Lingua Historica Germanica
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Herausgegeben von:
Stephan Müller
, Claudia Wich-Reif und Arne Ziegler
In der Reihe erscheinen Studien und Quellen zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur von den Anfängen der Überlieferung im 8. Jahrhundert bis in die jüngere Sprachgeschichte. Publiziert werden philologisch hochwertige sprach- und literaturwissenschaftliche Untersuchungen und Editionen, aber auch Werke, die sich mit Aspekten von Sprach- und Literaturwissenschaft gleichermaßen beschäftigen. Thematisch ist die ganze Breite diachroner und synchroner Fragestellungen willkommen: Variationen und Varietäten, Sprachwandel, Norm und Gebrauch, Sprachkritik, Sprachkontakt, Empirie und Theorie, Produktion und Rezeption, Handschriften und Drucke.
Als Publikationsformen sind Monographien, aber auch Sammelbände vorgesehen. Bevorzugte Veröffentlichungssprache ist Deutsch.
Die LHG wird von drei Mitgliedern der Gesellschaft für germanistische Sprachgeschichte (GGSG) herausgegeben:
- Stephan Müller, Professor für Ältere deutsche Sprache und Literatur an der Universität Wien
- Claudia Wich-Reif, Professorin für Geschichte der Deutschen Sprache und Sprachliche Variation an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
- Arne Ziegler, Professor für Deutsche Sprache mit besonderer Berücksichtigung der historischen Sprachwissenschaften und Varietätenlinguistik an der Karl-Franzens Universität Graz
Mitbegründer und von 2016-2019 Mitherausgeber war Jörg Riecke, Professor für Germanistische Sprachwissenschaft mit besonderer Berücksichtigung der Sprachgeschichte an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (+2019)
Das Übersetzen mittelhochdeutscher Texte ist im akademischen Alltag einerseits eine viel geübte Praxis, andererseits stellt das intralingual-diachrone Übersetzen einen methodisch noch immer recht wenig reflektierten Sonderfall innerhalb der Translatorik dar. Das hängt auch mit der rezenten altgermanistischen Fachtradition zusammen, in der sich zweisprachig-synoptisch angelegte Textausgaben als Haupttypus etabliert haben, worin sich die Übersetzungen ins Neuhochdeutsche meist einen nur geringen Eigenwert beimessen und sich stattdessen in zum Originaltext hinführender und ihm ‚dienender‘ Funktion sehen. Das steht in Kontrast zu einem translationswissenschaftlichen Verständnis, nach dem die Übertragung in eine andere Sprache den Ausgangstext zu ersetzen hat. Die Beiträge des vorliegenden Bandes beleuchten aus literaturwissenschaftlicher, sprachhistorischer und übersetzungswissenschaftlicher Perspektive die theoretischen Grundlagen, Strategien und Funktionsbestimmungen des diachronen Übersetzens. Neben methodischer und fachgeschichtlicher Reflexion loten Fallstudien den Prozess des Verstehens und Übertragens zwischen philologischer Reflexion, hermeneutischer Kompetenz und Kreativität aus.
Introspektive Zugänge und die Detailanalyse von Einzelfällen gehören in der historischen Grammatikforschung nach wie vor zu den gängigen Praktiken. Dieser Vorgehensweise kommt nicht von ungefähr: Eine umfassende empirische Analyse historischen Quellenmaterials ist aus mehreren Gründen schwierig, und selbst im Falle einer solchen sieht sich die sprachhistorische Disziplin prinzipiell immer noch mit den von Labov in Bezug auf den Sprachwandel formulierten Problemen hinsichtlich des historischen Paradoxons konfrontiert. Zudem sind bei der Analyse historischer Quellen weitere Hürden zu nehmen: Die Quelltexte sind nicht sehr zahlreich und durch externe Einflussfaktoren geprägt, was Rückschlüsse auf einen „tatsächlichen" Sprachgebrauch oder das Sprachsystem als Ganzes zusätzlich erschwert. Hinzu kommen Interpretationsprobleme, Zweifelsfälle und der oft implizite Vergleich mit dem Neuhochdeutschen. Trotzdem, oder gerade deshalb, sollte besonderes Augenmerk auf die Methodik der Analyse historischer Texte gelegt werden, und genau das hat die vorliegende Publikation zum Ziel: Vereint werden Aufsätze von Fachwissenschaftler*innen, die im Bereich der Germanistischen Sprachgeschichte an der empirischen Analyse grammatischer und textgrammatischer Strukturen, auch unter Berücksichtigung soziolinguistischer Parameter, in alt- und mittelhochdeutschen Texten arbeiten, vielversprechende Konzepte entwickelt haben und ihre Projekte skizzieren.
