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Fridays for Future und die Letzte Generation

Eine Mixed-Methods-Analyse zur Wahrnehmung von friedlichen und disruptiven Formen des Klimaprotests
  • Sandra Walzenbach

    Sandra Walzenbach, Studium der Soziologie an den Universitäten Mannheim und Konstanz. Projektkoordinatorin der Konstanzer Bürgerbefragung (2012–2016), Promotion und Lehrstelle in Konstanz (2013–2017) und an der LMU München (2027–2018). Senior Research Officer am Institute for Social and Economic Research, Essex University (2018–2020). Derzeit Akademische Rätin an der Universität Konstanz.

    Forschungsschwerpunkte: Umweltsoziologie; öffentliche Meinungsbildung; Mixed Methods, Befragungsforschung: heikle Fragen, Interviewereffekte, Surveyexperimente / Factorial Suvreys, Verknüpfung von Befragungsdaten mit anderen Datenquellen (Registerdaten, Mobilitätsdaten, Eye-Tracking, Medieninhalte).

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    and Johanna Meyer

    Johanna Meyer, Bachelorabschlüsse in Psychologie (Universität Hamburg) und in Soziologie mit Nebenfach Gender Studies (Universität Konstanz). Aktuell Masterstudentin im Programm Social Studies of Gender an der Universität Lund, Schweden.

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Published/Copyright: May 22, 2025
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Zusammenfassung

Fridays for Future und die Letzte Generation haben sich zu den Hauptakteuren der deutschen Klimaprotestbewegung entwickelt. Gemeinsam ist beiden Gruppierungen das übergeordnete Ziel, die Politik zu schnellerem Handeln zu bewegen. Gleichzeitig ist Klimaprotest auf Zustimmung aus der Bevölkerung angewiesen, um den Druck auf Entscheidungsträger:innen zu erhöhen. Dennoch machen die zwei Bewegungen von sehr unterschiedlichen Protestformen Gebrauch, um ihre Ziele zu erreichen. Wie diese unterschiedlichen Strategien bei der Bevölkerung ankommen, ist Gegenstand dieser Studie. Mithilfe eines Mixed-Methods-Ansatzes und Daten der Konstanzer Bürgerbefragung untersuchen wir, wie groß das Verständnis für Fridays for Future und die Letzte Generation ist, bzw. welche Befragten-Merkmale mit diesem Verständnis quantitativ korrelieren. Qualitative Leitfadeninterviews geben tiefergehenden Aufschluss über die unterschiedlichen Wahrnehmungen, die die Protestbewegungen erfahren, und beleuchten dabei Legitimität, Effektivität und Backfiring.

Abstract

Fridays for Future and the Last Generation have become the key players in the German climate protest movement. What both groups have in common is the overarching goal of persuading politicians to act more quickly. At the same time, climate protest relies on support from the general population to increase the pressure on decision-makers. Nevertheless, the two movements use very different forms of protest to achieve their goals. This study examines how these different protest strategies are received by the public. Using a mixed-methods approach and data from the Konstanz citizen survey, we analyse the extent of understanding for Fridays for Future and the Last Generation and trace which respondent characteristics correlate quantitatively with this understanding. Qualitative interviews provide deeper insight into the different perceptions of the protest movements and shed light on legitimacy, effectiveness and backfiring.

1 Einleitung

Das Thema Klimawandel hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und ist aus dem politischen sowie alltäglichen Diskurs nicht mehr wegzudenken. Mit internationalen Abkommen, wiederkehrenden Konferenzen und neuen Gesetzesentwürfen signalisiert auch die deutsche Politik, man habe den Klimaschutz als zentrale Aufgabe der Gegenwart erkannt. Dennoch bleiben Forderungen nach konsequenterem, umfassenderem Handeln bestehen. Die Sorge um Klimafolgen und die Unzufriedenheit mit aktuellen Maßnahmen werden von der Bevölkerung in vielfältigen Protesten vorgebracht.

International zählt die Bewegung Fridays for Future sicherlich zu den größten und bekanntesten Akteuren des Klimaaktivismus. Der einst simpel anmutende Schulstreik, der 2018 von der Schwedin Greta Thunberg initiiert wurde (Schneider und Toyka-Seid 2023), ist zu einer global koordinierten Bewegung gewachsen. In Deutschland hat in jüngerer Vergangenheit jedoch auch eine andere Gruppe von Aktivist:innen mit Aktionen zivilen Ungehorsams viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen: die Letzte Generation. Beide sind Teil der weltweiten Klimabewegung, wollen ein Umdenken erwirken und sind dafür auf die Unterstützung der Allgemeinbevölkerung angewiesen. Das zeigt frühere Forschung zum Erfolg von Protesten (vgl. Feinberg et al. 2020: 1f.; Giugni 1998: 379; für allgemeinere Forschung zu Protesten und politischem Agenda-Setting siehe auch: Walgrave und Vliegenthart 2012; Wasow 2020). Es stellt sich also die Frage, wie die Gesellschaft zu den verschiedenen Aktivist:innen steht und inwieweit die gewählten Protestformen Verständnis und Unterstützung bei der breiten Bevölkerung wecken können.

Mithilfe eines Mixed-Methods-Ansatzes, der die melderegister-basierten quantitativen Daten der Konstanzer Bürgerbefragung mit qualitativen leitfadengestützten Interviews kombiniert, soll untersucht werden, in welchem Verhältnis das Verständnis für die Klimaproteste von Fridays for Future und der Letzten Generation in der Konstanzer Bevölkerung zueinander stehen, und welche Erklärungen sich für potenzielle bewegungsspezifische Unterschiede anbieten.

Dazu diskutieren wir zunächst mit Blick auf den Forschungsstand unsere quantitativen und qualitativen Forschungsfragen. Es folgt eine Erläuterung unserer Datenbasis und methodischen Herangehensweise. Schließlich präsentieren wir unsere empirischen Ergebnisse in drei Teilen: Nach einer jeweils separaten Betrachtung der quantitativen und qualitativen Befunde werden diese in einem Mixed-Methods-Kapitel gemäß den Empfehlungen von Kuckartz (2017) anhand eines joint displays kombiniert und integriert.

2 Forschungsstand und Forschungsfragen

Proteste sind ein wichtiges demokratisches Instrument der Bevölkerung im Umgang mit dem Klimawandel und seinen Folgen. Dabei ist für den Erfolg von Klimaprotest breite Unterstützung aus der Gesellschaft zentral. So geht öffentlicher Support mit stärkerem sozialen, kulturellen, und politischen Einfluss sowie höherer Beteiligung an klimafreundlichen Maßnahmen einher (vgl. Feinberg et al. 2020; Giugni 1998; Zlobina und Gonzalez Vazquez 2018). Umso wichtiger ist es herauszufinden, welche Proteste die meiste Unterstützung erfahren, und inwiefern die gewählte Protestform dies beeinflusst. Im Folgenden soll eine Übersicht relevanter Forschung gegeben werden, aus der sich quantitative Hypothesen und qualitative Impulse für die vorliegende Arbeit ergeben.

2.1 Typologisierung von Protest

Die sozialwissenschaftliche Literatur unterscheidet verschiedene Arten von Protestverhalten. Gängige Differenzierungsdimensionen sind dabei einerseits die Normativität des Verhaltens und andererseits die Anwendung von Gewalt. Kreuzt man beide Dimensionen, ergibt sich eine theoretische Typisierung mit vier Gruppen. In der Forschungspraxis ist die Unterscheidung von drei dieser Protestformen relevant. Typischerweise wird zwischen (1) normativ-friedlichem, (2) disruptiv-gewaltfreiem und (3) disruptiv-gewaltsamem Protest unterschieden (vgl. Bohler-Muller et al. 2017: 83; Bugden 2020: 4; Zlobina und Gonzalez Vazquez 2018: 240).

Das Protestverhalten von Fridays for Future lässt sich recht eindeutig als normativ-friedlich einordnen. Die Bewegung hat sich mit angemeldeten Protestmärschen und Kundgebungen in zahlreichen Städten etabliert und ist in diesem Ursprung vor allem mit jungen Teilnehmenden assoziiert. Die Aktivist:innen sind jedoch auch in größeren Dimensionen aktiv und riefen beispielsweise auch 2024 zur Teilnahme an einem jährlichen globalen Klimastreik auf (Fridays for Future o.D. a). Nach eigenen Angaben seien dort in der Vergangenheit deutschlandweit 280 000 Teilnehmende in Verbindung mit der Bewegung verzeichnet worden (Fridays for Future 2022). Im Kontext der angeführten Typisierung wird Demonstration als prototypische Form normativen Protests herausgestellt (siehe z. B. Zlobina und Gonzalez Vazquez 2018) und Fridays for Future zudem als explizit friedlichem Protest verpflichtet beschrieben (vgl. Buzogany und Scherhaufer 2023).

Die Einordnung der Letzten Generation gestaltet sich weniger eindeutig. So kann die Bewegung zwar als disruptiv bezeichnet werden, unklar ist aber, inwieweit sie als gewaltsam oder gewaltfrei einzustufen ist. Das hängt insbesondere mit unterschiedlichen Definitionen gewaltsamen Protests zusammen. Aktivist:innen des 2021 geformten Bündnisses treten seit Anfang 2022 vor allem mit wiederkehrenden Straßenblockaden in Erscheinung, bei denen sie sich auf dem Asphalt festkleben. Sie haben jedoch auch durch Aktionen, wie das Beschmieren von Kunstwerken oder beispielsweise Parteigebäuden mit Farbe und teils Lebensmitteln, mehrfach Aufmerksamkeit erregt (vgl. SWR 2023; Tagesschau 2023). Im Rahmen der obigen Typisierung ordnen manche Wissenschaftler:innen Straßenblockaden und die Beschädigung von Eigentum als gewaltsame Form disruptiven Protests ein (vgl. Bohler-Muller et al. 2017: 84; Zlobina und Gonzalez Vazquez 2018: 240). Die Letzte Generation selbst bezeichnet ihren Protest hingegen als „entschlossen und standfest, [aber absolut gewaltfrei]“ (Letzte Generation 2023). Sehr ähnliche Methoden der Gruppe Extinction Rebellion werden zudem beispielsweise auch von Buzogany und Scherhaufer (2023) als disruptiv, aber friedlich beschrieben (360). Trotz Definitionsunsicherheit auf der Dimension der Gewaltanwendung lässt sich vermerken, dass sich die Letzte Generation eindeutig disruptiver Methoden bedient.

2.2 Legitimität, Effektivität und Verständnis für verschiedene Protestformen

Die Gruppierungen Fridays for Future und die Letzte Generation unterscheiden sich also deutlich in den Ausdrucksformen, die sie als Mittel ihres Protests wählen. Bisherige Literatur stellt Legitimität und Effektivität als zentrale Dimensionen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Protesten heraus (Buzogany und Scherhaufer 2023; Zlobina und Gonzalez Vazquez 2018: 235) – dies gilt auch, wenn Außenstehende Protest bewerten (Gunderson und Charles 2023). Sowohl empirische als auch theoretische Publikationen legen nahe, dass die Unterstützung disruptiver Proteste stark von der wahrgenommenen Notwendigkeit eben dieser extremeren Protestform abhängt (siehe z. B. Delina 2022; Feinberg et al. 2020; Garcia-Gibson 2022). Zlobina und Gonzalez Vazquez (2018) argumentieren mit Rückbezug auf die genannte Typisierung, dass so ein Legitimierungsdruck vor allem für disruptiv-gewaltsame Proteste entstehe, während Demonstrationen durch ihre Normativität bereits inhärent legitim seien (Zlobina und Gonzalez Vazquez 2018: 236).

