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Die Theorie in der Theorie

Zur Theoriekonzeption in den Theorien Pierre Bourdieus, Niklas Luhmanns und Judith Butlers
  • Fabian Schaffer

    Fabian Schaffer, Soziologe; beschäftigt sich mit der Logik und Ästhetik soziologischer Großtheorien. Studium der Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Kopenhagen.

    Forschungsinteressen: Soziologische Theorie; Metatheorie; Wissenschaftsphilosophie; Neomaterialismus.

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Published/Copyright: May 6, 2025
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Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag erarbeitet den Vorschlag, soziologische Theorien anhand der in ihnen selbst angelegten Theoriekonzeption zu beobachten. Der Begriff der Theoriekonzeption wird als metatheoretisches Analyseraster eingeführt, das immanent-kritische statt externale Beobachtungen und Vergleiche soziologischer Theorien ermöglicht. Mit dessen Hilfe lassen sich in den exemplarisch analysierten Theorien Pierre Bourdieus, Niklas Luhmanns und Judith Butlers drei sehr verschiedene Vorstellungen vom Gegenstandsverhältnis, der (politischen) Aufgabe und den Wahrheitsbedingungen soziologischer Theorie identifizieren. Eine solchermaßen theoriekonzeptionssensible Beobachtung dient nicht nur dem besseren Verständnis der jeweiligen Theorie, sondern kann darüber hinaus dazu beitragen, soziologische Theorienvergleiche kritisch zu reflektieren und zu restrukturieren.

Abstract

This article develops the idea to observe sociological theories on the basis of their own theory conception. The notion of theory conception is introduced as a meta-theoretical analytical framework that enables an immanent-critical rather than external observation and comparison of sociological theories. With its help, three very different ideas of sociological theory’s relationship to the social object, its (political) task and its truth conditions can be identified in the exemplarily analyzed theories by Pierre Bourdieu, Niklas Luhmann and Judith Butler. An observation sensitive to theory conceptions in this way not only serves to improve understanding of the respective theory but can also contribute to critically reflecting on and restructuring sociological theory comparisons.

1 Einleitung und Problemstellung

Die Soziologie befindet sich in einem Zustand theoretischer Fragmentierung (vgl. Fischer 2014) und die Situation wird noch dadurch verkompliziert, dass in der Disziplin nicht einmal Konsens darüber herrscht, was unter Theorie eigentlich zu verstehen ist. Systematisierungen und Theorienvergleiche sind zwei eng zusammenhängende metatheoretische Herangehensweisen, Ordnung ins Chaos zu bringen. Dabei lassen sich die Ansätze in beiden Feldern auf einem Kontinuum zwischen monistischer Theoriesynthese, die die Komplexität durch die Konstruktion einer integrativen Theorie zu reduzieren sucht, und pluralistischer Bestandsaufnahme der Vielfalt verorten.

Pluralistische Systematisierungen der Theorienlandschaft treten dabei gewöhnlich in lehrbuchartiger (vgl. z. B. Joas & Knöbl 2004; Turner 1998; Ritzer 2011) oder im engeren Sinne metatheoretischer Form auf (vgl. u. a. Friedrichs 1970; Ritzer 1975; Dawe 1970; Nassehi 2009). Monistische Ansätze hingegen systematisieren den soziologischen Theoriediskurs im Interesse seiner Synthese in einer facheinheitlichen Theorie (vgl. z. B. Esser 1993, 2017; Braun 2008).[1]

Ein paralleler Gegensatz findet sich auch im Feld der soziologischen Theorienvergleiche (vgl. Schmid 2009: 325 ff.; Braun 2017: 7 ff.). So wurde die ‚Theorienvergleichsdebatte‘ der 1970er Jahre mit dem erklärten Ziel (vgl. Hondrich 1976: 20) angestoßen, Theorien durch ihren Vergleich auf einem höheren Abstraktionsniveau zusammenzuführen und auch heute gibt es Neuauflagen dieses Programms synthetischer Theorienvergleiche (vgl. z. B. Esser 1993, 1999; Haller 2003; dieses Projekt kommentierend: Endreß 2002; Greshoff & Schimank 2014). Demgegenüber gab und gibt es grundsätzliche Bedenken an einem solchen Vorhaben (vgl. nur Klinkmann 1981; Reckwitz 2005). Alternativ zur Zielsetzung einer Vereinheitlichung der Soziologie schlagen pluralistische Ansätze verschiedene Projekte zur wechselseitigen Anreicherung theoretischer Perspektiven, etwa in einem ‚pluralistischen Paradigma‘ (vgl. Spinner 1974; Klinkmann 1981; Haker 2020) oder einer dialogischen Auseinandersetzung (vgl. Zima 2017) vor.

Gemeinsam ist diesen unterschiedlichen Herangehensweisen die externale Perspektive auf das soziologische Theoriegeschehen (vgl. auch Farzin & Laux 2014: 5 f.). Monistische Systematisierungen und Vergleiche sind notwendigerweise aus der Perspektive einer spezifischen (und sei es auch einer noch zu erreichenden, synthetischen) Theorie formuliert, die ihre Kriterien an die andere(n) Theorie(n) anlegt. Pluralistische Ansätze hingegen enthalten sich im Zeichen größtmöglicher Inklusivität für gewöhnlich des Urteils über den Theoriestatus der behandelten Theorien[2]; die Theorien gelten dann zumeist nur nach einem sehr allgemeinen und abstrakten Verständnis als Theorien. In beiden Fällen werden Theorien also anhand bestimmter, vom Beobachter an die Theorien herangetragener Kriterien und eines spezifischen Theorieverständnisses gruppiert, verglichen und evaluiert. So fruchtbar viele dieser Versuche auch sind, sie verschieben die Frage, was Theorie eigentlich ist und sein sollte in das jeweilige metatheoretische Bezugssystem des Beobachters.

Die Alternative besteht darin, diese Fragen den Theorien selbst zu stellen und sie auf ihre Antworten hin zu vergleichen. Dieser Beitrag formuliert den Vorschlag, die Konzeption von Theorie, die in den soziologischen Theorien selbst entwickelt wird, zum Ausgangspunkt der metatheoretischen Beobachtung zu nehmen. Denn es gibt nicht nur „keine einheitliche Vorstellung darüber, was Theorie ist und was sie leisten soll [, sondern] diese Vorstellungen sind vielmehr ihrerseits theorieabhängig“ (Balog 2003: 167). Theorien, so die Annahme, setzen eine implizite oder explizite Konzeption von Theorie voraus, die für ihre Erkenntnisweise informativ ist. Es erscheint damit möglich, Theorien nicht nur anhand ihnen äußerlicher Kriterien zu beobachten, sondern die theorieimmanenten Theoriekonzeptionen selbst zum Gegenstand der Analyse und zur relevanten Vergleichskategorie zu machen.

Eine solche theoriekonzeptionssensible Beobachtung aus einer immanent-kritischen statt externalen Perspektive ist in dreierlei Hinsicht von Relevanz. Erstens leistet sie einen Beitrag zum kritischen Verständnis der behandelten Theorien, indem sie deren metatheoretische und wissenschaftsphilosophische Implikate offenlegt und als kontingente Selektionen markiert. Zweitens hat eine Reflexion der theoriespezifischen Theoriekonzeptionen Konsequenzen für soziologische Theorienvergleiche, die etwaigen theoriekonzeptionellen Differenzen und den daraus sich ergebenden Vergleichsbedingungen derzeit nur unzureichend Rechnung tragen. Drittens schließlich ist der hier umrissene Ansatz als Ausgangspunkt für eine in zukünftigen Arbeiten auszuformulierende Neusystematisierung des soziologischen Theoriediskurses zu verstehen, die die Vielfalt unterschiedlicher Theorieverständnisse selbst zum Ausgangspunkt der Strukturierung nimmt. Sowohl was die Frage des Vergleichs als auch der Systematisierung anbelangt, beansprucht ein theoriekonzeptionssensibles Vorgehen, die jeweiligen Stärken monistischer und pluralistischer Ansätze integrieren zu können.

Der nachfolgende Beitrag setzt sich entsprechend ein dreifaches Ziel. Zuvörderst geht es darum, drei verschiedene soziologische Theoriekonzeptionen in ihrer je spezifischen Logik nachzuzeichnen. Hierfür soll zunächst der Begriff der Theoriekonzeption als metatheoretisches Analyseraster eingeführt und spezifiziert werden (2). Daraufhin wird das dieser Arbeit zugrundeliegende methodische Verständnis der immanent-kritischen Theoriebeobachtung vorgestellt (3) und das die Theorieselektion informierende Theorieverständnis expliziert (4). Anhand der Theorien von Pierre Bourdieu (5), Niklas Luhmann (6) und Judith Butler (7) soll im Hauptteil dieses Beitrags exemplarisch gezeigt werden, dass und wie ganz unterschiedliche Konzeptionen von Theorie, ihres Gegenstandsverhältnisses, ihrer Aufgabe und der von ihr erhobenen Wahrheitsansprüche in der soziologischen Theorie formuliert werden. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse eröffnet zugleich den Ausblick auf die anstehende Arbeit der Generalisierung und Systematisierung (8). Abschließend werden die Potentiale der Theoriekonzeptionsanalyse für eine Neustrukturierung des Projekts soziologischer Theorienvergleiche diskutiert (9).

2 Das Konzept der Theoriekonzeption

Als Theoriekonzeption soll hier zunächst die Vorstellung von Theorie bezeichnet werden, die in und durch eine Theorie selbst entwickelt wird. Die Annahme ist, dass soziologische Theorien Idealvorstellungen von Theorie entwickeln, an denen sie sich orientieren. Erst die Explikation dieser Theoriekonzeption ermöglicht eine Beobachtung der Theorie ‚on its own terms‘.