Die Frühe Neuzeit ist bekannt dafür, dass sich die Kontrahenten in konfessionellen Streitfragen gegenseitig heftig attackierten. Ein herausragender Vertreter dieser Form der Auseinandersetzung war Martin Luther. In den zahlreichen von ihm verfassten Streitschriften zeigt er sich auch als großer Polemiker. Wie diese Art der sprachlich aggressiven Argumentation funktioniert, wird in der vorliegenden Studie detailliert vorgeführt. Gegenstand der Untersuchung ist die wohl prominenteste Streitschrift Luthers von 1545 „Wider das Papsttum zu Rom vom Teufel gestiftet". Auf der Basis der „neuen Rhetorik" mit ihrer deutlich weiter gefassten Definition dessen, was unter Argumenten und Argumentation verstanden werden kann, konnten mehr als 60 verschiedene Argumentationsformen eruiert werden, die verschiedene Argumentationsfunktionen erfüllen. Die Studie möchte damit sowohl einen Beitrag zur Argumentationsanalyse und einen Vorschlag zur Modellierung von Argumentationen anbieten als auch eine praktische Detailanalyse sprachlicher Aggression, die nachvollziehbar macht, worin genau der in der Forschung häufig adressierte Grobianismus dieser Texte liegt.
Das Kompendium des sog. Juden von Salms stellt ein enzyklopädisches Werk dar, in dem der Autor Wissen aus verschiedenen Bereichen der Medizin Ende der 20er jahre des 15. Jh. zusammengetragen hat. Im vorliegenden Buch werden Regeln der Gesundheit, die der Jude von Salms für seinen Mäzen Graf Johann von Sponheim verfasst hat, und die deutschsprachige Übertragung des Circa instans, eines der bedeutendsten Arzneidrogenbücher des Mittelalters, präsentiert. Neben der Edition dieser Texte wird in den Kommentaren auf ihre Tradition und ihre Position im Kontext der medizinischen Literatur eingegangen sowie ihre sprachliche Charakteristik beschrieben.
Das Kompendium des sog. Juden von Salms stellt ein enzyklopädisches Werk dar, in dem der Autor Wissen aus verschiedenen Bereichen der Medizin Ende der 20er Jahre des 15. Jh. zusammengetragen hat. Die von anerkannten Autoritäten übernommenen Kenntnisse bereicherte er durch eigene langjährige Erfahrungen, so dass sein Kompendium einen vielseitigen und umfassenden Einblick in Theorie und Praxis der spätmittelalterlichen Medizin bietet. Die Edition des Textes wird durch ausführliche Kommentare begleitet, in denen Angaben zur Persönlichkeit des sog. Juden von Salms, die Beschreibung der drei überlieferten Handschriften sowie deren sprachliche Charakteristik zu finden sind. Die Edition nimmt die Züricher Handschrift (wohl aus den 70er Jahre des 15. Jh.) als Grundlage, aus den beiden übrigen, nicht ganz vollständigen Handschriften, werden wichtige Lesarten im Apparat ergänzt.
Trotz eines zunehmenden Forschungsinteresses an der mittelniederdeutschen Syntax weist dieses Gebiet noch immer deutliche Forschungsdesiderate auf. Insbesondere umfassende variationssensitive Analysen stehen für zahlreiche syntaktische Phänomene im Mittelniederdeutschen noch aus, so auch für den mittelniederdeutschen Relativsatz. Aufgrund der Heterogenität im Bereich der Relativsatzdefinitionen wird eine für die Studie eigens erarbeitete Begriffsbestimmung des Relativsatzes vorgestellt, auf dessen Basis die Relativsätze in einem Korpus aus sechzehn mittelniederdeutschen Texten ermittelt und analysiert werden. In einem induktiven Vorgehen in Verbindung mit einem strikt deskriptiven Zugriff erfolgt eine Untersuchung verschiedener Relativsatztypen sowie struktureller Merkmale des Relativsatzes, unter anderem zu den Relativsatzeinleitern, der Wortstellung, der syntaktischen Integration und dem Umfang der Relativsätze. Dabei wird geprüft, ob die Entstehungszeit, die Textsorte und der Sprachraum einen Einfluss auf das Vorkommen der Relativsätze und deren Merkmale in den verschiedenen Quellen ausüben. Auf diese Weise liefert die Studie einen wichtigen Beitrag zu einer variationssensitiven mittelniederdeutschen Grammatik.