Die global geführte Debatte über angemessene und effektive Protestformen wird in Deutschland vorrangig von Fridays for Future und der Letzten Generation repräsentiert. Nach unserem Kenntnisstand haben sich bisher jedoch wenige Studien vergleichend mit diesen beiden Protestbewegungen befasst. Eine Ausnahme stellt die Studie von Saldivia Gonzatti et al. (2023) dar: In einem Experiment wurden Einstellungen zu verschiedenen Protestformen sowie die Zustimmung zu den zugrundeliegenden Klimaschutzforderungen erhoben. Getestet wurden der Fall einer „große[n] Demonstration, eine[r] Kartoffelbrei-Wurfaktion auf ein Kunstobjekt und eine[r] Straßenblockade durch festgeklebte Protestierende“ (Saldivia Gonzatti et al. 2023: 3 f.) im Vergleich zu einem nicht weiter spezifizierten Protest als Kontrollbedingung. Beiden disruptiven Protestformen wurden von den Teilnehmenden weniger, Demonstrationen hingegen mehr Verständnis, Unterstützung und Legitimität zugesprochen als der Kontrollbedingung. Dabei hatte die negative Wahrnehmung der disruptiven Protestformen keine unmittelbare Auswirkung darauf, wie unterstützenswert die Teilnehmenden die zugrundeliegende Forderung der Protestbewegung nach mehr Klimaschutzmaßnahmen einschätzten. Saldivia Gonzatti et al. (2023) weisen damit auf die Relevanz einer Differenzierung zwischen Einstellungen gegenüber den Protestgruppen selbst und den ihnen zugrundeliegenden Klimaschutz-Anliegen hin. Gleichzeitig ergänzen Sie die Forschung zu möglichen Backfiring-Effekten, also der Annahme, die verwendete Methode bzw. Protestform schade letztlich eher dem eigenen Anliegen, als dass sie ihm nütze. Backfiring wird oftmals als Risiko disruptiven Protests hervorgehoben, obwohl die meisten Studien dafür tatsächlich keine eindeutigen Belege finden (z. B. Bugden 2020: 9; Brehm und Gruhl 2024: 4 f).

An dieser Stelle sei auch die sogenannte Radical-Flank-Hypothese erwähnt, die besagt, dass die Existenz disruptiver Protestformen die Zustimmung zu vergleichsweise milderen Protestformen erhöht. Dieses logische Gegenstück zur Backfiring-Hypothese wurde kürzlich für den US-amerikanischen Kontext in einem Befragungsexperiment bestätigt (Simpson et al. 2022): Befragte, die zuerst über disruptiven Klimaprotest lasen, evaluierten moderaten Klimaprotest anschließend positiver als die Kontrollgruppe. Ein vergleichbares Design wurde von Dasch et al. (2024) mit kleineren Stichproben aber ähnlichen Ergebnissen u. a. auf ein Protestszenario gegen Fracking angewendet.

Eine methodische Alternative, um Backfiring und Radical Flanks empirisch zu untersuchen, ist das Analysieren von Einstellungen zu verschiedenen Klimaprotestformen im Zeitverlauf. Diese Strategie verfolgen beispielsweise Brehm und Gruhl (2024), die Protestaktionen der drei Gruppierungen Fridays for Future, Ende Gelände und Extinction Rebellion mit den Befragungsdaten des sozio-ökonomischen Panels (SOEP) kombinieren. Dabei stellen sie eine leicht höhere Besorgnis um den Klimawandel bei Personen fest, die in den Tagen nach einem Protest befragt wurden, im Vergleich zu Personen, die davor befragt wurden. Zentral ist, dass dieser Effekt unabhängig von der Art des Protestes auftritt, was zumindest gegen Backfiring spricht. Kenward und Brick (2024) finden anhand von longitudinalen Befragungsdaten, die zeitlich um die disruptiven Proteste der Gruppierung Extinction Rebellion in London erhoben wurden, leicht steigende Besorgnis über den Klimawandel, also Evidenz für eine gewisse Effektivität, aber im Zeitverlauf gleichbleibende Einstellungen zu dieser disruptiven Protestform. Dieses Ergebnis scheint sowohl Backfiring-Effekten als auch der Radical-Flank-Hypothese eher entgegenzustehen, allerdings wurden Einstellungen zu anderen, moderateren Protestformen nicht gemessen.

Andere Studien zeigen, dass Personen aus der Allgemeinbevölkerung normative Proteste in ihrer Legitimität oftmals besser bewerten als in ihrer Effektivität, während bei disruptiven Protesten genau das Gegenteil der Fall ist: sie werden vorrangig als effektiv und weniger als legitim empfunden (vgl. Bohler-Muller et al. 2017; Zlobina und Gonzalez Vazquez 2018). Die Tatsache, dass Fridays for Future v. a. zu Beginn im medialen Diskurs als salient jugendliche Bewegung konnotiert wurde, bietet darüber hinaus Anlass für die Darstellung der Aktivist:innen als ineffektiv, weil sie zu naiv und jung seien, um realistische Forderungen zu stellen (vgl. Kleine 2019). Teils wurde zudem das normwidrige Schwänzen der Schule anstelle des klimapolitischen Engagements der Protestierenden betont, wie beispielsweise Bergmann und Ossewaarde (2020) aufzeigen. Buzogany und Scherhaufer (2023) konstatieren in ihrer Übersichtsarbeit darüber hinaus, dass disruptive Protestformen überhaupt insbesondere dann als Mittel gewählt würden, wenn normative Proteste nicht effektiv scheinen (S. 366). So gibt es also auch einzelne Aspekte, die der generell größeren Zustimmung zum normativen Protest von Fridays for Future entgegenstehen und für eine disruptivere Alternative sprechen. Insgesamt weisen viele Studien allerdings auf eine höhere Zustimmung zu normativen, friedlichen Protestformen hin, wobei insbesondere Demonstrationen von der Bevölkerung häufig als sowohl legitim als auch effektiv wahrgenommen werden (Bohler-Muller et al. 2017; Bugden 2020; Zlobina und Gonzalez Vazquez 2018). Anhand von quantitativen Daten soll daher einleitend die folgende Hypothese überprüft werden:

H1: Das Verständnisniveau für die Proteste von Fridays for Future ist insgesamt höher als das für die Proteste der Letzten Generation.

2.3 Protestspezifisches Verständnis: qualitative und quantitative Perspektiven

2.3.1 Qualitative Forschungsfragen: Normativität, Gewalt, Backfiring und Radical Flank

Fragen, die sich aus dem Theorieteil ergeben, betreffen die individuellen Einschätzungen von normativem und disruptivem Klimaprotest: Welche Begründungen liegen hinter der Befürwortung oder Ablehnung verschiedener Protestformen? Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Letzte Generation letztlich Verständnis für die gesamte Klimabewegung aufs Spiel setzt (Backfiring)? Oder gewinnt Fridays for Future dank disruptivem Protest an Unterstützung (Radical Flank)?

Um solche protestspezifischen Bewertungen genauer in den Blick zu nehmen, ist ein qualitativer Ansatz sinnvoll. Wir werden daher im Rahmen einer qualitativen Auswertung von Interviewdaten auf verschiedene im Theorieteil diskutierte Konzepte zurückkommen. Dazu gehören die Typologie-Dimensionen Normativität und Gewalt sowie die Backfiring- und Radical-Flank-Hypothese, die wir im Hinblick auf die Ergebnisse der qualitativen Analyse in einem eigenen Unterkapitel aufgreifen und diskutieren. Wir sehen an dieser Stelle von der Formulierung konkreter Hypothesen ab. Dies spiegelt einerseits die Seltenheit relevanter vergleichender Forschung wider, anderseits die induktive Analysestrategie bei der Auswertung der Interviews. Diese war nicht von bestimmten Hypothesen geleitet, erwies sich aber im Nachhinein als fruchtbar für die oben genannten Aspekte der vergleichenden Perspektive, zu denen die quantitative Erhebung keine Rückschlüsse erlaubt.

2.3.2 Quantitative Korrelationen: Soziodemographie und umweltbezogene Einstellungen

Thema des folgenden Unterkapitels ist die Frage, inwieweit unterschiedliche Einschätzungen der Protestbewegungen mit sozio-demographischen Variablen sowie umweltbezogenen Einstellungen korrelieren. Besonders interessant ist dabei, welche Variablen das Verständnis für beide Protestformen gleichermaßen beeinflussen und welche Effekte protestformspezifisch sind.

In Bezug auf soziodemographische Variablen legen bisherige Studien nahe, dass jüngere Menschen mehr Verständnis für Klimaprotest aufbringen als ältere. Dies gilt nicht nur für Fridays for Future (Koos und Naumann 2019), sondern für Klimaproteste insgesamt (Lorenzini et al. 2021). Bohler-Muller et al. (2017) verweisen zudem auf eine signifikante Abnahme negativer Einstellungen gegenüber disruptiven Protesten zwischen den Jahren 1995 und 2016 um fast 20 Prozentpunkte – ein Befund, der auf einen Kohorteneffekt hindeuten könnte.

H2: Höheres Alter geht mit einer Abnahme des Verständnisses für beide Bewegungen einher.

Hall et al. (1986) argumentieren außerdem, dass Menschen mit höherer Bildung Rechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit stärker befürworten und sich stärker über die Beweggründe von Protestbewegungen informieren als weniger gebildete Menschen. Außerdem zeigen gebildete Menschen eine höhere Bereitschaft, sich selbst an Protesten zu beteiligen (vgl. Kwak 2022). All diese Faktoren kommen der generellen Befürwortung von Protesten zugute. Gleichzeitig sollen Menschen mit höherer Bildung gewalttätige Protestformen eher ablehnen (vgl. Hall et al. 1986; Jenkins und Wallace 1996), was für eine Interaktion zwischen Bildungsniveau und Protestform spricht.

H3: Ein höherer Bildungsgrad geht mit größerem Verständnis für beide Bewegungen einher. Der Effekt ist für Fridays for Future größer als für die Letzte Generation.

Eindeutige Geschlechterunterschiede in der Unterstützung von Protesten und der wahrgenommenen Relevanz des Klimawandels werden in der Literatur bislang nicht gefunden (vgl. Bohler-Muller et al. 2017; Bush und Clayton 2023; Koos und Naumann 2019). Das Geschlecht behandeln wir daher lediglich als Kontrollvariable.

In Bezug auf umweltrelevante Einstellungen zeigen mehrere Studien, dass Sorgen um Klimafolgen und das wahrgenommene Ausmaß der Umweltgefährdung sowohl das Verständnis für Proteste als auch die Teilnahme daran beeinflussen (Bouman et al. 2020: 7; Brügger et al. 2020: 10; Prendergast et al. 2021: 9; Sparks 2021). Obgleich häufig in Zusammenhang mit politischer Orientierung betrachtet (siehe z. B. Knollenborg und Sommer 2023), beschreibt beispielsweise Bugden (2020) zudem einen positiven Zusammenhang zwischen einem anthropogenen Verständnis des Klimawandels und dem Verständnis für Proteste.

H4: Eine als gravierender wahrgenommene Klimabedrohung führt zu einem stärkeren Verständnis für beide Bewegungen.

In Zusammenhang mit der wahrgenommenen Klimabedrohung steht die subjektive Dringlichkeit von Umweltschutzmaßnahmen. Als Basis der Forderungen jeder Klimabewegung werden sie von Fridays for Future und der Letzten Generation jedoch mit unterschiedlicher Dringlichkeit formuliert. Während Folgen einer Missachtung der Forderungen von Fridays for Future (o.D. b) bereits als eine „enorme Gefahr für Frieden und Wohlstand weltweit“ beschrieben werden, spricht die Letzte Generation (2023a) sogar von der finalen Chance, den „Kollaps [der] Gesellschaft noch [aufzuhalten].“ Entsprechend könnte sich auch die subjektiv empfundene Dringlichkeit von Umweltschutz unterschiedlich stark auf das Verständnis für Proteste der beiden Bewegungen auswirken.

H5: Eine höhere wahrgenommene Dringlichkeit von Umweltschutz führt zu einem stärkeren Verständnis für Proteste beider Gruppen. Der Effekt ist für die Letzte Generation größer als für Fridays for Future.

Uren et al. (2021) zufolge ist ein intrinsisches Interesse am Thema entscheidend für die Unterstützung von Klimaprotesten (456). Der positive Einfluss von erhöhtem Umweltbewusstsein auf Protestverhalten und -support wird auch anderweitig für junge Menschen (Prendergast et al. 2021) und allgemein beschrieben (Bouman et al. 2020: 6). Schließlich lässt sich auch auf psychologische Konzepte wie kognitive Dissonanz verweisen, bei der ein möglicher Widerspruch zwischen empfundenem Umweltbewusstsein und der Ablehnung damit inhaltlich kohärenter Protestbewegungen zu einem Gefühl von Unbehagen führen und deshalb tendenziell vermieden werden würde (vgl. Wirtz 2021).

