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Die inclinationes naturales nach Thomas von Aquin und die empirischen Wissenschaften

Zur Bedeutung eines klassischen naturrechtlichen Lehrstücks für die zeitgenössische Ethik
  • Ralf Lutz
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Natur und Vernunft
This chapter is in the book Natur und Vernunft

Zusammenfassung

Die inclinationes naturales nehmen eine prominente Stellung innerhalb der Naturrechtslehre des Thomas von Aquin ein. Nicht nur, dass sie der Konkretion des bonum als Inhalt der lex naturalis dienen, sie versuchen eine natürliche und zugleich notwendige Zielausrichtung des menschlichen Willens im Verlangen nach Glück zu operationalisieren, indem elementare Grundgüter benannt werden, auf die die basalen einzelnen menschlichen Strebungen ausgerichtet sind. Moderne Versuche der Wiederaneignung werden ohne die Integration empirisch gewonnener Einsichten über Handlungsdispositionen des Menschen in die Systematik der inclinationes kaum mehr plausibilisierbar sein. Dies setzt erstens eine nähere Bestimmung der inclinationes voraus und erfordert zweitens aufseiten empirisch begründeter Handlungsbereitschaften die Identifikation einer inhaltlichen Bezogenheit auf Güter im weitesten Sinne, die sich als lebensdienlich erweisen lassen. Die angezeigte Integration anhand der inclinatio des menschlichen Sozialbezugs und der empirisch gut belegten Bereitschaft zur Kooperation ( Tomasello) vermag die Rede von natürlichen Neigungen insgesamt sowohl zu stützen als auch zu konkretisieren.

Zusammenfassung

Die inclinationes naturales nehmen eine prominente Stellung innerhalb der Naturrechtslehre des Thomas von Aquin ein. Nicht nur, dass sie der Konkretion des bonum als Inhalt der lex naturalis dienen, sie versuchen eine natürliche und zugleich notwendige Zielausrichtung des menschlichen Willens im Verlangen nach Glück zu operationalisieren, indem elementare Grundgüter benannt werden, auf die die basalen einzelnen menschlichen Strebungen ausgerichtet sind. Moderne Versuche der Wiederaneignung werden ohne die Integration empirisch gewonnener Einsichten über Handlungsdispositionen des Menschen in die Systematik der inclinationes kaum mehr plausibilisierbar sein. Dies setzt erstens eine nähere Bestimmung der inclinationes voraus und erfordert zweitens aufseiten empirisch begründeter Handlungsbereitschaften die Identifikation einer inhaltlichen Bezogenheit auf Güter im weitesten Sinne, die sich als lebensdienlich erweisen lassen. Die angezeigte Integration anhand der inclinatio des menschlichen Sozialbezugs und der empirisch gut belegten Bereitschaft zur Kooperation ( Tomasello) vermag die Rede von natürlichen Neigungen insgesamt sowohl zu stützen als auch zu konkretisieren.

Chapters in this book

  1. Titelei I
  2. Inhalt V
  3. Einleitung 1
  4. I Historische Perspektiven
  5. Über Quellen naturrechtlichen Denkens 7
  6. Das naturgemäße Leben als das glückliche Leben 29
  7. Naturrecht als Vernunftrecht 51
  8. Lässt sich moralische Kategorizität ohne Gott denken? 73
  9. Die Transformation des Naturgesetzes zum Gesetz der Freiheit bei Johannes Duns Scotus 99
  10. Ius naturale und Lex naturalis bei Autoren der „Schule von Salamanca” 113
  11. Konfessionelle Partikularisierung und neuzeitliches Naturrecht als Vernunftrecht 145
  12. Unde malum? Unde natura? Unde gratia? 171
  13. II Systematische Perspektiven
  14. Naturrechtsethik und Moralischer Realismus 195
  15. Naturrecht und der Vorwurf des naturalistischen Fehlschlusses 215
  16. Fallibilistischer Essentialismus als Voraussetzung für eine zeitgemäße Naturrechtsethik 231
  17. Neue Naturrechtsethik als dispositionale Werttheorie? 255
  18. Die inclinationes naturales nach Thomas von Aquin und die empirischen Wissenschaften 275
  19. Zur Relevanz des Gottesbegriffs für die christliche Ethik 291
  20. Protestantische Zugänge zum Naturrechtsgedanken 313
  21. Ist die New-Natural-Law-Theory eine naturrechtliche Ethik? 333
  22. Metaethischer Konstitutivismus 357
  23. III Angewandte Perspektiven
  24. III.1 Rechtliche Perspektiven
  25. Naturrecht und Menschenrechtsbegründung aus der rechtspositivistischen Sicht von N. Bobbio und H. L. A. Hart 385
  26. Das Recht auf Leben als unveräußerliches Menschenrecht 407
  27. Friedensethische Orientierungen in einer Zeit weltordnungspolitischer Umbrüche 429
  28. III.2 Sozialethische Perspektiven
  29. Natur als Grenze und Anspruch 449
  30. Gemeinwohl im Spannungsfeld von Freiheit und Natur 471
  31. Sozialethische Reflexionen auf naturrechtliche Gerechtigkeitsvorstellungen 493
  32. III.3 Bioethische Perspektiven
  33. Deathbots 517
  34. Altern und Sterben als Gestaltung der Ambivalenz zwischen Verletzlichkeit und Wachstumspotenzialen 527
  35. Naturrechtliches Denken und die Frage nach dem assistierten Suizid aus christlich-protestantischer Sicht 549
  36. Personenregister
Downloaded on 28.12.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783111695440-014/html
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