Der Hash im Hashtag
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Christa Dürscheid
Christa DürscheidUniversität Zürich Deutsches Seminar Schönberggasse 9 8001 Zürich SchweizDiesen Autor / diese Autorin suchen:
und Pascal Lippuner
Pascal LippunerUniversität Zürich Deutsches Seminar Schönberggasse 9 8001 Zürich SchweizDiesen Autor / diese Autorin suchen:
1 Hash und Hashtag
Im Zentrum des vorliegenden Beitrags steht ein Zeichen, das aus zwei parallelen Strichen besteht, über die quer dazu wiederum zwei parallele Striche gelegt sind. Dieses Zeichen wird im Deutschen als Doppelkreuz, als Rautezeichen oder als Gartenzaun (bzw. schweizerisch: Gartenhag) bezeichnet, im Englischen als hash.[1] Das Doppelkreuz sieht man seit einigen Jahren überall: in sozialen Netzwerken (vgl. #JeSuisCharlie), in der Printwerbung (vgl. Für grosse und kleine #Grillitarier), auf Buchtiteln (vgl. #Hashtag Marketing), in Zeitungsartikeln (vgl. #HappyBirthday: Das Hashtag wird zehn), in Wahlkampagnen (vgl. #fedidwgugl) und bei Demonstrationen (vgl. #FridaysForFuture). Weiter unten werden wir genauer auf dieses „Hashtagging“ (vgl. Stoicescu 2016) in Online- und Offline-Kontexten eingehen, hier ist zunächst ein Hinweis zur Terminologie erforderlich: Hash-Zeichen und Hashtag dürfen nicht gleichgesetzt werden. So ist die Sequenz #MeToo, die 2017 auf Twitter ihren Anfang nahm und sich von dort aus rasant über die sozialen Netzwerke ausbreitete, ein Hashtag, das darin vorkommende #-Zeichen ein Hash.[2]
Dass Hash und Hashtag oft als Synonyme angesehen werden, hängt auch damit zusammen, dass das Hash-Zeichen häufig als Eyecatcher im Titel von Büchern und Zeitungsartikeln verwendet wird, obwohl es im Text gar nicht so sehr um den Hash, sondern um den Hashtag geht. Auf dem Cover des lesenswerten Buches von Bernard (2018) steht beispielsweise das Hash-Zeichen (vgl. Das Diktat des #hashtags), auf der ersten Umschlagseite kommt es im Titel nicht mehr vor. Und auch der oben erwähnte Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 25. August 2017 (#HappyBirthday: Das Hashtag wird zehn) führt das Zeichen # im Titel, der Artikel selbst handelt aber nicht vom Geburtstag des Hash-Zeichens, sondern des Hashtags. Das Hash-Zeichen fungiert hier in der Kombination #HappyBirthday nicht nur als Eyecatcher, sondern auch als ein Betreff-Marker (vgl. dazu Abschn. 2), der anzeigt, wovon im Text die Rede ist. Das erinnert an die Betreffzeile in Geschäftsbriefen, die auf das Thema hinweist, um das es im Brief geht.
Hash und Hashtag sind also nicht dasselbe: Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass ein Hashtag aus mindestens zwei Zeichen bestehen muss. Darüber hinaus ist es weder auf Twitter noch auf Instagram möglich, das Zeichen selbst zu verschlagworten (also: ##), d. h. das erste auf das Hash-Zeichen folgende Element darf nicht wiederum ein Hash sein. In der Regel ist es ein Buchstabe oder eine Ziffer (vgl. #2fast2furious), die beide ohne Leertaste angeschlossen werden müssen. Diesem ersten Zeichen können in der Sequenz weitere Buchstaben folgen (z. B. #Edeka), aber auch Ziffern (z. B. #911Memorial) oder nicht-alphanumerische Zeichen (z. B. #Covid_19). Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, jede beliebige Zeichenkette zu taggen (d. h. mit einem Hash zu versehen), sofern die betreffende Einheit den formalen Vorgaben entspricht (vgl. hierzu Zappavigna 2018, 21–23). Oft markieren Hashs eine Abkürzung (vgl. #IDSJT2022), möglich ist aber auch, dass mit ihnen ein Wort (vgl. #happyness) oder eine syntaktische Einheit (vgl. #ichgebeauf) getaggt wird. Sie können sich auch auf eine Zeichenfolge beziehen, deren Bedeutung sich nur denen erschließt, die den Kontext genauer kennen. Das ist z. B. bei dem Hashtag #covfefe der Fall. Auf Wikipedia liest man hierzu, dass der frühere US-Präsident Donald Trump einen seiner Tweets mit der Buchstabenfolge covfefe beendete und es sich dabei möglicherweise um einen Schreibfehler handelte.[3] Dieser wurde von ihm nicht korrigiert, die Nachricht aber nach einigen Stunden gelöscht. Zu dem Zeitpunkt war der Tweet schon hunderttausendfach geteilt und die darin vorkommende Sequenz covfefe getaggt worden.
Das Hash-Zeichen gehört auf Twitter zur Klasse der Operatoren (vgl. Dang-Anh 2019, 126–128).[4] Wenn eine Zeichenfolge mit diesem Operator getaggt wird, führt das zu einer Verlinkung mit allen Postings, in denen diese Zeichenkette auch so markiert wurde. Die Tweets werden auf diese Weise nicht mehr nur im eigenen Nachrichtenstrang (= Timeline) angezeigt, sondern separat. Mark Dang-Anh (2019, 147–148) schreibt dazu: „Durch das Klicken auf Hashtags werden Timelines erzeugt, die Kotexte enthalten, die nun in einem gemeinsamen thematischen Zusammenhang stehen. Dadurch kommt Hashtags die Funktion einer thematischen Ordnungsinstanz zu.“ Doch wann kann von einem „thematischen Zusammenhang“ die Rede sein? Auf jeden Fall gibt es graduelle Unterschiede. Tweets, die zu Corona-Zeiten mit dem Hashtag #wirbleibenzuhause versehen wurden, haben vermutlich alle ein gemeinsames Thema. Auf der anderen Seite kann es sein, dass eine Timeline Tweets zu ganz verschiedenen Themen enthält. So finden sich unter dem Hashtag #Umbenennung sowohl Postings, die sich auf die Umbenennung der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald als auch auf die Namensänderung einer Consulting-Firma beziehen. Die Dekontextualisierung (d. h. das Herauslösen eines Tweets aus seinem ursprünglichen Kontext) führt also nicht zwangsläufig dazu, dass dieser im neuen Kontext thematisch passend ist. Das lässt sich oft aber erst bei genauer Lektüre feststellen; viele Timelines enthalten zigtausend Tweets, manche sind sogar reihenbildend (vgl. #Flugscham, #SUVscham, #Fleischscham). Insofern trifft es zwar zu, dass „[d]ie Sichtbarkeit von Postings, d. h. die potentielle Reichweite ihrer Distribution, […] durch Hashtags gesteigert“ (Dang-Anh 2019, 147) werden kann. Es kann aber auch sein, dass ein Tweet in der Vielzahl von Nachrichten in einer Timeline (und in den vielen Timelines) untergeht.