H6: Eine höhere Selbsteinschätzung des Umweltbewusstseins geht mit größerem Verständnis für die Klimaproteste beider Bewegungen einher.

3 Daten und Methodik

3.1 Forschungsdesign: ein Mixed-Methods-Ansatz

Um bei der Beantwortung unserer Forschungsfragen sowohl auf allgemeine Zusammenhänge als auch auf individuelle Perspektiven eingehen zu können, wurde eine quantitative und qualitative Datenerhebung im Rahmen der Konstanzer Bürgerbefragung durchgeführt. Im Kontext des Lehrforschungsprojektes „Ökologisches Bewusstsein und Umwelthandeln“ wurde eine eigene Sonderwelle konzipiert, die einen Mixed-Methods-Ansatz verfolgte. Mithilfe eines sequenziellen Vertiefungsdesigns („explanatory sequential design“ vgl. Creswell 2021: 53 ff.; Tashakkori, Johnson, und Teddlie 2021: 137 ff.) wurden im ersten Schritt quantitative Befragungsdaten, im zweiten Schritt qualitative leitfadengestützte Interviews erhoben. Ein Mixed-Methods-Ansatz wurde dabei bewusst gewählt, um einerseits verallgemeinerbare Zusammenhänge zwischen standardisiert gemessenen Variablen berichten zu können und andererseits diese Zusammenhänge durch eine zusätzliche Perspektive vertiefend zu erklären und im Sinne der Triangulation narrativ zu validieren. Darüber hinaus bringt die qualitative Analyse zusätzliche Aspekte zutage, die die inhaltliche Bandbreite unserer Studie erhöhen. Es liegt also auch eine Komplementarität beider Perspektiven vor (vgl. Kuckartz 2017: 161, Tashakkori et al. 2021: 142 ff.).

3.2 Datengrundlage

Bei der Konstanzer Bürgerbefragung handelt es sich um ein Kooperationsprojekt zwischen Stadtverwaltung und Universität, im Rahmen dessen seit 2008 eine jährliche Panel-Erhebung stattfindet. Die Stichprobe basiert auf den Daten des Melderegisters. Ausgewählte Personen werden in einem postalischen Schreiben um ihre Registrierung im Online-Panel gebeten. Der Teilnehmenden-Pool wird in regelmäßigen Abständen um Auffrischungsstichproben ergänzt, um Panelmortalität entgegenzuwirken. Zuletzt wurden dabei junge Personen und Personen mit nicht-deutscher Staatsbürgerschaft überrepräsentiert, um dem niedrigeren Rücklauf und den höheren Wegzugsraten in diesen Gruppen entgegenzuwirken. So lässt sich eine Stichprobe erzielen, die die volljährige Wohnbevölkerung in Bezug auf Geschlecht, Alter, Staatsbürgerschaft und Wohnort im Stadtbezirk gut abbildet (siehe Tabelle A1 im Anhang). Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt weisen die Teilnehmenden ein höheres Bildungsniveau auf, sind politisch interessierter und grüner eingestellt. (Letztere Erkenntnis verdanken wir den vergangenen Befragungsjahren, in denen auch politische Wahlen stattfanden, sodass Wahlbeteiligung und Wahlausgang aus offiziellen Statistiken mit entsprechenden Befragungsdaten verglichen werden konnten.) Für die hier präsentierten Ergebnisse bedeutet das, dass wir das absolute Ausmaß des Verständnisses für Klimaproteste auf Bundesebene vermutlich überschätzen. Die relative Einordnung, also die vergleichende Betrachtung von Fridays for Future und Letzter Generation sowie die zugrundeliegenden Mechanismen, sollten jedoch nicht von Verzerrungen betroffen sein.

3.2.1 Quantitative Datenerhebung

Quantitative Daten wurden im Mai und Juni 2023 im Rahmen einer Sondererhebung der Konstanzer Bürgerbefragung erhoben. Der Onlinefragebogen umfasste neben der Abfrage relevanter demographischer Merkmale Frage-Items zu Umwelteinstellungen und -verhalten: die wahrgenommene Bedrohung durch den Klimawandel, dessen Beeinflussbarkeit durch den Menschen, das individuelle Handlungspotenzial und die wahrgenommene Verantwortung anderer Akteur:innen für den Klimawandel sowie individuelles Alltagshandeln und Einstellungen zu Klimaprotesten (siehe vollständigen Fragebogen unter https://doi.org/10.7802/2866). Am Ende des Onlinesurveys konnten sich Befragte zur Teilnahme an einem persönlichen Gespräch bereiterklären.

Der Pool von registrierten Panelmitgliedern enthielt zum Befragungszeitpunkt zunächst 2721 Personen, die per E-Mail zur Befragung eingeladen wurden. Davon konnten 126 Personen nicht erfolgreich kontaktiert werden, da ihre Mailadressen nicht mehr existierten oder sie seit der letzten Kontaktierung aus Konstanz weggezogen waren. Von den verbleibenden 2595 Personen nahmen 1047 teil (Rücklauf: 40.3 %). 50 Beobachtungen wurden aufgrund fehlender Werte in interessierenden Variablen von der Analyse ausgeschlossen.[1] Das finale Analysesample für die quantitative Auswertung umfasst 503 männliche, 488 weibliche und 6 diverse Personen. Die Altersverteilung reicht von 21 bis 93 Jahren, wobei 50 % der Teilnehmenden unter 57 Jahre alt waren (siehe Tabelle A1 im Anhang für weitere Details).

3.2.2 Qualitative Datenerhebung

Qualitative Daten wurden in 53 Leitfadeninterviews im Juni 2023 erhoben. Inhaltlich wiederholte das Leitfadeninterview zum Teil Themen aus der quantitativen Befragung, um gezielte Vergleiche zu ermöglichen, ging an anderen Stellen – wie bei der Einstellung zu Protestbewegungen – aber deutlich über die Befragungsdaten hinaus, indem es individuellen Meinungen ohne die Vorgabe von festen Kategorien Raum gab und Rationalisierungen von Ansichten und Verhalten ermöglichte. Um eine gewisse Vergleichbarkeit zwischen den Leitfadeninterviews zu gewährleisten, ohne die prinzipielle Offenheit des Formats unnötig einzuschränken, wurden im Rahmen des Lehrforschungsprojekts einerseits zur freien Erzählung anregende Leitfragen entwickelt, andererseits aber Kernthemenbereiche definiert, zu denen die Interviewenden Nachfragen stellen sollten, sofern diese im freien Erzählfluss der befragten Person nicht zur Sprache gekommen waren. Die Interviews fanden bei den Teilnehmenden zuhause (38 Fälle), oder in den Räumen der Universität Konstanz statt (15 Fälle). Dazu waren 18 Interviewende im Einsatz. Es wurden Audioaufnahmen erstellt und bis zur abgeschlossenen Transkription datenschutzkonform gespeichert. Abgesehen von einem sehr kurzen (15 Minuten) und einem sehr langen (2.25 Stunden) Interview bewegten sich die Aufnahmen in der Regel in einem zeitlichen Rahmen von 30 bis 60 Minuten.

Am Ende der Onlinebefragung hatten sich 346 Teilnehmende zu einem persönlichen Gespräch bereit erklärt. Um möglichst viel Heterogenität zu erwirken, erfolgte die Auswahl der letztlich 53 Interviewten auf Basis einer Quotenstichprobe, bei der das Umweltbewusstsein, Einkommen und Alter der Personen berücksichtigt wurden.[2] Zwei Interviews gehörten zu Personen, die aufgrund fehlender Werte bereits von der quantitativen Analyse ausgeschlossen worden sind. Sie wurden auch für die qualitative Analyse nicht berücksichtigt. Die finale qualitativ interviewte Gruppe umfasst 24 männliche und 27 weibliche Teilnehmende im Alter von 22 bis 85 Jahren (M = 45.57, SD = 18.28), wobei der Median bei 44 Jahren lag.

3.3 Datenanalyse

3.3.1 Quantitative Daten

Die quantitative Analyse erfolgte mit Version 15 der Statistik Software Stata (StataCorp, 2017). Das Verhältnis zwischen dem Verständnis für Klimaproteste von Fridays for Future und der Letzten Generation wird zunächst in einer Kontingenztabelle betrachtet und der statistische Zusammenhang zwischen beiden Variablen mit Spearmans Rangkorrelationskoeffizient geprüft. Mögliche Einflüsse auf das Verständnisniveau werden mithilfe linearer Regression getestet. Das Verständnis für Fridays for Future und die Letzte Generation wird dabei als quasi-metrisch behandelt und in zwei separaten Modellen untersucht.[3] Neben Geschlecht, Alter und Bildungsniveau der Teilnehmenden, werden als Regressoren eine Einordnung des eigenen Umweltbewusstseins und die vier folgenden umweltbezogenen Einstellungen untersucht: die empfundene Dringlichkeit von Umweltschutzmaßnahmen, das wahrgenommene Ausmaß der Umweltgefährdung, die Sorge um Klimafolgen und die Anerkennung des Klimawandels als menschengemacht. Da die letzten drei dieser Items untereinander sehr starke Korrelationen aufwiesen (rs > |0.5|; komplette Korrelationstabelle in Tabelle A2 im Anhang), gehen diese als Mittelwert-Index zur Einschätzung der Klimabedrohung in die Analyse ein. Ein Cronbachs alpha von 0,80 weist auf eine gute interne Konsistenz des Index hin. Eine Übersicht des genauen Wortlauts aller in der Analyse berücksichtigten Items, ihr Skalenniveau und eventuelle Umcodierungen sind in Tabelle A3 im Anhang dokumentiert. In Reaktion auf Anregungen aus dem Reviewprozess führen wir außerdem modellübergreifende Signifikanztests (mit dem Befehl suest) durch, um einzelne Koeffizienten für beide Bewegungen zu vergleichen. Diese Tests beruhen auf linearen Modellen mit standardisierten abhängigen Variablen, um die Modelle so vergleichbar wie möglich zu machen.

3.3.2 Qualitative Daten

Wie bereits erläutert waren Klimaproteste nicht der einzige Gegenstand des Interviews. Vielmehr waren die Interviews so konzipiert, dass sie für verschiedene Forschungsinteressen genutzt werden konnten. Sie umfassten einen lockeren Gesprächseinstieg mit einer Nachfrage zum letzten Urlaub, befassten sich mit Alltagsmobilität, Einstellungen und Verantwortungswahrnehmungen in Bezug auf den Klimawandel, die Bedeutung von umweltbezogenen Überlegungen im Alltag und schließlich mit der Wahrnehmung von Klimaprotest. Obgleich die Reihenfolge dieser Themenblöcke nicht festgeschrieben war, erwies sie sich für die Interviewenden in der Praxis meist als praktikabel und sinnvoll. In Anbetracht der Fülle und Themenvielfalt des Materials erwies sich eine Voreinteilung der zur Sprache gekommenen Überthemen innerhalb der Interviews als nötiger Zwischenschritt vor der eigentlichen qualitativen Analyse. Primäres Ziel war es dabei, den im Kollektiv erhobenen Interviewkorpus von 53 Gesprächen für alle Beteiligten nutzbar zu machen. In einer ausführlichen Besprechung wurden dazu zunächst relevante Überthemen zusammengetragen, die in oder neben den gezielt geplanten Themenblöcken in den individuellen Gesprächen aufgekommen waren. Dabei kristallisierten sich 11 Überthemen heraus: Neben acht fest im Leitfaden verankerten (konkret: der letzte Urlaub, Alltagsmobilität, Einstellungen zum Klimawandel, Zuweisung von Verantwortung, Einstellungen zu Maßnahmen, sonstiges Umweltverhalten: Lebensmittel, Kleidung, Geräte, etc., Einstellungen zu Umweltprotesten), kamen dabei auch drei neue Überthemen zutage: Erzählungen über eigenen politischen Aktivismus, Selbsteinschätzung und soziales Umfeld.

Alle diese Themenbereiche wurden mit einem Memo und einer Definition versehen. Alle Beteiligten markierten im nächsten Schritt diese Überthemen in allen von ihnen selbst durchgeführten Gesprächen, wobei einzelne Textpassagen verschiedenen Überthemen zugeordnet werden konnten und ein Überthema auch mehrfach im Laufe des Interviews aufkommen konnte.

