersetzung mit der „Trostfrauen“-Geschichte stattfindet.

9 Die Friedensstatue als diplomatischer Spielball – unabhängige Journalisten auf Yahoo! News

In Japan ist Yahoo! die meistbesuchte Internetseite. Über den Service Yahoo! News Japan, der wegen der geänderten EU-Datenschutzbestimmungen seit 2022 nicht mehr vom deutschen Internet aus zugänglich ist, werden Nachrichten von hunderten Vertragspartnern geteilt. So erhalten Leser*innen, die sich zur Friedensstatue in Berlin informieren wollen, darüber Zugriff auf die japanischsprachigen Versionen der südkoreanischen Zeitungen Hangyoreh, Yonhap News und JoongAng Ilbo, die der Statue und ihren Aufsteller*innen gegenüber eher freundlich eingestellt sind, auf die japanische Nachrichtenagentur Kyodo News, deren Artikel äußerst knapp und weitestgehend wertungsfrei gehalten sind, sowie auf die Statuen-feindliche Sankei Shinbun. Seit 2012 stellt Yahoo! News aber auch Artikel von Einzelpersonen (Journalist*innen, Expert*innen, Wissenschaftler*innen) zur Verfügung. Von den 28 Artikeln, die zum Zeitpunkt der Recherche[51] seit der Aufstellung der Berliner Friedensstatue im September 2020 über Yahoo! News zugänglich waren, entstammen 18 Beiträge einer der genannten Zeitungen und 10 Artikel der Feder des unabhängigen Journalisten Pyon Jinil (辺 真一, 변진일). Der Zainichi-Koreaner in zweiter Generation berichtet über die Statuen in Berlin und Italien im Kontext seiner allgemeinen Berichterstattung über japanisch-koreanische Beziehungen. Er bezeichnet die Interventionen des japanischen Außenministeriums bei den Friedensstatuen als „Lobby-Diplomatie“ (robī gaikō), die im Fall der Berliner Statue nach hinten losgegangen sei. Seine Berichte sind stets sehr ausführlich. Insbesondere im September und Oktober 2020 schildert er die verschiedenen Stellungnahmen seitens der südkoreanischen und der japanischen Regierungen eingehend und ordnet diese vor dem Hintergrund der japanisch-koreanischen Beziehungen ein. In seinem Beitrag vom 16.10.2020 stellt er etwa kritisch die Frage, inwiefern man von „anti-japanischen“ oder „pro-japanischen“ Einstellungen in südkoreanischer Politik und Medien sprechen könne. Dazu schreibt er:

Die Ansicht, die südkoreanische Regierung Moon Jae-in sei ‚links‘ und ‚pro-Nordkorea‘ und benutze daher ‚eine anti-japanische Haltung (han-nichi) für politische Zwecke‘, scheint sich in Japan durchgesetzt zu haben. Es ist nicht zu leugnen, dass die südkoreanische Regierung manchmal geschickt die ‚anti-japanische Karte‘ spielt, um Druck auf Japan auszuüben. Es ist jedoch nicht immer die Regierung oder die Regierungspartei, die agitiert. Das Gleiche gilt für die Medien. Selbst die konservativen Medien in Südkorea, die als ‚pro-japanisch‘ gelten, spielen oft die ‚anti-japanische‘ Karte, um das Regime anzugreifen.[52]

Daraufhin nennt er Beispiele für die politische Instrumentalisierung der Begriffe „pro-japanisch“ und „anti-japanisch“, so z. B. einen Bericht der konservativen und „pro-japanischen“ Chosun Ilbo, die die südkoreanische Regierung dafür kritisiert, nichts dagegen unternommen zu haben, als die japanische Regierung in Deutschland Lobby-Arbeit gegen einen „koreanischen“ Verein leistete. An dieser Aussage zeigt sich, dass die Thematik hier ebenfalls auf der Ebene von nationalstaatlichen Zuständigkeiten verortet wird. Wenn in der Chosun Ilbo irreführenderweise von einem „koreanischen“ Verein die Rede ist (gemeint ist der Korea Verband e.V., ein deutscher Verein, dessen Mitglieder diverse Migrationsgeschichten haben), dann klingt es so als läge er im Zuständigkeitsbereich der südkoreanischen Regierung. Pyon zeigt an mehreren weiteren Beispielen, „dass die Oppositionsparteien und die konservativen Medien die ‚anti-japanische Karte‘ nutzen, um eine progressive Regierung anzugreifen.“ Er kritisiert damit südkoreanische Medien, den Streit um die Friedensstatuen mit Hilfe der Schwarzweißmalerei „pro-“ versus „anti-japanisch“ zu instrumentalisieren, um den politischen Gegner anzugreifen.