Wenn es noch keine Timeline zu einem Hashtag gibt, nimmt sie mit dem ersten Tweet, in dem die entsprechende Zeichenfolge getaggt wird, ihren Anfang. Wie sich die Groß- und Kleinschreibung in der Zeichenkette gestaltet, ist irrelevant. Das sieht man etwa daran, dass alle Postings, in denen die Sequenz JeSuisCharlie getaggt wird, automatisch miteinander verlinkt werden (vgl. Giaxoglou 2018) – und zwar unabhängig davon, ob sie in Groß- oder Kleinbuchstaben stehen (vgl. jesuischarlie, JesuisCharlie, JEsuisCHARLIE, JeSUISCharlie). Dasselbe trifft auch auf die Wörter Flugscham, Fleischscham und SUVScham zu. Alle Zeichenketten, die das Hash-Zeichen und die entsprechenden Buchstaben enthalten, gehören zur selben Timeline. Es dürfen aber tatsächlich nur diese Buchstaben sein, ein Unterstrich an der Morphemgrenze (z. B. #SUV_Scham) führt dazu, dass der Tweet einer anderen Timeline zugeordnet wird. Um lange Zeichenketten in Hashtags dennoch leichter lesbar zu machen, werden an den Wort- und Morphemgrenzen gelegentlich Großbuchstaben gesetzt (vgl. #WirBleibenZuhause, #BerlinSehensWürdigKeiten). Das erinnert an die frühere SMS-Schreibung, wo die Zusammenschreibung von Wörtern fakultativ war, aber häufig zum Einsatz kam, um Zeichen (und damit Geld) zu sparen. Auch damals markierte man Wort- bzw. Morphemgrenzen durch Großschreibung, um den Text auf diese Weise optisch zu untergliedern und besser lesbar zu machen (vgl. KommeHeuteSpäter).
Nun noch ein Wort zur Verwendung des Wortes Hashtag im Deutschen: Dabei handelt es sich um einen Anglizismus, der, anders als das Wort Hash, bereits Eingang in die deutschsprachigen Wörterbücher gefunden hat. So findet man unter dem Stichwort Hashtag sowohl einen Eintrag im Duden-Rechtschreibwörterbuch (in der 28. Auflage von 2020) als auch im Duden-Universalwörterbuch (in der 9. Auflage von 2019) – und folglich ist das Wort auch auf der Online-Plattform duden.de verzeichnet. In der Schweiz wurde Hashtag im Jahr 2014 gar zum „Schweizer Wort des Jahres“ gekürt. Diesen Eindruck gewinnt man zumindest, wenn man die Überschrift des folgenden Artikels aus der Neuen Zürcher Zeitung liest.

<https://www.nzz.ch/panorama/hashtag-als-schweizer-wort-des-jahres-1.18437784> (03.04.2022)
Anders als die Schlagzeile vermuten lässt, ist es aber nicht das Wort Hashtag, das zum Wort des Jahres gekürt wurde, sondern das Hash-Zeichen. Der Untertitel macht dies deutlich, hier wird explizit darauf verwiesen, dass das „Gartenhag“-Symbol der Preisträger ist. Im Artikel selbst wird die Wahl mit den folgenden Worten begründet: „Für die Jury steht # für eine zunehmende Verdichtung, ja Verschlagwortung der Sprache.“ Ein nicht-alphabetisches Zeichen – und nicht etwa ein Wort oder eine Phrase – hat 2014 also die Wahl zum „Wort des Jahres“ gewonnen – vergleichbar mit dem Umstand, dass im Jahr 2015 in Großbritannien ein Emoji gekürt wurde.[5]
Was die Bedeutung des Wortes Hashtag betrifft, so findet man dazu auf duden.de die folgende Erläuterung: „mit einem vorangestellten Rautezeichen markiertes Schlüssel- oder Schlagwort in einem [elektronischen] Text“ (vgl. <www.duden.de/rechtschreibung/Hashtag> (09.04.2022)). Weiter wird hier darauf hingewiesen, dass das Substantiv Hashtag im Neutrum oder im Maskulinum steht,[6] es handelt sich also um einen Fall von schwankendem Genus. Das zeigt sich auch in den Publikationen, auf die wir in diesem Beitrag Bezug nehmen: Andreas Bernard verwendet durchweg die Variante der Hashtag (vgl. Bernard 2018), Mark Dang-Anh das Hashtag (vgl. Dang-Anh 2019). Zur Bedeutung und zum Genus von Hash macht der Duden keine Angaben, dieses Wort wird nur als Erstglied in den Komposita Hashfunktion (Terminus aus der Mathematik) und Hashtag geführt. Im Oxford English Dictionary dagegen gibt es mehrere Einträge zum Substantiv hash, darunter auch den Hinweis, dass eine Variante von hash zur Bezeichnung des #-Symbols verwendet wird, es für dieses Symbol aber auch andere Bezeichnungen gebe (so z. B. der Ausdruck number sign).[7] Der Ausdruck verweist auf eine der vielen Funktionen, die das Zeichen im Laufe seiner Geschichte hatte. Auf diesen Aspekt werden wir in Abschn. 3 eingehen.
Den Punkt abschließend kommen wir zur Zielsetzung des vorliegenden Beitrags: Am Beispiel des Hash-Zeichens werden wir aufzeigen, welche Stellung dieses nicht-alphabetische Zeichen in unserem Schriftsystem hat und wie mannigfaltig seine Verwendungsweisen sind. Um das deutlich zu machen, gehen wir zunächst der Frage nach, welche Funktionen das Zeichen auf graphischer Ebene einnimmt, dann stellen wir seine historische Entwicklung dar. Abschn. 4 nimmt Bezug auf neuere Verwendungsweisen (z. B. in sozialen Netzwerken und Messenger-Systemen), zeigt aber auch auf, in welchen Offline-Kontexten das #-Zeichen vorkommen kann (z. B. auf Werbeplakaten). In Abschn. 5 steht die indexikalische Funktion des #-Zeichens im Mittelpunkt. Dabei geht es um die Frage, welche sozialsymbolischen Zuschreibungen mit diesem Zeichen verbunden sind (vgl. Spitzmüller 2013) und wie das Kontextualisierungsverfahren (vgl. Gumperz 1992) zu beschreiben ist, in dem dieses Zeichen steht. In Abschn. 6 werden die verschiedenen Funktionen, die im Laufe der Untersuchung behandelt wurden, zusammenfassend dargestellt und es wird ein kurzes Fazit gezogen.
2 Der Hash als Zeichen und Schriftzeichen
Folgt man der Klassifikation von Peter Gallmann, der in seinem Buch „Graphische Elemente der geschriebenen Sprache“ eine formale und eine funktionale Zuordnung von Schriftzeichen vornimmt, gehört der Hash zur Klasse der Sonderzeichen. Von den Sonderzeichen unterscheidet Gallmann auf formaler Ebene die Buchstaben, die Hilfszeichen (z. B. Punkt, Komma), das Leerzeichen und die Ziffern. Diese bilden geschlossene Klassen,[8] einzig die Sonderzeichen (z. B. +, &, %, =, $, #) stellen im deutschen Schriftsystem eine offene, prinzipiell erweiterbare „Formklasse“ dar (vgl. Gallmann 1985, 13). Beispielsweise können neue Sonderzeichen hinzukommen, wenn eine neue Währung eingeführt wird. Beim Euro-Zeichen war das der Fall; dieses Zeichen ist erst seit der Umstellung von D-Mark auf Euro (im Bargeldverkehr am 1. Januar 2002) im Gebrauch. Dass das €-Zeichen dann schnell seinen Platz in der Tastaturbelegung erhalten hat, verwundert nicht, eben weil es ein seit 2002 häufig gebrauchtes Zeichen ist. Doch auch wenn das nicht zuträfe (auf amerikanischen Tastaturen beispielsweise findet sich das €-Zeichen nicht): Kennt man den Unicode-Wert für dieses Zeichen und tippt man diesen Code ein, dann erscheint es auf dem Bildschirm.[9] Dasselbe gilt für das Hash-Zeichen, sein Unicode-Wert ist U+0023, die Unicode-Bezeichnung lautet Number Sign. In der Regel benötigt man diese Informationen aber nicht; das #-Zeichen hat auf Schreibmaschinen- und Computertastaturen ohnehin seinen festen Platz. Auf deutschen Tastaturen liegt es in der mittleren Tastaturreihe links von der Eingabetaste, auf Schweizer und US-amerikanischen Tastaturen in der obersten Reihe, auf derselben Taste wie die Ziffer <3>.