Ein möglicher Ausgangspunkt, um den vagen Begriff der Theoriekonzeption mit Inhalt zu füllen, ist die Beobachtung der im metatheoretischen Diskurs selbst gebrauchten Problematisierungsgesichtspunkte. Das Argument besagt, dass wir aus der Art und Weise, wie über Theorien nachgedacht wird, etwas darüber lernen können, wie Theorien über sich selbst nachdenken.[3] Es geht m.a.W. darum, im Diskurs über Theorien Themen und Problemstellungen ausfindig zu machen, die als allgemeine Bezugsprobleme auch die in Frage stehenden Theorien selbst beschäftigen und zur Ausarbeitung einer Lösungsstrategie drängen.

Ich möchte argumentieren, dass Überlegungen zu Theorie gemeinhin von fünf zentralen Unterscheidungen geprägt sind: Theorie/Gegenstand, Theorie/Methode[4], Theorie/Praxis, Theorie/Nicht-Theorie und Theorie/andere Theorie. Diese Unterscheidungen lassen sich zu drei distinkten, nicht aufeinander reduzierbaren Problematisierungsdimensionen des Theoretischen zusammenfassen. Jede dieser Dimensionen diente bereits vorherigen metatheoretischen Projekten als Ausgangspunkt für die Unterscheidung verschiedener Theorieformen bzw. -konzeptionen, doch, so das Argument, erst, wenn alle drei in ihrem Zusammenhang betrachtet werden, ergibt sich ein vollständiges und unverzerrtes Bild soziologischer Theoriekonzeptionen.

Die Unterscheidung von Theorie und Gegenstand problematisiert das Gegenstandsverhältnis der Theorie, mithin die Frage, wie die Theorie ihren Gegenstand, ihre Position diesem gegenüber und schließlich die Möglichkeiten seiner Erkenntnis konzeptualisiert. Für ‚Theorien des Sozialen‘ (Hondrich 1976: 20), die den sozialen Gegenstand als solchen fokussieren und sich in diesem selbst wiederentdecken, werden diese Fragen zum paradoxalen Ausgangspunkt der Reflexion über sich selbst und damit für die Ausarbeitung einer expliziten Theoriekonzeption (vgl. Haker 2020: 34, 75, 141).[5] Die epistemologischen Grundsatzentscheidungen, die in der Konzeption des theoretischen Gegenstandsverhältnisses zum Ausdruck kommen, bleiben dabei traditionell der Philosophie überlassen (vgl. nur Outhwaite 1987), doch auch die Soziologie selbst reflektiert die theoriekonzeptionellen Konsequenzen ihres Gegenstandsverhältnisses (vgl. z. B. Nassehi 2009).

Die Unterscheidungen Theorie/Methode und Theorie/Praxis problematisieren beide, wenngleich freilich mit unterschiedlicher Stoßrichtung, das ‚Wozu‘, also die Aufgabe der Theorie. Während die Unterscheidung von Theorie und Methode eher auf die innerwissenschaftliche Anwendung der Theorie zielt, geht es in Diskussionen die mit dem Begriffspaar Theorie/Praxis arbeiten, eher um die außerwissenschaftliche, v. a. politische, Anwendung und Relevanz von Theorien. Letztere bildet auch den Ausgangspunkt für Habermas‘ (1973) Unterscheidung unterschiedlicher Erkenntnisinteressen und diesen korrespondierenden Theoriekonzeptionen. Aus Platzgründen werde ich mich ebenfalls auf diesen zweiten Aspekt, die politisch-praktische Aufgabe der Theorie, beschränken. Als Dimension der theoretischen Selbstproblematisierung bezeichnet die Aufgabe der Theorie damit die von der Theorie selbst zu beantwortende Frage nach den Bedingungen und Zielen ihrer praktischen Anwendung.

Soziologische Theorien werden weiterhin von alternativen gesellschaftlichen Beschreibungsangeboten unterschieden, etwa aus dem Bereich der Religion, Kunst oder Massenmedien. Schließlich werden Theorien von alternativen soziologischen Theorien unterschieden, wobei die Abgrenzung zumeist auch mit der Behauptung eines Superioritätsanspruchs einhergeht. Sowohl die Unterscheidung Theorie/Nicht-Theorie als auch von Theorie/andere Theorie formulieren das Problem, anhand welchen Kriteriums eine soziologische Theorie als gute bzw. zu bevorzugende Theorie identifiziert und qualifiziert werden kann. Insofern es sich bei soziologischen Theorien um wissenschaftliche Produkte handelt, muss dieses Kriterium, so das Argument, als Wahrheitskriterium präsentiert werden. Übertragen auf die theoretische Selbstbeobachtung stellt sich damit die Frage, an welcher Vorstellung von Wahrheit die Theorie sich orientiert und messen lassen will. Es ist diese Fragestellung, von der aus sich m. E. auch Isaac A. Reed (2011) der Vielfalt von Theoriekonzeptionen in den humanwissenschaftlichen Disziplinen nähert (zur Theoriespezifik theoretischer Gütekriterien vgl. auch Anicker 2020: 569).[6]

Das Ergebnis dieser Überlegungen sind drei Dimensionen der Problematisierung bzw., so die Annahme, auch der Selbstproblematisierung von Theorie. Das Gegenstandsverhältnis, die Aufgabe und das Wahrheitskriterium der Theorie können dann verstanden werden als epistemologischer, praktischer und evaluativer Aspekt des theoretischen Selbstverhältnisses.[7]

Jede dieser drei Dimensionen kann durch je eine metatheoretische Frage repräsentiert werden. Die Theoriekonzeption lässt sich damit als das theoriespezifische Antwortmuster auf folgende drei Fragen operationalisieren:

  1. Welches Verhältnis nimmt die Theorie zu ihrem Gegenstand ein?

  2. Welche Aufgabe spricht die Theorie sich selbst zu?

  3. An welchem (Wahrheits)Kriterium orientiert und evaluiert sich die Theorie?

Die Explikation der einer Theorie zugrundeliegenden Theoriekonzeption erfordert es, dem theoretischen Text die Antworten auf diese drei Fragen abzugewinnen und der Logik ihres Zusammenhangs nachzuspüren. Bevor ich mich mit dieser Zielsetzung den Theorien Bourdieus, Luhmanns und Butlers zuwende, sollen der die Analyse informierende methodische Standpunkt und die Theorieselektion diskutiert werden.

3 Methode

Im Folgenden gilt es, die methodischen Grundsatzentscheidungen der hier angestrebten Analyse zu klären und gegen alternative metatheoretische Ansätze abzugrenzen.

Erstens behandelt die Analyse Theorien als textliche Sinngesamtheiten und zielt entsprechend auf semantische und syntaktische Aspekte. Die pragmatische Verwendung der Theorie in der Forschungspraxis bleibt hingegen bewusst außen vor. Damit unterscheidet sich das Vorgehen von Ansätzen, die insbesondere das ko-konstitutive Zusammenspiel von Theorie(bildung) und empirischer Forschung fokussieren (vgl. nur Merton 1968: 139 ff.), prominent etwa in der sog. Theorizing-Debatte (vgl. Swedberg 2012, 2016; Carleheden 2016).

Zweitens unterscheidet sich das hier vorgestellte Projekt von anderen metatheoretischen Arbeiten hinsichtlich der Analyseebene. Die vorliegende Arbeit zielt auf die theorieimmanente Theoriekonzeption, d. i. die theoretischen Aussagen über die Theorie, ihre Position, Aufgabe und Bewertung, mithin auf den Selbst-, nicht auf den Welt- bzw. Gegenstandsbezug der Theorie. Sie unterscheidet sich damit in ihrem Fokus von allen Ansätzen, die die inhaltliche Ebene der Theorie zu erschließen suchen, sei dies über den Vergleich am konkreten Objekt (vgl. die Beiträge in Bonacker et al. 2008), die kritische Reflexion sozialtheoretisch paradigmatischer Forschungsgegenstände (Krause 2021), die Explikation theoretischer Weltbezüge in Form zentraler ‚Gründungsszenen‘ (vgl. die Beiträge in Farzin & Laux 2014) oder über die metatheoretische Analyse linguistischer, etwa rhetorischer, narrativer, oder metaphorischer Strukturen (vgl. nur Levine 1995; Silber 1995; Brown 1998; Jacobsen & Marshman 2008; Farzin 2008).[8]

Drittens schließlich beansprucht die Theoriekonzeptionsanalyse eine innovative Beobachtungsposition. Einleitend wurde bereits darauf hingewiesen, dass bisherige metatheoretische Systematisierungen und Vergleiche aus einer externalen Perspektive formuliert wurden, die entweder einen sehr abstrakten oder einen einseitig voreingenommenen Begriff von Theorie voraussetzen. Demgegenüber nimmt der hier angestrengte Vergleich eine immanent-kritische Position ein (vgl. Haker 2020), die kein vorgefertigtes Theorieideal voraussetzt, sondern dieses erst für jeden Theoriekontext herauszuarbeiten sucht.

Aus diesem methodologischen Anspruch ergeben sich zwei Forderungen. Zum einen hat die Analyse dem Gebot der Immanenz zu genügen. Hierzu muss der Vergleich hermeneutisch-nachvollziehend statt ‚falsifikationistisch‘ (vgl. Anicker 2022) angelegt sein. In Anlehnung an Gadamers Methode (vgl. Gadamer 1990) sollen die jeweiligen Theorien als semantische Sinngesamtheiten sui generis ernst genommen und aus sich heraus zum Sprechen gebracht werden. Im ‚Vorgriff der Vollkommenheit‘ (vgl. ebd.: 299) ist dabei (zunächst) davon auszugehen, dass jede der behandelten Theorien eine in sich kohärente und vollständige Antwort auf die sich ihm stellende Problematik, hier: die Frage nach der Konzeption der Theorie, zu bieten hat. Diese Annahme verbietet eine vorschnelle Kritik, die die Theorie an ihr externen Maßstäben misst.[9]

Zum anderen muss die Analyse, soll sie nicht beim Befund der Unterschiedlichkeit verschiedener Theoriekonzeptionen verharren, den jeweiligen Theoriekontext kritisch transzendieren. Hierzu dient das oben erarbeitete allgemeine metatheoretische Gerüst der drei theoriekonzeptionellen Dimensionen, das es ermöglicht, verschiedene Theoriekonzeptionen auf Ähnlichkeiten und systematische Unterschiede hin zu beobachten.

