Startseite Geschichte Demokratische Kultur und NS-Vergangenheit. Politik, Personal, Prägungen in Bayern 1945-1975
multi-volume work: Demokratische Kultur und NS-Vergangenheit. Politik, Personal, Prägungen in Bayern 1945-1975
Mehrbändiges Werk

Demokratische Kultur und NS-Vergangenheit. Politik, Personal, Prägungen in Bayern 1945-1975

  • Herausgegeben von: Magnus Brechtken und Bernhard Gotto
Veröffentlichen auch Sie bei De Gruyter Brill

Als das Grundgesetz 1949 in Kraft trat, währte der demokratische Neuanfang in Bayern bereits vier Jahre. Gestaltet wurde er überwiegend von Männern, die ihre persönliche und berufliche Prägung in autoritären Strukturen erhalten und in der NS-Diktatur Verantwortung getragen hatten. Die Reihe untersucht, wie solche Kontinuitäten die Verwaltungspraxis im Freistaat formten. Die Bände legen die föderale Seite einer ebenso lebendigen wie widerspruchsvollen Demokratie offen, die sich von der NS-Vergangenheit distanzierte und zugleich Teile davon absorbierte.

Buch Erfordert eine Authentifizierung Nicht lizenziert Lizenziert 2024

Die Bediensteten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in Bayern, die

»Hüter der Volksgesundheit«, lernten nach 1945 Demokratie, und zwar im

Dienstalltag: im Innenministerium, in Gesundheitsämtern oder in Krankenhäusern,

beim Verfassen von Gesetzesentwürfen ebenso wie beim Röntgen.

Manches erlernten sie, manches lernten sie erneut, manches verlernten sie.

Es ging um die Würde des Menschen, um Gewalt und Eugenik, um die

Gleichstellung von Mann und Frau, um Grundrechte und Bindung an

geltendes Recht.

Sophie Friedl erzählt das Ineinandergreifen von illiberalen Traditionen und

demokratischen Impulsen, von Ungleichzeitigkeit, Eigendynamik und Ambivalenz

als eine Geschichte des Lernens. Lernen ist hier weder beschönigende

Metapher noch Vorwegnahme einer vermeintlichen Erfolgsgeschichte der

bundesrepublikanischen Demokratie, sondern analytische Innovation. Mit

ihrem offenen, prozessualen, nicht-linearen Lernbegriff bricht die Autorin

die Gegenüberstellung von Kontinuitäten und Diskontinuitäten auf; sie

klärt das scheinbare Paradox zwischen opportunistischer Anpassung und

tiefgehender Umorientierung.

Shortlist des Hedwig Hintze Preises für herausragende geschichtswissenschaftliche

Dissertationen des Verbandes der Historiker und Historikerinnen

Deutschlands e. V.

Buch Erfordert eine Authentifizierung Nicht lizenziert Lizenziert 2025

Auch im bayerischen Justizministerium arbeiteten in der Nachkriegszeit viele Juristen, die schon in der NS-Justiz tätig gewesen waren. Aus einer kulturhistorischen Perspektive rekonstruiert Ana Lena Werner die Nachkriegsgeschichte dieser bayerischen Justizverwaltung. Sie analysiert dazu die Justizbilder, also die Selbst- und Fremdbilder der Justizelite, sowohl in öffentlichen als auch in internen Zusammenhängen. Um die Verwaltungspraxis der Nachkriegszeit mit Bezug zur Personalaktenführung und zur Entnazifizierung herauszuarbeiten, führt die Autorin den Begriff der bürokratischen Biografie ein. Dieser Fokus auf Justizbilder und Verwaltungspraxis zeigt, welche zeitgenössischen Vorstellungen über Juristenbiografien im Übergang zur Demokratie und deren Stabilisierung vorherrschend waren – und wie sie den Umgang mit der NS-Vergangenheit beeinflussten.

Mit ihrer Forschung liefert die Autorin neue Erkenntnisse zur Verwaltungskontinuität im 20. Jahrhundert: Sie ordnet die Besonderheiten des „Wiederaufbaus" der Landesjustizverwaltung in Bayern und die vielbesprochene These eines „Versagens der Justiz" hinsichtlich des Umgangs der bayerischen Landesjustiz mit der NS-Vergangenheit neu ein.

Buch Erfordert eine Authentifizierung Nicht lizenziert Lizenziert 2025

Als 1946 die Bayerische Verfassung verabschiedet wurde, formulierte sie das Ziel, die Jugend „im Geiste der Demokratie" und „in der Liebe zur bayerischen Heimat" zu erziehen. In den bildungspolitischen Strategien zur Überwindung des Nationalsozialismus waren das Erziehungsziel der Demokratie und die Stärkung bayerischer Identität eng miteinander verbunden. Für die Beamt:innen des bayerischen Kultusministeriums ergab sich noch eine weitere Herausforderung: Aufgrund der Entnazifizierung war das Ministerium selbst von einem umfassenden personellen Neuaufbau betroffen. Gleichzeitig versuchte es an frühere Verwaltungstraditionen anzuknüpfen.

Felix Lieb untersucht die Schulpolitik des bayerischen Kultusministeriums zwischen 1945 und 1975 und geht der Frage nach, wie die Demokratie-Vorstellungen der Kultusbeamt:innen mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit zusammenhingen. Mit Blick auf die Untersuchungsebenen Personal, Sachpolitik und Verwaltungskultur kann er aufzeigen, wie bedeutend dabei Bezüge auf vor-nationalsozialistische Traditionen waren. Vor allem ab den 1960er-Jahren zeigte sich immer deutlicher, dass diese in einem ambivalenten Verhältnis zum Erziehungsziel der Demokratie standen.