Das Hash-Zeichen kann beim Tippen also umstandslos eingefügt werden – im Unterschied zu anderen Zeichen, die ihm ähneln, auf der Tastatur aber nicht zu finden sind. Da ist z. B. das Doppelkreuz in der Notenschrift zu nennen, das den Ton höher setzt. Dieses Zeichen trägt im Unicode den Namen music sharp sign und kann nur über den entsprechenden Unicode-Wert eingefügt werden. Weiter gibt es ein Hash-Emoji (vgl. ), das typographisch an eine Schreibmaschinen- bzw. Computertastatur erinnert. Dieses Zeichen ist im Unicode unter dem Namen Keycap Number Sign gelistet. Man mag sich allerdings fragen, in welchen Kontexten ein solches Emoji verwendet wird; zur Generierung eines Hashtags dient es auf jeden Fall nicht.[10]
Gallmann (1985, 13) zählt das Hash-Zeichen zu den „allgemein üblichen Sonderzeichen“. Darunter fasst er nur diejenigen Sonderzeichen, die auf der Schreibmaschinentastatur zu finden sind. Sie könnten natürlich auch in Alphabetschreibung dargestellt werden (vgl. % oder Prozent), doch es gibt Restriktionen. Will man das Hash-Zeichen etwa auf Twitter zur Verlinkung mit anderen Postings verwenden, fungiert es nur dann als Operator, wenn man es nicht alphabetisch schreibt. Man kann in diesem Fall also nicht anstelle von #Sommer die Buchstabenfolge HashSommer verwenden. In gewisser Weise ist dies analog zur Verwendung der Interpunktionszeichen (vgl. Er kommt Komma sie nicht vs. Er kommt, sie nicht). Auch in der Forschungsliteratur zum Hash-Zeichen wird eine solche Parallele zur Interpunktion hergestellt: Scheible (2015, 3–4) unterscheidet zwischen „strict punctuation“ und „loose punctuation“ und ordnet den Hash der zweiten Kategorie zu. Und Zappavigna (2018, 43) schreibt: „[A]t the typographic level, the # symbol functions as a special character that acts as a form of punctuation signaling that the tag is metadata.“ Wir folgen hier aber weiter der Klassifikation von Peter Gallmann und kategorisieren das Hash-Zeichen formal als Sonderzeichen. Was die funktionale Ebene betrifft, unterscheidet Gallmann (1985, 18) insgesamt sechs Klassen: Grundgrapheme, Ideogramme, Klassifikatoren, Grenzsignale, Satzintentionssignale und Auslassungssignale. Eine Eins-zu-Eins-Relation zwischen den Funktions- und den Formklassen besteht nach seinen Worten nicht. So lassen sich sowohl Ziffern als auch Sonderzeichen als Ideogramme klassifizieren, also als „Grapheme, die eine Bedeutung tragen“ (Gallmann 1985, 21).
Auch das Hash-Zeichen nimmt aus schriftlinguistischer Sicht verschiedene Funktionen ein, es kann als Ideogramm und als Grenzsignal verwendet werden. Beispielsweise steht in dem Text „Ihre Offertenanfrage # Alarmanlagen“ (entnommen aus einer E-Mail) das #-Zeichen vermutlich für das Wort betreffend. Möglich ist aber auch, das Zeichen als Grenzsignal zwischen den beiden Einheiten Offertenanfrage und Alarmanlagen zu interpretieren. Die folgende Auflistung von Hash-Verwendungsweisen nimmt Bezug auf beide Funktionen, im zweiten Punkt kommt aber noch ein weiterer Aspekt hinzu, der auf einer anderen, auf einer technischen Ebene liegt:
Hash-Zeichen als Ideogramme: Das Hash-Zeichen kann ideographisch für das Wort Nummer (vgl. Tipp #1) stehen. Im Deutschen wird es in dieser Funktion eher selten genutzt, im amerikanischen Englisch ist diese Verwendungsweise hingegen weit verbreitet (vgl. Go to room #1). Auch die Verwendung als Platzhalter für ein Tabuwort fällt in diesen Bereich. Ein Beispiel hierfür ist der Titel eines Songs des Rappers Fler: „ICH F### DICH“.[11] Weiter gibt es Programmiersprachen, deren Namen ideographisch mit diesem Zeichen dargestellt werden (vgl. C#, F#).[12]
Hash-Zeichen als Grenzsignale: Wie das obige E-Mail-Beispiel illustriert, können Hashs als Grenzsignale interpretiert werden. In bestimmten Kontexten ist diese Funktion konventionalisiert. So weist Scheible (2015, 135) darauf hin, dass in US-amerikanischen Pressemitteilungen drei Hash-Zeichen das Ende derselben markieren. In der schriftlichen Aufzeichnung von Schachpartien zeigt der Hash das Ende einer Partie (Schachmatt) an. Auch am Telefon hat das Hash-Zeichen die Funktion eines Grenzsignals – aber in technischer, nicht in graphischer Hinsicht: Auf Tastentelefonen befindet es sich neben dem Sternzeichen und der Ziffer <0> am unteren Ende des Ziffernblocks. Diese Taste dient dazu, das Ende einer Eingabesequenz zu markieren, sie ist, wie Bernard (2018, 29) schreibt, „in erster Linie dafür vorgesehen, die Übermittlung eingegebener Telefon-, Konten- und Kreditkartennummern zu bestätigen“. Das Hash-Zeichen fungiert hier also nicht nur als Grenzsignal, sondern als Operator. Es löst eine Aktion aus.
3 Zur historischen Entwicklung des Hash-Zeichens
Wie bereits angedeutet, wurde das Hash-Zeichen bereits vor den Zeiten des Internets in verschiedenen Kontexten verwendet. Diese Verwendungsweisen lagen aber allesamt in der Peripherie des Sprachgebrauchs. Das änderte sich durch den Gebrauch des Zeichens in den sozialen Medien. Heyd & Puschmann (2017, 52) schreiben dazu: „Through its rapid rise as a marker of metadata in social media, the hash has been promoted from a rather peripheral typographic resource to an emblem of social media linguistic practice.“ Tatsächlich wurde der Hash erst mit der Einführung von Hashtags auf Twitter zusammen mit diesem zu einem zentralen Element der „gegenwärtigen Medienrealität“ (Bernard 2018, 8), wobei diese Entwicklung heute sprach- und kulturübergreifend zu beobachten ist. Bevor wir in Abschn. 4 aber genauer auf die heutigen Verwendungsweisen des Hashs in Hashtags eingehen, stehen in diesem Abschnitt eben jene frühen, die peripheren Funktionen im Zentrum.
