Imaginarien der Kraft
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Herausgegeben von:
Frank Fehrenbach
, Matthias Glaubrecht und Cornelia Zumbusch
Kräfte entziehen sich der Wahrnehmung. Umgekehrt wird Wahrnehmung (aisthesis) seit der Antike als Kraft (dynamis) bestimmt. Das Nachdenken über Wahrnehmung tariert die Spannung zwischen Wahrheitsfähigkeit und Täuschungsanfälligkeit, passiver Impression und aktiver Imagination, verborgener Ursache und wahrnehmbarer Wirkung aus. Ästhetisch kodierte Wahrnehmungseinstellungen wie Reiz, Überwältigung, Aufmerksamkeit oder Zerstreuung geben außerdem Anlass, über ästhetische Kraftvorstellungen nachzudenken. Die Beiträge fragen aus mehreren Fachperspektiven, wie sich Konzeptualisierungen der Sinneskräfte zur problematischen Wahrnehmbarkeit von Kräften verhalten, wie künstlerische Verfahren an Perzeptionsmodelle angepasst werden und welche Rolle sie bei der Ausbildung und Veränderung von Wahrnehmungskonventionen spielen.
Das Buch von Julia Weber zeigt, auf welche Weise das von Aristoteles herrührende Verständnis von virtuellen Kräften als real nicht nachweisbaren, aber dennoch wirksamen Kräften den philosophischen Diskurs bis in die Moderne geprägt hat. Es verfolgt die Entwicklungen von den philosophischen Diskussionen um die Existenz von virtuellen Kräften in der Antike und im Mittelalter über das Aufkommen von virtuellen Räumen in der Frühen Neuzeit bis hin zur Entstehung von virtuellen Welten in der Literatur des 18. Jahrhunderts und macht auf diese Weise die bisher kaum nachvollzogenen Kontinuitäten und Verschiebungen zwischen antiken philosophischen Kraftdiskussionen und zeitgenössischen virtual realities sichtbar.
Die Kraft der Dichtung, seit Platon ein Topos, wird in der Literatur zwischen 1770 und 1830 in radikaler Weise neu gedeutet. Statt nach göttlicher oder unbewusster Inspiration, überwältigender Wirkung oder seelenmechanischer Bewegung wird nun nach den Verwandlungsmöglichkeiten der Dichtung gefragt. Diese Neukonfigurationen poetischer Kraft diskutiert die Autorin im Kontext des frühen thermodynamischen Denkens, dem sich die Welt nicht als Mechanismus, sondern als selbstorganisierter Metabolismus zeigt. In Bildern der Natur wie auch in maschinenähnlichen Anordnungen, in denen verbrannt und verbraucht, geatmet und gegessen wird, entwickeln Goethe und Novalis Modelle einer Formdynamik, die sich mit Herder und W. v. Humboldt als energeia, mithin als fortgesetzte Gestaltung und Umgestaltung verstehen lässt.
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Schreibt die Geschichte der Kraft in Naturphilosophie und Dichtungstheorie des 17. und 18. Jahrhunderts neu
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Greift aktuelle Impulse der energy studies auf
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Goethe und Novalis als Beobachter des Einstiegs in fossile Verbrennungskulturen
Um 1800 diskutierte man über Naturkräfte in verschiedenen wissenschaftlichen und künstlerischen Zusammenhängen: Anziehung und Abstoßung, Lebenskräfte und elektrische Ströme, der "Bildungstrieb" und biologische Organismen wurden als Kräfte untersucht, die sich auf „natürliche" Prozesse zurückführen lassen. Literatur, Wissenschaft und Philosophie der deutschsprachigen Romantik von Schelling bis zu Günderrode und Hölderlin arbeiteten sich an Konzepten von Kräften ab, die als dynamisch und in beständiger Tätigkeit begriffen wurden – Kräfte, die auch menschliche Handlungen, soziale Strukturen und kulturelle Entwicklungen einzuschließen schienen. Der Band erkundet Vor- und Darstellungen von Naturkräften in der Romantik an der Schnittstelle von Naturwissenschaft und kulturellen Vorstellungswelten.
Im Fin de Siècle war "Energie" bis weit über die Grenzen der Wissenschaften hinaus das Schlagwort, über das die Gestaltungssouveränität der westlichen Moderne ebenso wie deren Grenzen ausgehandelt wurden. Der menschliche Körper stand im Zentrum der Sichtbarmachung dieses rätselhaften Antriebs aller Bewegung in arbeitsökonomischen Diskursen, Körperkultur, Sport, Kunst und Literatur. Durch ihn galt es dieses alles durchdringende und bedingende physikalische Erhaltungsprinzips ebenso wie dessen Wahrnehmungsqualitäten erfahrbar zu machen. Diesen "Energetic Bodies" widmet sich der vorliegende Band. Den transdisziplinären Beiträgen gelingt es, Körperszenarien der Kraft und Energie in einem geschichtlichen Verlauf von 1800 über die Hochphase um 1900 bis heute nachzuvollziehen.
Die Beiträge des Bandes untersuchen Vorstellungen von Form- und Bewegungskräften anhand von Beispielen aus Kunst, Musik, Tanz, Theater, Fotografie und Literatur. Gefragt wird dabei nicht nur, wie historische Kraftbegriffe (etwa energeia und vis aus der antiken Rhetorik) aufgenommen, weiterentwickelt und zu mechanischen, metaphysischen und organologisch fundierten Kraftkonzepten in Bezug gesetzt werden. Auch erkunden die Beiträge, wie in der Beschäftigung mit Form und Bewegung je eigene Kraftkonzepte hervorgebracht oder neu perspektiviert werden.
Gewaltbilder durchdringen in vielfältigen Formen nahezu alle Lebensbereiche. Ihr Erscheinen ist dabei nicht nur auf ihre Wirkkräfte selbst, sondern auch auf die Rezeptionsbedürfnisse potentiell aller Mediennutzerinnen und -nutzer zurückzuführen. Der vorliegende Band widmet sich ebendiesem komplizierten Verhältnis von medialisierter Gewalt und ihren Nutzerinnen und Nutzern, das insbesondere von zwei Grundkräften geprägt zu sein scheint: jenen der Anziehung und der Abstoßung. In diesem Kräfteverhältnis sehen sich Nutzerinnen und Nutzer in Konfrontation mit Gewaltbildern unter moralischem und ästhetischem Selbsteinschätzungsdruck einem Dilemma ausgesetzt: Sollen sie besser hin- oder doch lieber wegsehen?
Ist die nachantike Darstellung des Schlagschattens tatsächlich eine Errungenschaft der Malerei der 1420er Jahre in Florenz, wie uns die Viten Giorgio Vasaris, aber auch weite Teile der Forschung bisweilen glauben lassen? Dieser Frage spürt Gerd Mathias Micheluzzi in seiner kunsthistorischen, in der Herangehensweise interdisziplinär angelegten Arbeit erstmals umfassend und systematisch nach. An frühchristlichen Mosaiken, mittelalterlichen Wissensbeständen sowie Buch-, Wand- und Tafelmalereien des 14. und 15. Jahrhunderts in Italien wird aufgezeigt, dass der Schlagschatten bereits zuvor eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte. Zugleich wird evident, dass die nachgezeichneten Entwicklungen und Konjunkturen zwar miteinander verflochten, aber weder konstant noch teleologisch auf Naturnachahmung gerichtet sind.
- Erste systematische Untersuchung des Schlagschattens in der italienischen Malerei, Literatur und Naturphilosophie des Mittelalters
- Revision eines kunsthistorischen Topos