In der Literatur wird die Rolle der Übersetzung als sprachpflegerische Tätigkeit in der Fruchtbringenden Gesellschaft oft hervorgehoben. Die konkreten Merkmale der zahlreichen im 17. Jahrhundert angefertigten „fruchtbringenden" Verdeutschungen blieben allerdings bisher unberücksichtigt.
Die vorliegende Arbeit möchte einen Beitrag zur Schließung dieser Lücke leisten. Darin werden die Erzehlungen aus den mittlern Zeiten (1624), eine von sieben Übersetzerinnen und einem Übersetzer angefertigten Verdeutschung des italienischen Novellino (1572), unter kulturellem, übersetzerischem und sprachlichem Gesichtspunkt untersucht. Die Entstehung der Erzehlungen im Rahmen der Spracharbeit der Fruchtbringenden Gesellschaft wird ergründet, Aspekte der Übersetzungstechnik werden kontrastiv behandelt, eine Auswahl morphologischer und syntaktischer Eigenschaften des Textes wird außerdem analysiert und mit den Aussagen über den richtigen Sprachgebrauch verglichen, die sich in den Werken der Sprachtheoretiker Gueintz, Ratke und Schottelius finden.
Die Untersuchung liefert somit neue und wichtige Informationen über die Übersetzungspraxis sowie über die konkrete Spracharbeit der Fruchtbringenden Gesellschaft.
Freising gilt als einer der wichtigsten Überlieferungsorte des Althochdeutschen. Die Quellenlage ist hier aber noch immer nicht abschließend aufgearbeitet. Das zeigen die bis in die jüngste Zeit anhaltenden Entdeckungen von Glossen. Die Neufunde bestehen hauptsächlich aus sogenannten Griffelglossen, unscheinbaren Eintragungen, die mit Schreibgriffeln in Handschriften eingeritzt wurden. Sie stellen bedeutsame Zeugnisse des ältesten Deutsch dar.
Die vorliegende Untersuchung vereinigt die Glossenkorpora von vier aus Freising stammenden Handschriften des ausgehenden 8. und frühen 9. Jahrhunderts. Im Zentrum der Arbeit steht die Präsentation des integralen Bestands an Belegen im Kontext der jeweiligen Handschrift. Sämtliche volkssprachige Glossen werden paläographisch, linguistisch und glossierungsfunktional analysiert und kommentiert. Die Darstellung schließt mit einer Neubeurteilung der frühen Freisinger Glossenüberlieferung.
Der Band richtet sich an Interessierte auf den Gebieten der historischen germanistischen Sprachwissenschaft, der Glossenforschung und der Mediävistik, denen er mit der Edition und Kommentierung von rund 1000 althochdeutschen Glossen ein umfangreiches und weitgehend neu erhobenes Material zur Verfügung stellt.
Figuren und ihre Reden in mittelalterlichen fiktionalen Texten sind in der mediävistischen und sprachhistorischen Forschung lange nur randständig betrachtet worden. In den letzten Jahren gewinnen sowohl die narratologische Figurenforschung als auch die historische Dialogforschung an Aktualität und Relevanz. Die vorliegende Studie widmet sich in sprach- wie literaturwissenschaftlicher Perspektive der Erforschung der männlichen Hauptfiguren in Gottfrieds Tristan, die trotz der breiten Forschung zum Tristan ein Desiderat darstellt. Hierbei ermöglicht die Figurenrede den Zugang zu einer intensiven Analyse und Charakterisierung Tristans und Markes über Einzelepisoden hinaus, gleichermaßen öffnet die Figurenanalyse den Blick auf eine erstaunlich differenzierte, figuren- und situationsspezifische Gestaltung des Erzählelements Figurenrede aller sprachlichen Überformung des höfischen Textes zum Trotz.