Bis heute ist nicht vollständig geklärt, wie das Zeichen tatsächlich entstanden ist. Eine Theorie stammt von Houston (2013, 42), der vermutet, dass der Hash ursprünglich zur Kennzeichnung der Gewichtseinheit Pfund gebraucht wurde: Ab dem 14. Jahrhundert wurde im Englischen die Gewichtseinheit pound mit lb abgekürzt.[13] Um anzugeben, dass es sich dabei um eine Abkürzung handelt, wurden diese Buchstaben mit einem Querbalken auf x-Höhe ergänzt, sodass das Zeichen ℔ entstand.[14] Aus diesem Zeichen habe sich das Zeichen # entwickelt. Diese Vermutung scheint recht plausibel zu sein; dafür spricht z. B., dass die beiden Zeichen sich sehr ähnlich sind und beide vermutlich oft schnell und mit wenig Sorgfalt geschrieben wurden.
Während über die Entstehung des Zeichens letztlich nur spekuliert werden kann, ist die Verwendung des Doppelkreuzes seit dem 19. Jahrhundert gut belegt. Im englischen Sprachraum tritt das Hash-Zeichen seit dieser Zeit als Logogramm in zwei unterschiedlichen Bedeutungen auf: Wenn es einer Zahl vorangestellt wird, steht es mit der Bedeutung ‚Nummer‘, wenn es nachgestellt wird, mit der Bedeutung ‚Pfund‘ (vgl. Heyd & Puschmann 2017, 54). Auch im deutschsprachigen Raum wird das Zeichen bereits früh in dieser Funktion verwendet. Beispiele hierfür finden sich in dem persönlichen Briefwechsel des Zürcher Pfarrers und Schriftstellers Johann Caspar Lavater aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. So ist in einem der Briefe, die an ihn geschrieben wurden, zu lesen: „[…] eine sehr schöne Medaille […], die 12 # schwer ist“. Hier steht das Hash-Zeichen in der Bedeutung von ‚Pfund‘. In einem anderen Brief wird das Zeichen dagegen vermutlich als Währungszeichen oder als Kürzel für ‚Stückzahl‘ verwendet: „[…], hier sende ich dir 63 # in Golde.“[15] Wie wir daran sehen, konnte das Doppelkreuz je nach Kontext und je nach Position (vor- oder nachgestellt) eine andere Bedeutung tragen. Gemeinsam hatten aber alle früheren Verwendungsweisen, dass das Zeichen als Logogramm genutzt wurde und in dieser Funktion dem schnellen Schreiben zuträglich war.
Damit kommen wir zum 20. Jahrhundert: Das Zeichen tritt nun immer weniger zur Kennzeichnung von Gewicht auf, seine Verwendung als number sign wird dagegen immer populärer (vgl. Heyd & Puschmann 2017, 54). Das Verschwinden des pound sign hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass sich die konkurrierende Kennzeichnung lb. für die Maßeinheit pound durchgesetzt hat. Dieses Kürzel wird im amerikanischen Englisch noch heute so gebraucht. Auch im Deutschen hat von den ursprünglichen Verwendungsweisen nur der Gebrauch des Hashs als Nummernzeichen überdauert. Allerdings sieht man das Doppelkreuz im Deutschen, wie bereits erwähnt, in dieser Funktion recht selten. Ein Beispiel sind die Liveticker von Sportanlässen. Hier steht das Hash-Zeichen bei Mannschaftsaufstellungen gelegentlich neben den Namen der Spieler*innen und zeigt die Rückennummer an. Daneben spielt der Hash aber noch in anderen Kontexten eine Rolle. So wird er in der Schachnotation als Grenzsignal (vgl. Abschn. 2) gebraucht, er wird aber auch im Korrektorat verwendet, um anzuzeigen, dass an dieser Stelle ein Leerzeichen eingefügt werden muss (vgl. Houston 2013, 47), und Mediziner*innen verwenden ihn, um eine Fraktur zu kennzeichnen (vgl. Chatfield 2013, 9). Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts tritt das Zeichen vermehrt auch in technischen Kontexten auf und wurde auf den Tastaturen von Taschenrechnern, Schreibmaschinen und später Computern standardmäßig integriert. Dies begünstigte, dass der Hash in diversen Programmiersprachen als Sonderzeichen definiert wurde, wo er zum Beispiel angibt, dass die darauffolgende Zeile als Kommentar zu interpretieren ist und nicht zum Programmcode gezählt wird (vgl. Houston 2013, 47).
An dieser Stelle sei noch eine technische Neuerung besonders hervorgehoben: Die Entwickler von Bells Research Lab, einem Vorgänger der heutigen Telefongesellschaft AT&T, entschieden sich 1960, den Hash in den Zeichenblock ihrer neuen Touch-Tone-Telefone zu integrieren, auf denen in der untersten Reihe, neben der Ziffer <0>, auf beiden Seiten noch je eine Taste frei war. Die linke Taste wurde mit dem Sternzeichen (*) besetzt, die rechte mit dem Rautezeichen.[16] Dadurch kam dem Hash-Zeichen, wie Bernard (2018, 30) schreibt, ganz im wörtlichen Sinne „eine allgemein sichtbare Rolle in der Technologiegeschichte“ zu (vgl. Abschn. 2). Und das ist auch heute noch so: Auf allen Telefonen mit externer, physischer Tastatur ist eine solche Rautetaste vorhanden. Diese erscheint oft als Doppelkreuz, gelegentlich aber auch als Quadratzeichen.[17] Drückt man auf diese Taste – was meist nur nach entsprechender Aufforderung durch eine Automatenstimme geschieht –, wird damit ein bestimmter Befehl ausgelöst (z. B. eine Transaktion abgeschlossen).
Daneben spielte der Hash aber noch zu einem anderen Zeitpunkt in der Technologiegeschichte eine wichtige Rolle: Auf den ersten Mobiltelefonen, für die noch Prepaid-Simkarten benötigt wurden, konnte z. B. mit dem Code *130# das aktuelle Guthaben abgefragt werden. Die Handy-Telefone waren damals noch mit einer numerischen Tastatur ausgestattet; wie auch am Festnetztelefon konnte der Hash an diesen Geräten mit nur einem Tastendruck auf die Rautetaste eingefügt werden – ein Umstand, der wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Hash zu seiner heutigen Verwendungsweise im Internet fand (vgl. dazu Abschn. 4). Viele wissen denn auch gar nicht mehr, welche Funktion diese Taste hat. So liest man auf Bild.de: „Wofür ist die Rautetaste auf dem Telefon?“, und weiter heißt es: „Zahlen von 1 bis 9, dann die Null, ein lustiges Sternchen und ein … Hashtag? [Kursivierung i. O.] Was macht das Twitter-Symbol denn auf unseren Festnetztelefonen?“[18] Wie man hieran sieht, kann es vorkommen, dass das Zeichen nur noch als „Twitter-Symbol“ wahrgenommen wird. Inzwischen sind die meisten Telefon-Funktionen des Rautezeichens ohnehin obsolet geworden; die meisten dieser Aufgaben werden am Handy über das Internet erledigt. Das ändert aber nichts daran, dass das Zeichen auf der nunmehr virtuellen Telefontastatur weiterhin vorhanden ist: Wer im Ziffernblock seines Handys eine Nummer eintippen möchte, dem wird – wie in den 1960er Jahren auf den ersten Touch-Tone-Telefonen – das Rautezeichen rechts unten angezeigt.
