Lingua Academica
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Herausgegeben von:
Wolf Peter Klein
Die Reihe Lingua Academica (LIAC) ist ein Forum für Publikationen zur Geschichte und Gegenwart der Wissenschaftssprachen. Entsprechende Arbeiten können zum einen an die traditionelle Fachsprachenforschung im akademischen Kontext anknüpfen und morphologische, lexikalisch-terminologische, lexikographische, syntaktische, phraseologische oder semiotische Spezifika wissenschaftlicher Sprachformen in den Blick nehmen. Zum anderen sind text- und diskurslinguistische sowie soziopragmatische, kontrastive, literatur- und kulturwissenschaftliche und interdisziplinäre Arbeiten zu einzelnen Wissenschaftssprachen willkommen. Dabei geht es in allen Fällen darum, die Wissenschaftssprachen als komplexe, hoch funktionale Kommunikationsformen zu begreifen, die das Profil der europäischen Sprachen und die Gelehrten- und Bildungsgeschichte seit Jahrhunderten stark prägen. Die einzelnen, in der Regel disziplinär abgrenzbaren Wissenschaftssprachen stehen untereinander in vielfältigen Austauschprozessen und haben sich oft gegenseitig beeinflusst. Von Interesse sind deshalb auch die zahlreichen Entwicklungen und Ausformungen der Wissenschaftssprachen, die mit dem veränderten internationalen Status von Einzelsprachen wie vor allem Latein, Französisch, Deutsch und Englisch einhergehen. Neben der Konzentration auf die wissenschaftsinterne Kommunikation werden auch Arbeiten aufgenommen, die wissenschaftsexterne und populärwissenschaftliche Sprach- und Kommunikationsformen sowie Fragen des Wissenstransfers aufgreifen.
In LIAC erscheinen sowohl Monographien als auch thematisch profilierte Sammelbände, die Publikationssprache ist entweder deutsch oder englisch. Alle Einreichungen werden in Zusammenarbeit mit einem wissenschaftlichen Beirat im Rahmen eines Peer-Review-Verfahrens geprüft.
Die Reihe erscheint, von Ausnahmen abgesehen, im Open-Access-Modell, d. h. die E-Book-Fassungen der LIAC-Bände stehen frei zur Verfügung; reguläre gedruckte Ausgaben sind parallel erhältlich.
Wissenschaflicher Beirat
Daniel Fulda (Halle)
Marian Füssel (Göttingen)
Marion Gindhart (Mainz)
Thomas Gloning (Gießen)
Michael D. Gordin (Princeton)
Mechthild Habermann (Erlangen)
Leo Kretzenbacher (Melbourne)
Angelika Linke (Zürich)
Matthias Schulz (Würzburg)
Dirk Werle (Heidelberg)
Information zu Autoren / Herausgebern
Fachgebiete
Der Band bespricht Erkenntnisse des internationalen Humboldt-Kollegs »Historische Fach- und Wissenschaftstexte kontrastiv«, das in Zusammenarbeit mit den Universitäten Warschau, Rzeszów, Würzburg und Uppsala stattfand. Aus der historischen und kontrastiven Perspektive refl ektieren die Beiträge die Kategorien Fachlichkeit und Wissenschaftlichkeit von Texten, die vom Mittelalter bis hin zur jüngeren Zeit entstanden sind.
Im Zuge des ‚material turn‘ in den Geisteswissenschaften wurden Objekte in das Zentrum des Forschungsinteresses gerückt und die herausragende Bedeutung der Sachkultur für die europäische Kulturgeschichte herausgearbeitet. Daran anschließend präsentiert der vorliegende Band erste Ergebnisse zu objektbezogener Sprache in den Wissenschaften aus einer interdisziplinären Perspektive ((Wissenschafts- und Medizin-)Geschichte, Literaturwissenschaft und Sprachwissenschaft). Das Innovationspotential der hier versammelten Beiträge liegt dabei in der disziplinären Horizonterweiterung. Disziplinen, die schon immer einen genuinen Objektbezug aufweisen – wie die Kunstgeschichte – und Fächer, die sich schon lange mit Fragen der Materialität beschäftigen – wie die Geschichtswissenschaft, Literaturwissenschaft und Medizingeschichte berücksichtigen hier noch stärker sprachliche Aspekte – und die Sprachwissenschaft, die bisher sehr verhalten auf die Impulse aus den Kulturwissenschaften reagiert hat, öffnet sich für objektbezogene Fragestellungen. Es wird deutlich, dass es sich um ein bisher unzureichend beleuchtetes Forschungsfeld handelt, das zur weiteren Beschäftigung einlädt.
Gefördert durch die Klasse der Literatur und der Musik der Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz
Mehr als vierzig Jahre hat sich der Sprachwissenschaftler und Mediävist Uwe Pörksen mit der Geschichte der deutschen Wissenschaftssprachen beschäftigt. Seine Arbeiten umfassen den Zeitraum vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart und widmen sich einem thematisch breiten Spektrum, das in unterschiedlichen Gattungen – vom wissenschaftlichen Aufsatz und Überblicksartikel zum Vortrag und Essay – erschlossen wird.