Der Band vereint Beiträge zu zentralen Themen der historischen germanistischen Sprachwissenschaft. Vertreten sind die Bereiche der historischen Morphologie, Wortbildung, Lexikographie und Syntax, historischen Fach-und Schreibsprachenforschung sowie angrenzende Gebiete wie literaturwissenschaftliche Mediävistik und Geschichtswissenschaft. Mit ihrem Fokus auf den Sprachwandel des Deutschen eröffnen die Beiträge neue Perspektiven auf diachrone Veränderungen nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der verschiedenen Sprachstufen des Deutschen.
This book provides an insight into the standardisation process of German in eighteenth-century Austria. It describes how norms prescribed by grammarians were actually implemented via a school reform carried out by educationalist Johann Ignaz Felbiger on the order of Empress Maria Theresa. Quantitative and qualitative analyses were undertaken of certain Upper German features (e-apocope, the absence of the prefix ge- and the ending -t in past participles, and variants of the verb form sind) in reading primers, issues of the Wienerisches Diarium / Wiener Zeitung and petitionary letters. These reveal how such variants became increasingly 'invisible' in writing. This process of 'invisibilisation', i.e. a process of stigmatization which prevents the use of certain varieties and variants in writing, can be attributed to a number of factors: Empress Maria Theresa's appeal for a language reform, the normative work by eighteenth-century grammarians, the implementation of educational reforms, and the early introduction of East Central German variants in newspaper issues.
Titelblätter der frühen Neuzeit unterscheiden sich hinsichtlich Umfang, Layout, Informationsgehalt und sprachlicher Gestaltung deutlich von den heute üblichen Formen. Im Zentrum dieser Untersuchung steht die Syntax von Titelblättern des 16. und 17. Jahrhunderts. Auf der Grundlage eines nach Jahr, Region und Textkategorie gegliederten Korpus von über 600 Titelblättern werden die auftretenden syntaktischen Einheiten vollständig erfasst und mit Blick auf häufig wiederkehrende inhaltliche bzw. funktionale Abschnitte der Titelblätter beschrieben. Darüber hinaus werden übergeordnete Formulierungsprinzipien herausgearbeitet, die eng mit den spezifischen Bedingungen der Titelblattgestaltung zusammenhängen. Die Ergebnisse zeigen, dass Titelblattsyntax die Möglichkeiten der frühneuhochdeutschen Syntax anders ausnutzt, ohne dass dadurch ungrammatische Strukturen entstehen. Damit leistet die Untersuchung einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der historischen Syntax.
Eine Bestandsaufnahme unseres Wissens über mittelalterliche und neuzeitliche medizinische Texte und ihre Fachtermini und deren Bedeutungen steht bis heute aus. Dabei sind medizinische Texte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit eine wichtige Quelle, um zum einen das Schreiben über den Körper, seine Krankheiten und seine Heilung in verschiedenen Phasen der deutschen und europäischen Sprach- und Kulturgeschichte im Hinblick auf die Vergangenheit zu beleuchten. Zum anderen erlaubt die systematische Erforschung der medizinischen Textlandschaft einen Bezug zur Gegenwart, indem historisch-medizinische Konzepte und ihre Versprachlichung mit heutigen Sichtweisen und Fachbegriffen verglichen werden. Die Beiträge des Sammelbandes geben Impulse für die historische und internationale Fachsprachenforschung. Dabei wird vor allem auch die Digitalisierung der Quellengrundlage thematisiert, um diese für die qualitative und quantitative Forschung zugänglich zu machen. Der Sammelband regt an zum Dialog zwischen Medizin, Geschichts- und Sprachwissenschaft.