Damit ist die methodische Grundhaltung des hier angestrebten textuellen, theoriekonzeptionellen und immanent-kritischen Vergleichs umrissen. Des Weiteren gilt es, die Selektion der analysierten Theorien und das dabei zugrunde gelegte Theorieverständnis zu begründen.

4 Theorieselektion

Auch eine immanent-kritische Analyse muss bereits ein allgemeines Verständnis von Theorie voraussetzen, wenn sie bestimmte Theorien bzw. Theorieformen als (mögliche) Vergleichsobjekte auswählt. Die doppelte Selektivität der Wahl eines bestimmten Theorietypus‘ einerseits und bestimmter Theorieangebote, die diesem Typus entsprechen, andererseits ist unvermeidlich, sollte aber gerade deshalb explizit gemacht werden. Es gilt mithin nicht nur die Frage zu beantworten, warum die Theorieangebote Bourdieus, Luhmanns und Butlers analysiert werden sollen, sondern zunächst grundsätzlicher, was eigentlich unter ‚Theorie‘ in diesem Zusammenhang zu verstehen ist.

Zunächst einmal handelt es sich bei den ausgewählten Ansätzen sämtlich um umfassende Theorieentwürfe oder, insofern sie eine je spezifische Antwort auf die Frage geben, wie soziale Elemente und Strukturen interagieren, um ‚Grand Theories‘ (vgl. Turner & Boyns 2006). Ihrem Anspruch nach beschränken sich die hier behandelten Theorien also nicht auf bestimmte Objektbereiche, sondern treffen als ‚Theorien des Sozialen‘ (Hondrich 1976: 20) grundsätzliche Aussagen über das Soziale bzw. den soziologischen Gegenstand als solchen. Dabei stehen bei einem theoriekonzeptionellen Vergleich, wie oben gezeigt, jedoch nicht die inhaltlichen Aussagen über diesen Gegenstand im Vordergrund, sondern die Aussagen der Theorie über sich selbst. Wichtiger noch als diese Einschränkung auf eine gemeinsame (und damit vergleichbare) ‚Flughöhe‘ des theoretischen Anspruchs ist deshalb die Entscheidung für einen spezifischen Blickwinkel, aus dem diese Theorieangebote beobachtet werden sollen.

Mit Gabriel Abend (2008) lassen sich sieben Verwendungsweisen des Theoriebegriffs – und entsprechend der (meta)theoretischen Arbeit – in der Soziologie unterscheiden. In der nachfolgenden Analyse kommen die Theorien Bourdieus, Luhmanns und Butlers, in Abends Terminologie, vordringlich in ihrem Aspekt[10] als ‚Theorien5‘ in den Blick, d. i. als generelle ‚Weltanschauungen‘ (vgl. Abend 2008: 180), die abstrakte Fragen nach dem Wesen, den Elementen, aber auch nach den möglichen Beschreibungsformen der sozialen Welt beantworten. Gerade diese selbstreflexive Komponente derartig grundlegend und umfassend ansetzender Beschreibungsangebote prädestiniert diese für eine theoriekonzeptionelle Analyse (s. 2). Damit ist freilich nicht ausgeschlossen, dass nicht auch andere Theorien – etwa ‚Theorien mittlerer Reichweite‘ (vgl. Merton 1968: 39 ff.) –, in dieser Weise fruchtbar analysiert werden könnten. Vielmehr erscheint es im Lichte der Einführung des Programms der immanent-kritischen Theoriekonzeptionsanalyse zweckmäßig, zunächst auf Theorien zurückzugreifen, die explizite Aussagen zu den oben ausformulierten drei Fragen nach Gegenstandsverhältnis, Aufgabe und Wahrheitskriterium der eigenen Beobachtungen formulieren. Auf diese Weise ist es möglich, sehr nahe an den jeweiligen theoretischen Texten zu arbeiten und die unterschiedlichen Theorielogiken gleichsam selbst zu Wort kommen zu lassen.

Damit ist also die Frage beantwortet, welche Flughöhe theoretischer Beobachtungen im Rahmen der hier angestrebten Analyse zugelassen werden und unter welchem Aspekt diese analysiert werden sollen, nicht jedoch die Frage nach der Wahl der konkreten Autor:innen. Angesichts der Vielzahl theoretischer Angebote, die die o. g. Kriterien erfüllen, ist freilich jegliche Selektion kontingent. Für Bourdieu, Luhmann und Butler spricht hingegen, dass sie allesamt zeitgenössische Autor:innen (im Unterschied zu ‚Klassikern‘) sind, die jedoch sehr unterschiedlichen theoretischen Traditionen und verschiedenen nationalen Kontexten angehören. Während Bourdieu gegen die (spezifisch französische) Opposition von existenzialistischem Subjektivismus und Levi-Strauss‘schen Strukturalismus anschreibt, zieht Niklas Luhmann seine Hauptinspirationen aus der ursprünglich naturwissenschaftlichen Systemtheorie und Kybernetik und v. a. in seinem Spätwerk aus den epistemologischen Überlegungen des radikalen Konstruktivismus. Judith Butler schließlich schreibt im Kontext des amerikanischen Feminismus mit starken Anleihen beim französischen Poststrukturalismus in der Nachfolge Foucaults. Diese drei Autor:innen decken damit ein weites Spektrum soziologischen Denkens ab, das aus ganz unterschiedlichen Perspektiven den Gegenstand des Sozialen beleuchtet. Diese Unterschiedlichkeit auf der inhaltlichen Ebene wirft dann die Frage nach möglichen Unterschieden auf der metatheoretischen Ebene der Theoriekonzeption auf.

5 Pierre Bourdieu

5.1 Gegenstandsverhältnis der Theorie: Reflexive Objektivierung

Die soziale Bedingtheit des soziologischen Blicks wird von Bourdieu –im Gegensatz zu Luhmann und Butler – als zu überwindendes Hindernis auf dem Weg zur objektiven Erkenntnis des sozialen Gegenstands thematisiert.

Bourdieus Lösung für das Problem besteht in der Selbstanwendung der soziologischen Analyse, die zu einer Transzendierung des sozialen Gegenstands führt. Die Grundidee des Programms der Objektivierungsobjektivierung (Bourdieu 2018: 57 ff., 1988: 40 f., 56, 1999: 330 ff.) besagt, dass nur die soziologische Reflexion der soziologischen Beobachtung diese von ihrer sozialen Bedingtheit befreien kann (vgl. nur Bourdieu 1988: 10, 51 f., 1999: 12 f., 331, 489, 1998: ix, 1991a: 226 f., 1991b: 25, 2018: 53; Bourdieu & Wacquant 1992: 194 f., 214 f.; kritisch: Alexander 1995: 181).[11] Die Erkenntnis der eigenen sozial-historischen Kontingenz, so Bourdieu, kann die Analyse über diese hinaus in das Reich der Gewissheiten und Notwendigkeiten führen.

Eine zentrale Rolle für dieses Projekt der reflexiven Selbstaufklärung und der Legitimation des theoretischen Objektivitätsanspruchs spielt die Analyse des Wissenschaftsfeldes. Dieser zufolge führen die Institutionen moderner Wissenschaftlichkeit zu einer Situation, in der nur gesicherte Erkenntnisse Bestand haben (vgl. Bourdieu 1991b, 2004a). Die moderne Wissenschaft, und mit ihr die Soziologie, ist damit strukturell zur Erzeugung objektiven Wissens befähigt (vgl. Bourdieu 1991b: 20 ff., 1997: 111 ff.; Bourdieu & Wacquant 1992: 187 ff.; Kale-Lostuvali 2016: 280 ff.; Sismondo 2011: 88 ff.; kritisch: Pels 1995: 89 ff.).

Damit ist die Möglichkeit der Objektivität soziologischer Erkenntnis legitimiert: Die wissenschaftlich konditionierte, kritische Reflexion der eigenen Erkenntnisbedingungen erlaubt es, diese zu transzendieren und den sozialen Gegenstand objektiv in den Blick zu nehmen. Doch welche Rolle spielt hierbei die Theorie?

Für Bourdieu ist die Theorie zunächst nichts anderes als ein spezifischer Habitus, der die (empirische) Forschung anleitet (vgl. Bourdieu & Wacquant 1992: 161; Bourdieu 1992: 228, 1985: 11; Brubaker 1993). Dabei vermittelt die Theorie zwischen Forscher:in und Gegenstand und dies in doppelter Weise. Zum einen liefert sie gerade die Anleitung zu jener oben beschriebenen kritischen Reflexion, die es erlaubt, den ‚epistemischen Bruch‘ (Bourdieu et al. 1991: 13 ff.; Bourdieu 1979: 149) mit dem Gegenstand zu vollziehen, und das heißt v. a., sich von den symbolischen Repräsentationen und laiensoziologischen Konzepten desselben zu befreien. In dieser Weise trennt die Theorie die Forscher:in von ihrem Gegenstand und erlaubt ihr, diesen aus objektiver Distanz zu beobachten. Zum anderen jedoch und zugleich verbindet die Theorie die Forscher:in mit ihrem Gegenstand, indem sie ihr den Durchblick auf dessen wesentliche Prinzipien eröffnet (zu dieser Doppelfunktion der Theorie vgl. Bourdieu et al. 1991: 29 f.).

Die Theorie ist demnach ein Habitus, der, unter Bedingungen moderner Wissenschaftlichkeit, zur reflexiven Emanzipation von und objektiven Durchdringung der symbolischen Repräsentationen befähigt und den Blick freigibt, auf die das soziale Geschehen eigentlich beherrschenden Strukturen. Sie konstituiert damit eine, qua reflexiver Objektivierung legitimierte, objektive Perspektive auf den Gegenstand.

