Aus verletzter Liebe zu Spanien. Zur Erinnerung an Camilo José Cela (1916–2002)
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Gustav Siebenmann
Am 17. Januar 2002 ist der spanische Nobelpreisträger Camilo José Cela in Madrid gestorben. Mit seinen frühen Romanen hat er dem von den Schrecken des Bürgerkriegs traumatisierten Spanien ein literarisches Denkmal gesetzt. Später hat er, nach wie vor aus der Haltung des provokativen Trotzes, dem Land einen Zerrspiegel vorgehalten und für manchen Skandal gesorgt. Als Künstler der Wortfindung hat er gleichzeitig den Spaniern und uns Hispanisten zu großem Lesevergnügen verholfen. In der Iberoromania gebührt dem leidenschaftlichen und streitbaren Galicier ein Nachruf. Dieser braucht keine kritischen Novitäten zu bringen, sondern soll in großen Zügen ein Erinnerungsporträt entwerfen.
Geboren bin ich vor inzwischen vielen Jahren in Iria-Flavia, einem lateinischen Brükkenkopf im siebenten Land des keltischen Westens. Seither habe ich mich leidlich durchgewurstelt, womit meine Sehnsüchte allesamt befriedigt waren. Zum Zeitvertreib war ich im Krieg, habe zweimal geheiratet, einen Sohn gezeugt und ein halbes Dutzend Bücher veröffentlicht. Ich habe keinen einzigen Baum gepflanzt, habe nie auch nur eine Zeile geschrieben über die erbauliche Institution des Sparens. Die Titel meiner Bücher zähle ich hier nicht auf, denn ich bin der Meinung, daß jede halbwegs gebildete Person sie ohnehin kennt …
Mit solcher Ironie beginnt Cela seinen 1953 verfaßten Lebenslauf. Der freche Ton, die Willkür, auch der Witz seiner Einfälle, die Treffsicherheit seiner Wortwahl sind unverkennbar, hier wie in seinem ganzen Werk. Etwas später klagt Cela, diesmal fünfundvierzig Jahre alt, in einem Rundfunk-Porträt nicht weniger ironisch: Der Beruf des Schriftstellers sei nicht unterhaltsam, manche unbeliebt, bringe wenig Gewinn, kenne kein Lächeln, höchstens das Glück unbekannter Freuden, werde indessen nicht belohnt und kenne keine Preise … Im letzten Klagepunkt hat er sich allerdings getäuscht. Den ersten Romanpreis “de la Crítica” hat er 1956 erhalten, den Nationalen Romanpreis 1984, den Pŕincipe de Asturias 1987, den Nobelpreis 1989. Selbst nach dieser hohen internationalen Auszeichnung, sie war nicht unumstritten, ist Cela sarkastisch geblieben: “Auch ich hätte für mich gestimmt.” Und wiederum nach mancher Polemik hat er 1995 auch den begehrten Premio Cervantes erhalten. Im April des selben Jahres hat ihn die Technische Universität Dresden zum Ehrendoktor promoviert.
© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2002
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- Nuevas escenas matritenses. El discurso metacostumbrista de Camilo José Cela
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- MANUEL ALVAR: El español en Venezuela. Estudios, mapas, textos
- Libros recibidos
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