10 Vereinzelt regierungskritische Berichterstattung in der Lokalpresse

Es ist nicht Ziel dieses Beitrags und würde dessen Umfang sprengen, die Berichterstattung in der Lokalpresse umfassend zu betrachten. Dennoch sei auf ein einzelnes Beispiel einer Lokal- bzw. Regionalzeitung hingewiesen, in der die negativen Reaktionen von Geschichtsrevisionisten und Regierung kritisch beurteilt werden und insgesamt eine progressive Aufarbeitung der „Trostfrauen“-Frage stattfindet. Den Hinweis auf diese Artikel bekam ich von Aktivist*innen, die selbst für Artikel in dieser Zeitung interviewt wurden. Sie gaben mir zu verstehen, dass dies die einzige Tageszeitung in ganz Japan sei, in der kritisch über die Einmischung der Regierung berichtet werde und in der auch die Aktivist*innen selbst ausführlich zu Wort kämen. Da ich selbst keine weiteren Nachforschungen in der Lokalpresse durchgeführt habe, kann ich mich an dieser Stelle lediglich auf deren Aussagen stützen.

Es handelt sich um die Kanagawa Shinbun, die Regionalzeitung der Präfektur Kanagawa. Die Reichweite der Zeitung ist begrenzt – laut Wikipedia, die sich auf das Japan Audit Bureau of Circulations bezieht, macht sie mit einer Auflage von 136.000 nur 7–8 % des Zeitungsmarktanteils in der Präfektur aus und hat nach den drei nationalen Zeitungen Yomiuri Shinbun, Asahi Shinbun und Nikkei Shinbun die viertgrößte Abonnentenzahl in der Präfektur.[53] Mit den Suchbegriffen shōjozō + berurin werden drei Artikel im Untersuchungszeitraum 28. September 2020–11. Juli 2024 angezeigt. Darin wird am 14. Oktober 2020 von der Aufstellung der Statue und den darauf folgenden Reaktionen und Gegenreaktionen berichtet. In einem weiteren Artikel vom 22. Oktober 2020 wird die Politologin Miura Mari von der Sophia University zu ihrer Beurteilung der damals neuen Regierung Suga – der Nachfolgerin des Kabinetts Abe II, die am 16. September 2020 antrat – in Bezug auf die Gleichberechtigung von Frauen interviewt und in diesem Zusammenhang auch zu der Forderung der Regierung, die Statue in Berlin zu entfernen, befragt. Der dritte Artikel vom 21. Mai 2022 berichtet über das Treffen zwischen Kishida und Scholz, rahmt dies aber vor dem Hintergrund einer kritischen Beurteilung auf der Seite „Fight for Justice“ ein, wo die Forderung nach Entfernung als ungerechtfertigt (futō) beschrieben wird.

Weitet man die Suche über den Untersuchungszeitraum hinaus aus, so erscheinen noch sieben weitere Artikel zwischen August und Oktober 2024. Diese Zunahme ist auf die Ankündigung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin Kai Wegner, auf eine Entfernung der Statue hinzuwirken, und die darauf folgenden Aktionen der Aufstellerinnen, sie zu erhalten, zurückzuführen. Für Außenstehende, zumal im Ausland lebende, sind die Verwaltungsebenen von Berlin (Bezirksamt, Bezirksverordnetenversammlung, Senat/Senatskanzlei), deren Vertreter (Bezirksbürgermeisterin, Regierender Bürgermeister) und die damit zusammenhängenden Aktivitäten schwer nachzuvollziehen. Diese verwaltungstechnisch doch recht komplexen Vorgänge auseinanderzudröseln und die inzwischen vierjährige Geschichte der Statue in Berlin aufzuschreiben nimmt sich die Journalistin Kashio Akiko in zwei Artikeln am 9. und 10. August 2024 vor.[54] Sie hat im Jahr 2022 bereits ein Buch über die Einmischung der japanischen Regierung in die Bildung und Erziehung in Bezug auf die „Trostfrauen“ geschrieben. In ihren Artikeln kommen zwei Aktivistinnen aus Deutschland zu Wort, die sich dafür aussprechen, die japanische Regierung möge sich in der „Trostfrauen“-Problematik von der binationalen Ebene Japan versus Südkorea (nikkan mondai) lösen. Die Einmischung der Regierung in die Aufstellung von „Trostfrauen“-Denkmälern wird von der Autorin mit (in japanischen Zeitungen selten so) deutlichen Worten als „Störung/Behinderung“ (bōgai) bezeichnet. Weiterhin wird eine Unterschriftenaktion japanischer „Trostfrauen“-Aktivist*innen erwähnt, die gegen die Entfernung der Statue gerichtet ist. Auch in den folgenden Artikeln werden kritische Stimmen aus der „Trostfrauen“-Bewegung in Japan und außerhalb zitiert. Mit der kleinen Reichweite der Zeitung bleiben die Stimmen der japanischen „Trostfrauen“-Aktivist*innen und Befürworter*innen einer kontinuierlichen Geschichtsaufarbeitung jedoch weitestgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit.