Die Voraussetzung für dieses theoriekonzeptionelle Arrangement ist, dass die Habitus- und Feldtheorie, die die reflexive Legitimation einer objektiven Beobachterposition leisten, nicht selbst dem soziologischen Zweifel ausgesetzt werden.[12] Die Feldtheorie sieht sich selbst gerade nicht als Teil der sozialen Spiele; sie befähigt vielmehr zu deren Transzendierung: „Das Instrument des Bruchs mit allen partiellen Visionen [liegt; F. S.] in der Idee des Feldes“ (Bourdieu 1999: 330). Die Bourdieusche Theorie ist m.a.W. selbst keine kontingente Perpektive, sondern ermöglicht gerade die erklärende Rückführung partialer Perspektiven, inklusive der eigenen, auf objektive, strukturelle Realitäten (s. 5.2).

Damit stellt sich freilich die Frage, wie diese soziale Un-Bedingtheit der Theorie begründet werden kann. An dieser Stelle kommt m. E. Bourdieus ‚empirizistischer Realismus‘ (vgl. Alexander 1995: 179 ff.) ins Spiel. Der Verweis auf eine objektiv erkennbare Wirklichkeit, die dem soziologischen Beobachter ihr angemessene Begriffe als evidente Fakten offenbart, erdet die Bourdieusche Theorie und bewahrt sie vor einem vitiösen Selbstbegründungszirkel (s. 5.3).

5.2 Aufgabe der Theorie: Aufklärung durch Erklärung

Der in dieser Weise begründete Anspruch auf Objektivität informiert auch die Konzeption der Aufgabe der Theorie. Dieser zufolge soll die Theorie den Gegenstand durch Rückführung der beobachtbaren Phänomene auf eine Ebene tieferliegender Wirklichkeitsprinzipien erklären und dadurch die Gesellschaft über die verborgene Wahrheit ihrer Erscheinungen aufklären.

Die soziologische Analyse muss für Bourdieu hinter die unmittelbar erfahrbaren Phänomene blicken auf die dahinterliegenden Mechanismen. Die Soziologie setzt sich zum Ziel, die verborgensten Strukturen der verschiedenen sozialen Welten, aus denen das gesellschaftliche Universum besteht, und letztlich die für deren Reproduktion verantwortlichen ‚Mechanismen‘ zum Vorschein zu bringen (Bourdieu 2004b: 13).

Bourdieu verbindet mit diesem Erklärungsanspruch zugleich einen kritischen Gestus der Desavouierung falscher Vorstellungen über die soziale Welt. Die praxeologische Erkenntnis sollte zwar die subjektiven Vorstellungen der Handelnden ernst nehmen, diese jedoch stets auf die sie determinierenden Strukturen zurückbeziehen (vgl. Bourdieu 1979: 149). Alles andere liefe nämlich darauf hinaus, „eine Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit wissenschaftlich werden zu lassen und darin zu legitimieren, die niemals nur eine rein intime und persönliche Erfahrung darstellt, sondern eine Repräsentation wiedergibt, die vollständig mit den Interessen einer spezifischen Gruppe in Übereinstimmung steht“ (ebd.: 150).

Eine aufklärerisch-kritische Wissenschaft muss demgegenüber jene objektiven Strukturen und „die gnoseologischen Mechanismen“ (ebd.: 151) explizieren, die sich unter der Oberfläche des Scheinbaren, der Praktiken eben wie der ideologischen Repräsentationen, verbergen (vgl. Bourdieu et al. 1991: viii; Müller 2014: 104; kritisch hierzu: Dreyfuß & Rabinow 1993: 41 f.; Garnham 1993: 180 f.). Sie muss m.a.W. eine Erklärung im oben definierten Sinne liefern. Auf- und Erklärungsanspruch greifen so umstandslos ineinander.

Eine solche aufklärerische Beobachtung bedarf eines festen Standpunkts, von dem aus sich das Geschehen beobachten lässt, ohne selbst Teil des ‚Verblendungszusammenhangs‘ zu werden (vgl. Nassehi 1999: 360; Kneer & Nassehi 1994: 189; Luhmann 2004b: 10 f.). Wie oben gezeigt ermöglicht die Theorie nicht nur die Beobachtung des Gegenstands, sondern sichert der Theoretiker:in qua reflexiver Objektivierung auch eben jenen Beobachtungsstandpunkt, auf den sie sich als Aufklärer:in beruft.

Als Instrument der Aufklärung dient die Theorie schließlich dazu, die soziale Welt politisch zu verändern. Allerdings nicht – wie dies bei Butler der Fall ist (s. 7.2) – durch die performativen Aspekte der Theoriepraxis selbst, sondern durch die Bereitstellung wahren Wissens über das Wesen des Sozialen, das dann in einem zweiten Schritt in politische Handlungsempfehlungen übersetzt werden kann (zu dieser Stufenfolge in der Bourdieuschen Politikauffassung vgl. Pels 1995: 88; Müller 2014: 335).[13] Die soziologische Theorie ist demnach selbst nicht unmittelbar Teil einer politischen Bewegung; ihre Aufgabe besteht im Gegenteil darin, Objektivitätspotentiale qua Beobachtungsdistanz zu schaffen. Die politische Kraft gerade auch einer normativ ausgerichteten, engagierten Soziologie, wie Bourdieu (2002) sie fordert, erwächst ihr mithin ausschließlich aus ihrer wissenschaftlichen Autorität, d. h. der Fähigkeit, objektive Erkenntnisse über den in Frage stehenden Gegenstand anzubieten (vgl. Bourdieu & Wacquant 1992: 187).

5.3 Kriterium der Theorie: Wahrheit als Korrespondenz

Eine gute Theorie ist für Bourdieu eine Theorie, die die hinter den Phänomenen verborgene, objektive Tiefenwirklichkeit des Sozialen möglichst getreu abbildet. Diesem (kritischen) Realismus entspricht ein im weiteren Sinne korrespondenztheoretisches Wahrheitsverständnis.

Bourdieus Anspruch auf eine objektive, aufklärerische Beobachtung beruht auf der Annahme, dass es eine extern garantierte Wirklichkeit gibt, deren Prinzipien objektiv erkennbar sind (vgl. Cicourel 1993: 96 ff.), sodass die Soziologie durch die kritisch kontrollierte, empirische Forschung zu einer Abbildung des Sozialen ‚wie es ist‘ gelangen kann (vgl. Alexander 1995: 179 ff.). Damit lässt sich Bourdieus Erkenntnisprogramm am ehesten dem sog. ‚reflexiven‘ oder ‚kritischen‘ Realismus zuordnen (vgl. hierzu Reed 2008: 102 ff.; zum kritischen Realismus in den Sozialwissenschaften vgl. Bhaskar 1998, 2008), insofern Bourdieu eine geschichtete Wirklichkeitsstruktur voraussetzt (vgl. auch Decoteau 2016: 314 ff.), die den Schluss aus der empirischen Beobachtung des sozialen Geschehens auf dahinterliegende, reale Wirkmechanismen zulässt.

In der Diskussion des Gegenstandsverhältnisses (s. 5.1) wurde bereits auf die entparadoxierende Rolle verwiesen, die der Verweis auf eine solche objektiv erkennbare Wirklichkeit für die Bourdieusche Theoriekonzeption spielt. Sie erlaubt es Bourdieu, die Grundannahmen der Theorie als empirische Evidenzen einzuführen und diese entsprechend von der kritischen Reflexion als ihrerseits sozial bedingte Repräsentationen auszunehmen.[14] So ist etwa der jedes Feld bestimmende Machtkampf laut Bourdieu (1988: 55) schlicht als ein „unbestreitbares Faktum “ anzusehen und die Konzepte von Habitus und Feld erwuchsen gleichsam zwanglos aus der empirischen Arbeit (vgl. Bourdieu & Wacquant 1992: 161), während der Begriff der Strategie „s’est imposée à moi dans la recherche“ (Bourdieu 1997: 78; Herv.d.Verf.).

Das empirische Material drängt der Soziolog:in die ihm angemessenen Begriffe förmlich auf und liefert damit die unumstößlichen, der Reflexion entzogenen Ausgangspunkte der Theoriebildung.[15] Andere Theorien, etwa die Rational-Choice-Theorie, sind dann entsprechend mit Verweis auf die Realitätsferne bzw. Unwahrheit ihrer Grundannahmen abzulehnen (vgl. Bourdieu 1997: 85, 2018: 86 ff.).[16] Eine gute Theorie ist damit für Bourdieu eine Theorie, die eine theorieunabhängige Wirklichkeit verborgener Gesetzmäßigkeiten wahrheitsgetreu wiedergibt. Mit Newton-Smith (1981: 29) lässt sich das dieser realistischen Grundüberzeugung entsprechende Wahrheitsverständnis als Korrespondenz von Theorie und Wirklichkeit beschreiben (zur Korrespondenztheorie der Wahrheit vgl. David 2018).

6 Niklas Luhmann

6.1 Gegenstandsverhältnis der Theorie: Selbstreferentialisierung der theoretischen Semantik

Für Niklas Luhmann[17] ist die ‚autologische‘ Lage der soziologischen Theorie als Teil ihres Gegenstands kein zu überwindendes Hindernis, sondern positiver Ausgangspunkt der Theoriebildung. Die Theorie entdeckt sich in ihrem Gegenstand wieder als eine wissenschaftlich formierte Selbstbeschreibung der Gesellschaft (vgl. Luhmann 1997a: 1128 ff.). Als wahrhaft moderne Semantik kann sie sich dabei nicht mehr auf Einheits- oder Substanzbegriffe gründen, da diese in einer polykontextural verfassten Gesellschaft an Plausibilität verlieren (vgl. z. B. Luhmann 1992: 29 f.).