4 Neuere Hash-Verwendungsweisen
Seit dem Aufkommen von Hashtags hat sich der Gebrauch des Hashs vervielfacht. Das Zeichen wird heute nicht nur viel häufiger gebraucht als früher, sondern in ganz unterschiedlichen Kontexten. Das „Hashtaggery“, wie Scheible (2015) das Verlinken auf Twitter, Instagram und anderen sozialen Netzwerken nennt, ist zudem kein Phänomen mehr, das sich nur auf diese Plattformen beschränkt, auch in verschiedenen Offline-Kontexten finden sich heute Hashtags (siehe unten). Im Folgenden legen wir den Fokus auf diese neuen Entwicklungen. Dabei soll zunächst geklärt werden, wie es dazu kam, dass das Doppelkreuz heute zur Markierung von Schlagwörtern verwendet wird, bevor wir genauer auf die verschiedenen Funktionen des Hash-Zeichens on- und offline eingehen.
Als Erfinder des Hashtags gilt der US-Amerikaner Chris Messina. In einem Blog-Beitrag im August 2007 schlägt er vor, das Hash-Zeichen zur Kennzeichnung von Twitter-Gruppen (sog. channels) zu benutzen (vgl. 2).

<https://twitter.com/chrismessina/status/223115412> (11.04.2022)
Zwei Tage später, am 25. August 2007, erläutert Messina seinen Vorschlag unter der Überschrift „Groups for Twitter; or A Proposal for Twitter Tag Channels“ etwas genauer.[19] Hier legt er dar, dass man jedes Wort zu einem solchen Channel machen könne, wenn man es mit dem Hash-Zeichen taggen würde (vgl. „So I think I’ve provided at least a vague overview of this notion of ‚Tag Channels‘ and that they’re simply used by prefixing one or more words with the hash (#) character“). Die Bezeichnung Hashtag verwendet er hier allerdings noch nicht. Wie Bernard in seinem kurzen historischen Abriss zum Hash-Zeichen schreibt, tat dies erstmals der Informatiker Stowe Boyd, „dem das Zeichen #, in seinem Arbeitsumfeld zumeist ‚hash‘ genannt, aus der Computersprache C vertraut ist“ (Bernard 2018, 14). Doch warum hat sich Chris Messina in seinem Blog ausgerechnet für dieses Zeichen entschieden? In einem Kommentar zu seinem Beitrag wurde er danach gefragt („Out of curiosity, why the pound sign and not another symbol?“) und begründete dies damit, dass der Hash auf den sog. Feature-Phones[20] problemlos einzutippen war und das Zeichen im IRC (Internet Relay Chat) bereits benutzt wurde („it had already been established on IRC, and was easy to type on feature-phones!“).
Zum Erfolg des Hashs auf Twitter hat also beigetragen, dass das Zeichen im Internet schon etabliert war und dass es an der Tastatur einfach eingegeben werden konnte. In diesem Punkt zeigen sich Parallelen zum @-Zeichen, das eine vergleichbare Karriere vorweisen kann.[21] Auch dieses wurde, vor allem wegen seiner Verwendung in E-Mail-Adressen, schon früh mit dem Internet in Verbindung gebracht, hatte ursprünglich aber andere Funktionen und war aufgrund dieser Verwendungsweisen bereits Ende des 19. Jahrhunderts auf der Tastatur von US-amerikanischen Schreibmaschinen zu finden (vgl. Houston 2013, 91). Auf Twitter gehört das @-Zeichen zu den Operatoren (vgl. Abschn. 1). Zum einen kann damit direkt auf einen Tweet geantwortet werden, zum anderen führt seine Verwendung in einem Tweet dazu (z. B. @UZH), dass „der dadurch adressierte Account eine Benachrichtigung darüber erhält, adressiert worden zu sein“ (Dang-Anh 2019, 136).
Wie bereits erwähnt, verweist Chris Messina in seinem Blog darauf, dass er die Verwendungsweise des Hash-Zeichens von der Plattform IRC her kenne. Auf dieser Plattform wurden mit dem Hash thematische Channels unterschieden, d. h. separate Kommunikationsräume geschaffen, in denen über ein bestimmtes Thema gechattet werden konnte. Heyd & Puschmann (2017, 55) stellen dazu fest, dass der Hash hier zum ersten Mal in einem weniger technischen Kontext und in Kombination mit lexikalischen Zeichen verwendet wurde. Auf diese Weise konnten automatisch Channels erstellt und benannt werden. Messinas Vorschlag war es nun, dass der Hash auch auf Twitter mit dieser Funktion implementiert werden sollte. Dazu kam es aber nicht, stattdessen führte Twitter zwei Jahre nach dem Blogbeitrag von Messina eine neue Funktion ein, die Hashtags miteinander verlinkte. Ob die jeweiligen Nachrichten thematisch zusammengehörten, war hierfür irrelevant; wurde ein Hash in einem Tweet vor eine Zeichenkette gesetzt, dann wurden die Tweets automatisch zusammengeführt. Dass Twitter damit so lange wartete, ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass Messinas Idee zunächst auf nur wenig Interesse stieß (vgl. Schudy 2019, 17). Doch bald erkannte man die Möglichkeiten, die sich durch das Hashtaggen boten. Rückblickend wird dies oft auf die Verwendung von Hashtags zum Austausch von Nachrichten über die Waldbrände von San Diego im Oktober 2007 zurückgeführt: Nach eigenen Angaben schlug Chris Messina dem Webentwickler Nate Ritter, der auf Twitter über die Waldbrände berichtete, vor, in seinen Beiträgen den Hashtag #sandiegofires zu benutzen, damit Informationen zu diesem Thema für Interessierte leichter auffindbar wurden.[22]
Zunächst aber mussten die Hashtags in der Suchfunktion von Twitter als Suchbegriffe eingegeben werden, um zu den entsprechenden Postings zu gelangen; erst nachdem Twitter die automatische Verlinkung eingeführt hatte, war die Verschlagwortung umstandslos möglich. Die Rahmenbedingungen erleichterten also die kommunikative Nutzung dieses Angebots. Diese Affordanzen gab es zu der Zeit auf anderen Plattformen zwar auch schon (etwa auf Flickr oder Delicious), aber erst durch die Verlinkung auf Twitter wurde das Tagging derart populär. Zudem dient es auf Twitter nicht nur zur Verschlagwortung, sondern, wie Bernard (2018, 48) treffend formuliert, auch zur „maximalen Streuung“ und auf dieser Grundlage zur „Kampagnenbildung“. Wird ein Hashtag besonders häufig verwendet, dann wird dieser unter dem Stichwort Trending Topics angezeigt. Damit wird von Twitter automatisch kenntlich gemacht, welches Thema gerade im Diskurs ist. Dieser Algorithmus kann aber auch für manipulative Zwecke genutzt werden: Erreicht man, dass ein Hashtag in die Trending Topics gelangt, besteht die Chance, dass über dieses Thema verstärkt in den Medien berichtet wird.