Die Untersuchung von Zeitungen wurde in der sprachgeschichtlichen Forschung bisher nur am Rande berücksichtigt. Allerdings erreichten Zeitungen schon im 18. Jahrhundert ein größeres Publikum als jede andere Kommunikationsform. Die „Zeitungssprache" übte auf die Entwicklung des Deutschen einen nicht zu unterschätzenden Einfluss aus, auch dadurch, dass überregionale Ausgleichstendenzen durch sie unterstützt wurden. Jedoch wurden diese Prozesse ebenso wenig systematisch untersucht wie der Sprachgebrauch der sich entwickelnden oder sich neu herausbildenden Rubriken und Pressetextsorten. Die vor allem in bildungsbürgerlichen Kreisen herrschende Abneigung gegen den Stil der täglich unter Zeitdruck für den Moment seriell produzierten Texte führte zur Vernachlässigung der Zeitung als wichtiger sprachhistorischer Quelle und damit zu nicht immer zutreffenden Einschätzungen ihrer sprachlichen Gestaltung. Zudem standen Zeitungen nur auszugsweise in repräsentativen digitalisierten Auswahlkorpora zur Verfügung. Neuerdings exisiteren jedoch groß angelegte Projekte zur Zeitungsdigitalisierung, die als Grundlage für neue linguistische Untersuchungen dienen können.
Die Beiträge dieses Tagungsbandes thematisieren die Erstellung digitaler historischer Zeitungskorpora, Merkmale und Entwicklungstendenzen der Sprache der Zeitungen auf verschiedenen Ebenen und auf der Grundlage einzelner Korpora sowie die Bewertung der Zeitungssprache aus zeitgenössischer Sicht.
Die vorliegende Studie untersucht das Althochdeutsche erstmalig aus einer dezidiert textlinguistischen Perspektive.
Hierzu wird das Gros der althochdeutschen Textdenkmäler zuerst einer soziopragmatischen Einordnung unterzogen. Im Anschluss werden ausgewählte Texte aus dem Kommunikationsbereich der pastoralen Seelsorge bzw. des Gottesdienstes textgrammatisch analysiert. Die Kombination von sozio- und systemlinguistischem Ansatz ermöglicht profunde Aussagen über die an die Texte gestellten kommunikativen Aufgaben und deren erfolgreiche Umsetzung.
Für beide Analyseschritte werden theoretisch reflektierte Systematiken entwickelt.
Der aus zwei sich ergänzenden Perspektiven (soziolinguistisch und textgrammatisch) erfolgende Zugriff auf das Althochdeutsche stellt eine qualitativ neue Bearbeitung des Forschungsgegenstandes dar, setzt wichtige Impulse für eine Auseinandersetzung mit dem Thema und regt zudem dazu an, die entwickelten Analyseinstrumentarien an weiteren historischen Sprachstufen zu erproben.
Die Beiträge des Bandes thematisieren an phonologischen und morphologischen Beispielen des Deutschen Regularitäts- bzw. Irregularitätsphänomene aus diachroner, kontrastiver und typologischer Perspektive. Zentrale Fragestellungen sind dabei:
Welche Faktoren tragen zu Entstehung und Erhalt von Irregularität bei, welche zu ihrem Abbau? Welche Rolle spielen Sprachkontakt, Variation und Wandel bei der Etablierung irregulärer Teilsysteme? Können Typen von Irregularität ebenenspezifisch unterschieden werden? Wie wirken sich Produktivität, Gebrauchsfrequenz und Ähnlichkeitsrelationen sprachlicher Formen aus? Setzt Irregularität zwingend ein Regelkonzept voraus, liegt also eine Dichotomie "irregulär" vs. "regulär" zugrunde oder ist von unterschiedlichen Graden von Regularität auszugehen?
Die Überlegungen und Modellierungen beleuchten nicht nur ein kontroverses Verhältnis von Regularität und Irregularität im Lichte einer dynamischen Sprachauffassung sondern haben auch die Verifikation von grammatischer Theoriebildung in unterschiedlichen Bereichen linguistischer Forschung zum Ziel.
Der Band vereinigt Beiträge, die sich der morpho-semantischen Struktur des Deutschen aus funktionaler Sicht, d.h. der Motiviertheit der Interaktion von semantischen und formalen Aspekten bei der grammatischen Strukturbildung, widmen. Im Zentrum steht dabei vor allem die Rolle der morpho-semantischen Kategorien Genus und Numerus bei der Entwicklung und Veränderung des Deklinationssystems, also seiner Deklinations- und Distinktionsklassen. Überprüft wird ihr Potential als Motivierungsinstanzen grammatischer und pragmatischer Kongruenzsysteme. Die Untersuchungen verweisen auf die Relevanz morpho-semantischer Kategorien für eine dynamische, von Variation gekennzeichnete grammatische Strukturbildung des Deutschen, verbinden ihre empirische Fundierung mit Fakten und Erkenntnissen aus Sprachwandel und Spracherwerb, tragen mit ihren Fragestellungen zur morphologischen und Sprachveränderung berücksichtigenden Theoriebildung bei und richten den Fokus neben den linguistischen auch auf didaktische Aspekte des Gegenstands.