In Ermangelung derlei externaler Garantien wendet sich die Theorie sich selbst und ihren eigenen Operationsbedingungen zu, um daraus neue Anhaltspunkte für ihren Aufbau zu gewinnen. Die Frage, die sich ihr stellt, lautet, wie selbstreferentielle Prozesse angemessen zu beschreiben sind, und die Antwort scheint in einer ihrerseits selbstreferentiellen Theorieanlage zu liegen. Vor diesem Hintergrund entwirft Luhmann die Vision einer Theorie als eines Begriffsspiels, das „an sich selber Halt sucht“ (Luhmann 1997a: 1094).

Statt auf vormoderne Einheitsbegriffe (die dann nur noch durch Verweis auf deren empirische Evidenz zu rechtfertigen sind – s. 5.3) soll die Theorie hierzu auf re-entrante Unterscheidungen gegründet werden, die auch in der Selbstanwendung stabil bleiben und damit das Paradox der autologischen Position fortwährend entfalten können (vgl. Luhmann 1987b: 39). Unterscheidungen wie die von System und Umwelt, die selbst in ihrem Gebrauch ein System impliziert[18], oder von Operation und Beobachtung, die selbst nur als Beobachtungsoperation vorkommen kann (vgl. Luhmann 2015: 69 f., 2005: 37 f.), erlauben es, eine Beobachtung dritter Ordnung (Luhmann 2015: 102 f., 157) zu realisieren, d. h. eine Beobachtung, die auch noch die Kontingenz der eigenen Unterscheidung reflektieren kann, ohne in dem Selbstanwendungsparadox zu erstarren (vgl. Luhmann 2004a: 36 ff., 1997a: 1081, 1992: 103, 2012: 333). Sobald man einmal angefangen hat, in dieser Weise zu beobachten, kann man auch noch die eigene Theorie einholen und widerspruchsfrei im Gegenstand verorten: eben als eine wissenschaftliche Selbstbeschreibungssemantik, die sich auf re-entrante Unterscheidungen gründen muss.

Die Selbstverortung und -legitimierung der Luhmannschen Theorie im Verhältnis zu ihrem Gegenstand ist damit dezidiert zirkulär angelegt: Die Theorie als ein Netzwerk von Konzepten, das sich aus dem in sich kreisenden Kern re-entranter Unterscheidungen entfaltet und an Komplexität gewinnt, erforscht im Blick auf den Gegenstand dabei immer zunächst sich selbst, d. i. die Möglichkeiten ihres eigenen Operierens und die Grenzen der Verknüpfbarkeit bzw. theorieinternen Anschlussfähigkeit ihrer Beobachtungen (vgl. Luhmann 1987a: 13) in einer nur als negativer Widerstand gegebenen Wirklichkeit (s. 6.3).[19]

6.2 Aufgabe der Theorie: Parodistische Modellierung

Als zwar reflexionsüberlegene, aber grundsätzlich kontingente Selbstbeschreibung muss die Theorie nach Luhmann alle Ansprüche auf Aufklärung im klassischen Sinne aufgeben (vgl. nur Luhmann 2018: 63 f.), insofern diese einen ‚extramundanen‘ Beobachterstandpunkt impliziert, den die systemtheoretische Autologiereflexion gerade desavouiert. Der Verzicht auf Letztprinzipien mit Wahrheitsanspruch bedeutet überdies einen Verzicht auf Erklärung i.S. einer Rückführung von Phänomenen auf eine tieferliegende Ebene von Gesetzmäßigkeiten.[20]

Als „Modell der Gesellschaft in der Gesellschaft“ (Luhmann 1993: 258) besteht die Aufgabe der Theorie stattdessen im Nachvollzug gesellschaftlicher Ordnungsbildungsdynamiken. Diese Aufgabe der Theorie ergibt sich unmittelbar aus ihrer obig erläuterten Anlage. Die Theorie als selbstreferentiell geschlossener und sich selbst limitierender Kontext ähnelt „in einer Weise, die man fast wieder als analogia entis bezeichnen könnte“ (ebd.), ihrem Gegenstand, der modernen Gesellschaft. Die Systemtheorie, eben wie die von ihr beobachteten Systeme, muss die Paradoxie ihrer Beobachtung entfalten und dafür plausible Formen finden, und dies ohne direkten Kontakt mit einer positiv gegebenen Realität. Die Theorie exerziert gleichsam die Problemstellung durch, die sie ihrer Gegenstandsbeobachtung zugrunde legt: die Entstehung von Ordnung aus selbstreferentiellen Elementen ohne ontologische Absicherung. Und sie zeigt an sich selbst, dass und wie Eigenwerte in der rekursiven Vernetzung von Beobachtungen ankristallisieren können und damit Ordnung durch die Operationsweise selbstreferentieller Prozesse entsteht.

Im Besonderen tritt die Theorie damit in eine Parallelstellung zur modernen Kunst (vgl. v. a. Koller 2007: 241 ff., 260 ff.; Hörisch 1998: 532 f.; Magerski 2007). Auch deren Funktion liegt, laut Luhmann, im Aufzeigen der Unvermeidlichkeit von Ordnungsbildung durch operativen Entscheidungsgebrauch (vgl. Luhmann 2015: 16, 506). Die Theorie, eben wie das Kunstwerk, führt der modernen Gesellschaft ihre Beobachtungsprobleme vor, demonstriert ihre konstitutiven Paradoxien und zeichnet die Möglichkeiten ihrer Auflösung nach – Luhmann findet hierfür die Metapher der Parodie: „Man könnte auch, in Analogie zu Kunstformen, sagen, dass die Soziologie die Gesellschaft in der Gesellschaft zu parodieren hätte“ (Luhmann 1993: 258).

Eine solche parodistische Modellierung gesellschaftlicher Formfindungsprozesse hat dann weder die empirische Erklärung noch die normativ geleitete Veränderung des Gegenstands zum Ziel, sondern soll vordringlich die wissenschaftliche Sensibilität für die Komplexität selbstreferentieller Problemlagen steigern (vgl. von Stetten 2018: 12, 44 ff.) und diese in ihrer kontingenten Eigenlogik nachvollziehbar machen. Hierzu gehört zum einen das Angebot einer ‚inkongruenten Perspektive‘ (Luhmann 1987a: 88, 1997a: 42), die naturalisierte Strukturvorgaben als kontingente Lösungen für das Problem der Systemreproduktion darstellbar macht. Darin allein liegt bereits ein gewisser Aufklärungsmehrwert (vgl. Luhmann 2005: 7; Magerski 2007: 405). Zum anderen jedoch verweist die Theorie auch auf die Notwendigkeit von Ordnungsbildungsprozessen unter Bedingungen selbstreferentieller Schließung und die Schwierigkeit, historisch gewachsene Eigenwerte (insbesondere die Funktionssystemcodes und deren Logik) zu verändern, insofern die gesamte Systemstruktur auf diesen aufbaut (vgl. Luhmann 1992: 42). In dieser Hinsicht soll die Theorie überzogene Steuerbarkeitserwartungen einhegen und eine „fatalisierende“ (Luhmann 1997b: 49:25–49:30) Abklärung der Aufklärung leisten (vgl. Luhmann 1991: 66 ff.).

6.3 Kriterium der Theorie: Konsistente Komplexität

Die Dekonstruktion ontologischer Gewissheiten und die Orientierung am eigenen selbstreferentiellen Zusammenhang haben zur Folge, dass die Theorie sich nicht mehr unter Verweis auf die Korrespondenz ihrer Konzepte mit wirklichen Sachverhalten legitimieren und evaluieren kann. Luhmann bewertet seine Theorie stattdessen am kohärentistischen Kriterium der Modellkonsistenz.

Soll die theoretische Modellierung ihrem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit gerecht werden, muss sie an ihrer Wirklichkeitsnähe kontrolliert werden. Ohne Durchgriff auf externale Referenzpunkte, kann dies nur über ihre wissenschaftssysteminterne Bewährung geschehen. Gemäß Luhmanns radikal-konstruktivistischer These kann Realität im selbstreferentiell geschlossenen System der Wissenschaft nur als Widerstand von eigenen Operationen gegen eigene Operationen errechnet werden (vgl. Luhmann 2017b: 15, 108 ff., 1995: 24, 2002: 254, 2015: 22). Ein theoretisches Modell kann daher als wirklichkeitsadäquat gelten, wenn es ansonsten unverbundene wissenschaftliche Beobachtungen in viabler und konsistenter Weise vernetzt, d. h. ohne auf systeminterne Widerstände aufzulaufen, und eine Vielzahl ansonsten unverbundener Erkenntnisse in einem gemeinsamen framework interpretierbar macht.

Die Theorie wird damit also nicht durch den Verweis auf ontologische Sachverhalte legitimiert, sondern durch die Konsistenz des eigenen Beobachtungszusammenhangs (zur Kohärenztheorie der Wahrheit vgl. Walker 2018; zu deren Zusammenhang mit dem Radikalkonstruktivismus vgl. Glasersfeld 1987: 402, 407 f.).[21] Dies eröffnet grundsätzlich Raum für alternative Arten der Modellierung – für Luhmann bedeutet Universalität der Theorie denn auch keineswegs einen Anspruch auf alleinige Richtigkeit (vgl. Luhmann 1987a: 34, 1991: 113) – doch es lassen sich zwei Anforderungen an konsistente Theoriekonstruktionen identifizieren, die diesen Raum scharf begrenzen.

Ein erstes Konsistenzerfordernis betrifft die bereits erörterte Reflexions- qua Wiedereintrittsfähigkeit der Theorie. Ein Theoriemodell mit Anspruch auf Universalität sollte in der Lage sein, auch sich selbst in seiner Gegenstandskonstruktion zu verorten. Hierzu müssen, wie oben gezeigt, geeignete re-entry-Anfangsunterscheidungen gefunden werden. Das Kriterium der Wiedereintrittsfähigkeit legt allerdings noch nicht fest, wie diese begrifflich formiert werden sollten – System und Umwelt ist schließlich nur eine mögliche Unterscheidung unter anderen. Zunächst wird hierdurch also nur der Standard festgelegt, den alle Theorien fortan erfüllen müssen, um als gleichwertige Alternativen in Betracht gezogen zu werden: „Machen Sie es anders, […] aber mindestens ebenso gut“ (Luhmann 1997a: 1133, vgl. hierzu auch: Luhmann 1987a: 30, 588, 651, 1990: 9 ff., 72, 412, 1997a: 187, 892 f., 1141, 2018: 18, 64).