Buch Erfordert eine Authentifizierung Nicht lizenziert Lizenziert 2025

Jürgen Kilian untersucht das Bayerische Statistische Landesamt in der Zeit zwischen 1933 und dem Ende der 1960er Jahre. Im Fokus steht die Frage nach dem Fortleben nationalsozialistischer oder älterer Prägungen im demokratischen Staat. Neben der institutionellen Entwicklung und der damit verbundenen Professionalisierung staatlicher Datengenerierung wird die Personalpolitik des Landesamts analysiert. Dabei werden zäsurübergreifende Karriereverläufe, der Umgang mit NS-Belastung sowie die Folgen des Generationenwandels betrachtet. Nicht weniger interessieren die Publikationen dieser Behörde. Am Ende von Datenerhebung, Kategorisierung und Aufbereitung standen keineswegs ausschließlich Statistiken. Vielmehr wurden diese Informationen zu sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Themen seitens des Landesamts stets mit Deutungsangeboten versehen. Mit Hilfe dieser Texte lässt sich die Standortgebundenheit von Statistik erstaunlich präzise vermessen. Fungierten die Darstellungen der amtlichen Statistik in der NS-Diktatur als Mittel der Propaganda oder als Instrumente einer völkischen Bevölkerungspolitik, so spiegeln sie auch in der Demokratie die jeweils dominierenden Denkmuster und Normvorstellungen sowie deren Wandelbarkeit wider.

Buch Noch nicht erschienen 2026

Wie kann die öffentliche Sicherheit gewährleistet werden? Franziska Walter untersucht ausgehend vom bayerischen Innenministerium, Landeskriminalamt und Landesamt für Verfassungsschutz die Aushandlungsprozesse, die die Sicherheitsarchitektur von 1945 bis 1970 auf Landesebene formten und die Zusammenarbeit mit den Bundesorganen kennzeichneten. So unterschiedlich die Aufgaben und Kompetenzen der drei Behörden waren: Wissen aufzubereiten und die Arbeit der verschiedenen Akteure zu koordinieren, wurde zur zentralen Strategie, um Sicherheit zu gewährleisten. Als prägende Faktoren der Polizeipolitik und des Verfassungsschutzes auf Landesebene versteht die Studie das Personal, das zum großen Teil bereits während der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus in Polizei und Justiz gearbeitet hatte, und die Eigenlogiken der Behörden. Auf Basis teils erstmals zugänglicher Quellen zeigt sie verworfene Pläne, tiefgreifende Entscheidungen aber auch widersprüchliche Vorgehensweisen auf. So stärkte etwa das Polizeiaufgabengesetz von 1954 den Schutz vor staatlichen Eingriffen, während die Ermittlungsbehörden zeitgleich teils an diskriminierenden kriminologischen Vorstellungen festhielten.

Buch Noch nicht erschienen 2026

Demokratie zeigte auf Länderebene oft ein anderes Gesicht als in der Reichs- bzw. Bundeshauptstadt. Dies belegt Bernhard Gottos Studie über das bayerische Finanzministerium. Er untersucht, wie sich die Regimewechsel von 1918, 1933 und 1945 auf die Verwaltungskultur auswirkten, welche Kontinuitäten das Verwaltungshandeln prägten und wie politische und gesellschaftliche Wandlungsprozesse administrative Routinen veränderten. Seine Studie macht deutlich, dass die Leitungsbeamten die Weimarer Demokratie auch als Chance begriffen. In der NS-Diktatur wurden Ministerialbeamte hingegen zu Tätern, obwohl sie nur geringen Anteil an der fiskalischen Judenverfolgung hatten. Nach 1945 prägte der Statusverlust durch die Entnazifizierung das Demokratieverständnis der Beamten, sodass diese eine autoritäre und misogyne Auffassung von Staatsdienst konservierten. Dagegen manifestierte sich im Kerngeschäft des Staatshaushalts, in der Öffentlichkeitsarbeit und in der Binnenstruktur des Ministeriums bereits in den 1950er Jahren ein substanzieller Demokratisierungsschub, während die partizipatorischen Aufbrüche der 1960er und 1970er Jahre kaum Spuren hinterließen.

Buch Erfordert eine Authentifizierung Nicht lizenziert Lizenziert 2023

Die Bayerische Staatskanzlei entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg erstaunlich rasch zur Schaltzentrale der Regierungspolitik und des bayerischen Föderalismus. Doch wie konnte sie diese Hüter-Rolle einnehmen? Welche politischen Ziele verfolgte sie gemeinsam mit den bayerischen Ministerpräsidenten und wie setzte sie diese um?

Rick Tazelaar untersucht in seiner Studie das Führungspersonal, die Organisationskultur sowie die Handlungsfelder der Bayerischen Staatskanzlei zwischen 1945 und 1962. Mithilfe erstmals zugänglicher Akten zeigt er, wie sehr diese Bereiche im Zeichen der Konsolidierung des bayerischen Staats standen.

So richtete die Staatskanzlei ihren Umgang mit NS-Belastung sowie ihre Personalauswahl nach ihren föderalistischen Zielen aus und etablierte eine dezidierte Geschichtspolitik, um den bayerischen Staat von der NS-Zeit abzugrenzen. Der autoritär-etatistische Führungsstil war dabei stark geprägt von den Erfahrungen in dem Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik.

Mit kritischem Blick auf die Hintergründe föderalistischer Politik historisiert die Studie ein zentrales Element der demokratischen Kultur der Bundesrepublik.

Heruntergeladen am 28.12.2025 von https://www.degruyterbrill.com/serial/dkn-b/html
Button zum nach oben scrollen