Qualitätssicherung in der Wärmebehandlung*
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V. Ermert
, A. Horsch , D. Klein , R. Kohlmann , R. Mahlig and B. Rentrop
Kurzfassung
Die Wärmebehandlung trägt entscheidend zur Qualität und Langlebigkeit eines Bauteils bei. Da sie meist am Ende der Fertigungskette steht, ist die Wertschöpfung hoch und ein Behandlungsfehler teuer. Zum Vermeiden späterer Streitigkeiten zwischen Besteller und Lieferant sind Qualitätsvereinbarungen sicher sinnvoll. Solche Vereinbarungen müssen sich, um zu greifen, notwendigerweise am Stand der Technik orientieren und von beiden Seiten akzeptiert werden. Zwischen den Vorstellungen des Bestellers und des Lieferanten besteht oft ein großer Unterschied. Unter anderem ergeben sich Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der erreichbaren Ergebnisse,der Prozessfähigkeit oder auch hinsichtlich des erforderlichen Prüfumfangs sowie der hierfür vom Lieferanten zu tragenden Kosten. Der Artikel möchte hauptsächlich zur Versachlichung dieses Konflikts beitragen und erste Lösungsansätze vorstellen.
Abstract
The heat treatment is decisively for the long-life cycle of a component part. Since the heat treatment is usually the last process of the manufacturing chain, the added value is high and a heat treatment error is expensive. To avoid later conflicts between orderer and supplier quality agreements are surely meaningful. Such agreements have tobe necessarily orientated at the state of the art and should be accepted by both sides. Often a big difference exists between the imaginations of the orderer and the supplier. Among other things differences occur regarding the reachable results, the process capability or the required scope of testing as well as the costs for the supplier. This article would like to contribute mainly to an objectification of this conflict and presents first methods of resolution.
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Diskussion /Discussion
D. Günther : Sie haben in Ihrem Vortrag erwähnt, dass Sie sich mit der Prozessfähigkeit in der Wärmebehandlung auseinandersetzen und da Alternativen entwickeln wollen, was ich sehr begrüße. Es würde mich mal interessieren, ob Sie schon Ideen haben, wie Sie an dieses Thema herangehen wollen, denn das ist ja ein sehr altes Thema, wir alle beschäftigen uns damit. Wie wollen Sie das Thema lösen?
D. Klein : Ja, das ist eine sehr gute Frage. Zurzeit stehen wir hier noch am Anfang und wir sind dabei, Ideen zu sammeln. Es ist uns
allerdings ein vordringliches Anliegen, dieses Thema zu bearbeiten und hier wirklich etwas erreichen zu wollen. Ich kann Sie nur auffordern, mit uns zusammenzuarbeiten, um dieses Problem gemeinsam zu lösen.
P. Sommer : Herr Klein, die Frage der Prozessfähigkeit, damit hat sich der Fachausschuss 3 „Nitrieren und Nitrocarburieren“ auch schon vor 2-3 Jahren etwas intensiver auseinandergesetzt und mit der pauschalen Abweisung, dass das nicht anwendbar ist, waren wir nicht so ganz einverstanden. Das Verfahren an sich ist sicherlich
sehr geeignet, Prozesse zu bewerten, ob die jeweils kursierenden Kennwerte mit Cpk-Werten von bestimmten Größenordnungen in Verbindung mit den klassisch bekannten Toleranzgrenzen anwendbar sind, ich glaube, das ist sicherlich unbestritten im Moment ein Problem. Aber grundsätzlich, das Verfahren zur Prozessfähigkeitsermittlung lässt sich also auch auf die Wärmebehandlung anwenden.