11 Fazit

In den untersuchten überregionalen Medien herrscht die Tendenz, die Friedensstatue – als Verlängerung der „Trostfrauen“-Problematik im Allgemeinen – vorwiegend als diplomatisches Problem zwischen Japan und Südkorea zu betrachten. Die Einmischung des japanischen Staates in innerdeutsche Angelegenheiten wird nicht explizit problematisiert; höchstens über Direktzitate des südkoreanischen Außenministeriums, das zum Zeitpunkt der Aufstellung der Berliner Friedensstatue gerade im Sinne der „Trostfrauen“-Bewegung agierte (dies ist nicht immer der Fall). Einzig in der Mainichi finden sich gelegentlich Berichte über Kritik an der japanischen Regierung aus Japan selbst. Die Aufsteller*innen der Statue werden durch alle Zeitungen hinweg fälschlicherweise als „südkoreanisch(stämmig)e Vereinigung“ bezeichnet, die Ebenen von Staat und Zivilgesellschaft werden zumeist nicht auseinandergehalten. Die inhaltliche Bedeutung der Friedensstatue als Symbol für Frauen- und Menschenrechte wird entweder nicht thematisiert oder als bloßer Vorwand beschrieben (Sankei Shinbun). Die Bedeutung der Statue innerhalb eines spezifisch deutschen und Berlinerischen Kontextes wird, mit Ausnahme eines Artikels in der Mainichi, ebenfalls nicht thematisiert. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass es weitestgehend an Verständnis für den innerdeutschen Kontext fehlt. Ebenso wenig wird die Wirkung der Statue innerhalb der deutschen Gesellschaft eingegangen. Aus der Berichterstattung der Sankei geht zudem hervor, dass es sich beim Einsatz der japanischen Regierung gegen die weltweit aufgestellten Friedensstatuen vor allem auch um innenpolitisches Signaling an einen Teil der LDP-Wählerschaft handelt, dass etwas getan wird.

Zwar gibt es innerhalb Japans Kritik an staatlicher Zensur und Unterdrückung der „Trostfrauen“-Erinnerung, diese sucht man aber in den landesweiten Tageszeitungen vergebens. Die Kanagawa Shinbun stellt eine Ausnahme dar, sie ist aber eine Lokalzeitung, deren meiste Artikel online nur über eine Bezahlschranke erreichbar sind. Online frei und in großer Anzahl zugänglich ist vor allem die geschichtsrevisionistische Sankei Shinbun, die so ausführlich über die „Trostfrauen“-Problematik schreibt, dass ironischerweise selbst „Trostfrauen“-Aktivist*innen darauf zugreifen, um an tagesaktuelle Informationen zu gelangen. Die anderen überregionalen Zeitungen berichten entweder nur oberflächlich oder gar nicht. Die Asahi hält sich mit Einordnungen und regierungskritischen Kommentaren zurück, seit ihre Auflage in Folge der Delegitimierungs-Kampagne durch die Neue Rechte eingebrochen ist.

Wer sich in Japan kritisch mit dem Umgang des japanischen Staates mit den ehemaligen „Trostfrauen“ beschäftigt und entsprechend aufbereitete, differenzierte Informationen aktiv sucht, findet diese auch – allerdings nicht in der überregionalen Presse, sondern eher in aktivistischen Netzwerken, in Kunst und Publizistik. Wer die Problematik nur passiv verfolgt, wird hingegen mit hoher Wahrscheinlichkeit eher einen negativen Eindruck von der Friedensstatue als Bedrohung internationaler Beziehungen bekommen.


Corresponding author: Dorothea Mladenova, Ostasiatisches Institut (Japanologie), Universität Leipzig, Schillerstr. 6, 04109 Leipzig, Germany, E-mail:

Literatur

Sekundärliteratur

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Erhalten: 2025-01-04
Angenommen: 2025-04-29
Online erschienen: 2025-10-15
Erschienen im Druck: 2025-05-26

© 2025 the author(s), published by De Gruyter, Berlin/Boston

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