Für die vorliegende Arbeit wurden die Interviewausschnitte verwendet, die in diesem Arbeitsschritt dem Thema „Einstellungen zu Umweltprotesten“ zugeordnet worden waren. Diese wurden in Anlehnung an Mayring (2015) induktiv und mit größtmöglicher Ergebnisoffenheit codiert. Tabelle A4 im Anhang gibt das finale Kategoriensystem wieder, das aus diesem induktiven Codierungsschritt hervorgegangen ist.

Die Interviewausschnitte wurden im Sinne der „Interpretationsregeln der zusammenfassenden qualitativen Inhaltsanalyse“ (Mayring 2015: 72 ff.) reduziert. So wurden zunächst für alle inhaltstragenden Interviewstellen den Kern der jeweiligen Aussagen paraphrasierende offene Codes vergeben. So vergebene Codes wurden daraufhin entsprechend einer ersten Reduktion über alle Interviews hinweg verglichen, inhaltsgleiche Codes zusammengefasst und bei Bedarf in ihrer Benennung überarbeitet. So entstandene integrierende Codes wurden mit einem definitorischen Memo zur Explikation der enthaltenen Elemente versehen. In einer zweiten Reduktion wurden die vergebenen offenen Codes zu stärker abstrahierten Code-Kategorien zusammengefasst, welche sich als differenziertere Themenfelder innerhalb des Bereichs „Einstellung zu Umweltprotesten“ verstehen lassen. Aufgrund teils identischer Codes für Fridays for Future und die Letzte Generation wurden alle Codes zudem einem übergeordneten Bezugsrahmen zugeordnet, welcher in MAXQDA als Code höchster Ordnung vergeben wurde, sodass sich schlussendlich ein dreistufiges System ergab. Das Kategoriensystem findet sich auch in der bereits erwähnten vollständigen Übersicht im Anhang (Tabelle A4) wieder.

4 Ergebnisse

4.1 Quantitative Daten

4.1.1 Die Verständnisverteilung beider Bewegungen

Das durchschnittlich angegebene Verständnis der Teilnehmenden lag wie erwartet (H1) für Proteste von Fridays for Future mit p < 0.001 signifikant höher als für Proteste der Letzten Generation (MFFF = 3.68, SDFFF = 1.33; MLG = 2.43, SDLG = 1.44 bei einer fünfstufigen Skala von 1 „kein Verständnis“ bis 5 „volles Verständnis“). Wie Abbildung 1 zeigt, bringen 19.06 % der Befragten (eher) kein Verständnis für Fridays for Future auf, 21.36 % konnten die Proteste „teils“ verstehen und eine Mehrheit von 59.58 % gab an, eher oder sogar volles Verständnis zu haben. Für Proteste der Letzten Generation gaben demgegenüber 56.47 % der Teilnehmenden an, (eher) kein Verständnis zu haben, 16.75 % waren unentschlossen, und eher bis volles Verständnis wurde von 26.78 % angegeben.

Der Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman legt zudem einen starken und signifikanten Zusammenhang zwischen den Einstellungen gegenüber beiden Bewegungen nahe (rs = 0.681, p < 0.001). Demnach geht mit höherem Verständnis für den Protest der einen, auch ein höheres Verständnis für den Protest der anderen Bewegung einher.

 Abb. 1: Im Fragebogen angegebenes Verständnis für Proteste der Bewegungen Fridays for Future und die Letzte Generation. Die Angaben sind in Prozent und beziehen sich auf die Gesamtstichprobe von n = 997 Befragten.

Abb. 1: Im Fragebogen angegebenes Verständnis für Proteste der Bewegungen Fridays for Future und die Letzte Generation. Die Angaben sind in Prozent und beziehen sich auf die Gesamtstichprobe von n = 997 Befragten.

4.1.2 Analyse möglicher einflussnehmender Variablen

Der Fokus der quantitativen Analyse liegt auf der Erklärung von Unterschieden im Verständnis für die Proteste von Fridays for Future und der Letzten Generation durch soziodemographische Variablen und umweltbezogene Einstellungen. Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse der entsprechenden linearen Regressionen. Dabei fungieren die fünfstufigen Verständniseinschätzungen für die jeweiligen Protestbewegungen als abhängige Variablen. Die Modelle erklären große Varianzanteile, sowohl in dem Verständnis für Fridays for Future (R2 = 0.48) als auch für die Letzte Generation (R2 = 0.29). Der Unterschied von ca. 18 Prozentpunkten im Gütemaß der Modelle weist jedoch darauf hin, dass die berücksichtigten Einflussfaktoren für das Verständnis gegenüber den Bewegungen von unterschiedlicher Relevanz sind.

Tab. 1:

Koeffizienten linearer Regressionen mit dem Verständnis für Fridays for Future bzw. die Letzte Generation (auf fünfstufiger Skala) als jeweiligem Regressanden. Standardfehler in Klammern. * p < 0.05, ** p < 0.01, und *** p < 0.001

Fridays for Future (1)

Letzte Generation (2)

Konstante

–0.722**

(0.227)

–1.497***

(0.287)

Geschlecht

 männlich

  Referenzkategorie

 weiblich/divers

–0.043

(0.062)

–0.045

(0.079)

Bildung

 Unter Abitur / Fachhochschulreife

  Referenzkategorie

 Abitur / Fachhochschulreife

0.07

(0.102)

0.173

(0.129)

 Hochschulabschluss

0.22**

(0.081)

0.270**

(0.103)

Alter

 18 – 30

  Referenzkategorie

 31 – 59

–0.339**

(0.105)

–0.448**

(0.132)

 60 und älter

–0.406***

(0.109)

–0.624***

(0.137)

Dringlichkeit Umweltschutz

0.07*

(0.032)

0.156***

(0.041)

Index wahrgenommene Klimabedrohung

0.878***

(0.037)

0.597***

(0.047)

Selbsteinschätzung Umweltbewusstsein

0.163***

(0.038)

0.262***

(0.048)

n (Beobachtungen)

997

997

korrigiertes R2

0.480

0.292

In Bezug auf Hypothese 1 bestätigen die Regressionskonstanten zunächst das bereits deskriptiv beschriebene höhere Verständnisniveau für Fridays for Future im Vergleich zur Letzten Generation (Unterschied signifikant mit p = 0.002). Was die erklärenden Variablen betrifft, fallen überraschend ähnliche Muster für beide Protestbewegungen auf.

Von den soziodemographischen Variablen zeigt das Alter die größten Effekte. Hypothese 2 entsprechend finden wir in beiden Modellen signifikant negative Effekte auf das Verständnis für den Protest (für 31–59 p1, 2 = 0.001; für 60 und älter p1, 2 < 0.001), während eine höhere Bildung das Verständnis wie angenommen positiv beeinflusst (entsprechend Hypothese 3). Dieser Effekt erreicht allerdings erst ab einem Fachhochschul- bzw. Universitätsabschluss Signifikanz (p1 = 0.007; p2 = 0.009) und ist zudem für die Letzte Generation nicht kleiner als für Fridays for Future (entgegen Hypothese 3). Gleichzeitig finden wir im Einklang mit vorheriger Forschung keine Geschlechterunterschiede.

Besonders groß ist der Effekt des Index zur wahrgenommenen Klimabedrohung (entsprechend Hypothese 4). Eine stärkere Anerkennung des Klimawandels als menschengemacht, höhere Bewertung der Umweltgefährdung und Sorge um Klimafolgen gehen folglich mit einem signifikant erhöhten Verständnis für Proteste beider Bewegungen einher (p1 < 0.001; p2 < 0.001). Besonders stark ist der Effekt für Fridays for Future: Ein um eine Einheit höherer Wert auf dem fünfstufigen Klimabedrohungsindex geht mit einem um knapp 0.9 Einheiten höheren Wert auf der ebenfalls fünfstufigen Verständnisskala einher. Für die Letzte Generation ist dieser Zusammenhang mit einem Koeffizienten von knapp 0.6 weniger ausgeprägt (Unterschied signifikant mit p < 0.001), insgesamt aber immer noch einer der stärksten Effekte, die wir in unseren Modellen finden.

Ein gewisser Unterschied zwischen den Bewegungen zeigt sich auch im Effekt der wahrgenommenen Dringlichkeit von Umweltschutz. Bei generell moderater Effektstärke wird dieser im ersten Modell knapp (p1 = 0.031), im zweiten hingegen höchst signifikant (p2 < 0.001). Für beide Bewegungen sprechen Befragte also mehr Verständnis aus, wenn sie Umweltschutz für wichtig halten (entsprechend Hypothese 5). Bei Fridays for Future ist der Effekt etwas weniger stark, allerdings verfehlt der Unterschied eher knapp statistische Signifikanz (mit p = 0.06).

Wiederum für beide Modelle liegt ein signifikant positiver Effekt des angegebenen Umweltbewusstseins (p1 < 0.001; p2 < 0.001) vor (entsprechend Hypothese 6). Ein höher eingeschätztes Umweltbewusstsein geht demnach mit einer durchschnittlichen Zunahme des Verständnisses für die Proteste um etwa 0.16 bis 0.26 Einheiten einher (Unterschied nicht signifikant mit p = 0.07).

Insgesamt kristallisiert sich in der quantitativen Analyse heraus, dass Alter und wahrgenommene Klimabedrohung am stärksten mit dem Verständnis für Klimaprotest korrelieren. Auffällig sind die richtungsmäßig sehr ähnlichen Effekte für beide Protestformen. Während im Vergleich zwischen den Bewegungen die Selbsteinschätzung als umweltbewusst und eine stärkere Befürwortung von Umweltmaßnahmen zumindest tendenziell deutlicher mit größerem Verständnis für die Letzte Generation assoziiert sind, scheint überraschenderweise die wahrgenommene Klimabedrohung für das Verständnis für die Letzte Generation eine weniger bedeutsame Rolle zu spielen als für Fridays for Future. Eine hier nicht testbare Vermutung wäre, dass bei der Letzten Generation in höherem Maße generell-politische statt umweltspezifische Einstellungen ausschlaggebend sind. Dafür spräche zumindest die niedrigere Erklärkraft des Modells.

4.2 Qualitative Daten

Der Fokus der qualitativen Analyse liegt auf einem vertiefenden Erkenntnisgewinn durch Einblicke in individuelle Argumentationsstrategien für das Verständnis oder auch Unverständnis für die Proteste von Fridays for Future und der Letzten Generation. Die Interviewten haben sich in der qualitativen Phase des Projektes dazu geäußert, wie sie grundsätzlich zu den Bewegungen stehen, ob sie die Proteste als zielführend empfinden, was sie von den Aktivist:innen der Bewegungen halten, und in welchem Maße sie die Proteste als gerechtfertigt sehen. Die geführten Interviews haben sich in großer inhaltlicher Vielfalt damit befasst, wie sich Befragte künftige Proteste idealerweise vorstellen oder was sie sich von diesen wünschen. In manchen Gesprächen wurden auch Vermutungen über künftige Entwicklungen angestellt und teilweise auch auf andere spezifische Bewegungen Bezug genommen; beispielsweise die Gruppe Extinction Rebellion. Sowohl für Fridays for Future als auch für die Letzte Generation lassen sich aus den Antworten der Interviewten Aussagen zu Verständnis, Effektivität, Legitimität, und in gewissem Maße auch zu Backfiring und Radical Flanks machen. Unter Einbezug der vorgestellten Literatur dienen diese Themenfelder im Folgenden der Strukturierung der qualitativen Ergebnisse.