Das Tagging kann einen Tweet also nicht nur in einen bestehenden Diskurs einbetten, sondern auch dazu dienen, einen Diskurs stark zu machen. Und es kann aus einem Thema überhaupt einen Diskurs machen bzw. diesen Diskurs in eine bestimmte Richtung steuern. Wird beispielsweise über eine Bombenexplosion unter dem Hashtag #Terrorattentat berichtet, ohne dass feststeht, ob es sich tatsächlich um ein Attentat handelt, wird diesem Ereignis vorschnell eine bestimmte Interpretation zugewiesen. Auf ein anderes Problem macht Bernard am Schluss seines Buches aufmerksam: Der Hash bündelt Meinungen und macht diese hör- bzw. sichtbar, führt in diesem Mainstream aber auch zu einer „Nivellierung des Einzigartigen“, zu einer „Vereinheitlichung“ (2018, 81). Bernard (2018, 81) erläutert das am Beispiel von #MeToo folgendermaßen: „Um in dieser Debatte Gehör zu finden, mussten alle Beiträgerinnen und Beiträger ihre individuellen Erlebnisse, Geschichten und Anschauungen unter dasselbe Schlagwort stellen.“ Ergänzend dazu möchten wir anmerken, dass die #MeToo-Bewegung inzwischen schon ein neues Wort im Deutschen hervorgebracht hat: Auf duden.de steht dazu, es sei ein „Substantiv ohne Artikel“ und trage die Bedeutung „Initiative Betroffener gegen sexuellen Missbrauch“.[23]
Oft wird ein Hashtag einer Aussage im Tweet nachgestellt; es sei nun ein Beispiel angeführt, in dem der Hashtag syntaktisch integriert ist: „Das Schweigen der #ZeroCovid Fraktion zu #Shanghai taumelt zwischen Armutszeugnis und Eingeständnis“.[24] Hier dient das Tagging nicht nur zur Verlinkung, sondern möglicherweise auch zur Hervorhebung der beiden Wörter. Doch das ist nur eine der Funktionen, die das Hash-Zeichen auf pragmatischer Ebene haben kann. Eine andere ist die Kommentarfunktion. Auch dazu ein Beispiel: Meine mum hat gerade gegoogelt wie lange der leberkäs im Ofen bleiben muss. #SoProud.[25] Die Frage stellt sich, ob der Kommentar #SoProud ironisch gemeint ist oder die vorangehende Aussage positiv wertend rahmen soll. Letzteres ist vermutlich in einem Tweet wie Das Wetter ist schön #super der Fall (konstruiertes Beispiel), doch auch hier lässt sich das ohne Kontext nicht zweifelsfrei bestimmen. Laura Neuhaus führt auf der Basis einer Analyse von 1000 Tweets zahlreiche solche Belege an, in denen Tweets einen Kommentar enthalten. Darunter ist auch das folgende Beispiel: „Wenn das Leben zeigt wie toll beschissen es werden kann … #hurra“ (Neuhaus 2019, 171). In diesem Fall kann der Kommentar eindeutig als Ironie-Marker identifiziert werden, denn er steht „mit einer Evaluation in der Voräußerung in Kontrast“ (Neuhaus 2019, 170). Oft aber ist es ohne Kenntnis des Kontexts schwer zu bestimmen, wie ein evaluativer Hashtag (Terminus übernommen von Zappavigna 2017) zu interpretieren ist. Anders stellt es sich dar, wenn Tweets explizit mit dem Hashtag #Ironie versehen wurden (vgl. dazu die Studie von Sulis et al. 2016).
Das Tagging bietet also verschiedene Möglichkeiten – und diese gehen weit über seine Verwendung in Twitter hinaus. So dienen Hashtags auf Instagram, einer Plattform, die bevorzugt zum Teilen von Fotos und Videos genutzt wird, u. a. zur Zeit- oder Ortsmarkierung, informieren also darüber, wo oder wann die Bilder aufgenommen wurden (z. B. #Berlin oder #MorningSunrise). Eine weitere Verwendungsweise zeigt sich in Textnachrichten. Eine Verlinkung ist hier nicht möglich, die Hashs können aber – wie beim Beispiel #SoProud auf Twitter (s. o.) – einen Kommentar anzeigen (z. B. #cool), oder sie können zur Hervorhebung des getaggten Wortes dienen. Zwei Beispiele aus dem Schweizer WhatsApp-Korpus (siehe dazu unter <https://www.whatsup-switzerland.ch> (08.04.2022)) werden dazu im Folgenden gegeben. Die Beispiele stammen aus dem schweizerdeutschen Subkorpus, das über 10 000 Dialektnachrichten umfasst. Insgesamt gibt es in diesem Subkorpus 264 Hash-Treffer.

#-Nachrichten im Schweizer WhatsApp-Korpus
Zu vermuten ist, dass das Wort beshdii (= Beste) in der ersten Nachricht mit einem Hash versehen wurde, um die Aufmerksamkeit auf das Wort zu lenken und deutlich zu machen, wie wichtig die so markierte Aussage ist. Die Verwendung des Hash-Zeichens in dieser Funktion bezeichnen wir in Anlehnung an Scott (2015) als „highlighting device“. Scott (2015, 14) schreibt dazu: „By drawing attention to the tagged content, the tweeter can guide the overall interpretation of the utterance by making certain inferential routes more accessible“. Die Hervorhebung kann sowohl Konstituenten betreffen, die syntaktisch integriert sind, als auch solche, die außerhalb der Satzstruktur stehen. Auch das zeigt ein Korpusbeispiel, dieses Mal entnommen aus MoCoDa2 (siehe unter https://db.mocoda2.de), einer Datenbank, in der derzeit fast 40 000 Textnachrichten archiviert sind: „Und was ist mit Sprühdeo? #fragenüberfragen“ (Chat-Code: sbgwX). An anderer Stelle heißt es auf die Frage, was man für ein Treffen mitbringen könne: „Auf jeden fall noch was zu trinken (limo oder alkoholfreies alster maybe) #brainstorming“ (Chat-Code: #Yts8u). Ob es sich dabei tatsächlich um eine Hervorhebung handelt, ist aber nicht eindeutig zu beantworten. Streng genommen müsste man die Schreibenden während der Textproduktion fragen, mit welcher Absicht sie die betreffenden Konstituenten mit einem Hash versehen. Kate Scott, die in ihrem Beitrag den Fokus nur auf Twitter legt, führt ihrerseits das folgende Beispiel an: „I think all drs should be made to lie in a hospital bed wearing PJs & be stood over. See what it feels like. #vulnerability #powerbalance“. Sie stellt fest: „While the subject of the tweet is the patient-doctor relationship in hospitals, it seems very unlikely that anyone interested in that as a topic would search for it using the hashtags #vulnerability or #powerbalance“ (Scott 2015, 11). Daraus folgert sie, dass die Hashtags #vulnerability und #powerbalance eine andere Funktion haben müssen: Sie sollen hier zur Hervorhebung dienen. Dieses Argument lässt sich für Textnachrichten durchgängig geltend machen, in Messenger-Systemen kann das Zeichen ja nicht als Operator fungieren. Deshalb muss sein Vorkommen anders motiviert sein.