Um zwischen solchen möglichen Alternativen zu unterscheiden, scheint Luhmann vorzuschlagen, dass Theorien von größerer Komplexität bevorzugt werden sollten, insofern diese eine größere Anzahl von Beobachtungen integrieren und damit der Wissenschaft eine tiefenschärfere Umweltbeobachtung erschließen.[22] Dabei ist leicht ersichtlich, dass Komplexität und Konsistenz sich tendenziell gegenläufig verhalten. Bei hochgetriebener Komplexität wird die konsistente Integration aller Beobachtungen zusehends unwahrscheinlich. Gelingt sie trotzdem ist dies gewissermaßen ein indirekter Beleg für die Adäquanz des theoretischen Modells (vgl. Luhmann 1990: 317).

Luhmann verabschiedet sich damit von einem korrespondenztheoretischen Wahrheitsverständnis und einer ontologischen Absicherung der theoretischen Weltbeobachtung. An die Stelle des Kriteriums der Korrespondenz tritt das kohärentistische Kriterium größtmöglicher, noch konsistenter Theoriekomplexität und Realitätsadäquanz kann dann nurmehr heißen: „Bestehen von selbstveranstalteten Konsistenzprüfungen“ (Luhmann 2018: 114 Fn. 32).

7 Judith Butler

7.1 Gegenstandsverhältnis der Theorie: Aktive Performation

Auch für Butler ist die Theorie unweigerlich in ihren Gegenstand verstrickt. Im Gegensatz zu Luhmann jedoch, der in der theoretischen Selbstzuwendung nach den Bedingungen eines dann noch möglichen, reflexiv-autologischen Universalismus sucht, reinterpretiert Butler die immer schon parteiische Perspektivität der Theorie als Aufforderung zur Übernahme politischer Verantwortung.[23] Die Theorie ist dabei nicht als bloß passive Beschreibung zu verstehen, sondern als aktive und parteiische Performation des Gegenstands, die diesen in und durch die Beschreibungsaktivität zugleich verändert und mit hervorbringt.

Butler geht, ähnlich wie Luhmann und im Unterschied zu Bourdieu, davon aus, dass kein objektivitätssichernder Standpunkt außerhalb des Sozialen erreichbar ist:

„My argument is that „critique,“ […] always takes place immanent to the regime of discourse/power whose claims it seeks to adjudicate […] There is no pure place outside of power“ (Butler 1995: 138 f.).

Die Theorie ist demnach selbst unweigerlich Teil jenes Zusammenhangs praktischer Performanzen, die durch die fortwährende Zitation normativer Raster des Intelligiblen (vgl. Butler 2004: 41 ff.) anerkennungswürdige Subjektpositionen (vgl. Butler 1999) hervorbringen.

„I have […] entered into the chain of performativity that I’ve been charting, implicating myself in the reproduction of the term, with far less power, admittedly, than those whose acts I describe“ (Butler 2021a: 122 f.).

Die Theorie nimmt aktiv an diesem sozialen Artikulationsprozess teil, und zwar nicht im Modus der neutralen Beobachtung, sondern der bewussten Parteinahme. Im Besonderen sieht sich die Theorie in einem wechselseitigen Konstitutionsverhältnis mit der politisch-emanzipativen Bewegung des Feminismus (vgl. Butler 2004: 175), in deren Rahmen sie sich als subversives Moment in die Kette normzitierender Performanzen einklinkt, um diese zu verschieben und zu verändern (s. u.).

Die Theorie ist damit immer schon eine politische und parteiische Aktivität (Butler 2004: 175, 1991: 14 ff.); sie greift in den Gegenstand ein und verändert diesen, indem sie die Möglichkeiten seiner Reartikulation und subversiven Neu-Performanz auslotet:

„Theory is an activity that does not remain restricted to the academy. It takes place every time a possibility is imagined, a collective self-reflection takes place, a dispute over values, priorities, and language emerges“ (Butler 2004: 175 f.).

Indem sie die Bruchstellen der ‚Normalität‘ aufzeigt und damit das Denken und Handeln neu strukturiert, ist die Theorie nicht nur eine Beschreibung des Bestehenden, sondern auch und v. a. eine aktive politische Praxis und ein Programm zur Hervorbringung des Neuen.

„Theory is itself transformative“ (Butler 2004: 204).

Mit einem Begriff von Michel Callon (2006) kann die Theorie damit als Performation des Gegenstandes verstanden werden, die diesen nicht nur passiv beschreibt, sondern gerade vermittels dieser Beschreibung aktiv mitgestaltet (vgl. Butler 2010: 153). Die Butlersche Theorie steht ihrem Gegenstand somit nicht in objektivitätssichernder Distanz gegenüber, noch kann sie als eine reflexionsüberlegene Zelle innerhalb des gesellschaftlichen Ganzen verstanden werden. Vielmehr ist die Theorie als aktive Agentin im konflikthaften Prozess der Gestaltung des Sozialen zu begreifen.

7.2 Aufgabe der Theorie: Kritik und Transformation

Als Performation des Gegenstandes besteht die Aufgabe der Theorie in dessen Transformation in und durch die theoretische Reartikulation selbst.

Butler geht davon aus, dass die soziale Normreproduktion weder automatisch noch perfekt verläuft. Allenthalben eröffnen sich die Möglichkeit zur subversiven Verschiebung, die für Butler die wesentliche Form politischen Handlungsvermögens darstellt (vgl. nur Butler 1999: 42, 119, 157 ff., 184 ff., 2004: 3, 47, 2005: 19, 2021a: 139 f., 1991: 23).

Die Theorie hat nun die Aufgabe, eine solche subversive Verschiebung zu ermöglichen, zu inspirieren und zu informieren (vgl. Butler 2004: 4, 8, 223 f., 2015: 32, 2021b: 31 ff., 2011: xxix; Butler & Tohidi 2017: 463), indem sie Sollbruchstellen und Möglichkeiten der Resignifikation aufzeigt:

„The critical task is […] to locate strategies of subversive repetition enabled by those constructions, to affirm the local possibilities of intervention through participating in precisely those practices of repetition that constitute identity and, therefore, present the immanent possibility of contesting them“ (Butler 1999: 188; Herv.d.Verf.).

Aufs engste verflochten mit der feministischen Bewegung, besteht die Aufgabe der Theorie als kritischem Reflexionsprogramm des politischen Emanzipationsprozesses (vgl. Butler 2000b: 264 f.) in der Subversion der bestehenden repressiven Ordnung und der Erschließung einer ‚lebbareren‘ Zukunft.

Die Theorie ist damit im Wesentlichen als Medium und Instrument der simultanen Kritik und Transformation zu verstehen. Im Gegensatz zur klassischen Konzeption aufklärerischer Kritik (s. 5.2) kann Butler dabei nicht beanspruchen, wahre Erkenntnisse über das eigentliche Wesen des Sozialen zu produzieren, die dann in einem zweiten Schritt einen politischen Prozess informieren könnten. Die Theorie ist vielmehr selbst Teil eines immer schon politischen Prozesses der performativen Artikulation der sozialen Welt. Die kritische Aufgabe der Theorie besteht dann nicht darin, falsche Vorstellungen zu desavouieren[24], was einen objektiven Maßstab der Wahrheit erforderte (s. o.), sondern gerade darin, die allgemein akzeptierten Schemata der Kategorisierung und Erklärung zu problematisieren. Diesen wird dann keine ‚wahre‘ Erklärung entgegengesetzt (vgl. Butler 2004: 209); stattdessen – und hierin geht Butler auch über die ironische Dekonstruktion (s. 6.2) hinaus – soll die Möglichkeit zu einer ‚besseren‘ Artikulation der bestehenden Ordnung eröffnet werden (s. 7.3).

7.3 Kriterium der Theorie: Kontrolle theoretischer Wahrheitseffekte

Eine Theorie, die von der Transformation ihres Gegenstands durch dessen Beschreibung ausgeht, kann sich nicht mehr an einem klassisch korrespondenztheoretischen Wahrheitsverständnis orientieren (vgl. Marchionni et al 2024: 17). Stattdessen muss es ihr um die Kontrolle der theoretisch zu verantwortenden ‚Wahrheitseffekte‘ (Foucault 2003: 521) gehen.

Wenn die Theorie selbst als performatives Skript verstanden wird, das den Gegenstand, den es beschreibt, immer zugleich mit hervorbringt und modifiziert, kann sie ihren Wahrheitsanspruch schlechterdings nicht in einem als unabhängig angenommenen Objekt verankern, das es nur möglichst genau zu erkennen gälte (vgl. Brookey & Miller 2005: 194). Die Butlersche Theorie beruft sich weder auf die korrespondenztheoretische Wahrheit ihrer Beschreibung, noch auf die Konsistenz des eigenen Begriffsnetzwerks; sie orientiert sich stattdessen an dem politisch-demokratischen Ideal, in und durch die theoretische Performation zu einer besseren sozialen Ordnung beizutragen.

Gute Theorien sollten, laut Butler, Beschreibungen anbieten, die dazu beitragen, die Welt ‚lebbarer‘ zu machen (Butler 2004: 4, 8, 219, 2015: 32, 2021b: 31 ff.; Butler & Tohidi 2017: 463). Dabei bleibt der normative Metawert der Lebbarkeit bewusst unterspezifiziert, entwirft also gerade keine substanzielle Utopie, sondern verpflichtet die Theorie einzig auf die (selbst)kritische Offenheit ihrer Performation des Gegenstands (Butler 2004: 226 f.).[25] Eine gute Theorie ist demnach eine Theorie, die gegen ontologisierende Einschränkungen hegemonialer Performationen ankämpft und diese wieder formbar zu machen sucht – und dies ohne ein neues, aber ebenso einschränkendes Ideal zu substituieren.