4.2.1 Wahrgenommene Bedrohung, Umweltschutzrelevanz und Bewertung von Protest

Entlang von Aussagen zur Relevanz des Klimawandels und der Notwendigkeit von Umweltschutzmaßnahmen zeigen sich unterschiedliche Argumentationsmuster im Verständnis für Fridays for Future und die Letzte Generation. Auffällig ist zunächst eine Gruppe von moderat-rational argumentierenden Interviewten, die Umweltprotest bejaht und tendenziell mehr Verständnis für die moderaten Proteste von Fridays for Future beschreibt. Diese Gruppe verweist typischerweise in gemäßigtem Ton auf die Wissenschaft und bezeichnet den Klimawandel als „eigentlich unumstritten“ und „menschengemacht“ (13–272), auch wenn es „super schwierig“ sei, „so ein großes Thema voll zu Ende zu beweisen“ (27–15). Andere verweisen auf einen existierenden „Verantwortungsgedanken (obwohl) wir in Deutschland jetzt [nicht] wahnsinnig betroffen sind“ (24–150). Demgegenüber steht eine eher energisch-emotional argumentierende Gruppe, die „weiß, dass es fünf vor Zwölf ist und [der deshalb] nicht in den Kopf rein [geht] warum die Welt jetzt nicht stillsteht“ (17–40). Hier wird wiederholt das Empfinden ausgedrückt, es müsse mehr getan werden; der Klimaprotest werde von der Politik „abgetan und nicht wirklich ernst genommen“ (27–9). Typischerweise wird diese Sichtweise von den Befragten explizit mit ihrem Verständnis für die extremeren Methoden der Letzten Generation verknüpft.

Ohne sich immer explizit für Fridays for Future auszusprechen, bringen auch mehrere Befragte die besondere Relevanz für junge Menschen, die nächste Generation oder ihre Kinder an. Besonders deutlich wird hierbei eine Person mit den Worten „so’n verängstigten achtzehn-, zwanzig-Jährigen, die haben wirklich Angst. Das sind nicht Arschlöcher; die haben Angst vor der Zukunft und die haben sie zurecht“ (17–40). Ein kleinerer Teil der Befragten spricht ihr Verständnis zudem explizit für beide Bewegungen aus, scheint dabei in ihrer Argumentation aber eher der zweiten Gruppe anzugehören. Insgesamt wird die Dringlichkeit von Klima-/Umweltschutz stärker von Interviewenden betont und ausgeführt, die zugleich ihr Verständnis für die Letzte Generation bekunden.

4.2.2 Normativ vs. Disruptiv – Effektivität, Legitimität und die Frage der Gewalt

Wie auch in der Literatur tauchen Aussagen zu Effektivität und Legitimität beider Bewegungen in den meisten Interviews gemeinsam auf und es kommt zu einer Art Abwägung. In Bezug auf Fridays for Future heben Interviewte vielfach hervor, dass es in seiner Gesamtheit „ein friedlicher Protest war (…) und gleichzeitig auch Menschen aufgeklärt [hat], warum machen wir das eigentlich“ (15–285). Die Betonung der friedlichen Natur des Protests wird von Aussagen dazu ergänzt, dass es „eben nichts Illegales“ (24–137) oder Radikales (15–190) ist, was Fridays for Future tut und dass die Bewegung einen durchaus ernstzunehmenden „Einfluss auf die öffentliche Meinung“ (28–300) und Präsenz des Themas Klimawandel hat(te) (27–181; 28–221). Insgesamt scheint der Eindruck verbreitet, die Bewegung habe einige Erfolge zu verzeichnen, sei aber mit der Zeit zunehmend abgeflacht: „das geht ne Zeit lang gut und dann interessiert es eigentlich fascht niemande mehr“ (13–272). Aussagen zur Effektivität der Proteste beziehen sich vorwiegend auf die Vergangenheit und typischerweise nicht auf zukünftiges Potenzial. Obwohl die Bewegung also beispielsweise als „gesellschaftlich wahnsinnig wertvoll und toll“ (12–12) beschrieben wird, heißt es in demselben Interview auch, man könne nicht abschätzen, wie groß ihre Wirkung tatsächlich sei. Gleichzeitig wird vermehrt von der Notwendigkeit neuer und ggf. drastischerer Impulse gesprochen, um die öffentliche Aufmerksamkeit für das Klima-Thema auch künftig zu erhalten: „ich denke man muss wirklich äh äh radikaler werden [für] n Umdenken“ (16–55).

Genau dieser Bedarf an drastischeren Mitteln, um Aufmerksamkeit zu generieren und insbesondere darauf aufbauend Veränderung anzuregen, zeichnet sich als dominantes Muster in der Verständnisbegründung für die Letzte Generation ab. Eine typische Argumentationslinie bezieht sich hier auf die Ineffizienz bisheriger Proteste: „Gefühlt läuft jeder Protest aktuell ins Leere (…) Demonstrationen scheinen ja irgendwie nicht zu reichen“ (11–85). Es wird ein direkter Vergleich mit der Effektivität von beispielsweise Fridays for Future aufgemacht, der als Legitimierung disruptiverer Ansätze dient. Die extremere Form von Protest wird in der Konsequenz als alternativlos betrachtet. Geichzeitig glauben die Interviewten, „dass die Letzte Generation da schon (ein) bisschen mehr bewirken kann“ (14–62), um die angestrebten Klimaziele zu erreichen. Sie scheinen das bessere Mittel, um der empfundenen Relevanz von Maßnahmen auch in der breiten Gesellschaft und Politik Gehör zu verschaffen. So habe die Letzte Generation es „geschafft, dass das Thema Klimaschutz immer noch überall diskutiert wird“ (27–15).

Unter Rückbezug auf die vermehrt emotional-energisch formulierte Dringlichkeit von Umweltschutz durch Personen mit Verständnis für die Letzte Generation, liegt die Vermutung nahe, dass die Kombination aus dem Wunsch nach mehr Schutzmaßnahmen und der Frustration über das Ausbleiben von spürbarer Veränderung Sympathie für disruptiveren Klimaprotest fördert. Das ist in besonderer Form bei Personen zu beobachten, die neben ihrem Verständnis gleichzeitig ihr Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass solche Protestformen notwendig scheinen: „Ich find’s schade und kann’s auch nicht so ganz nachvollziehen, warum [Fridays for Future] jetzt so wenig läuft, warum des so jetzt im Sand verlaufen ist, weitgehend. Ähm die Letzte Generation (…) ja wie gesagt, find’s schade, dass wir solche Proteste brauchen. Ich kann sie nachvollziehen. Ich persönlich würde ne andere Protestform wählen hmh aber (…) solange wir eben ähm nichts mehr groß Richtung Fridays haben glaub ich, ja, wird die Letzte Generation auch weiter machen, weitermachen müssen“ (13–231).

Die wahrgenommene Legitimität der Proteste der Letzten Generation scheint zudem auch davon abzuhängen, inwieweit die Interviewten deren disruptive Proteste als gewaltsam oder friedlich einschätzen. So empfinden manche Personen die von Aktivist:innen begangenen Sachbeschädigungen oder aber das Festkleben an Straßen im Gegensatz zu traditionellen Sitzblockaden als Grenzübertritt, also als deutlich stärkeres Eingreifen in die Rechte anderer Menschen. Charakteristische Aussagen sind hier beispielsweise: „Wo es für mich aufhört, ist äh wenn Sachbeschädigung[en] anfangen“ (11–170) oder „Man kann einen Protest nicht (…) zulasten von Rechten anderer praktizieren. (…) Dis isch für mich ne kriminelle Gruppe“ (24–150).

Im Kontrast dazu stehen Interviewte, die klar einen Unterschied zwischen einer „Sachbeschädigung“ und „Gewalt an Menschen oder gegen Menschen“ sehen (22–144). Es wird betont, dass „niemand aktiv verletzt“ wird (24–11). Es sei klug, „mit (…) passivem Widerstand (…) auf der Seite des Gesetzes zu bleiben“ (12–12), und in gewaltfreiem zivilem Ungehorsam, wie von der Letzten Generation praktiziert, sehe man „wirklich kein Problem“ (19–220). Manche Interviewte gehen in ihrer Einschätzung noch weiter: „Es ist kein Protest wenn’s nicht Leute einschränkt“ (12–226). Es sei eine „komische Forderung, dass man eigentlich möchte, dass die nur Sachen machen, die keinen stören“ (12–12). Mitunter beschreiben Befürwortende der Letzten Generation den öffentlichen Umgang mit den Aktivist:innen als unverhältnismäßig und sehen zum Teil eher dort ein Gewaltpotenzial. So schildert eine interviewte Person, sie „finde es auch schlimm, dass die so irgendwie gleichgestellt werden mit Kriminellen“ und „jemanden in die Haft zu schicken dafür [finde sie] schon schwierig“ (19–220). Eine andere Person ergänzt, wie mit der Letzten Generation umgegangen wird „fand ich schon sehr krass, weil da wurden ja auch teilweise Todeswünsche (…) rausgehaun“ (24–11).

Insgesamt finden sich in den qualitativen Daten deutliche Parallelen zur bisherigen Forschung, nach der disruptive im Vergleich zu normativen Protestformen tendenziell als effektiv, aber wenig legitim wahrgenommen werden (vgl. Bohler-Muller et al. 2017; Zlobina und Gonzalez Vazquez 2018). Für die Letzte Generation erfolgt die Legitimierung in den Interviews über ihre vermutete Effektivität, insbesondere in Relation zu anderen, normativeren Protestformen wie der Demonstration. Verständnis für disruptiven Protest ist dabei typischerweise mit der Wahrnehmung der Letzten Generation als gewaltfreie Bewegung verknüpft.

4.2.3 Backfiring-Effekte und Radical-Flank-Hypothese

Personen, die die Letzten Generation eher als disruptiv-gewaltsam einordnen, äußern in ihren Interviews hingegen vermehrt auch Zweifel an der Wirksamkeit ihrer Proteste. Dabei berufen sie sich häufig auf das Empfinden, dass die gewählte Protestform eher Ablehnung statt Unterstützung in der Bevölkerung hervorrufe – eine mit Backfiring-Effekten konforme Aussage. So wird beispielsweise gesagt: „Das bringt mich auch eher gegen sie auf, als dass es mich für den Umweltgedanken einnimmt. (…) Das ist kein gewaltfreier Widerstand mehr, find ich.“ (11–52). In diesem Interviewbeitrag wird also die empfundene Ablehnung direkt mit der als gewaltsam verstandenen Protestform verknüpft. Andere Personen sagen, man müsse die Menschen überzeugen, statt sie zu verärgern (12–127). In dieser Form sei der Protest letztlich eher „kontraproduktiv“ (15–341) und schüre Ablehnung. Den Kern des Backfiring-Mechanismus spiegelt auch die Aussage einer Person wider, die sagt: „Des bringt ja nichts (…) Bei der Mehrheit meiner Generation bringt des nur Gegner und Widerstand. Also die erreichen da genau das Gegenteil“ (15–190). Sie hat also zudem den Eindruck, mit ihren Ressentiments nicht allein zu sein, sondern ein gängiges Empfinden unter Gleichaltrigen auszudrücken.

Verschiedene Interviews enthalten somit Aussagen, die auf Backfiring-Effekte im Fall der Letzten Generation hindeuten. Zweifel an der Wirksamkeit der Proteste, werden vielfach damit begründet, dass die Bewegung schlicht zu viel Widerstand generiere, um die Allgemeinbevölkerung erfolgreich für sich zu mobilisieren. Neben diesen direkten Verknüpfungen von Ablehnung der Letzten Generation und ihrer gewählten Protestform, wird ein möglicher Schaden des eigentlichen Anliegens auch in einem scheinbaren ,Verlust des Themas‘ von Befragten thematisiert. So heißt es, den Aktivist:innen ginge es scheinbar nicht mehr um das Klima, sondern den Protest und die Unruhe als Selbstzweck (11–52).

Zwar wünschen sich viele Interviewte prinzipiell medienwirksamen Klimaprotest und nehmen in diesem Bereich mitunter auch Erfolge wahr, die die Letzte Generation erzielt hat. So habe normativer Protest „von anderen Aktionsgruppen (…) halt einfach nicht die Medien erreicht“ (24–137). In Einklang mit Antal et al. (2021), die darauf hinweisen, dass sich Medienwirksamkeit allein nicht automatisch als Zeichen von Effizienz deuten lässt, wird diese Medienwirksamkeit in den Interviews in der Regel nicht direkt mit Effizienz verbunden. Stattdessen legen Interviewaussagen nahe, die Methode könnte von den eigentlichen Inhalten der Letzten Generation ablenken. Teilweise tue man sich schwer, die intendierte Botschaft des Protests zu erkennen (13–108) oder man wisse „gar nicht, was von denen jetzt die (…) Prinzipien sind (…) und dann [komme] auch nichts an, worüber man sich nen Kopf macht“ (20–51). Anderen Interviewten scheinen die Anliegen der Protestgruppe hingegen klar zu sein, wie beispielsweise in folgendem Beitrag deutlich wird: „Bei der Letzten Generation – ich unterstütze die Ziele, ich unterstütze aber nicht die Methoden“ (28–293). Hier wird zwischen Inhalten und gewählter Proteststrategie differenziert und trotz Ablehnung von letzterer, das Anliegen positiv bewertet. Für den Backfiring-Mechanismus liefern die Interviews also klare Beispiele.