Auch in Offline-Kontexten, etwa auf Werbeplakaten, als Graffitis oder auf der Kleidung, kommt das Hash-Zeichen vor. Ein Beispiel hierfür ist die Kampagne #wirbleibenzuhause: In vielen deutschen Städten wurde während der Pandemiezeit mit Werbeplakaten, in Zeitungen, auf T-Shirts und Stickern mit diesem Slogan dazu aufgerufen, soziale Kontakte zu vermeiden. Viele beteiligten sich an der Aktion; im Resultat war der Hashtag (und damit auch das Hash-Zeichen) überall auf Straßen, Balkonen, in Zügen und Supermärkten zu sehen und wurde so zum Teil der Linguistic Landscape. Parallel dazu lief die Kampagne auch in den sozialen Netzwerken, wo das Hash-Zeichen zusätzlich seinem eigentlichen Zweck, der Verlinkung, diente. Im Offline-Kontext war dies natürlich nicht möglich, es erfüllte hier aber eine andere wichtige Funktion: Zusammen mit dem immer wiederkehrenden Text wir bleiben zuhause hatte es eine starke Signalwirkung. Zum einen erreichte man auf diese Weise diejenigen, die die sozialen Netzwerke nicht nutzen, zum anderen auch die Personen, die regelmäßig auf Twitter, Instagram und anderen Plattformen sind und sich hier weiter informieren konnten.[26]
Sehr systematisch wird der Zusammenhang von Offline- und Online-Tagging von Heyd & Puschmann (2017, 58–61) beschrieben. Sie stellen drei Kategorien auf, nach denen Hashtags im öffentlichen Raum (sog. urban hashtags) unterschieden werden können: 1.) der Grad der Kommerzialisierung, 2.) der Grad der Professionalisierung und 3.) der deiktische Status von Hashtags. Der Grad der Kommerzialisierung zeigt an, ob ein Hashtag überhaupt zu Werbezwecken eingesetzt wird. Die zweite Kategorie unterscheidet zwischen professionell gestalteten Hashtags und solchen, die nur mit wenig Aufwand produziert wurden. Auch die #wirbleibenzuhause-Kampagne war höchst professionell gestaltet (Kategorie 2), im Unterschied zu vielen anderen urban hashtags diente sie aber nicht zu kommerziellen Zwecken. Der deiktische Status trägt der Tatsache Rechnung, dass Offline-Hashtags in der Regel auf bereits existierende Online-Hashtags und auf die sozialen Medien verweisen. Das ist z. B. der Fall, wenn eine Firma auf ihren Werbeplakaten neben einem Hashtag die Logos von Twitter, Instagram und Facebook platziert und diese um die Aufforderung „Follow us“ ergänzt.

Hashtag auf einer Einkaufstasche der Firma Migros (eigenes Bild)
Betrachten wir ein konkretes Beispiel: Der Offline-Hashtag in (4) wird von einem Schweizer Unternehmen seit einigen Jahren zu kommerziellen Zwecken eingesetzt (Kategorie 1). Das Layout und das Design der Einkaufstasche sind professionell ausgestaltet (Kategorie 2). Denselben Hashtag verwendet die Firma auch auf Twitter und Instagram, der Hashtag verweist also auf ihre Social-Media-Kampagne (Kategorie 3). Gleichzeitig fungiert der Hash als Betreff-Marker (vgl. Abschn. 1). Er ist zu lesen als „Was das Grillen (schweizerisch: Grillieren) betrifft, …“.
Während die Mehrheit der Offline-Hashtags ähnlich wie dieses Beispiel zu kategorisieren ist, gibt es andere, die nicht in das Schema passen. Zumeist handelt es sich dabei um ad hoc produzierte, von Hand geschriebene Zeichen, die kein Online-Äquivalent haben. Ein Beispiel ist in (5) zu sehen. Die Aufnahme stammt aus einer privaten Sammlung (aufgenommen am 14.11.2018 im Stadtzentrum von Zürich). Wie Heyd & Puschmann (2017, 61) vermuten, erfüllt ein Hash in solchen Darstellungen eher eine dekorative Funktion, soll also nur an einen Hashtag erinnern. Sie bezeichnen solche Beispiele treffend als „lookalike“ Hashtags.

Hashtag auf einer Baustellen-Abtrennwand (eigenes Bild)
Bislang sind wir nur auf die schriftliche Verwendung von Hash-Zeichen eingegangen, in der Literatur wird gelegentlich aber auch erwähnt, dass Hashtags in der Face-to-Face-Kommunikation vorkommen können. Der Beitrag von Kate Scott (2018) ist ausschließlich diesem Phänomen gewidmet. Allerdings führt sie nur einige anekdotische Beispiele an und ergänzt diese um die Ergebnisse einer kleinen Online-Umfrage, die sie in ihrem Bekanntenkreis durchgeführt hat. Auf die Problematik, die hinter dieser Methode steht, weist sie selbst hin, betont aber auch, dass es trotzdem möglich sei, daraus erste Schlussfolgerungen zu ziehen: „This resulted in a set of 20 unique examples of spoken hashtags. Several examples, including #blessed and #awkward were given on multiple occasions and by various informants. Even with this small range of examples, patterns begin to emerge of how hashtags are appropriately used in spoken utterances as compared to in social media“ (Scott 2018, 61). Eine Schlussfolgerung ist die, dass Hashtags im Gespräch dazu verwendet werden, eine Äußerung zu kommentieren. Als Beispiel nennt sie den Hashtag #proud, den sie paraphrasiert mit „The speaker is proud that […]“ (Scott 2018, 61). Diese Verwendungsweise ist analog zum schriftlichen Gebrauch des Wortes proud in Kombination mit dem #-Zeichen. Doch es gibt einen Unterschied, auf den Scott nicht eingeht: In der gesprochenen Sprache wird #proud als „hashtag proud“ artikuliert, nicht als „hash proud“, wie es die schriftliche Repräsentation nahelegen würde. Allerdings können wir diese Annahme bislang nur mit wenigen Hörbelegen stützen (z. B. „Hashtag just kidding“). Eine Datenerhebung steht noch aus. Zur gestischen Markierung von Hashtags gibt es ebenfalls noch keine empirischen Untersuchungen. Damit ist gemeint, dass eine mündliche Äußerung durch eine Geste begleitet wird, bei der beide Zeige- und Mittelfinger übereinandergelegt werden.[27] Dies geschieht beispielsweise, um anzuzeigen, worüber gerade gesprochen wird. Auch hier stellt sich die Frage, wie frequent ein solches Vorkommen in der Face-to-Face-Kommunikation ist und welche kommunikativen Funktionen damit verbunden sind. An dieser Stelle kann zumindest festgehalten werden, dass ein Hash nicht mehr nur im Geschriebenen auftritt; es gibt bereits ein gestisches und ein gesprochenes Äquivalent. Das ist eine Entwicklung, die bereits andere Zeichen durchlaufen haben – so zum Beispiel das Anführungszeichen, das beim Sprechen ebenfalls gestisch dargestellt werden kann und dann als Distanzmarker dient.
5 Indexikalische Funktion des Hash-Zeichens
Wie Dang-Anh (2019) schreibt, lassen sich Hashtags als Kontextualisierungshinweise auffassen: Sie „geben zu verstehen, wie eine Äußerung gemeint ist“ (2019, 150). Doch das ist nur eine mögliche Antwort auf die Frage, welche indexikalische Funktion das Hash-Zeichen hat, für was es also ein Anzeichen (ein Index) ist. Denn wie wir gesehen haben, kann es in ganz verschiedenen Kontexten verwendet werden. Damit kommen wir zu der Frage, welche sozialsymbolische Bedeutung diesem Zeichen zugeschrieben wird. Dazu beziehen wir uns zum einen auf Jürgen Spitzmüller, der sich in seiner Habilitationsschrift mit dem Titel „Graphische Variation als soziale Praxis“ aus soziolinguistischer Sicht mit den Funktionen von graphischen Gestaltungsmitteln befasst und untersucht, inwieweit diese sozialsymbolisch aufgeladen sind. Zum anderen sei auf das Buch von Asif Agha verwiesen, das den Titel „Language and Social Relations“ trägt und Jürgen Spitzmüller (2013, 341–345) in seinen Ausführungen zur Interpretation von graphischen Zeichen als Grundlage dient.
In Abschn. 3 haben wir bereits darauf hingewiesen, dass der Hash von einem peripheren typographischen Zeichen zu einem „emblem of social media linguistic practice“ wurde. Wichtig ist in dieser Aussage das Stichwort „emblem“. Agha (2007, 235) schreibt zur Definition von Emblem Folgendes:
An emblem is a thing to which a social persona is attached. It involves three elements; (1) a perceivable thing, or diacritic; (2) a social persona; (3) someone for whom it is an emblem (i. e., someone who can read that persona from that thing). When a thing/diacritic is widely recognized as an emblem – when many people view it as marking the same social persona – I will say that it is enregistered as an emblem, or is an enregistered emblem. ‘Enregistered’ just means ‘widely recognized’, and there are degrees of it.