Mit der Übernahme von Wörtern und Wortbildungseinheiten aus anderen Sprachen ins Deutsche beginnt gleichzeitig ihr Einbürgerungsprozess. Ein Teilprozess hiervon ist die graphematische Assimilation, über deren historischen Entwicklungsprozess bislang wenig bekannt ist. Diesen Mangel beklagen auch jüngere Beiträge im Umfeld der Orthographiereform von 1996.
Die vorliegende Arbeit untersucht die Entwicklung der Fremdwortschreibung im 19. Jahrhundert anhand einschlägiger orthographischer Regelwerke und Texte des Schreibusus. Erkenntnisleitend sind die Fragen, inwiefern Usus und Kodifikation aufeinander eingewirkt haben und welche der in der Literatur viel diskutierten Faktoren eine graphematische Assimilation tatsächlich befördern oder verhindern.
Die Autorin zeigt für den Bereich der Fremdwortschreibung, dass die Kodifikation im Laufe des 19. Jahrhunderts immer stärker Einfluss auf den Schreibusus nimmt und ergänzt damit die Untersuchungsergebnisse zu anderen orthographischen Teilgebieten.
Liturgie und Literatur stehen in einem wechselvollen Spannungsverhältnis zueinander. Dies gilt sowohl für die christlich geprägte Kultur des Mittelalters wie für die Moderne. Der vorliegende Band zeichnet in exemplarischen Fallstudien verschiedener Fachdisziplinen (Sprach-, Literatur- und Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie) Prozesse der Überlagerung und Abgrenzung nach und erschließt ein lange vernachlässigtes Diskussionsfeld.
In die Disziplinen historischer Pragmatik scheint in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten wieder frischer Schwung gekommen zu sein. Sprache als Handeln und als Teilbereich der kognitiven Fähigkeiten des Menschen hat zu neuen Ansätzen, Methoden und Forschungszielen geführt. Eine besondere Herausforderung stellt einerseits die Art und Übermittlung der Quellen dar, andererseits die im Vergleich zum Heute geänderten erlernten und kulturell tradierten Techniken kommunikativer Verständigung, die umso fragmentarischer werden, je weiter man chronologisch zurückschreitet. Der Linguistischen Pragmatik kommt die Aufgabe zu, nicht nur die Instrumente des sprachlichen Handelns zu beschreiben, sondern auch ihre Anwendungen im Rahmen der Möglichkeiten ihrer Zeit. Charakteristischerweise versagt gerade hier das dichotomische Dogma der Trennung von Schriftlichkeit und Mündlichkeit, und die diamesischen Sprachgebrauchskonventionen verlangen nach neuen Fragestellungen und Antworten. Einen Beitrag dazu sollen die 20 Artikel dieses Bandes liefern.
Ekkehart IV. von St. Gallen (ca. 980 - ca. 1060) war der Lieblingsschüler Notkers des Deutschen. Der vorliegende Band zieht ein kritisches Resümee der bisherigen Forschung und eröffnet neue Perspektiven auf sein vielgestaltiges Werk aus verschiedenen disziplinären Blickwinkeln (Germanistik, Mittellatinistik, Geschichts‑ und Musikwissenschaft), insbesondere zu den ihm zugeschriebenen deutschsprachigen Glossen und seinen berühmten Casus St. Galli.