Umgekehrt werden andere Theorien, etwa eine Konzeptualisierung sexueller Differenz als anthropologischer Notwendigkeit, nicht aufgrund der Unwahrheit ihrer Annahmen abgelehnt, sondern aufgrund der Nicht-Wünschbarkeit ihrer restriktiven performativen Effekte[26]:

„Thus, as a transcendental claim, sexual difference should be rigorously opposed by anyone who wants to guard against a theory that would prescribe in advance what kinds of sexual arrangements will and will not be permitted in intelligible culture. The inevitable vacillation between the transcendental and social functioning of the term makes its prescriptive function inevitable” (Butler 2000a: 148; Herv.d.Verf.).

In diesem Sinne wird die normative Verantwortung und Inklusivität der Theorie zum relevanten Bewertungskriterium. Ich möchte argumentieren, dass dieses Kriterium ergänzt werden muss um die Kontrolle der Effektivität theoretischer Reartikulationsangebote in und für politische Bewegungen.[27] Eine gute Theorie muss demnach nützlich sein im emanzipatorischen Kampf um die Verbesserung der sozialen Ordnung. Effektivität scheint unter Bedingungen der performativen Konstitution der Wirklichkeit eine valide Möglichkeit zu sein, die Realitätsadäquanz einer Beschreibung zu kontrollieren, insofern allzu realitätsferne Performationen nicht von Erfolg gekrönt sein werden (vgl. Butler 2010: 153; van Basshuysen 2023; Vergara-Fernández et al 2023).

8 Zusammenfassung

Die obige Diskussion der exemplarisch ausgewählten Theoriekonzeptionen Bourdieus, Luhmanns und Butlers zeigt, dass es keine einheitlichen, verallgemeinerbaren Antworten auf die Frage gibt, was soziologische Theorie ist, d. h. in welchem Verhältnis sie zu ihrem Gegenstand steht, welche Aufgabe sie erfüllen soll und welchem Wahrheits- bzw. Gütekriterium sie genügen muss. Die Analyse von Theoriekonzeptionen kann interessante und bislang wenig beachtete Aspekte soziologischer Theorieangebote zutage fördern. Um darüber hinaus für Theoriensystematisierungen und -vergleiche relevant zu sein, muss jedoch davon ausgegangen werden, dass es nicht ebenso viele Theoriekonzeptionen wie Theorien gibt. Im Folgenden sollen in aller gebotenen Kürze die oben diskutierten Antwortstrategien Bourdieus, Luhmanns und Butlers zusammengefasst und mögliche theoriekonzeptionelle Parallelen zu anderen prominenten Theorieströmungen zumindest angedeutet werden. Die These theoriekonzeptioneller Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Autor:innen kann hierbei aus Platzgründen nicht ausreichend belegt werden und sollte stattdessen als programmatische Forschungsfrage für anschließende Arbeiten verstanden werden.

Pierre Bourdieu entwirft eine Konzeption von Theorie, die dem Anspruch auf eine objektiv verfahrende Sozialwissenschaft Ausdruck verleiht. Durch den doppelten Anspruch der soziologiesoziologisch vollzogenen Transzendierung des Gegenstands und des Zugangs zu dessen wesentlichen Prinzipien begründet die Theorie ein objektives Verhältnis zu ihrem Gegenstand. Davon ausgehend bestimmt Bourdieu die theoretische Aufgabe als aufklärerische Entbergung der den Gegenstand beherrschenden Wirkmechanismen. Dabei stützt sich das theoriekonzeptionelle Arrangement in seiner Selbstbegründung wie in seinem aufklärerischen Anspruch auf die Annahme einer objektiven Tiefenrealität des Sozialen. Eine gute Theorie muss diese Realitätsprinzipien möglichst getreu abbilden und beruft sich in diesem Sinne in ihrer Selbstevaluation auf ein korrespondenztheoretisches Verständnis von Wahrheit.

Niklas Luhmann demgegenüber betreibt Theorie als kunstvolle Modellierung des Gegenstandes, der gerade in seiner geschlossenen Eigendynamik nachgezeichnet werden soll. Das Verhältnis der Luhmannschen Theorie zu ihrem Gegenstand lässt sich am besten als eines der Selbstreferentialität beschreiben, insofern der Gegenstand nur als Beschränkung der Möglichkeiten eigener Vernetzungsoperationen erfahren wird. Die Theorieanlage wird entsprechend von ontologischen Absicherungen auf eine durch autologische re-entry-Begriffe vermittelte zirkuläre Selbstbegründung als gesellschaftliche Semantik umgestellt. Die Aufgabe einer solchen Theorie kann dann nurmehr in der ironisch-parodistischen Steigerung des Komplexitätsbewusstseins bestehen, die zugleich dekonstruktiv-kritisch und ‚fatalisierend‘ wirkt. In Ermangelung ontologischer Ankerpunkte, die Aussagen über definitive Wahrheiten oder Unwahrheiten legitimieren könnten, orientiert sich die Theorie in ihrer Abgrenzung zu anderen Beschreibungsangeboten an einer kohärentistischen Wahrheitsvorstellung, die Modellgüte mit durchhaltbarer konsistenter Komplexität gleichsetzt.

Judith Butler schließlich wendet den Befund der unvermeidlichen Eingebundenheit der soziologischen Theorie in ihren Gegenstand in die Forderung, diesen aktiv mitzugestalten. Die Theorie engagiert sich als subversive Performation des Sozialen im Kampf um dessen Reartikulation, wobei sie als kritische Reflexionsinstanz naturalisierte Denkkategorien aufsprengt und den emanzipativen Bewegungen, mit denen sie sich verbindet, Subversionspotentiale erschließt. Die Aufgabe der Theorie besteht mithin in der Mitwirkung an der Transformation des Gegenstands in Richtung auf eine lebbarere Zukunft. Dieses Ziel einer inklusiveren sozialen Ordnung informiert denn auch die theoretische Selbst- und Fremdbewertung. Theorien müssen demnach Verantwortung für die Welt übernehmen, die durch sie mit ermöglicht wird, wobei eine gute Theorie nicht nur selbstkritisch und inklusiv angelegt sein sollte, um einen demokratischen Aushandlungsprozess anleiten zu können, sondern auch ein effektives, d. i. wirklichkeitsadäquates, Vokabular zur Reartikulation der bestehenden Ordnung anbieten muss.

Die hier skizzierten Theoriekonzeptionen lassen sich wie folgt tabellarisch zusammenfassen:

Bourdieu

Luhmann

Butler

Gegenstandstands-verhältnis

Objektivierung

Selbstreferentialität

Engagement

Aufgabe

Aufklärung

Steigerung des Komplexitätsbewusstseins

Transformation

Bewertungskriterium

Korrespondenz

Konsistente Komplexität

Verantwortung

Eine Generalisierung der obig herausgearbeiteten Charakteristika der drei Theoriekonzeptionen kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass sich die Bourdieusche Theorie auf theoriekonzeptioneller Ebene z. B. mit inhaltlich so unterschiedlichen Theorieangeboten wie der Wert-Erwartungs-Theorie Hartmut Essers oder der Sozialphänomenologie Alfred Schütz‘ vergleichen lässt. Essers Verweis auf die anthropologische Natur des Menschen erfüllte demnach eine ähnliche objektivierende Funktion wie Schütz‘ theoretische Einstellung oder Bourdieus Programm der Objektivierungsobjektivierung und auch die Konsequenzen, die sich daraus für Aufgabe und Evaluation der Theorie ergeben, scheinen mir vergleichbar.

In analoger Weise lassen sich theoriekonzeptionelle Parallelen zwischen der Luhmannschen Systemtheorie und den poststrukturalistischen und postmodernen Theoriebeiträgen Derridas und Baudrillards, sowie der negativ-dialektischen Sozialphilosophie des späten Adorno aufweisen, insofern all diese Ansätze der Problematik geschlossener Sinnwelten auf die eigenen Theorieoperationen übertragen und sich entsprechend von klassischen Auffassungen von Kritik und einem korrespondenztheoretischen Verständnis von Wahrheit lossagen.

Schließlich muss m. E. die Latoursche Theorie, die selbst als Netzwerk verstanden werden will, welches verschiedene Aktanten versammelt, vor dem Hintergrund des bei Butler explizierten Theorieverständnisses neu gelesen werden. Demzufolge sind das ‚Parlament der Dinge‘ oder ‚Gaia‘ weder als träumerische Utopien noch als Beschreibungen des Gegenwärtigen, sondern als performative Skripte für die Verwirklichung einer lebbareren Welt zu verstehen.

An dieser Stelle muss es bei diesen Andeutungen bleiben. Genauere Analysen zum tatsächlichen Ausmaß und der Systematik der skizzierten Gemeinsamkeiten und Unterschiede müssen späteren Arbeiten vorbehalten bleiben, ebenso wie die Frage, ob und welche anderen Theoriekonzeptionen in der Soziologie verhandelt werden.[28] Stattdessen sollen im folgenden ausführlichen Ausblick die möglichen Potentiale der Theoriekonzeptionsanalyse für soziologische Theorienvergleiche erörtert werden, die die Anstrengungen für ein solches Programm als lohnend erscheinen lassen.