Der Band versammelt zwanzig in fünf Jahrzehnten verstreut publizierte Beiträge. Die Vielfalt von Wissenschaftssprachen, ihr Wandel und zugleich ihre beständige Aufgabe, Erkenntnisse über Wirklichkeit in Sprache zu fassen, wird an Autoren wie Paracelsus, Leibniz, Jochmann, Darwin, Linné oder Freud erörtert, aber auch an Problemen wie der Sprachenwahl (Latein, Deutsch, Englisch), der Rolle von Metaphern im wissenschaftlichen Denken oder dem Verhältnis von Sprache und Bild. Erstmals publiziert ist Pörksens Habilitationsschrift Erkenntnis und Sprache in Goethes Naturwissenschaft (1974), in der zahlreiche Aspekte seines Denkens und Forschens bereits enthalten sind.
In seiner Zusammenstellung sucht der Sammelband Impulse zur weiteren Erforschung des aktuellen, über die Fachgrenzen hinaus relevanten Themas „Wissenschaftssprachen“ zu geben.
Um 1800 verstärkt sich das Problembewusstsein für eine der wissenschaftlichen Reflexion adäquate Darstellung, da sich die Überzeugung durchsetzt, die Sprache sei nicht nur ein Werkzeug, sondern vielmehr ein »bildendes Organ des Gedankens« (Wilhelm v. Humboldt).
Das enge Verhältnis von Aussage und Ausdruck rückt die Wissenschaft in der deutschen Tradition geradezu zwangsläufig in die Nähe zur Literatur. Dabei zeigt sich das wissenschaftliche Selbstverständnis dieser Jahre in der Frage v.a. seiner Adressierung von einer interessanten Paradoxie geprägt. So soll der jeweilige Sprachgebrauch überhaupt erst den szientistischen Anspruch wissenschaftlicher Projekte beglaubigen und diese gleichsam als Spezialdiskurse legitimieren, zugleich muss der ideale Adressat der Wissenschaft solche Spezialdiskurse aber immer auch überschreiten. J. G. Fichte etwa weist den Vorwurf der »Unverständlichkeit« seiner »Wissenschaftslehre« als implizites Verlangen nach »Seichtigkeit« seitens der Leser zurück, zugleich aber erlegt er dem Wissenschaftler die Aufgabe auf, einen Beitrag zum »Fortgang des Menschengeschlechts« zu leisten. Derartigen Spannungen spürt der Band im Kontext vornehmlich des Niedergangs (wie Fortlebens) der Rhetorik und der Neubegründung der Universität nach.
Das Buch widmet sich der Frage nach einer systematischen Erklärung von Wissenschaftssprache. Dabei werden einschlägige Ansätze der Wissenschafts(sprach)forschung hinsichtlich ihrer Erklärungskraft mit dem historisch-empirischen Sprachgebrauch abgeglichen. Darauf aufbauend wird im Rahmen der jüngeren Kulturtheorie (u. a. der Praxistheorie) eine handlungstheoretische Erklärungsergänzung mit Blick auf wissenschaftliche Textproduktion vorgenommen.
Die historische Textsortenforschung ist für das Deutsche ein noch relativ unerschlossenes Feld und so sind bisher nur einige wenige historische Textsorten erfasst und beschrieben. Mit den medizinischen Gutachten nimmt diese Studie eine historische Textsortenklasse in den Blick, die schon im 17. und 18. Jahrhundert von zentraler Bedeutung für die ärztliche Kommunikation war. Ausgangspunkt der Untersuchung sind gängige, gegenwartsbezogene textlinguistische Beschreibungsansätze, die für sprachhistorische Kontexte modifiziert und um wichtige pragmatische Kategorien erweitert werden. Als besonders fruchtbar erweist sich die stärkere Berücksichtigung metakommunikativer Wissensbestände wie sie sich in Rhetoriklehrbüchern, Textsortenanleitungen und Textsortenbenennungen manifestieren. Auf der Basis dieses breit angelegten Analysemodells werden die entsprechenden Textsorten – Consilia, Gerichtsgutachten und Sektionsberichte – kultur- und wissenschaftshistorisch sowie hinsichtlich der für sie typischen sprachlichen Merkmale untersucht und beschrieben. Die Studie bietet damit nicht nur für Sprach- und Medizinhistoriker, sondern auch für Kulturwissenschaftler einen interessanten Einblick in die medizinische Fachkommunikation dieser Zeit.
Der sich vom 16. bis zum 19. Jahrhundert vollziehende Übergang der weitgehend lateinbasierten europäischen Gelehrtenkultur zu einem vernakulär-mehrsprachigen „modernen“ Wissenschaftssystem ist bislang für den deutschen Sprachraum nur bruchstückhaft beschrieben worden. Der vorliegende, von einer Greifswalder Tagung angeregte Sammelband führt verschiedene Zugänge zusammen und konturiert damit erstmals ein disziplinenübergreifendes Forschungsfeld „Historische Gelehrten- und Wissenschaftssprachen“. In Beiträgen aus der germanistischen Sprachgeschichte, der Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte, der klassischen Philologie und der Literaturwissenschaft werden zentrale Aspekte des akademischen Sprachenwechsels, der zunehmenden Etablierung der Volkssprache an den Universitäten und der Sprachenwahl im wissenschaftlichen Handlungsfeld thematisiert. Der Band bildet dabei den Auftakt zu einer neuen Publikationsreihe, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Geschichte der lingua academica seit der Frühen Neuzeit zu untersuchen.