Das Hash-Zeichen ist in diesem Sinne ein „wahrnehmbares Ding“,[28] das für kommunikative Praktiken in sozialen Netzwerken steht. Diese Funktion ist „widely recognized“, und das wiederum führt nach Agha dazu, dass es als Emblem ‚registriert‘ („enregistered“) wird. Tatsächlich hätte es vermutlich genügt, den vorliegenden Aufsatz nur mit „#“ zu betiteln. Die meisten hätten damit eine Arbeit zum Hashtaggen in sozialen Netzwerken in Verbindung gebracht – weiterer Erklärungen hätte es nicht bedurft. Das ist bei anderen Sonderzeichen anders: Würde ein Buch beispielsweise nur den Titel „+“ tragen, dann würde niemand wissen, in welche Richtung die Arbeit geht. Das #-Zeichen hat dagegen, wie auch der Genderstern, emblematischen Charakter, man schreibt ihm soziale Bedeutung zu.
Wie Spitzmüller (2013, 342) mit Bezug auf die Arbeiten von Asif Agha darlegt, können solche Zuschreibungen „in einer Gesellschaft unterschiedlich weit distribuiert und unterschiedlich langlebig sein.“ Auch das sehen wir am #-Zeichen: Heute wird es von vielen nur noch als ein „Twitter-Symbol“ angesehen, in anderen Kontexten und zu anderen Zeiten wurde dieses Zeichen aber anders ‚registriert‘ (z. B. als Telefontaste) – und möglicherweise werden sich in Zukunft wiederum andere Zuschreibungen ergeben. Weiter betont Spitzmüller, dass es nicht die Zeichen selbst sind, die die jeweilige Bedeutung generieren (und damit sozialsymbolisch aufgeladen werden); vielmehr seien es „spezifische textuelle ‚Arrangements‘, die in bestimmten Kontexten und von bestimmten Rezipienten in einer spezifischen Art und Weise als ‚registriert‘ und damit als in einer bestimmten Art und Weise sozial bedeutsam gelesen [Kursivierung i. O.] werden“ (Spitzmüller 2013, 342–343). Dies bedeutet, wiederum bezogen auf das Hash-Zeichen, dass es nur dann als „emblem of social media linguistic practice“ (Heyd & Puschmann 2017, 54) interpretiert werden kann, wenn es in bestimmten „Arrangements“ auftritt und wenn das entsprechende kommunikative Wissen vorhanden ist. Denn wer den Kontext nicht kennt, in dem das Zeichen vorzugsweise verwendet wird, der wird dieses Zeichen anders interpretieren – oder gar nicht imstande sein, überhaupt eine Interpretation zu geben. Sieht man das Doppelkreuz beispielsweise auf einer Einkaufstasche, einem Protestplakat oder in der Überschrift eines Zeitungsartikels, wird man es nur dann als Emblem deuten, wenn man das entsprechende Registerwissen hat. Immer also spielen bei der Interpretation von Zeichen die soziale Gruppe, der man angehört, und das Vorwissen, über das man verfügt, eine wichtige Rolle. Betont sei an dieser Stelle aber auch die Bedeutung des situativen Kontextes. Liest man beispielsweise einen Artikel zur Verwendung des Hash-Zeichens in der Schachnotation, wird man es, selbst wenn man über das entsprechende Registerwissen verfügt, in diesem Kontext wohl kaum mit sozialen Netzwerken in Verbindung bringen. Die Interpretation ist also immer auch ein interaktiver Prozess (vgl. Dang-Anh 2019, 151), die Vorannahmen der Betrachter*innen werden in Beziehung gesetzt zu dem Kontext, in dem ein Zeichen auftritt.
6 Fazit
In den vorangehenden Abschnitten haben wir dargelegt, dass die Wörter Hash und Hashtag keineswegs Synonyme sind und ein Hash ganz unterschiedliche Funktionen einnehmen kann. Diese Funktionen wurden zunächst auf diachroner Ebene betrachtet, wir haben aber auch deutlich gemacht, welche Funktionen das Hash-Zeichen heute hat und welche sozialsymbolische Bedeutung ihm zugeschrieben werden kann. In der Summe haben wir eine Vielzahl von interessanten Beobachtungen zusammengetragen, wobei der Schwerpunkt auf einer qualitativen Analyse lag. Das zeigte sich u. a. darin, dass zur Frequenz bestimmter Phänomene keine Aussagen gemacht wurden; hier müssten breite empirische Untersuchungen durchgeführt werden. Unser Beitrag kann aber dazu dienen, solche Untersuchungen auf eine solide Grundlage zu stellen.
Abschließend wollen wir nun die verschiedenen Funktionen Revue passieren lassen und sie in einen Gesamtzusammenhang bringen: In einem ersten Schritt wurde das Hash-Zeichen aus schriftlinguistischer Sicht betrachtet. Es ist ein Sonderzeichen (auf formaler Ebene), das innerhalb des deutschen Schriftsystems als Ideogramm und als graphisches Grenzsignal fungieren kann (auf innersprachlich-funktionaler Ebene). Als Grenzsignal haben wir es auch in technischer Hinsicht kategorisiert, und zwar dann, wenn es eine Taste auf dem Ziffernblock eines Tastentelefons belegt. Betätigt man diese Taste, wird eine Aktion ausgelöst. In dieser Funktion überschneidet es sich mit der, die in den sozialen Netzwerken zum Tragen kommt: Der Hash fungiert hier als Operator. Davon zu unterscheiden sind seine kommunikativen Funktionen, die in den vorangehenden Abschnitten ebenfalls herausgearbeitet wurden. Wir listen sie hier in fünf Punkten auf: 1.) Das Hash-Zeichen kann einen Diskurs aufbauen (vgl. #MeToo). 2.) Das Hash-Zeichen ist ein Betreff-Marker, es kennzeichnet das im Fokus stehende Thema (vgl. #HappyBirthday). 3) Das Hash-Zeichen zeigt an, dass die damit verbundene Zeichenkette als Kommentar zu verstehen ist (vgl. #cool). 4.) Das Hash-Zeichen dient zur Hervorhebung eines sprachlichen Elements (vgl. #vulnerability). 5.) Das Hash-Zeichen ist sozialsymbolisch aufgeladen, es verweist auf Praktiken in sozialen Netzwerken.
Je nach Kontext kommen noch weitere Funktionen in Betracht. Welche davon jeweils untersucht werden, hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. Zum einen richtet sich das danach, in welchen Gebrauchskontexten man das Vorkommen des Zeichens betrachtet (z. B. in sozialen Netzwerken, in Messenger-Diensten, in der Printwerbung). Zum anderen variiert dies in Abhängigkeit vom jeweils gewählten theoretischen Rahmen. So wird man aus diskurslinguistischer Sicht andere Funktionen des Hash-Zeichens in den Blick nehmen als aus schriftlinguistischer oder soziolinguistischer Sicht. Gemeinsam haben diese Disziplinen, dass sie das Hash-Zeichen in geschriebenen Kontexten betrachten. Auf lange Sicht könnte es aber auch sein, dass der Hash Einzug in die Face-Face-Kommunikation hält und damit zu einem Untersuchungsgegenstand in der Gesprächsanalyse wird. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint dies jedoch recht unwahrscheinlich.
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