9 Ausblick: Konsequenzen für Theorievergleiche

Der Vergleich von Theorien ist ein in der Soziologie fest etabliertes Genre. Einleitend habe ich die verschiedenen soziologischen Vergleichsprojekte als eine Möglichkeit gedeutet, der theoretischen Fragmentierung der Soziologie Herr zu werden und dabei monistische von pluralistischen Ansätzen unterschieden.[29] Im Folgenden soll in aller gebotenen Kürze gezeigt werden, welche Konsequenzen die oben angestellten Überlegungen für derartige Projekte haben und wie sie dabei helfen können, die jeweiligen Stärken und legitimen Anliegen beider Ansätze zu integrieren.[30]

Die Theoriekonzeptionsanalyse bietet ein Verfahren zur Unterscheidung gleichartig und unterschiedlich konzeptionierter Theorien. Das im Folgenden zu entfaltende Argument besagt, das gleichartig konzeptionierte Theorien direkt verglichen werden können, unterschiedliche konzeptionierte Theorien dagegen bzw. darüber hinaus in einen pluralistischen Dialog gebracht werden sollten.[31]

Gleichartig konzeptionierte Theorien akzeptieren dieselbe Vorstellung von Position, Ziel und Bewertungskriterium der Theorie. Sie spielen, wenn man so will, dasselbe Spiel und sind sich über dessen Regeln weitestgehend einig. Es erscheint daher möglich, sie direkt miteinander zu vergleichen. Bislang gibt es für derartige direkte Vergleiche, trotz vielerlei Bemühungen (vgl. Opp 1978; Seipel 1999; Schmid 2001), kein allgemein akzeptiertes Schema. Die hier vorgeschlagenen Schritte sind denn auch nur als Skizze einer möglichen Herangehensweise zu verstehen.

Zunächst sollte Kommensurabilität hergestellt werden. Eine bewährte Möglichkeit hierzu bietet das von Anicker (2020) analysierte Vorgehen, gemeinsame Bezugsprobleme zu identifizieren und die zu vergleichenden Theorien als Lösungsalternativen zu interpretieren. Zwei theoretische Lösungsangebote können dann grundsätzlich in einem Verhältnis der Redundanz, der Komplementarität oder der Konkurrenz stehen (vgl. Hondrich 1976: 20; Braun 2017: 26).

Redundante Theoreme können durch eine sprachliche und/oder logische Übersetzungsarbeit ineinander überführt werden (vgl. Frings 2010: 145 f.); gerade bei ‚Grand Theories‘ wird dies jedoch selten der Fall sein. Komplementär sind zwei Lösungsansätze hingegen, wenn sie einander widerspruchsfrei ergänzen. In diesem Fall kann nach Möglichkeiten der Synthese gesucht werden (vgl. ebd.: 143 ff.), wobei auch hier ein zunehmender Komplexitätsgrad zur Vervielfältigung von nicht-komplementären Bestandteilen führen dürfte.

Im Verhältnis der Konkurrenz schließlich befinden sich Theorien, die in Bezug auf dasselbe Problem zu konträren Aussagen kommen. In solchen Fällen könnte ein empirischer Theorienvergleich zur Klärung beitragen. Der Empiriebezug ist dabei in einem weiteren Sinne zu verstehen. Einschlägige Projekte setzen empirische Bewährung normalerweise mit größerer Erklärungskraft gleich. Aus der obigen Diskussion ist jedoch hervorgegangen, dass nicht alle Theoriekonzeptionen (nomologische) Erklärungen als Theorieziel und korrespondenztheoretische Wahrheit als Bewertungskriterium akzeptieren. Ein empirischer, aber theoriekonzeptionssensibler Theorienvergleich müsste also auf die theoriespezifischen Anforderungen an theoretische Bewährung Rücksicht nehmen.[32] Es mag eingewendet werden, dass Kriterien wie Modellkomplexität oder Emanzipationskraft schwierig zu messen sind und stark von subjektiven Interpretationen abhängen. Andererseits zeigt gerade das Beispiel des ‚Forschungsverbunds Vergleichende Theorientestung‘, dass auch das scheinbar eindeutige Kriterium relativer Varianzaufklärung interpretationsbedürftig ist und kritisch ergänzt werden muss (vgl. Opp & Wippler 1990: 229 f.; auch Frings 2010: 142 f.). Der empirische Weltbezug in Theorienvergleichen sollte daher nicht als unparteiische Richterin verstanden werden, die eindeutige Antworten für oder gegen eine Theorie, sondern vielmehr eine Gesprächsgrundlage liefert, die eine kritische Diskussion der Ergebnisse ermöglicht, aber nicht ersetzt (vgl. auch Baumann & Bonacker 2008: 230; Lindemann 2005). Konkurrenzbeziehungen sollten demnach m. E. als wechselseitige Irritationen verstanden werden, die zu einer Weiterentwicklung aller verglichenen statt zur Elimination ‚unterlegener‘ Theorieangebote anregt.

In der Realität kommt es freilich sowohl bei der Feststellung von Redundanz-, Konkurrenz- und Komplementaritätsverhältnissen als auch bei deren Bearbeitung durch Übersetzung, Testung oder Synthese zu Schwierigkeiten und kontingenten Entscheidungen. Damit ist hingegen nicht die Unmöglichkeit von Theorienvergleichen dieser Art bewiesen, sondern lediglich deren Nicht-Trivialität und die Notwendigkeit der kritischen Diskussion ihrer Ergebnisse.

Soweit zum Vergleich gleichartig konzeptionierter Theorien. Unterschiedlich konzeptionierte Theorien können zwar ebenfalls in der oben beschriebenen Weise verglichen werden und dies mag auch durchaus produktiv sein. In diesem Fall wird allerdings einer Theorie der Bewertungsmaßstab einer anderen Theoriekonzeption aufgezwungen. Dies kann, um dies nochmals zu betonen, durchaus ein fruchtbares Unterfangen sein, insofern auch eine konzeptionell ‚gegen den Strich‘ gelesene Theorie als Vergleichsfolie interessante Einsichten liefern kann (vgl. schon Opp 1978: 1133). Gefordert werden kann jedoch, dass ein solcher theoriekonzeptionsunsensibler Vergleich als solcher reflektiert und eingeordnet wird. Ein Vergleich von Luhmanns System- und Bourdieus Feldbegriff etwa sollte dem unterschiedlichen ontologischen und theoriefunktionalen Status dieser Begriffe Rechnung tragen.

Unterschiedlich konzeptionierte Theorien können (und sollten) hingegen auch in ihrer je spezifischen Eigenlogik miteinander in Dialog gebracht werden. Ein geeigneter Weg hierzu scheint mir zu sein, die unterschiedlich konzeptionierten theoretischen Perspektiven und deren jeweilige Vorteile in der Erforschung eines konkreten Forschungsgegenstandes zu verbinden. Ich möchte argumentieren, dass sich die Theorien Bourdieus, Luhmanns und Butlers (als Exempel dreier unterschiedlich konzeptionierter Theorieperspektiven) nicht gegenseitig ausschließen, sondern einen je spezifischen Beitrag zu einer umfassenden Darstellung eines sozialen Phänomens[33] leisten können.

Die Luhmannsche Systemtheorie (oder eine ähnlich konzeptionierte Theorie) könnte in einer solchen multiperspektivischen Kooperation zunächst eine Steigerung des Problem- und Komplexitätsbewusstseins leisten. In diesem ersten Schritt geht es nicht um eine (nomologische) Erklärung des Sachverhalts, sondern seine Problematisierung durch die Bereitstellung einer ‚inkongruenten Perspektive‘ (vgl. Luhmann 1987a: 88) und die ‚horizontale‘ Einbettung in den gesellschaftlichen Sinnzusammenhang. Damit soll zum einen die Übersetzung des Sachverhalts in eine theoretisch-empirische Problemstellung vollzogen, zum anderen deren Relevanz für das gesellschaftliche Ganze und die theoriegeleitete soziologische Forschung bestimmt werden.

Eine Theorie wie die Bourdieus könnte, darauf aufbauend, das in dieser Weise problematisierte Verhalten der beteiligten Akteure in Relation zu den gegebenen Opportunitätsstrukturen erklären und das Phänomen dadurch gleichsam ‚vertikal‘ durchdringen. Das Ziel hierbei ist, Regelmäßigkeiten sozialen Verhaltens zu identifizieren, Handlungsmotive zu verstehen und damit ggf. Prognosen für strukturell ähnliche Situationen zu ermöglichen.

Die Butlersche Theorie schließlich müsste, ausgehend von dieser Beschreibung des Ist-Zustands, dessen kritische Reflexion und Neubeschreibung anleiten und Subversionspotentiale in Form von resignifizierenden Handlungsoptionen erschließen. Es ginge dann nicht mehr um die Problematisierung des Phänomens als erklärungsbedürftiges Explanandum, sondern um die Problematisierung des normativen Gehalts des Phänomens und seiner soziologischen Beschreibung, mit dem Ziel das Koordinatensystem der wissenschaftlichen Beobachtung neu auszurichten und an seiner normativen Nützlichkeit zu kontrollieren.

Die Theoriekonzeptionsanalyse kann, folgt man dem Argument, zur kritischen Reflexion und Restrukturierung soziologischer Theorienvergleiche beitragen, die die jeweiligen Vorteile monistischer und pluralistischer Ansätze vereint. Zu diesem Zweck wurde ein idealisierter und womöglich allzu idealistischer Vorschlag skizziert, den es in kollektiver Arbeit weiter auszuarbeiten gälte. Mir scheint hingegen, dass ein metatheoretisch informierter Idealismus nicht die schlechteste Möglichkeit sein könnte, der forschungspraktischen Fragmentierung zu begegnen.

Über den Autor / die Autorin

Fabian Schaffer

Fabian Schaffer, Soziologe; beschäftigt sich mit der Logik und Ästhetik soziologischer Großtheorien. Studium der Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Kopenhagen.

Forschungsinteressen: Soziologische Theorie; Metatheorie; Wissenschaftsphilosophie; Neomaterialismus.

Danksagung

Mein herzlicher Dank gilt der Herausgeber:innenschaft der ZfS und den beiden anonymen Gutachter:innen für deren konstruktive Kritik und wertvolle Anmerkungen zu einer früheren Version dieses Artikels.

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Online erschienen: 2025-05-06
Erschienen im Druck: 2025-06-03

© 2025 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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Downloaded on 15.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zfsoz-2025-2013/html
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