Bezüglich der Radical-Flank-Hypothese lassen sich in dem Interviewmaterial nur vereinzelt Hinweise finden. In manchen Gesprächsverläufen scheint Fridays for Future durch den Kontrast zur Letzten Generation besser bewertet zu werden. Eine Person äußert beispielsweise in Bezug auf disruptiven Protest zunächst, sie „find des Mittel nicht des Richtige“ (12–127) und folgert, dass Menschen ihre Ressentiments auch auf die Partei Bündnis 90/Die Grünen übertragen würden, indem sie etwa denken „die Grüne, die sind ja Terroristen“ (ibid.) – also zunächst ein Indiz für Backfiring. Im Anschluss erläutert die Person dann ihre größere Zustimmung zu Fridays for Future und nimmt dabei Bezug auf die im Gegensatz zur Letzten Generation größere gesellschaftliche Akzeptanz der Bewegung. Sie sei der Ansicht, „man kann nur was erreichen, wenn man Leute überzeugt.“ (ibid.). Eine andere Person äußert zunächst Bedenken hinsichtlich der Authentizität von Aktivist:innen beider Bewegungen (privates Verhalten sei nicht bei allen klimafreundlich), antwortet bei einer Folgefrage der interviewenden Person dann im direkten Vergleich jedoch „Fridays for Future hat seinen Platz irgendwo verdient, aber Letzte Generation isch für mich absolut indiskutabel, weil se einfach nur dagege schaffe“ (22–199). Dort schneidet die normativ-friedliche Bewegung also in relativer Betrachtung mit einer disruptiven Bewegung besser ab, obgleich sie zuvor auch teils kritisch gesehen wurde.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Interviewten in unserer Studie häufig mit Backfiring konforme Aussagen machen, während Bewertungstendenzen in Einklang mit der Radical-Flank-Hypothese zumindest selten explizit getätigt werden. Dies könnte verschiedene Gründe haben. Möglicherweise halten die Interviewten diese Information nicht für gesprächsrelevant. Vielleicht ist ihnen auch nicht bewusst, wie sie zu ihren jetzigen Einschätzungen gekommen sind, oder sie können sich nicht daran erinnern, ob sich ihre Einschätzung im Zeitverlauf mit der Präsenz der Letzten Generation geändert hat.

4.3 Mixed-Methods Integration

Nach der separaten Darstellung von quantitativen und qualitativen Befunden soll im Sinne des Mixed-Methods-Ansatzes unserer Studie eine gemeinsame Betrachtung der Ergebnisse erfolgen. Dabei orientieren wir uns mitunter an den von Kuckartz (2017) vorgestellten Strategien für die erfolgreiche Ergebnisintegration in Mixed-Methods-Arbeiten (vgl. Kuckartz 2017: 174 f.).

4.3.1 Trends in den bewegungsspezifischen Verständnisverteilungen

Tabelle 2 ermöglicht einen klaren Vergleich der diskutierten Argumentationsstrategien aus den Interviews – bei Personen mit geringem und hohem Verständnis für die jeweiligen Protestformen Fridays for Future und Letzte Generation. Dies geschieht auf Basis der Selbstauskunft zum Verständnis für die beiden Protestbewegungen aus der quantitativen Befragung. Die erste Spalte gibt das aus der induktiven Codierung resultierte Kategoriensystem wieder, wobei zu jeder Überkategorie (fett gedruckt) nur die am häufigsten vergebenen Codes aus der darunterliegenden Ebene (dünn gedruckt) abgebildet sind. In den hintersten beiden Spalten der Tabelle lässt sich das Vorkommen der entsprechenden Codes bei Personen mit hohem und niedrigem Verständnis (im Sinne maximal kontrastierender Fälle) vergleichen.

Die quantitativen Befunde untermauernd, zeigt sich auch in der Mixed-Methods-Analyse die generell positive Bewertung von Fridays for Future. Zwar äußern ähnlich viele Interviewte grundsätzliches Verständnis für die jeweiligen Bewegungen (siehe „Verständnis für Proteste“), kritische Stimmen sind bei Fridays for Future aber deutlich seltener als bei der Bewertung der Letzten Generation. Dies äußert sich zunächst in weniger Codes, die im Laufe des Analyseprozesses der Kategorie „Die Proteste bringen nichts“ zugeordnet wurden. Explizites Unverständnis für die Proteste von Fridays for Future kam in den Interviews gar nicht zur Sprache, nicht einmal bei Personen die quantitativ wenig Verständnis äußerten. Die entsprechende Kategorie „Unverständnis für Proteste“ existiert daher nur in Zusammenhang mit der Letzten Generation, wo entsprechende Codes in der Mehrheit der Interviews auftreten. Außerdem ist auffällig, dass Personen mit hohem quantitativ berichteten Verständnis für Fridays for Future dieses in den qualitativen Interviews zwar in 22 von 40 Fällen auch erwähnen, es aber nicht weiter begründen oder ausführen. Im Gegensatz dazu tauchen Begründungen hohen Verständnisses für die Letzte Generation bei 15 von 19 Personen mit hohem Verständnis für die Bewegung auf. Anscheinend empfinden die Interviewten einen höheren Legitimierungsdruck für disruptive Proteste, während sie (in Einklang mit Zlobina und Gonzalez Vazquez 2018), bei normativem Protest keinen Bedarf für differenziertere Begründungen ihres Verständnisses sehen.

Tab. 2:

Bewegungsspezifische Auflistung der übergeordneten Code-Kategorien mit den jeweils häufigsten Codes aus 51 qualitativen Interviews, differenziert nach im Onlinesurvey berichtetem Verständnis. Die fettgedruckten absoluten Zahlen der Code-Kategorien geben die Anzahl von Interviews an, in denen das entsprechende Thema mindestens einmal identifiziert wurde. Die absoluten Zahlen hinter den Codes geben an, in wie vielen Interviews der spezifische offene Code (mindestens einmal) vorkam.

Fridays for Future (FFF)

  Verständnis FFF

Gering, n = 6

Hoch, n = 40

Verständnis für Proteste / positive Bewertung

– 

22 (55.00%)

Einschätzung zu Aktivist:innen

2 (33.33 %)

21 (52.50 %)

 Kompetenz absprechend

1 

10

 Haben Angst vor dem Klimawandel

– 

6 

 Vertreten eine Doppelmoral

1 

3 

Die Proteste sind effektiv

1 (16.67 %)

17 (42.50 %)

 Klimawandel im Mittelpunkt

– 

10

 Sie stören nicht

1 

5 

Die Proteste bringen nichts

1 (16.67 %)

8 (20.00 %)

Letzte Generation (LG)

  Verständnis LG

Gering, n = 23

Hoch, n = 19

Verständnis für Proteste / positive Bewertung

5 (21.74 %)

15 (78.95 %)

 Bisherige Proteste folgenlos

 1 

 9 

 Risikobereitschaft Aktivist:innen

 2 

 3 

 Proteste bleiben gewaltfrei

 – 

 4 

Unverständnis für Proteste

20 (86.96 %)

7 (36.84 %)

 Sachbeschädigung / Straftat

10

 5 

 Sie treffen die Falschen

 7 

 3 

Einschätzung zu Aktivist:innen

13 (56.52 %)

6 (31.58 %)

 Wollen mehr Aufmerksamkeit für Klimawandel

 1 

 5 

 Sie sind radikal

 3 

 3 

 Protest als Selbstzweck / ohne Inhalt

 6 

 – 

 Sie vertreten eine Doppelmoral

 4 

 – 

Die Proteste sind effektiv

4 (17.39 %)

8 (42.11 %)

 Sie sind medienwirksam / erregen Aufmerksamkeit

 2 

 7 

Die Proteste bringen nichts

15 (65.22 %)

7 (36.84 %)

 Die Protestform ist die Falsche

11

 4 

 Generiert zu viel Widerstand

 8 

 3 

Kritik am Umgang mit LG

1 (4.35 %)

10 (52.63 %)

Auffällig ist auch das ungleiche Verhältnis von Codes der Kategorie „Die Proteste sind effektiv“ in Relation zu Codes aus der Kategorie „Die Proteste bringen nichts“. Für Fridays for Future fallen die Einschätzungen hier deutlich positiver aus als für die Letzte Generation. Dennoch scheinen die Interviewten, die die Letzte Generation für effektiv halten, dieser Einschätzung stärkeres inhaltliches Gewicht zu geben. Das kann zum einen darauf zurückgeführt werden, dass Bewertungen der Effektivität der Letzten Generation sprachlich mit mehr Nachdruck formuliert wurden. Zum anderen haben viele Interviewte (wie bereits diskutiert) die Wirksamkeit von Fridays for Future in Bezug auf die Vergangenheit, nicht aber gleich stark auch mit Blick auf die Zukunft vorgebracht. Legitimität und Verständnis für die Proteste der Letzten Generation werden im Einklang damit über die ihnen zugeschriebene Effektivität begründet: in der Subgruppe mit hohem Verständnis für die Letzte Generation bezeichnet die Hälfte der Interviewten bisherige normative Proteste als folgenlos.

Negative Einschätzungen von Fridays for Future beziehen sich vor allem auf die Protestierenden selbst: Sogar Personen mit hohem Verständnis für die Bewegung sprechen den Beteiligten Kompetenz ab. Dieser Kritikpunkt findet sich in 11 von 46 Interviews und ist damit häufiger als Aussagen zur wahrgenommenen Ineffizienz der Proteste oder zur Doppelmoral der Aktivist:innen. Insbesondere das vermeintlich junge Alter der Aktivist:innen rückt in manchen Interviews als Kritikpunkt in den Vordergrund. Diese Personen verweisen beispielsweise auf den Schüler:innen-Status der Protestierenden und unterstellen mitunter andere Absichten als den Klimaprotest: „Schüler ham sich dran beteiligt, [um] schwänzen zu können“ (24–150). Eine andere Person attestiert, alle Proteste seien „gleich schlimm. (…) Diese Art, dass man nicht mehr in die Schule geht und da demonstriert, (…) damit kann ich nichts anfangen“ (23–204). Auch auf die vermeintliche Naivität jüngerer Menschen wird mehrfach angespielt. So heißt es beispielsweise, ihr Engagement sei „grundsätzlich gut“, man müsse jedoch „auf den Erfahrungswert [älterer Generationen] gucken“ und könne die Welt nicht durch einzelne Proteste verändern (26–3). Damit finden sich in den Interviews Darstellungen der Aktivist:innen wieder, die Bergmann und Ossewaarde (2020) dem Bereich der Altersdiskriminierung zuordnen. Kritische Stimmen in den Interviews richten sich also sehr selektiv auf v. a. personenbezogene Aspekte von Fridays for Future, nicht aber gegen das Anliegen der Bewegung oder die gewählte Protestform.

Im Gegensatz dazu richtet sich Kritik an der Letzte Generation in erster Linie auf ebenjenen Punkt der gewählten Protestform. Dies wird bei denjenigen Interviewten ersichtlich, die Unverständnis für die Bewegung äußern (siehe „Unverständnis für Proteste“) und die Gründe für die Ineffektivität der Letzten Generation anführen (siehe „Die Proteste bringen nichts“). Interviewte mit geringem Verständnis für den disruptiven Protest der Letzten Generation (und in geringerem Maße auch solche mit prinzipiell hohem Verständnis) beziehen sich auf begangene Sachbeschädigungen und Straftaten, falsche Leidtragende, zu viel generierten Widerstand oder explizit das gewählte Vorgehen. Die Klimabewegung Letzte Generation polarisiert mit ihren Methoden also über alle Interviews hinweg deutlich stärker. Sogar innerhalb der Gruppe, die hohes Verständnis für die Protestbewegung äußert, sind die Methoden keinesfalls unumstritten.