Die einzelnen Kapitel des Buches bieten einen Einblick in die Methoden der Fachprosa- und Fachsprachenforschung - der zwei grundsätzlichen Ansätze bei der wissenschaftlichen Betrachtung historischer Fachtexte. Die Quellentexte werden hier nicht nur aus mediävistisch-philologischer und wissenschaftshistorischer Perspektive beleuchtet, sondern auch aus Sicht der historischen Pragmatik als einer relativ jungen Forschungsrichtung. Im Buch werden Analysen von mittelalterlich-frühneuzeitlichen Texten verschiedener Fächer präsentiert, die sowohl die traditionellen Zugänge dokumentieren als auch neue Möglichkeiten skizzieren, die sich dank der technischen Errungenschaften bei der Untersuchung von historischen Fachtexten in der Gegenwart anbieten.
Die Beiträge beweisen, dass die intensive Beschäftigung mit Textzeugen heute als integrativer Ansatz zur Vereinigung von Fachprosa- und Fachsprachenforschung angesehen werden kann und dass es deshalb nahezu unmöglich ist, beide Ansätze immer genau voneinander zu trennen.
Am Beispiel des Frühneuhochdeutschen Prosaromans "Melusine" des Thüring von Ringoltingen stellt die vorliegende Studie die Frage nach dem Zusammenhang von Druckerpraxis und Sprachwandel. Basierend auf einem Korpus von mehr als 30 Druckausgaben der "Melusine" über einen Zeitraum von mehr als 200 Jahren (aufgelegt von 1473/74 bis 1692/93) stellt die Untersuchung Faktoren für Varianz und Konstanz in den Drucken heraus, analysiert die Schreibsprachen auf Basis buchwissenschaftlicher Erkenntnisse und beschreibt Änderungen auf der Textebene. Durch die Betrachtung von Mikro- und Makrostrukturen des Textes lässt sich die Entwicklung der Textsorte "Frühneuhochdeutscher Prosaroman" exemplarisch darlegen. Ferner schafft die Differenzierung von Setzersprache, Druckersprache und Drucksprache einen angemessenen Rahmen, um das Verhältnis von Schriftsprache und gesprochener Sprache im Untersuchungszeitraum zu charakterisieren. Der interdisziplinäre Ansatz, der Sprachgeschichte mit Buchwissenschaft und Kunstgeschichte vereint, sowie die Beschaffenheit des Korpus stellen dabei ein forschungsgeschichtliches Novum dar.
Der Band versammelt Studien zu Handschriften und den ältesten gedruckten Büchern, die in den Olmützer Gedächtnisinstitutionen aufbewahrt werden oder mit Olmütz durch ihre Entstehung oder Provenienz verbunden sind. Die einzelnen Beiträge befassen sich nicht nur mit den Exemplaren selbst und den darin enthaltenen Texten oder Illuminationen, sondern auch mit ihren Auftraggebern, Besitzern und Herstellern. Die materialorientierten Studien entstammen einer Vielfalt von Disziplinen, die von den historischen Hilfswissenschaften über die Kunstgeschichte bis hin zu den Sprachwissenschaften und verschiedenen Philologien reichen.
Dafür wird eine umfassende Analyse an einem Korpus aus Hexenverhörprotokollen durchgeführt, die quantitative und qualitative Untersuchungsmethoden miteinander verbindet. Der Fokus liegt auf der Analyse des Einflusses von Belebtheit, semantischer Rolle und syntaktischer Funktion. Diese Eigenschaften werden zunächst in Isolation betrachtet. Außerdem werden sie mithilfe statistischer Verfahren kombiniert, um Interaktionen zu ermitteln. Durch ergänzende qualitative Analysen werden zudem weitere Einflussfaktoren herausgearbeitet. Der Theorieteil bietet eine umfangreiche Zusammenstellung und Analyse des Belebtheitsbegriffs für die empirische Linguistik.
Die Arbeit stellt eine detaillierte Untersuchung der satzinternen Großschreibung in der Frühen Neuzeit dar und beschreibt erstmals systematisch die Relevanz von Belebtheit und weiteren kontextabhängigen Faktoren für dieses Phänomen.
Gregors des Großen Regula pastoralis gehört zu den am stärksten althochdeutsch glossierten Texten. Eine umfassende Darstellung dieser Glossen fehlt und ist nicht zu leisten, solange einige der wichtigsten Quellen noch immer nicht ausreichend aufgearbeitet sind. Zu diesen gehören die Glossen der Handschriften Clm 6277 und Clm 18550a, die in dieser Untersuchung erstmals vollständig ediert und sprachlich sowie paläographisch kommentiert werden.