Luxus und Moderne
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Herausgegeben von:
Hans Georg von Arburg
Luxus und Moderne, herausgegeben von Christine Weder und Hans-Georg von Arburg:
Die Reihe basiert auf einem vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Forschungsprojekt zur ambivalenten Rolle des Luxus in der Moderne seit dem 18. Jahrhundert. Der Fokus liegt auf literarischen und kunsttheoretischen Darstellungen in ökonomischen, philosophischen, anthropologischen und soziologischen Kontexten. Das Luxuriöse fungiert dabei als relative und stets neu auszuhandelnde Kategorie des Überflüssigen, Überschüssigen oder Übermäßigen in materieller wie zeitlicher Dimension.
Fachgebiete
Die Arbeit untersucht die Rolle des Luxus im Spannungsfeld zwischen Ästhetik und Politik in Gottfried Kellers Werk. Keller war als Verfasser politischer Gedichte und Lieder sowie als Staatsschreiber des Kantons Zürich intensiv am Prozess des schweizerischen nation building vor und nach 1848 beteiligt und sah als überzeugter Republikaner im Luxus eine Gefahr für den Staat. Für Keller als Schriftsteller stellte luxuriöser Überschuss jedoch ein Faszinosum dar, das er in seinen Texten sowohl auf der inhaltlichen als auch auf der formalen Ebene immer wieder neu inszenierte und mit diversen Legitimationsstrategien in die Republik zu integrieren versuchte. Anhand von exemplarischen Lektüren ausgewählter Texte Kellers werden verschiedene Facetten seiner ambivalenten Positionierung gegenüber dem Luxuriösen aufgezeigt.
Der Umgang mit Überflüssigem und Überschüssigem wird gern mit topischen Orten assoziiert. Der Band versammelt Aufsätze, die diese Topographie des Luxuriösen aus einer literaturwissenschaftlichen Perspektive beleuchten. Die Beiträge fokussieren neben dem imaginativen Potenzial von Luxusorten und den rhetorischen, narrativen und (inter-)medialen Mitteln ihrer Inszenierung den spezifischen Anteil der Literatur an ihrer Genese, Tradition und Kritik.
Die Forschung kann in Bezug auf das Übermäßige im 18. Jahrhundert an zahlreichen Stellen ansetzen: So fanden etwa wissenspoetologische Transfers zwischen anthropologischen Teildisziplinen im Exzessiven einen fruchtbaren Gegenstand. Vor dem Hintergrund sozialer und medialer Verlagerungen im 18. Jh. stellen Fragen der Subjektbildung (Schwärmerei), überschießender Datenmengen (information overload) und auch dem Umgang mit dem ›zu viel‹ auf poetologischer, ästhetischer und rhetorischer Ebene den Horizont der Beiträge dieses Bandes dar.
Die Beiträge des interdisziplinär ausgerichteten Bandes mit literaturwissenschaftlichem Schwerpunkt nehmen diese vielschichtige Korrelation unter den modernen Bedingungen einer markant erhöhten Ambivalenz des Luxus seit seiner ökonomischen und anthropologischen Aufwertung im 18. Jahrhundert in den Blick.
Die Allianz von Zeit und Luxus ist höchst zweischneidig. ›Zeit ist Geld‹ – die Gleichung, die Franklin 1748 prominent formuliert hat, impliziert die Umrechenbarkeit von zeitlichem in materiellen Aufwand und wendet sich gegen Zeitverschwendung analog zu Geldvergeudung. Unter umgekehrten Vorzeichen kann die zeitliche Verausgabung als (vor-)gelebter Luxus indes zum Statussymbol werden, worauf beispielsweise Thorstein Veblens Begriff der conspicuous leisure, der ostentativen Freizeit, rekurriert.
Wird Literatur – positiv oder negativ – mit Luxus verbunden, so besonders gerne über die temporale Dimension ihrer Produktion wie Rezeption. Dies zeigt sich etwa in der ›Lesesucht‹-Debatte um 1800, wenn der extensive Konsum von Romanen als »Leseluxus« bezeichnet wird. Textimmanent beteiligt sich Literatur sowohl auf der Ebene der Sujets – z.B. mit Inszenierungen von ›Auszeiten‹ wie Langeweile und Muße oder mit zeitökonomisch dubiosen Figuren von Flaneuren, Müßiggängern und Nichtsnutzen – als auch auf der Verfahrensebene (mit ›luxurierendem Erzählen‹ im Sinne schwelgerischen Schilderns unter rhetorischer Ausschweifung und exzessivem Verbrauch von Erzählzeit etc.) an der Verhandlung von Zeit-Luxus.
Der Sammelband beleuchtet die facettenreiche Beziehung von Luxus und Zeit, die vor dem Hintergrund zunehmender Kulturkritik aus ökologischer ebenso wie anthropologischer Perspektive aktuell an Bedeutung gewinnt.