Zusammenfassung
Die Frage nach dem Glück des Menschen ist nicht eben ein Hauptgegenstand evangelischer Ethik; diese hat vielmehr überwiegend die Glücksthematik ausgeblendet. Gegenläufig zu diesem immer noch maßgeblichen common sense sucht der Artikel nach der Möglichkeit einer Rehabilitierung der Glücksfrage auf dem Boden der reformatorischen Theologie, namentlich in Anknüpfung an Luthers Rechtfertigungslehre. Er zeigt, dass die von Luther vollzogene konsequente Ablösung der weltlichen Ethik vom Bedürfnis des Menschen nach Heilsgewissheit durchaus als Grundlage einer Ethik gelingenden irdisch-menschlichen Lebens fungieren kann: Weil sich der Mensch durch keine Art der irdischen Lebensführung das Heil verdienen kann, fällt das säkulare Ethos in die Kompetenz humaner Vernunft und deren Interesse am Menschendienlichen – eine Konstellation, die an Aristoteles' Ethik erinnert. Die mit dieser Überlegung anvisierte evangelische Glücksethik ermöglicht einerseits eine konstruktiv-kritische Auseinandersetzung mit säkularen Glücksvorstellungen lebensweltlicher, populärwissenschaftlicher oder wissenschaftlicher Art. Andererseits zielt sie darauf, die Rechtfertigungslehre als Theorie gelingenden Lebens zu interpretieren und damit die Aktualität des Kernstücks lutherischer Theologie an einem gegenwärtig relevanten Thema zu erweisen.
Summary
Human happiness is not really the main topic of Protestant ethics. It was and is rather typical for Protestant ethics to block out this topic. Contrary to this still valid common sense the article wants to rehabilitate the question of happiness based on the insights of reformatory theology, namely with reference to Luther's doctrine of justification. It shows that Luther's complete separation of secular ethics from the human need for certainty of salvation can actually function as a basis for an ethics of happy human life: Because people cannot earn salvation by their own moral merits, the secular ethics has to be ruled by human reason and its interest to enable a life worth living – a situation which reminds of the Aristotelian approach to ethics. A Protestant ethics of happiness, seen through these eyes, makes it possible to examine and to criticise secular ideas of happiness, be it popular, popular scientific or scientific. On the other hand it aims to interpret the doctrine of justification as a theory of happy human life. So the importance of this core of Lutheran theology can be proved by using a topic which today is highly relevant.
© Walter de Gruyter
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- Zeitschriftenschau
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