Startseite Architektur 7. ZERSTÖRUNG VON PATIENTEN. LOBOTOMIE UND DIE SCHLEICHENDE RÜCKKEHR DER PSYCHOCHIRURGIE
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7. ZERSTÖRUNG VON PATIENTEN. LOBOTOMIE UND DIE SCHLEICHENDE RÜCKKEHR DER PSYCHOCHIRURGIE

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Visuelle Gewalt
Ein Kapitel aus dem Buch Visuelle Gewalt
1897. ZERSTÖRUNG VON PATIENTEN.LOBOTOMIE UND DIE SCHLEICHENDE RÜCKKEHRDERPSYCHOCHIRURGIEAlltag, Kunst und PsychiatrieIn den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts gab es – wie im vor-herigen Kapitel beschrieben – immer wieder Hinweise auf psychia-trische Vorstellungen von Anormalität, die mit gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen außerhalb der Anstaltsmauern kolli-dierten. Das, was im Verhalten und Aussehen von Patienten zu In-dizien für eine spezielle Diagnose führte, war oftmals längst Be-standteil von Alltags- und Lebensformen. Dieser Sachverhalt wurde nur von wenigen Ärzten reflektiert und wenn, dann drückte sich dar-in Angst vor Entgrenzungsprozessen aus. Der Leipziger Psychiater Oswald Bumke beschrieb 1923 zeitgenössische Bedenken unter Ärz-ten, Krankheitsbegriffe könnten sich auflösen, weil sich darunter zu viele normale Verhaltensweisen subsumieren ließen.1 Nicht nur die erwähnten Spiritisten oder Anhänger der Lebensreformbewegung, sondern auch Kunsthistoriker wie der Heidelberger Hans Prinzhorn zeigten eine besondere Aufmerksamkeit für Ausdrucksgebärden und produktive Zeugnisse von Psychiatriepatienten. Die Sammlung Prinz-horns von bildnerischen Werken Schizophrener und die bewusste Bezeichnung der entstandenen Zeichnungen und Malereien als Kunst war in dieser Periode als ein Meilenstein des Sprechens über kulturelle Normalität und als Ausdruck und Integration von Gei-steskrankheit in gesellschaftliches Leben zu werten. Anteil an der 1Siehe Oswald Bumke 1923, zit. n. Doris Kaufmann, Kunst, Psychia-trie und schizophrenes Weltgefühl in der Weimarer Republik. Hans Prinzhorns Bildnerei der Geisteskranken, in: Matthias Bormuth/Klaus Podoll/Carsten Spitzer (Hg.), Kunst und Krankheit. Studien zur Pa-thographie, Göttingen 2007, 57-72, hier: 59.
© 2016 transcript Verlag

1897. ZERSTÖRUNG VON PATIENTEN.LOBOTOMIE UND DIE SCHLEICHENDE RÜCKKEHRDERPSYCHOCHIRURGIEAlltag, Kunst und PsychiatrieIn den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts gab es – wie im vor-herigen Kapitel beschrieben – immer wieder Hinweise auf psychia-trische Vorstellungen von Anormalität, die mit gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen außerhalb der Anstaltsmauern kolli-dierten. Das, was im Verhalten und Aussehen von Patienten zu In-dizien für eine spezielle Diagnose führte, war oftmals längst Be-standteil von Alltags- und Lebensformen. Dieser Sachverhalt wurde nur von wenigen Ärzten reflektiert und wenn, dann drückte sich dar-in Angst vor Entgrenzungsprozessen aus. Der Leipziger Psychiater Oswald Bumke beschrieb 1923 zeitgenössische Bedenken unter Ärz-ten, Krankheitsbegriffe könnten sich auflösen, weil sich darunter zu viele normale Verhaltensweisen subsumieren ließen.1 Nicht nur die erwähnten Spiritisten oder Anhänger der Lebensreformbewegung, sondern auch Kunsthistoriker wie der Heidelberger Hans Prinzhorn zeigten eine besondere Aufmerksamkeit für Ausdrucksgebärden und produktive Zeugnisse von Psychiatriepatienten. Die Sammlung Prinz-horns von bildnerischen Werken Schizophrener und die bewusste Bezeichnung der entstandenen Zeichnungen und Malereien als Kunst war in dieser Periode als ein Meilenstein des Sprechens über kulturelle Normalität und als Ausdruck und Integration von Gei-steskrankheit in gesellschaftliches Leben zu werten. Anteil an der 1Siehe Oswald Bumke 1923, zit. n. Doris Kaufmann, Kunst, Psychia-trie und schizophrenes Weltgefühl in der Weimarer Republik. Hans Prinzhorns Bildnerei der Geisteskranken, in: Matthias Bormuth/Klaus Podoll/Carsten Spitzer (Hg.), Kunst und Krankheit. Studien zur Pa-thographie, Göttingen 2007, 57-72, hier: 59.
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