D. Klein : Grundsätzlich ja. Allerdings kann das Wärmebehandlungsergebnis derzeit durch die Prozessfähigkeitsindizes nicht geeignet beurteilt werden. Das Problem sind die großen Streuungen des Anlieferzustands der einzelnen Werkstücke, bevor sie zur Wärmebehandlung kommen. Diese Streuungen gilt es zu reduzieren. Denn selbst, wenn die Werkstücke einer optimal eingestellten, reproduzierbaren Wärmebehandlung zugeführt würden,der Anlieferzustand der Werkstücke aber stark streut, würden die ermittelten Wärmebehandlungsergebnisse ebenfalls stark streuen. Es muss ein Konzept bzw. Alternativen geben, um das Wärmebehandlungsergebnis in geeigneter Weise beurteilen zu können. Eine mögliche Alternative können die dreistufigen Qualitätsvereinbarungen sein. Die Einhaltung vorgegebener Cp- bzw. Cpk-Werte ist in anderen Industriezweigen, wie z. B. der Elektrotechnik, sehr viel einfacher einzuhalten. Die Sicht auf die Problematik, dass dies in der Wärmebehandlung nicht genauso umsetzbar ist, ist derzeit scheinbar noch gar nicht gegeben. Das Verständnis um diese Problematik wollen wir nach draußen tragen.
D. Liedtke : Ich stimme Herrn Sommer zu, dass die Methode als solche sicher geeignet ist, um etwas zur Qualitätssicherung beizutragen. Wo ich allerdings ernsthafte Zweifel habe, ist, dass die heute für andere Produktionsbereiche angewendeten Cpk-Zahlen auf die Wärmebehandlung anwendbar seien. Auch wenn man sich noch so große Mühe gibt, alle denkbaren Einflüsse, welche die Streuungen des Wärmebehandlungsergebnisses beeinflussen, zu verringern, wird dies nicht gelingen. Auf der anderen Seite wird es meist auch nicht gelingen, den Streubereich der geforderten Sollwerte einzuengen. Ich denke, es wird erforderlich sein, andere Kriterien für die Qualitätskontrolle zu kreieren und dafür den Härtereien, insbesondere den Lohnhärtereien, Richtlinien an die Hand zu geben, nach denen sie dann entsprechend arbeiten können
und die Qualität in dem Sinne, wie es die Kunden dann auch brauchen, nicht wie sie es fordern, kontrollieren können.
D. Klein : Das sehen wir auch so, dem kann ich nichts hinzufügen.
St. Hock : Ich halte die Arbeit dieses Fachausschuss für außerordentlich bedeutsam und den Ansatz für richtig, entweder Anpassungen oder Alternativen in der Prozessfähigkeit zu entwickeln. Ich möchte noch eine Anregung geben aus der automobilen Sicht. Es ist nicht so, dass es zu dieser Thematik nicht schon auch wärmebehandlungs- und werkstoffspezifische Ausarbeitungen gäbe. Speziell gibt es in der jüngeren Zeit aus den Vereinigten Staaten eine Empfehlung der AIAG (Automotive Industry Action Group), die unter dem Namen CQI-9 auf mehreren Dutzend Seiten Prozessüberwachungen und Messvorschriften für Prozesse und Ergebnisse der Wärmebehandlung niederlegt. Diese sind von amerikanischen Automobilunternehmen zum Teil schon verpflichtend übernommen worden, weltweit und damit auch für Europa und Deutschland. Ich möchte anregen, dass der Fachausschuss sich damit auseinandersetzt, ob er das nun einfach akzeptiert oder auch nicht, das sei ganz dahingestellt. Damit können die Diskussionen, die nun in den Wärmebehandlungsbetrieben mit den Automobilkunden geführt werden, von der Arbeit des Fachausschusses profitieren.
V. Ermert : Herr Hock, dankenswerterweise hat Ihr Kollege, Herr Bernmeister, schon darauf hingewiesen. Das wird also Thema in der nächsten Sitzung am 5. Dezember sein. Für Interessierte vielleicht ein zusätzlicher Anreiz.
Diskussionsteilnehmer
Dr.-Ing.D. Günther, Schaeffler KG,Herzogenaurach
Dr.-Ing. P. Sommer, Dr. Sommer Werkstofftechnik GmbH, Issum
Dr.-Ing.D. Liedtke, Ludwigsburg
Dr. St. Hock, ZF Friedrichshafen AG, Friedrichshafen
Dipl.-Ing. V. Ermert, in 2007: Siegener Werkzeug- u.Härtereitechnik
GmbH, Siegen
Dipl.-Ing.D. Klein, BIBA Bremer Institut für Produktion und
Logistik GmbH,Universität Bremen
1 http://www.haertetechnik.org/ Abruf: 09.06.08
© 2008 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Germany
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