Bei der Einschätzung der Aktivist:innen der Letzten Generation wird von Personen mit geringem und hohem Verständnis in jeweils drei Interviews auf eine empfundene Radikalität Bezug genommen. Für Personen mit hohem Verständnis für die Letzte Generation wird Radikalität dabei durchaus als etwas Positives und Notwendiges gewertet, das auch nicht notwendigerweise mit Gewaltanwendung gleichzusetzen ist. Für Menschen mit niedrigem Verständnis für disruptiven Protest ist Radikalität eher negativ konnotiert. Weiterhin wird der Bewegung von dieser Personengruppe vorgeworfen, eine Doppelmoral zu vertreten und Protest zum Selbstzweck zu veranstalten. In etwa der Hälfte der Interviews in der Gruppe mit hohem Verständnis wird dagegen der öffentliche Umgang mit den Aktivist:innen der Letzten Generation kritisiert. Für diese Personen geht das Gewaltpotenzial weniger von den Protestierenden aus, sondern wird vielmehr andersherum den Protestierenden von der Öffentlichkeit entgegengebracht. Insgesamt harmoniert diese Sichtweise mit der zuvor beschriebenen Tendenz energisch-emotionaler Argumentation. Der moderat-rationale Argumentationstyp spiegelt sich hingegen stärker in den Aussagen über die Effektivität der Proteste von Fridays for Future durch Personen mit hohem Verständnis wider (siehe „Die Proteste sind effektiv“). Die häufigsten Codes in dieser Kategorie heben an erster Stelle den thematisch-sachlichen Fokus der Bewegung (10) hervor, und erwähnen an zweiter Stelle positiv, dass die Proteste niemanden stören (5): „die machen keine radikalen Themen, [sondern] Bürgerprotest“ (15–190); „[die Zielsetzung war] sehr stark einfach nur (…) laut zu sein für das Thema“ (21–223).

Abschließend ist zu sagen, dass die Interviews die quantitativ beobachtete Tendenz zur bewegungsspezifischen Bedeutung der empfundenen Dringlichkeit von Umweltschutz erhärten. In energisch-emotionaler Manier wird sie insbesondere von Personen diskutiert, die sich in ihren Interviews auch explizit verständnisvoll gegenüber der Letzten Generation positionieren. Unklar bleibt jedoch, wieso die wahrgenommene Klimabedrohung an sich nicht in gleichem Maße zu Verständnis für disruptive wie für friedliche Proteste führt. Insgesamt verfestigt sich der Eindruck, dass die Letzte Generation sowohl Personen mit geringem als auch hohem Verständnis zu einer stärker begründeten Positionierung drängt, während die Bewertungen von Fridays for Future nicht unbedingt an klare Argumente gekoppelt scheinen.

5 Diskussion

In diesem Aufsatz wurde die Frage untersucht, in welchem Verhältnis das Verständnis für die Klimaproteste von Fridays for Future und der Letzten Generation zueinanderstehen, und welche Erklärungen sich für potenzielle bewegungsspezifische Unterschiede anbieten. Am Beispiel der Konstanzer Bevölkerung wurde eine Mixed-Methods-Studie entwickelt und durchgeführt, um quantitative Zusammenhänge mit qualitativen Ergebnissen zu relevanten Argumentationsmustern zu kombinieren.

Eine theoretische Rahmung erhielt das Projekt durch den Vergleich der Protestbewegungen Fridays for Future und die Letzte Generation. Mithilfe der Typologisierung von Protest anhand der Dimensionen Normativität (normativ – disruptiv) und Gewaltanwendung (friedlich/gewaltfrei – gewaltsam), konnte Fridays for Future anhand der wissenschaftlichen Literatur eindeutig dem normativ-friedlichen Protest zugeordnet werden, während die Letzte Generation zwar klar für disruptiven Protest steht, auf der Gewaltdimension aber weniger klar zu verorten ist.

Die quantitativen Analysen der Studie widmeten sich zunächst der Frage, wie groß das Verständnis für Fridays for Future und die Letzte Generation in der Bevölkerung ist, bzw. welche Befragten-Merkmale mit diesem Verständnis korrelieren. Die qualitativen Leitfadeninterviews beleuchteten die identifizierten protestspezifischen Unterschiede im Anschluss in Bezug auf Legitimität, Effektivität, Backfiring- und Radical-Flank-Hypothese. Abschließend wurden beide Forschungsstränge in einem Mixed-Methods-Teil zusammengeführt, um besonders aufschlussreiche Gruppen in ihren Narrativen zu vergleichen. Dabei wurde die Wichtigkeit der induktiv-codierten Narrative für Personen, die besonders viel und besonders wenig Verständnis für Fridays for Future und die Letzte Generation aufbringen, gegenübergestellt.

Wie die quantitativen Analysen zeigten, lag ein insgesamt höheres Verständnisniveau für Fridays for Future als für die Letzte Generation vor, wobei Personen mit hohem Verständnis für eine Protestbewegung tendenziell auch hohes Verständnis für die andere Protestbewegung aufwiesen. Die durchschnittlich höchsten Verständniswerte für beide Bewegungen erreichten insbesondere jüngere Menschen, die den Klimawandel als Bedrohung wahrnehmen. Auch ein hohes Umweltbewusstsein und eine hohe wahrgenommene Wichtigkeit von Umweltschutz korrelierten positiv mit dem Verständnis für beide untersuchten Formen des Klimaprotests. Insgesamt fielen insbesondere starke Gemeinsamkeiten in der generellen Richtung der Koeffizienten in den beiden Modellen zu Fridays for Future und zur Letzten Generation auf. Unterschiede in Bezug auf die Stärke der Einstellungseffekte zwischen den Modellen schienen von untergeordneter Relevanz und waren (mit Ausnahme des Index zur wahrgenommenen Klimabedrohung) statistisch nicht signifikant.

Die qualitativen Interviews gaben tiefergehenden Aufschluss über protestspezifische Wahrnehmungen und konnten insbesondere auch die positivere Wahrnehmung erklären, die Fridays for Future im Vergleich zur Letzten Generation erfährt. Dabei strukturierten sich die Gespräche stark um die Aspekte Legitimität und Effektivität – ein Hinweis auf die Relevanz dieser theoretischen Konzepte in der Lebenswelt der Interviewten. So zeigte sich, dass insbesondere diejenigen sich der Letzten Generation zuwenden, denen bislang politisch nicht genug passiert ist und die die subjektiv empfundene Relevanz weiterer Umweltschutzmaßnahmen nicht ausreichend von den Entscheidungsträger:innen anerkannt und umgesetzt sehen. Zuspruch zum normativ-friedlichen Protesthandeln von Fridays for Future scheint durch eine hohe soziale Verträglichkeit der Methode und vergangene Erfolge generiert zu werden. Es bestehen allerdings Zweifel an der fortlaufenden Wirkkraft der mitunter als sehr jung und potenziell weniger kompetent wahrgenommenen Aktivist:innen.

Die Bewertung des disruptiven Protests der Letzten Generation hängt häufig direkt mit der individuellen Definition der Protestform (im Sinne der oben diskutierten Protest-Typologie) ab: Vielfach wird disruptiver Protest als notwendigerweise verschärfte Protestform legitimiert, allerdings vor allem dann, wenn er als gewaltfrei verstanden wird. Ablehnung erfährt das Vorgehen typischerweise sofern es als gewaltsam oder thematisch vom Klimawandel losgelöst empfunden wird. Sogar Menschen mit prinzipiell hohem Verständnis für die Bewegung scheinen teils mit diesen Aspekten zu hadern. Einige Interviewte nehmen die Protestform im Sinne von Backfiring als schädlich für die Ziele der Klimabewegung wahr.

Die Mixed-Methods-Integration stellte klar die unterschiedlichen Narrative heraus, die mit Fridays for Future und der Letzten Generation assoziiert sind. Zunächst polarisierte die Letzte Generation deutlich stärker als Fridays for Future. Unverständnis für die Letzte Generation wurde sehr häufig geäußert, während diese Haltung in Bezug auf Fridays for Future gar nicht zur Sprache kam. Hier richtete sich Kritik stärker gegen die Aktivist:innen. Auffällig war außerdem, dass Personen mit hohem quantitativ berichteten Verständnis für Fridays for Future dieses in den qualitativen Interviews nicht weiter begründeten oder ausführten. Im Gegensatz dazu motivierte hohes Verständnis für die Letzte Generation die Interviewten fast immer zu Erklärungen, was in Einklang mit dem theoretischen Argument steht, dass die Befürwortung disruptiver Proteste zu einem höheren sozialen Legitimierungsdruck führt.

Insgesamt konnte unsere Studie durch die Kombination von quantitativer Befragung und qualitativem Leitfadeninterview in einem Mixed-Methods-Design ein realitätsnahes Bild der öffentlichen Meinung zu normativ-friedlichen und disruptiven Formen des Klimaprotests liefern und hat dabei eine große Vielfalt von Sichtweisen zu Tage gebracht: Wie im dargelegten wissenschaftlichen Diskurs scheint auch in der Bevölkerung keine Einigkeit darüber zu herrschen, ob disruptive Proteste angemessen oder gar notwendig sind, ob sie dem Anliegen der Klimabewegung nützen, oder ob sie als gewaltfreie Methode gelten können.

Zukünftige Forschung könnte mithilfe eines Experimentaldesigns ergänzend untersuchen, in welchem Umfang einzelne Teilaspekte der hier beleuchteten Proteste (konkret: Ziele der Bewegung, Protestform, Aktivist: innen) zum Verständnis der Bevölkerung für den Protest beitragen. Auch Backfiring und die Radical-Flank-Hypothese könnten mit ähnlicher Methodik einem expliziteren Test für den deutschen Kontext unterzogen werden, um ihre relative Bedeutsamkeit zu schätzen.

Klar gezeigt hat unsere Studie, dass Protestbewegungen stark anhand der theoretisch herausgearbeiteten Dimensionen Legitimität und Effektivität bewertet werden. Folglich sehen sich Protestbewegungen mit der komplexen Aufgabe konfrontiert, durch als legitim wahrgenommenen Protest die breite Masse anzusprechen und die Unterstützung der Bevölkerung (auch über die traditionell zugeneigte Gruppe der jungen Hochgebildeten hinaus) zu gewinnen, und gleichzeitig greifbare politische Erfolge zu erzielen, um diese Unterstützung nicht über die Zeit zu verlieren.

In Anbetracht der nunmehr abgewandelten Protestform der Letzten Generation, die sich von Straßenblockaden wegentwickelt hat, kann nur zukünftige Forschung zeigen, ob sich die Einordnung der Proteste als disruptiv-gewaltsam oder -gewaltfrei für manche Bürger:innen verschieben und zu einer anderen Einstellung führen wird. Gegenwärtig scheint die positiv bewertete Medienwirksamkeit jedenfalls nicht die umstrittene Legitimität und Effektivität von disruptivem Protest aufzuwiegen. Stattdessen zeigt unsere Studie polarisierte Meinungen zu disruptivem Protest und Äußerungen, die stärker mit Backfiring als mit der Radical-Flank-Hypothese konform sind. Auch scheint es vor dem Hintergrund des mitunter sehr emotionalen Tonfalls in den Interviews nicht realistisch, dass sich am stark polarisierenden Charakter von disruptivem Protest zeitnah etwas ändern wird.

Über die Autoren

Sandra Walzenbach

Sandra Walzenbach, Studium der Soziologie an den Universitäten Mannheim und Konstanz. Projektkoordinatorin der Konstanzer Bürgerbefragung (2012–2016), Promotion und Lehrstelle in Konstanz (2013–2017) und an der LMU München (2027–2018). Senior Research Officer am Institute for Social and Economic Research, Essex University (2018–2020). Derzeit Akademische Rätin an der Universität Konstanz.

Forschungsschwerpunkte: Umweltsoziologie; öffentliche Meinungsbildung; Mixed Methods, Befragungsforschung: heikle Fragen, Interviewereffekte, Surveyexperimente / Factorial Suvreys, Verknüpfung von Befragungsdaten mit anderen Datenquellen (Registerdaten, Mobilitätsdaten, Eye-Tracking, Medieninhalte).

Johanna Meyer

Johanna Meyer, Bachelorabschlüsse in Psychologie (Universität Hamburg) und in Soziologie mit Nebenfach Gender Studies (Universität Konstanz). Aktuell Masterstudentin im Programm Social Studies of Gender an der Universität Lund, Schweden.

