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Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens

Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768–1834), evangelischer Theologe, Philosoph, Bildungs- und Kirchenpolitiker, hatte in Halle studiert. Während seiner Zeit als Prediger an der Berliner Charité (1796–1802) schloss er Freundschaft mit Friedrich Schlegel, auf den die Idee einer gemeinsamen Platon-Übersetzung zurückgeht. Nach Schlegels Weggang aus Berlin wurde das Vorhaben von Schleiermacher allein ausgeführt, zunächst in Stolp, wo er 1802–1804 als Hofprediger amtierte. Der erste Band erschien 1804, weitere folgten 1805, 1807, 1809 und 1828. Ab 1809 war Schleiermacher an den Reformen des preußi-schen Bildungswesens beteiligt. Nach Gründung der Berliner Universität übernahm er, parallel zu seiner Pfarrstelle, eine theologische Professur. Schleiermachers Vortrag Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens, gehalten im Juni 1813 in der Preußischen Akademie der Wissenschaften, wurde zuerst 1816 gedruckt und gehört zu den bedeutendsten Zeugnissen deutscher Übersetzungstheorie. Dabei ver-deckt die prägnante Benennung zweier alternativer Methoden durch Schleiermacher – „Entweder der Uebersetzer läßt den Schriftsteller möglichst in Ruhe, und bewegt den Leser ihm entgegen; oder er läßt den Leser möglichst in Ruhe, und bewegt den Schriftsteller ihm entgegen“ – dessen eigentliche Intention. Denn letztlich lässt er nur die erste der beiden Methoden gelten: eine Übersetzung, die als sprachliche Darstellung des Verstehensaktes gedacht ist und die den zu übersetzenden Text als „fremd“ zeigt. Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens Aus: Friedrich Daniel Schleiermacher, Akademievorträge, hg. von Martin Rössler unter Mitwirkung von Lars Emersleben (= Kritische Gesamtausgabe, 1. Abt., Schriften und Entwürfe, Bd. 11), Berlin u. a. 2002, 67–93. Von Herrn Schleiermacher.1Die Thatsache, daß eine Rede aus einer Sprache in die andere übertragen wird, kommt uns unter den mannigfaltigsten Gestalten überall entgegen. Wenn auf der einen Seite dadurch Menschen in Berührung kommen können, welche ursprünglich vielleicht um den Durchmesser der Erde von einander entfernt sind; wenn in eine Sprache aufge-nommen werden können die Erzeugnisse einer andern, schon seit vielen Jahrhunder-ten erstorbenen: so dürfen wir auf der andern Seite nicht einmal über das Gebiet Einer Sprache hinausgehen, um dieselbe Erscheinung anzutreffen. Denn nicht nur daß die Mundarten verschiedener Stämme Eines Volkes und die verschiedenen Entwickelun-_____________ 1 Vorgelesen den 24sten Junius 1813.

Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768–1834), evangelischer Theologe, Philosoph, Bildungs- und Kirchenpolitiker, hatte in Halle studiert. Während seiner Zeit als Prediger an der Berliner Charité (1796–1802) schloss er Freundschaft mit Friedrich Schlegel, auf den die Idee einer gemeinsamen Platon-Übersetzung zurückgeht. Nach Schlegels Weggang aus Berlin wurde das Vorhaben von Schleiermacher allein ausgeführt, zunächst in Stolp, wo er 1802–1804 als Hofprediger amtierte. Der erste Band erschien 1804, weitere folgten 1805, 1807, 1809 und 1828. Ab 1809 war Schleiermacher an den Reformen des preußi-schen Bildungswesens beteiligt. Nach Gründung der Berliner Universität übernahm er, parallel zu seiner Pfarrstelle, eine theologische Professur. Schleiermachers Vortrag Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens, gehalten im Juni 1813 in der Preußischen Akademie der Wissenschaften, wurde zuerst 1816 gedruckt und gehört zu den bedeutendsten Zeugnissen deutscher Übersetzungstheorie. Dabei ver-deckt die prägnante Benennung zweier alternativer Methoden durch Schleiermacher – „Entweder der Uebersetzer läßt den Schriftsteller möglichst in Ruhe, und bewegt den Leser ihm entgegen; oder er läßt den Leser möglichst in Ruhe, und bewegt den Schriftsteller ihm entgegen“ – dessen eigentliche Intention. Denn letztlich lässt er nur die erste der beiden Methoden gelten: eine Übersetzung, die als sprachliche Darstellung des Verstehensaktes gedacht ist und die den zu übersetzenden Text als „fremd“ zeigt. Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens Aus: Friedrich Daniel Schleiermacher, Akademievorträge, hg. von Martin Rössler unter Mitwirkung von Lars Emersleben (= Kritische Gesamtausgabe, 1. Abt., Schriften und Entwürfe, Bd. 11), Berlin u. a. 2002, 67–93. Von Herrn Schleiermacher.1Die Thatsache, daß eine Rede aus einer Sprache in die andere übertragen wird, kommt uns unter den mannigfaltigsten Gestalten überall entgegen. Wenn auf der einen Seite dadurch Menschen in Berührung kommen können, welche ursprünglich vielleicht um den Durchmesser der Erde von einander entfernt sind; wenn in eine Sprache aufge-nommen werden können die Erzeugnisse einer andern, schon seit vielen Jahrhunder-ten erstorbenen: so dürfen wir auf der andern Seite nicht einmal über das Gebiet Einer Sprache hinausgehen, um dieselbe Erscheinung anzutreffen. Denn nicht nur daß die Mundarten verschiedener Stämme Eines Volkes und die verschiedenen Entwickelun-_____________ 1 Vorgelesen den 24sten Junius 1813.

Kapitel in diesem Buch

  1. Frontmatter I
  2. Inhalt VII
  3. Einleitung 1
  4. [Rezension zu] Homers Werke, von Johann Heinrich Voß. 1793 3
  5. Vorrede (Auszug) 39
  6. Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens 59
  7. Ueber die Farbengebung des Alterthümlichen in Verdeutschung alter klassischer Prosa 83
  8. Vorrede zur Agamemnon-Übersetzung 95
  9. Einiges zur Geschichte des Uebersetzens 115
  10. Ueber die Aufgabe des Uebersezens 127
  11. Zur Geschichte der deutschen Uebersetzungs-Litteratur: Sophokles. (Auszug) 145
  12. Epistel an einen Freund als Vorwort. 163
  13. Die Kunst des deutschen Uebersetzers (Auszug) 179
  14. Encyklopädie und Methodologie der philologischen Wissenschaften (Auszug) 199
  15. Vorwort zu den Übersetzungen des Sophokles und Euripides 205
  16. Einleitung zur Odyssee-Übersetzung 217
  17. Die Grenzen der Übersetzungskunst 237
  18. die kunst des übersetzens in die muttersprache 287
  19. Die Kunst des Übersetzens fremdsprachlicher Dichtungen 299
  20. Vom Werte der Übersetzung für den Humanismus 313
  21. Was ist übersetzen? 325
  22. Deutscher Sophokles. Beiträge zur Geschichte der Tragödie in Deutschland (Auszug) 351
  23. Von deutscher Übersetzerkunst 361
  24. Zur Problematik des Übersetzens 379
  25. Nachwort des Übersetzers 391
  26. Das Problem der Übersetzung antiker Dichtung (I) 419
  27. Das Problem der Übersetzung antiker Dichtung (II) 425
  28. Zur Aktualisierung antiker Dramatik. Der Grundsatz des wirkungsgetreuen Übersetzens 437
  29. Blick in die Werkstatt. Zu einigen Problemen der Übersetzung griechischer Tragödien 443
  30. Römische Antiquitäten. Erfahrungen und Anregungen aus der Werkstatt 461
  31. Die gute Übersetzung. Was zeichnet sie aus, und gehört sie zum Pensum des altsprachlichen Unterrichts? 473
  32. Zur vorliegenden Übersetzung 493
  33. Sieben Prämissen einer neuen Übersetzung der Ilias 499
  34. Backmatter 507
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