Genetische Aspekte bei Spermatogenesestörungen
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F. Tüttelmann
Zusammenfassung
Bei unerfülltem Kinderwunsch, der etwa 10–15% aller Paare betrifft, zeigt sich in etwa der Hälfte der Fälle eine (Mit-)Ursache aufseiten des ansonsten gesunden Mannes, bei dem sich i. d. R. eine eingeschränkte Spermienzahl im Ejakulat (Oligo- oder Azoospermie) findet. Zu den klinisch relevanten genetischen Ursachen für Spermatogenesestörungen gehören insbesondere Chromosomenaberrationen (inkl. Klinefelter-Syndrom) und Y-chromosomale Mikrodeletionen der AZF-Loci. Mutationen im CFTR-Gen können neben einer Mukoviszidose zu einer isolierten obstruktiven Azoospermie ohne Spermatogenesestörung führen. Nach der andrologischen Basisdiagnostik sollten entsprechend den Befunden die genetischen Untersuchungen veranlasst werden. Chromosomenstörungen finden sich mit abnehmender Spermienzahl häufiger. Bei einer Oligozoospermie stehen Veränderungen (z. B. Translokationen) der Autosomen im Vordergrund, während für eine Azoospermie in 10–15% ein Klinefelter-Syndrom ursächlich ist. Die klassischen AZF-Deletionen finden sich ausschließlich bei Männern mit hochgradiger Oligo- oder Azoospermie und haben prognostische Bedeutung: Bei Trägern einer kompletten AZFa- oder AZFb-Deletion ist im Gegensatz zu Männern mit AZFc-Deletion eine Hodenbiopsie mit dem Ziel der Spermiengewinnung nicht erfolgversprechend. Daneben kommen in seltenen Fällen syndromale Formen und spezifische Spermiendefekte (Globozoospermie, Zilienstrukturdefekte) als genetische Ursachen einer Infertilität in Frage.
Abstract
The cause for infertility which affects about 10–15% of all couples may be found in approximately half of the cases in the male partners who usually exhibit reduced sperm counts in the ejaculate (i.e. oligozoospermia or azoospermia). The clinically most relevant genetic causes of spermatogenic failure are chromosomal aberrations including Klinefelter’s syndrome and Y chromosomal microdeletions of the AZF loci. Aside from the full clinical picture of cystic fibrosis, mutations in the CFTR gene can cause an isolated obstructive azoospermia without spermatogenic impairment. Genetic investigations should depend on the results of andrological examinations. Chromosomal aberrations are detected more frequently with decreasing sperm counts, where autosomes (e.g. translocations) are predominantly involved in men with oligozoospermia whereas in 10–15% azoospermia is caused by Klinefelter’s syndrome. Classical AZF deletions are found only in men with severe oligospermia or azoospermia and have a prognostic value. In contrast to men with AZFc deletions, carriers of complete AZFa and AZFb deletions have virtually no chance for testicular sperm extraction and a testicular biopsy is not advised. Rare cases of male infertility may be caused by specific syndromes or sperm defects (e.g. globozoospermia and disorders of ciliary structure).
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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