Danksagung

Die vorliegenden Daten wurden im Rahmen des Mixed-Methods-Lehrforschungsprojektes „Ökologisches Bewusstsein und Umwelthandeln“ unter der Leitung von Dr. Sandra Walzenbach im Sommersemester 2023 an der Universität Konstanz erhoben. Besonderer Dank gilt daher allen Teilnehmenden des Seminars, die diese Publikation mit der Durchführung der qualitativen Interviews unterstützt haben. Außerdem danken wir Carolin Lang, die als Projektkoordinatorin der Konstanzer Bürgerbefragung die Erhebung des quantitativen Studienteils betreut hat.

  1. Finanzierung: Die Konstanzer Bürgerbefragung wird mit finanzieller Unterstützung der Stadt Konstanz als jährliche Online-Panel-Befragung in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Thomas Hinz, Universität Konstanz, durchgeführt.

  2. Replikationshinweis: Dieser Artikel beruht auf der Sonderwelle 2023 der Konstanzer Bürgerbefragung (https://www.buergerbefragung-konstanz.de/), die im Rahmen des Lehrforschungsprojekt „Ökologisches Bewusstsein und Umwelthandeln“ erhoben wurde. Der komplette Fragebogen, Analyse-Syntax und Replikationsdatensatz stehen auf dem GESIS Repository unter https://doi.org/10.7802/2866 zur Verfügung.

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Autorinnen

Anhang

Tab. A1:

Stichprobe

Analysesample

Survey (n = 997)

Analysesample

Interviews (n = 51)

Einwohnerstatistik

Konstanz 2022[4]

Geschlecht

 männlich

503

50.45 %

24

47.06 %

47.2 %

 weiblich

488

48.95 %

27

52.94 %

52.8 %

 divers

  6

 0.60 %

 –

 –

keine Angabe

Alter in Jahren

 18 bis 30

105

10.53 %

19

37.25 %

28.4 %

 31 bis 59

485

48.65 %

17

33.33 %

41.9 %

 60 und älter

407

40.82 %

15

29.41 %

29.8 %

Mittelwert (SD)

 54.32 (15.76)

45.57 (18.28)

Bildungsabschluss

 Noch in der Schule

 Volks-, Hauptschule

 Mittlere Reife, Realschule

 anderer Abschluss

210

21.06 %

 8 

15.69 %

 Fachhochschulreife

 Abitur

166

16.65 %

 8 

15.69 %

 Fachhochschulabschluss

 Universitätsabschluss,

 grundständig

 Universitätsabschluss, konsekutiv

 Promotion, Habilitation

621

62.29 %

35

68.63 %

Parteitendenz

 AfD

 21

 2.13 %

 –

 –

 Bündnis 90 die Grünen

385

39.05 %

26

50.98 %

 CDU

137

13.89

 4 

 7.84 %

 Die Linke

 33

 3.35 %

 6 

11.76 %

 FDP

 51

 5.17 %

 1 

 1.96 %

 SPD

129

12.08 %

 5 

 9.80 %

 Andere

 14

 1.42 %

 1 

 1.96 %

 Keine bestimmte Tendenz

216

21.91 %

 8 

15.69 %

Stadtregionen[5]

 City

218

21.87 %

10

19.61 %

21.3 %

 Cityrand

156

15.65 %

 8 

15.69 %

18.9 %

 Stadtrand

474

47.54 %

30

58.82 %

47.9 %

 Vorort

141

14.14 %

 2 

 3.92 %

11.9 %

 vorübergehend nicht in Konstanz

  6 

 0.60 %

 1 

 1.96 %

keine Angabe

Anmerkung. Übersicht zu relevanten Merkmalen in der realisierten Survey- und Interviewstichprobe sowie der Konstanzer Bevölkerung laut Einwohnerstatistik 2022.

Tab. A2:

Rangkorrelationen nach Spearman für Items zu Umwelteinstellungen

Variable

1 

2 

3 

4 

1.Der menschengemachte Klimawandel ist belegt

2.Viele Aussagen über die Gefährdung der Umwelt sind übertrieben

–0.59

3.Ich mache mir Sorgen um die Konsequenzen des Klimawandels

0.58

–0.55

4.Es gibt wichtigeres im Leben, als die Umwelt zu schützen

–0.25

0.37

–0.31

5.Wie umweltbewusst sind Sie?

0.21

–0.25

0.29

–0.25

Anmerkung. Übersicht der Rangkorrelationskoeffizienten der vier als einflussnehmende Variablen berücksichtigten umweltbezogenen Einstellungen und des selbsteingeschätzten Umweltbewusstseins der Teilnehmenden.

Tab. A3:

Itemformulierungen

Item

Wertebereich

Mittelwert

SD

Fragenformulierung

Umformung und Skalenniveau

Verständnis

Fridays for Future

1 = kein Verständnis;

5 = volles Verständnis

3,68

1,33

Inwieweit haben Sie Verständnis für die Klimademonstrationen von Fridays for Future?

keine Umformung

quasi-metrisch skaliert

Verständnis

Letzte Generation

2 = kein Verständnis;

5 = volles Verständnis

2,43

1,44

Inwieweit haben Sie Verständnis für die Klima-Aktionen der Letzten Generation?

keine Umformung

quasi-metrisch skaliert

Geschlecht

0 = männlich;

1 = weiblich / divers

Sie sind…

Dichotomisierung

nominalskaliert

Bildungsabschluss

(kategorial)

1 = unter Abitur / Fachhochschulreife

2 = Abitur / Fachhochschulreife

3 =Hochschulabschluss

Welchen höchsten Bildungsabschluss haben Sie?

Zusammenfassung von ursprünglich 11 Kategorien zu 3 Kategorien

ordinal skaliert

Alter

21 Jahre;

93 Jahre

54,32

15,76

In welchem Jahr sind Sie geboren?

(Bitte geben Sie das Jahr vierstellig an)

Geburtsjahr in Alter umgewandelt

metrisch skaliert

 kategoriale

 Anwendung

1 = bis 30;

2 = 31–59;

3 = ab 60

Kategorisierung der ursprünglich metrischen Variablen

ordinal skaliert

Dringlichkeit Umweltschutz

1 = stimme gar nicht zu;

5 = stimme voll und ganz zu

2,16

1,03

Es gibt wichtigeres im Leben, als die Umwelt zu schützen. (–)

Umpolung

quasi-metrisch skaliert

Index wahrgenommene Klimabedrohung

[1; 5]

4,1

0,92

Mittelwertbildung aus Item 1–3 (Umpolung von Item 2)

quasi-metrisch skaliert

Items

des Index

1 = stimme gar nicht zu;

5 = stimme voll und ganz zu

4,34

1,04

1: Der menschengemachte Klimawandel ist belegt.

2,10

1,13

2: Viele Aussagen über die Gefährdung der Umwelt sind übertrieben. (–)

quasi-metrisch skaliert

4,05

1,08

3: Ich mache mir Sorgen um die

Konsequenzen des Klimawandels.

Selbsteinschätzung Umweltbewusstsein

1 = gar nicht umweltbewusst;

6 = sehr umweltbewusst

4,54

0,86

Was würden Sie über sich sagen:

Wie umweltbewusst sind Sie?

keine Umformung

quasi-metrisch skaliert

Anmerkung. Übersicht über alle verwendeten Items aus dem Fragebogen der Sonderbefragung der Konstanzer Bürgerbefragung 2023: Variable, Wortlaut des Fragebogenitems, in Analyse angewandtes Format und Skalenniveau, Wertebereich sowie Mittelwert und Standardabweichung.

Tab. A4:

In MAXQDA aus induktiver Codierung hervorgegangenes Kategoriensystem

1. Klimaprotest allgemein

   1.1 … ist notwendig / wichtig

   1.2 … ist übertrieben / kein Verständnis dafür

   1.3 Einschätzung Aktivist:innen allgemein

   1.4 Toll, dass junge Menschen handeln

2. Extinction Rebellion (XR)

   2.1 Verständnis für Proteste (XR)

   2.2 Die Proteste bringen nichts (XR)

      2.2.1 Sie überzeugen nicht

3. Fridays for Future (FFF)

   3.1 Verständnis für Proteste (FFF)

   3.2 Einschätzung zu Aktivist:innen (FFF)

      3.2.1 Sie sind vorwiegend jung

      3.2.2 Sie haben Angst vor dem Klimawandel

      3.2.3 Sie wollen, dass die Politik Klima-Maßnahmen ergreift

      3.2.4 Sie denken, sie könnten etwas bewirken

      3.2.5 Sie wollen andere Menschen überzeugen

      3.2.6 Sie wollen die Schule schwänzen

      3.2.7 Sie vertreten eine Doppelmoral (FFF)

      3.2.8 Sie sind perspektivlos

      3.2.9 Sie sind Mitläufer

   3.3 Die Proteste sind effektiv (FFF)

      3.3.1 Klimawandel im Mittelpunkt

      3.3.2 Viele Menschen mobilisiert

      3.3.3 Sie stören nicht

   3.4 Die Proteste bringen nichts (FFF)

      3.4.1 Kein / sehr geringer politischer Einfluss

      3.4.2 Teilnahme und Aufmerksamkeit nehmen ab

      3.4.3 Sie stören nicht / sind nicht radikal genug

4. Letzte Generation (LG)

   4.1 Verständnis für Proteste (LG)

      4.1.1 Hohe Risikobereitschaft der Aktivist:innen

      4.1.2 Proteste bleiben gewaltfrei

      4.1.3 Bisherige Proteste folgenlos

      4.1.4 Sie halten der Gesellschaft einen Spiegel vor

   4.2 Kritik am Umgang mit der Letzten Generation

   4.3 Unverständnis für Proteste (LG)

      4.3.1 Sie treffen die Falschen

      4.3.2 Sachbeschädigung / Straftat

           4.3.2.1 Kulturgüter beschädigen ist ein No-Go

   4.4 Einschätzung zu Aktivist:innen (LG)

      4.4.1 Wollen mehr Aufmerksamkeit für Klimawandel

      4.4.2 Sie sind radikal

      4.4.3 Sie vertreten eine Doppelmoral (LG)

      4.4.4 Sie protestieren um des Protestes Willen

      4.4.5 Sie haben nichts Besseres zu tun

   4.5 Die Proteste sind effektiv

      4.5.1 Sie sind gut durchdacht / kreativ

      4.5.2 Sie sind medienwirksam / erregen Aufmerksamkeit

      4.5.3 Sie überzeugen Menschen

   4.6 Die Proteste bringen nichts (LG)

      4.6.1 Die Protestform ist die Falsche

      4.6.2 Störung generiert zu viel Widerstand

      4.6.3 Das Thema Klimawandel rückt in den Hintergrund

      4.6.4 Sie treffen nicht die Verantwortlichen

5. Andere Klimabewegungen / Proteste

6. Vermutete Entwicklung von Protest

   6.1 Weiterhin notwendig

   6.2 Mehr Storytelling

   6.3 Höhere Beteiligung

   6.4 Radikalisierung / Polarisierung

7. Wünsche an Protest

   7.1 Bestreikung**

   7.2 Boykott (anstiften)**

   7.3 Protest durch politisches Engagement

   7.4 Es soll weniger Demonstrationen geben

   7.5 Mehr Menschen sollen sich beteiligen

   7.6 Protest sollte friedlich / gewaltfrei sein*

   7.7 Protest sollte nicht zu extrem / radikal sein*

   7.8 Protest soll gesetzeskonform sein*

   7.9 Protest soll das Gemeinwohl im Sinn haben

   7.10 Protest sollte authentisch sein

   7.11 Protest soll medienwirksam sein / Aufmerksamkeit erregen

   7.12 Protest soll vielfältig / kreativ sein

   7.13 Protest soll Menschen direkt betreffen**

   7.14 Protest soll Verantwortliche treffen

   7.15 Protest soll radikal sein / stören**

Anmerkung. Vollständige Übersicht der in MAXQDA durch induktives Codieren vergebenen Codes innerhalb des Themenblocks „Einstellungen Proteste“. Unter 7. mit * markierte Codes wurden zu normativ-friedlichem, mit ** markierte Codes zu disruptivem Protest zusammengefasst.

Online erschienen: 2025-05-22
Erschienen im Druck: 2025-06-03

© 2025 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 16.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zfsoz-2025-2016/html
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