Handlungsstrategien von Unternehmen und Beschäftigten in Zeiten von Corona
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Kerstin Guhlemann
Zusammenfassung
Die heterogenen Veränderungen der Arbeitsbedingungen durch die Pandemiesituation verlangen nicht nur den Beschäftigten neue Fähigkeiten zur Selbstorganisation ihres Gesundheitsschutzes und eine neue Bereitschaft zur Partizipation an der Herstellung gesunder und sicherer Arbeitsbedingungen ab, sondern stellen auch die Arbeitsschutzakteure vor neue Herausforderungen. Diese Herausforderungen treffen auf bestehende Probleme des Arbeitsschutzsystems, besonders beim Umgang mit Arbeit außerhalb des Ortes Betrieb und dem Umgang mit psychischen Belastungen, die im Zuge der Pandemie an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig lagen mit der Infektionsgefahr durch Covid-19 in der Pandemie dringliche Probleme vor, deren schnelle Bearbeitung neue Strategien und Lösungen erforderte. Expert:innen gehen davon aus, dass die aktuelle Situation langfristige Veränderungen der Arbeitswelt angestoßen hat und keine einfache Rückkehr zu einem Zustand vor der Pandemie erfolgen wird. Vor diesem Hintergrund verfolgt der Artikel die Frage, wie im Zusammenspiel der Ebenen Arbeitsschutz, Betrieb (Compliance) und Beschäftigte (Akzeptanz) gesunde und sichere Arbeitsbedingungen hergestellt und erhalten werden können. Zur Bearbeitung kommt eine Methodentriangulation zum Einsatz, die die Ergebnisse einer explorativen Befragung (n = 40) verschiedener Arbeitsschutzakteure mit einer Online-Befragung von Interessenvertretungen (n = 1600) verzahnt, um neue Erkenntnisse für die Gestaltung eines postpandemischen Arbeitsschutzes zu gewinnen.
Abstract
The heterogeneous changes in working conditions induced by the pandemic situation not only require employees to develop new skills for self-organization of their health protection and a new willingness to participate in the creation of healthy and safe working conditions, but also pose new challenges for occupational safety and health stakeholders. These challenges come up against existing problems in the occupational health and safety system, especially in dealing with work outside the workplace and with psychological stress, which have both become more important in the course of the pandemic. At the same time, the risk of Covid-19 infection in the pandemic presented urgent problems that required new strategies and solutions tobe dealt with quickly. Experts assume that the current situation has triggered long-term changes in the world of work and that there will be no simple return to the situation before the pandemic. Against this background, the article pursues the question how healthy and safe working conditions can be created and maintained in the intertwined context of occupational health and safety, company (compliance) and employees (acceptance). A methodological triangulation, combining the results of an explorative survey (n = 40) with different occupational health and safety stakeholders and an online survey with works councils (n = 1600), is used in order to gain new insights for the design of post-pandemic occupational health and safety.
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- Die Gegenwart der Krise als Erosion unternehmerischer Zukünfte
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